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Maud Koch: «Auch im Schulall tag bist du auf der Bühne

Seit zehn Jahren unterrichtet die Bernerin Maud Koch als Sekundarlehrerin am Spiezer Oberstufenzentrum Längenstein – sowohl Sprachen wie auch Tanz und Theater.

Maud Koch: «Auch im Schulalltag bist du auf der Bühne»

Maud Koch ist Schauspielerin, Tänzerin und Lehrerin am Oberstufenzentrum Längenstein. Wegen Corona unterrichtet sie sogar Tanzen und Theater per Video.

Still und verlassen liegen die Gebäude des Oberstufenzentrums Längenstein an diesem sonnigen Mittwochvormittag Ende März da. Keine Kinderstimmen, keine ein- und ausgehenden Schülerinnen und Schüler, keine Pausenglocken, der Parkplatz vor dem Eingang fast leer. Etwas mehr als eine Woche ist es her, seit der Bundesrat wegen der Corona-Pandemie per Notrecht praktisch das ganze öffentliche Leben inklusive Schulen stillgelegt hat. Im Wissen, dass Fotograf Erich Häsler vorgängig Porträtaufnahmen meiner Interviewpartnerin fürs Titelblatt aufnimmt, begebe ich mich auf den Pausenplatz. Prompt finde ich die beiden hier. Maud Koch schaut sich auf dem Kamerasucher die soeben geschossenen Bilder an, Erich Häsler faltet den Blitzreflektor zusammen, klappt das Stativ ein. Wir alle halten schön brav den Mindestabstand von zwei Metern ein, was noch immer eine gewisse Verlegenheit hervorruft. Maud, die in Bern wohnt und hier unterrichtet, ist gross und schlank, mit markantem Gesicht und klarem Blick. Dass sie Schauspielerin und Tänzerin ist, kann ich mir gut vorstellen. In einem Unterrichtsraum sitzen wir uns an zusammengeschobenen Pulten gegenüber.

Maud Koch, wie geht es dir persönlich und deiner Familie in diesen «verrückten» Corona-Zeiten?

Uns allen geht es gut! Ich bin einfach nur dankbar und glücklich, dass wir in unserer Wohnung in Bern zusammen sein können. Natürlich gibt es Wermutstropfen: Die beiden Kinder vermissen die Grosseltern, die wir im Moment konsequent nicht sehen. Ich vermisse den Kontakt zu meinen Schülerinnen und Schülern. Mit den Grosseltern haben wir täglich per Telefon oder schriftlich Kontakt. Nach einer turbulenten Woche haben wir uns nun aber sehr gut einrichten können.

Ist die Corona-Krankheit für deine beiden dreiund fünfjährigen Kinder etwas Vorstellbares?

Also – wenn irgendetwas schief läuft, dann sagen sie oft: «Das ist wegen dem Virus!». Sie können sich nur diffus etwas vorstellen. Sie begreifen es natürlich nicht. Sie wissen, sie müssen sich die Hände waschen und sich auf wenige Freunde beschränken. Aber sie machen das gut!

Wie erlebst du als Lehrerin den verordneten «Fernunterricht»?

Es geht wirklich sehr gut. Von Werken über Sport zu Sprachen und naturwissenschaftlichen Fächern – alles ist möglich. Wenn man genug kreativ und engagiert ist, geht das tipptopp. Ich bin so froh, sind wir hier im «Längenstein» schon so weit digitalisiert. Klar, ich vermisse den täglichen Kontakt, den ich nur noch via Videokonferenzen habe. Wir sind aber sehr gut eingerichtet: Jeder Schüler hat ein iPad, darauf die App «Google Classroom». Das alles hat die Umstellung extrem erleichtert.

Es gibt ja Firmen und Schulen, die Home Office fast nicht aufziehen können, weil sie die Infrastrukturen dafür nicht haben...

