4 minute read

Kolumne

Die italienische Sprache hat ihre Tücken!

Die aktuelle Corona-Krise hat das Tessin sehr stark heimgesucht. Obwohl wir seit jeher gewohnt sind, im Frühling ins Tessin zu gehen, die Blütenpracht und den erwachenden Garten zu geniessen, mussten wir in diesem Jahr zu Hause bleiben.

Peter Santschi Brienz

Das hätte mir eigentlich die Gelegenheit gegeben, jetzt endlich besser Italienisch zu lernen, wie wir uns das schon lange vorgenommen ha ben. Warum es nicht dazu kam, will ich Ihnen erklären: Englisch und Französisch habe ich in der Schule gelernt und dann im Sprachgebiet verbessert. Italienisch aber habe ich mir von meinen Tessiner Nachbarn, in Geschäften und im Alltagsgebrauch angeeignet. Meine Erfahrung war die, dass man sehr schnell lernt was man braucht, weil man es eben lernen will. Man muss in einer neuen Sprache erst einmal die Zahlen lernen. Preise, Zeiten, Entfernungen – alles braucht man immer wieder und muss es kennen. Das habe ich mir stets gemerkt und vor einer Reise gelernt. Sogar die finnischen Zahlen habe ich vor unserer Fahrt über Helsinki ans Nordkap gelernt und kann sie heute noch. Ich kann damit immer einen Heiterkeitserfolg erzielen, wenn ich anfange zu zählen: «Yksi, kaksi, kolme, neljä, viisi» und so weiter. Zehn heisst dann «kymmenen», zweiundzwanzig ist «kakskymmenta kaksi», also zwei zehn und zwei. Ganz logisch, oder? Italienisch ist es noch viel leichter.

Als Hobbykoch gehört im Tessin auch das Einkaufen zu meinen Pflichten. Wenn ich im grossen «Coop» oder bei «Manor» die banausigen Deutschschweizer Touristen sehe, die mit dem Zeigefinger auf die Scheibe vor Fisch und Fleisch tappen und sagen: «da questi», dann denke ich immer: Zum Glück habe ich begriffen, dass ich auch alle Lebensmittel kennen muss. So kenne ich alle Fleisch- und Fischsorten, sogar so spezielle Dinge wie den «Branzino» (Wolfsbarsch) oder «Pescatrice» (Seeteufel) und komme ohne den blamablen Zeigefinger an der Scheibe über die Runden. Auch für Spezialitäten wie etwa beim «Capretto di Pasqua», also Ostergitzi, komme ich nicht ins Schleudern. (Beim Gemüse bin ich dann aller dings etwas weniger sattelfest…)

Und trotzdem gibt es beim Einkaufen Tücken, die mich in Schwierigkeiten bringen. Ausgerechnet bei unserer geliebten Losoner Bäckerei ist mir so etwas passiert. Als Frühaufsteher gehe ich nämlich vor sieben Uhr zu Fuss ins Dorf. Um halb sieben wird die Bäckerei geöffnet. Das beleuchtete Schaufenster glänzt wie ein kleines Schlaraffenland und der Duft der frischen Backwaren – ach, da bekomme ich grad wieder Heimweh! Weil wir praktisch immer das gleiche kaufen, kann ich die Bestellung am Ladentisch wie ein geborener Tessiner herunter rattern: «Un piccolo pane rotondo segale, due michette cinque cereali e due panini al latte». Sie sollten mich einmal hören können! Jetzt kommt aber das Problem: Es gibt zwei Sorten Weggli, die mit zwei Teilen zum Auseinanderreissen

«Der Duft der frischen Backwaren – ach, da bekomme ich grad wieder Heimweh!»

Ein «Zmorge» mit frischem Gebäck im üppig bewachsenen Tessiner Garten ist immer ein gemütlicher Start in den Tag.

Was gibt es besseres als ein frisches Weggli? Und beide Sorten haben durchaus ihren Reiz!

und die schönen runden mit den lustigen Spitzchen oben drauf. Wir wollen immer die mit den Spitzchen – so will es die Tradition. Nun hat es dort drei Damen im Verkauf. Die freundliche Chefin, eine am Morgen notorisch schlecht gelaunte Verkäuferin mit Kurzhaarschnitt und eine kleine, dunkelhaarige, freche Verkäuferin, die immer schon zum Scherzen und Lachen aufgelegt ist. Als ich einmal mit ihr allein im Geschäft war, fragte ich sie, wie die Spitzenweggli richtig heissen um den peinlichen Zeigefinger künftig zu vermeiden. Mit schelmischem Lachen legte sie ihre kleinen Fäustchen an die Schläfen und streckte die beiden Zeigefinger aus um damit Hörner anzudeuten. «Al Diavolino», lachte sie und mimte wirklich ein kleines Teufelchen. Wunderbar, das vergesse ich nie mehr! Mit dieser Überzeugung verliess ich den Laden.

Am nächsten Morgen hatte die Chefin Dienst und ich präsentierte ihr meinen Spruch mit dem neu gelernten Ausdruck der «Teufelsweggli» samt der kleinen Pantomime. Aber oha – keine Reaktion, nur pures Unverständnis! Sollte mich das kleine freche Ding etwa angeschwindelt haben? Die Chefin erklärte mir nun ausführlich, die Spitzchen hiessen richtig ‚Punte‘ und die gewünschten Weggli «panini al latte con punte.» Bei meinem nächsten Besuch waren alle drei Verkäuferinnen da. Ich ging natürlich zum schwarzhaarigen «Teufelchen» und verlangte «Diavolini». Bevor das Gelächter losging, korrigierte ich mich und sagte: «No, scusi, oggi prendi con punte!»

Allseitige Heiterkeit brandete auf und die Sache wurde wortreich aufgeklärt. Liebe Leserin, lieber Leser, sehen Sie nun, warum ich mich immer wieder davor drücke, besser italienisch zu lernen? Und wenn ich unsere vielen gefrusteten Kinder als Französischlernende in den Schulen sehe, sollten wir doch endlich einen Weg finden, ihnen viel mehr Erlebnisse und Begegnungen im Originalsprachgebiet zu ermöglichen. Einkaufen in fremdsprachigen Bä ckereien wäre vielleicht gar kein schlechter Anfang.

Goldschmiede-Atelier Peter Hablützel

Handgefertigt–individuell

Marktgasse 35 Interlaken www.pierresuisse.ch www.kamoga.ch

This article is from: