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Kolumne
from BrienzInfo März 2020
by WEBER VERLAG
«Vulkane, Kunsthandwerk und Treue zur alten Kultur»
Einblicke in ein Land, dessen Volk über Jahrhunderte wertvolle kulturelle Eigenheiten bewahrt hat und trotz immer neuen Naturkatastrophen seiner Heimat treu bleibt.
Peter Santschi Brienz
In unserem Autoradio waren die 9-Uhr-Nachrichten vom 8. Januar fast zu Ende – da kam noch die Meldung: «In Guatemala ist erneut der ‹Volcano de Fuego› ausgebrochen. Es gab zahlreiche schwere Explosionen. Aschewolken erreichten eine Höhe von 4800 Meter über dem Meeresspiegel. Über Schäden ist noch nichts bekannt.» Erschrocken schauten wird einander an. Gerade im letzten November waren wir auf einer Reise durch Mittelamerika auch in Guatemala gewesen. Wir hatten einen Tagesausflug ins be rühmte Hochland gebucht, und auf einer abenteuerlichen Strasse brachte uns ein Bus zum Hochplateau der antiken Stadt Antigua. Rings herum stehen elf Vulkane, von denen mehrere noch aktiv sind. sind vorwiegend die Nachkommen der Mayas. Antigua ist als historische Stadt UNESCO-Weltkulturerbe.
Die Fahrt mit dem Bus führte uns an unzähligen Baustellen vorbei und wurde zum Teil über eine unfertige Notstrasse geführt. Auf der rechten Seite stand der imposante Feuervulkan, den jetzt oben am Krater nur ein harmloses Räuchlein zierte. Der einheimische Führer erzählte vom verheerenden Ausbruch im Juni 2018. Damals war die Strasse verschüttet worden. Hunderte Menschen waren ums Leben gekommen. 201 Tote wurden nach diesem Ausbruch gefunden, weitere 229 gelten seither als vermisst. «Wieso baut man jetzt wieder am gleichen Ort auf?» fragte ich den Führer. Er antwortete: «Es ist unsere Heimat. Die Alarmierung wird immer besser. Und wo sollten wir denn hingehen?» Seit 1586 sind über vierzig Ausbrüche dokumentiert. 1773 wurde Antigua, das damals Hauptstadt der spanischen Kolonien in Mittelamerika war, durch ein Erdbeben fast vollständig zer stört. Die Hauptstadt wurde verlegt und ist seither in Guatemala Stadt. Antigua hatte früher 50000 Einwohner. Heute sind es nur noch 1500. Es Der Bus führte uns an der Stadt vorbei in ein Wäldchen am Hang. Wir konnten in einer Lichtung aussteigen und kamen zu einer Ansammlung steinerner Hütten. Dort herrschte emsiges Treiben. Eine Grossfamilie – oder wohl eher eine richtige MayaSippe – betreibt dort eine Weberei.
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Guatemala ist berühmt für seine wunderbar leuchtenden Farben und die kunstvoll gewebten Muster. Ohne Webstuhl, mit einem einfachen Geflecht, das an einem Baum oder Pfosten befestigt wird, sitzen die Frauen im Freien und arbeiten an ihren prächtigen Webereien. Besucher werden empfangen und informiert. Stolz präsentieren sie ihre Arbeiten und möchten natürlich möglichst etwas verkaufen. Auf eine unaufdringliche Art wird man durch diesen Familienbetrieb geführt. Der alte Patron zeigt Bilder aus früherer Zeit. Es sind verblichene Schwarzweissfotos mit den Maya-Ahnen und auch Bilder mit Zerstörungen durch den Vulkan. Am Rand der Lichtung ist eine Art Unterstand, wo ein Holzkohlengrill glüht. Dort klatscht ein altes Müeti aus bereit stehenden Teigkugeln kleine runde Teigplätzchen zurecht. Diese werden kurz auf dem Grill gebacken und an die Gäste verteilt. (Ohne Handschuhe und Hitzeschutz. Das Müeti muss schon unempfindliche Handflächen haben.) Vorne steht eine Schüssel mit einer Paste aus schwarzen Bohnen. Die streicht man aufs Plätzchen, rollt alles zusammen und isst es von Hand. «Tortillas», strahlt das Müeti und zeigt seinen einzigen Vorderzahn. Kein Geschirr, keine Papierservietten, keine Umstände! Und wer möchte, kann aus dem bereit stehenden Tonbecher noch einen Schluck bitteren Tee trinken. Der Vulkan wird nicht erwähnt. Sie fühlen sich dort an der Talflanke offenbar sicher. Und wenn er einmal doch kommt – dann muss man halt flüchten!
Wir haben uns auf der Rückfahrt angeregt über das Gesehene unterhalten. Diese Nachkommen der Mayas mit ihrem einfachen Leben und dem Hochhalten von Tradition und überliefertem Kunsthandwerk haben uns beeindruckt. Sogar für ihr Ausharren unter den Vulkanen bringen wir plötzlich Verständnis auf. Und wenn sie zu uns kämen, würden sie sich vielleicht auch wundern, dass bei uns Dörfer unter drohenden Bergstürzen und Lawinen wieder aufgebaut werden. Die Verbundenheit aller Bergbewohner und ihre Liebe zur Heimat sind offenbar überall grösser als die Angst vor Naturkatastrophen.
PS: Der Ausbruch von Anfang Januar hat glücklicherweise zu keinen weiteren Toten oder Verletzten geführt.
Goldschmiede-Atelier Peter Hablützel
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