Genau, ja! Ich finde insbesondere das Schulzentrum Längenstein ist wirklich beispiellos – mit dieser Ausrüstung, mit all dem Wissen, das wir schon haben. Die Hauptverantwortlichen sind bei uns seit Jahren auf dem neusten Stand, bei der IT, aber auch beim Material. Ich weiss einfach, dass es im Vergleich zu manchen Schulen in Bern, wo ich wohne, problemlos läuft. Auch unseren Schulleiter und den Abteilungsleiter Bildung bewundere ich,

etwa dafür, wie gut sie kommunizieren, auch mit den Eltern. Mir persönlich ist extrem wichtig, die Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern nicht zu verlieren, den Faden nicht abreissen zu lassen, auch Verbindlichkeit einzufordern.

Wenn du dieser Corona-Krise etwas Positives abgewinnen kannst, was ist es in erster Linie?

Die Reduktion auf das, was wirklich wichtig ist im Leben. Zusammensein mit den engsten Vertrauten, mit den Liebsten, für einander da sein. Ich erlebe auch im Quartier ganz grosse Hilfsbereitschaft und Solidarität. Man nimmt aufeinander Rücksicht.

Und die Schattenseiten, wie erlebst du sie?

Die machen mir schon auch Sorgen. Gerade für einige Freunde von uns, die im künstlerischen Bereich tätig sind, ist dies eine existenzielle Krise. Wir versuchen sie zu unterstützen, indem wir zum Beispiel einen Tanzkurs dennoch bezahlen, obwohl er nicht stattfindet. Ich selbst bin im Moment weder als Tänzerin noch als Schauspielerin irgendwo engagiert. Aber einige Aufträge als Coach musste ich schweren Herzens absagen. Hier am Längenstein gebe ich ja Tanzunterricht, als Freifach. Wir haben eine sehr talentierte Tanzgruppe. Mit dieser hätten wir zum dritten Mal den Titel am kantonalen School Dance Award verteidigen wollen. Das und andere Auftritte wurden leider abgesagt. Mit den Schülerinnen und Schülern vom Freifach Schauspiel kann ich nicht am Schultheater-Festival und am Stadtfest in Bern teilnehmen. Das tut umso mehr weh, als sie über Monate darauf hin geprobt haben.

Wie läuft denn der Tanz als Fernunterricht – schickst du da ein Video mit Bewegungsabläufen?

Genau! Ich schicke allen ein Tutorial mit einem Tanz, dann lernen sie den zu Hause und schicken ein Video zurück. Zudem nehmen alle bei sich zu Hause ein Video von einem Tanz auf, gestalten die Choreografie, und dann schneiden wir es zusammen.

Wenn auch Tanzlektionen von Maud Koch nie so ablaufen, schon gar nicht an der Wandtafel: Während der Corona-Krise versucht sie als Lehrerin, die Motivation der Schülerinnen und Schüler im Video-Fernunterricht aufrechtzuerhalten.

Immer wieder ist Maud Koch auch auf Theaterbühnen zu sehen. Hier in der letztjährigen Berner Freilichtaufführung «Tüüfelskreis» in der Rolle von Gladys Eysenach.

Nun ganz unabhängig von Corona: Die meisten von uns haben ja keine Ahnung, was es heisst, auf der Bühne zu stehen. Welches ist die Hauptherausforderung?

Man exponiert sich, gibt viel von sich selber preis, man wird verwundbar. Und authentisch zu sein, das ist sicher eine weitere Herausforderung. Alles andere berührt das Publikum nicht. Vielleicht bringt einen etwas zum Lachen, ist witzig – aber das Herz berührt es nicht.

Wer als Angestellter, der im Hintergrund arbeitet, mal einen schlechten Tag hat oder gerade einen schlimmen Streit erlebt hat, kann sich oftmals «durchmogeln». Wie gehst du damit um, wenn du auftreten musst?

Es gab schon den einen oder andern Tag, an dem ich «mit dem falschen Bein» aufgestanden war. Aber sobald du schon nur die Garderobe eines Theaters betrittst, bist du wie in einer anderen Welt, dann bist du in deiner Routine, in deinem Engagement. Da vergisst du all die Probleme und bist voll in der Welt der Figur, die du darstellst. Die Energie, die du nach einem Streit entwickelt hast, kannst du im besten Fall sogar umsetzen für «deine» Bühnenfigur. Ich kann wirklich sehr gut abschalten. Auch im Schulalltag bist du eigentlich immer auf der Bühne. Den Schülern kann ich da auch nichts vorspielen, die spüren, wie es mir geht.

Kannst du überhaupt noch Theater spielen neben dem Unterrichten?

Ja, gerade letzten Sommer hatte ich die Hauptrolle in einem grossen Freilichttheater in Bern. Es hiess «Tüüfelskreis». Allerdings musste ich für die sehr intensive Probezeit mein Arbeitspensum stark reduzieren. Ich bin sehr dankbar, dass mir meine Schulleitung dies ermöglicht hat. Bis 2010, als ich mit Unterrichten begann, war ich vor allem Tänzerin – Stepptanz und Hip-Hop. Davon lebte ich auch. Danach änderte es sich total, das Theater packte mich.

Das ist wohl recht streng, neben Familie und Unterricht...

Ja! (lacht) Diese Phasen sind jeweils etwas intensiv. Ich geniesse es zwar immer, auch etwas für mich zu machen. Aber für meinen Mann wird es schon sehr streng, wenn er nach der Arbeit jeden Abend alleine zu den Kindern schauen muss. Er hat kürzlich eine neue Stelle als Unternehmensberater angetreten, aber bis vor kurzem hatte er einen Bürojob bei einer grossen Versicherung.

Eine ganz andere Welt als deine – trocken, so auf den ersten Blick!

Finde ich auch, für mich auch auf den zweiten Blick! (lacht) Da sind wir ganz unterschiedlich, aber ergänzen

uns gut. Klar ist aber auch: Zu viele Engagements im Theaterbereich will ich nicht annehmen. Ich möchte Zeit haben für meine Kinder.

Was bedeuten dir Erfolg und Anerkennung, die ja in der Schauspielerei eine grosse Rolle spielen?

Früher hat mir das besonders viel bedeutet. Es hat mich irgendwie belohnt für die vielen Opfer, die ich erbracht habe. «Opfer» ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber wenn die anderen jeweils in den Ausgang gingen am Abend, musste ich ins Training. Aber auch heute sage ich: Erfolg und Anerkennung tun einfach gut und geben Bestätigung! Es ist mir auch wichtig, meinen Schülerinnen und Schülern Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Deshalb hat es mich so geschmerzt, dass wir in den letzten Monaten so auf unsere Auftritte hin gearbeitet haben – und nun ist alles abgesagt wegen Corona. So gut wie möglich schaffen wir nun Ersatz mit Video-Produktionen.

Apropos Erfolg: 2004 warst du StepptanzWeltmeisterin in der Kategorie Small Group. Wie kamst du zum Stepptanz?

Als ich als Kind in die Schule kam, habe ich vieles ausprobiert: Tennis, Karate, auch Kunstturnen. Irgendwie blieb ich dann beim Stepptanz hängen. Das gefiel mir wegen der musikalischen und rhythmischen Komponente, und wegen der Bewegungskomponente. Meine Stärke ist eher das Koordinative. Auf den Titel der Stepptanz-Weltmeisterin habe ich mir nie extrem viel eingebildet. Kann man Stepptanz bewerten? Ist es Kunst? Ist es Sport? Es nehmen ja nicht, wie an einer Olympiade, die Besten der Besten teil, sondern diejenigen, die wollen.

Wir leben in einer recht narzisstischen Gesellschaft – man produziert sich, stellt sich dar, nicht nur im Tanz und im Theater...

(studiert lange) Diese Entwicklung macht mir eigentlich Angst. Wenn der grösste Narzisst der Welt der mächtigste Mensch der Welt wird... Das verdreht die Wahrheit, die es zwar sowieso nicht gibt, noch mehr. Klar, jeder hat seine eigene Wahrheit, aber man kann sie heute viel mehr nach Aussen tragen in all den Kanälen, die zur Verfügung stehen. Zum Narzissmus muss ich aber auch sagen: In meiner Rolle in «Tüüfelskreis» spielte ich Gladys, eine sehr narzisstische Frau. Das war so toll, so befreiend, mal jemanden zu spielen, der mir eigentlich sehr fern ist! Das ist das Tolle am Schauspielern, dass du in ganz andere Rollen schlüpfen kannst. Das kann so gut tun! (lacht)

Wir kommen bereits zum Schluss. Deshalb unsere erste Standardfrage: Was gefällt dir als Bernerin hier in Spiez besonders?

Mir gefällt alles an Spiez! Besonders die Lage am See. Und der Niesen: Der Niesen ist mein Lieblingsberg. Ein so faszinierender, perfekter Berg! Ich komme nun seit zehn Jahren beruflich nach Spiez, und dennoch muss ich manchmal am Morgen ein Foto aufnehmen vom Niesen. Mir gefällt auch die Art der Leute – so unaufgeregt, freundlich, trotz der ländlichen Gegend weltoffen. Auch das Schulhaus gefällt mir, ich bin hier im Längenstein so wohl. Ich finde die Jugendlichen und das Kollegium toll, die Schulleitung hoch professionell. Wie sich unsere Schule immer weiterentwickelt, beeindruckt mich. Meine Arbeitsoase, sage ich jeweils.

Zweite Standardfrage: Was würdest du ändern in Spiez, wenn du könntest?

Ich möchte nichts ändern. Als ich vor zehn Jahren hier für mein Vorstellungsgespräch aus dem Zug stieg, verliebte ich mich sofort in diesen Ort. Klar, einige meiner Schülerinnen und Schüler würden sich wohl mehr Ausgehmöglichkeiten wünschen, aber für mich ist es perfekt so.

Interview: Jürg Alder Bilder: ald/z-arts.ch

Tänzerin, Schauspielerin und Lehrerin

Die 36-jährige Berner Tänzerin und Schauspielerin Maud Koch ist zusammen mit ihrer fünf Jahre älteren Schwester als Tochter eines Chirurgen und einer Lehrerin in Schliern bei Köniz aufgewachsen. Ihre Schwester Sarah, «eine wichtige Bezugsperson» für sie, lebt als Diplomatin in Kamerun. Seit 2010 ist Maud Koch hauptberuflich Sekundarlehrerin am Oberstufenzentrum Längenstein in Spiez, wo sie Sprachen unterrichtet und auch eine Tanz- und eine Theatergruppe leitet. Tanz und Theater spielten für Maud Koch von klein auf eine zentrale Rolle: Schon als Siebenjährige begann sie mit Stepptanz, eine Hip-Hop-Ausbildung folgte im Alter von zwölf Jahren. In diesen Disziplinen gewann sie zahlreiche Meisterschaften und Preise. Nach ihrer Ausbildung zur Sekundarlehrerin sprachlicher Richtung und ihrem Stellenantritt in Spiez verlegte sie sich aufs Schauspiel und spielte nebenberuflich in diversen Freilichttheater-Inszenierungen mit – letztes Jahr etwa in der Hauptrolle der Gladys Eysenach in «Tüüfelskreis» in Bern. Mit ihrem Mann Martin, einem Unternehmensberater, und den beiden drei- und fünfjährigen Kindern Lily und Henry lebt Maud Koch in der Nähe des Zentrums Paul Klee in Bern.

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