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Kolumne
from BI Februar 2018
by WEBER VERLAG
Von Hand und Hirn
... oder wie unsere Hände uns Menschen erst zum Menschen machen
Die Aussage, dass das kindliche Spielen erst das Denken ermöglicht hat, wird jede Logopädin, welche Kindern beim Spracherwerb hilft, aus ihrer Praxis bestätigen können. Es besteht eine enge Verknüpfung zwischen Handeln und Sprache. Das kindliche Handeln ist die Basis der Sprachentwicklung und stellt somit auch die Basis der Entwicklung des Denkens dar.
«Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.» So beginnt das Johannesevangelium. Beim Nachdenken darüber stolpert man vielleicht, wie Goethes Faust auch, über die Bedeutung des Begriffs Wort, welches nicht nur mit «das Wort» übersetzt werden kann (Wort bedeutet auf Griechisch – Logos). Faust kommt daher zum Schluss, dass am Anfang die Tat war, da beim handelnden Gott Wort und Tat stets noch eins
Ernst Meier Hondrich
sind. Als Beispiel sei hier Mose 1 erwähnt: «Und Gott sprach: Es werde Licht und es ward Licht».
Das Handeln ist die Sprache des Verstehens und dieses stellt wiederum die Voraussetzung für das Lernen dar. Viele Spiele, das Basteln und Werken aber auch das Musizieren sind Beispiele, wie komplexe Handlungen das menschliche Problemlö– Harmut von Hentig –severhalten fördern. Lernen bedeutet immer auch, dem Denken neue Wege zu ermöglichen.
Unser Hirn kann nicht mit Wissen überladen werden. Ein Beispiel dazu ist, dass je mehr Sprachen ein Mensch spricht, desto leichter er eine neue lernt. Wenn nun Digital Natives behaupten, sie lagern Wissen in eine Cloud aus, halte ich das persönlich für Nonsens. Alles was man nicht selber erlernt hat, erschwert weiteres Lernen. Wir verfügen über 100 Milliarden Nervenzellen welche dafür sorgen, dass sich unser Hirn dauernd verändert, wenn es benutzt wird. Ein Hirn wird nicht voll, vielmehr ist seine Leere ein Problem.
Wenn ich kritisch die Umgebung unserer Kinder betrachte, dann stelle ich fest, dass wir ihnen immer weniger
«Die Menschen stärken, die Sachen klären.» Gelegenheit geben, Hand und Hirn ge-
meinsam einzusetzen. Das gemeinsame analoge Handeln wird immer mehr durch Sitzen vor Computern, Tablets, iPhones und Videogames ersetzt. Eltern, Verwandte, Gotten und Göttis sollten sich mehr Zeit für das gemeinsame Spielen mit ihren Zöglingen nehmen - bei Ausflügen mit den Kindern zusammen die Umwelt erkunden und entdecken, gemeinsam Kochen und endlich einmal wieder zusammen werken, zeichnen und singen, wäre eine Basis für das vielzitierte und nachhaltige lebenslange Lernen.
Was unsere Kinder und unsere Gesellschaft zusätzlich dringend brauchen, ist Hilfe beim Verdauen der zahlreichen digitalen Medien und zwar in Form von Bildung. Digitale Natives haben oftmals ein erschreckend tiefes Niveau was ihre Kompetenzen im Umgang mit den neuen Medien angeht. So sind sie zum Beispiel weit davon entfernt, gefährliche Inhalte aus dem Internet zu erkennen und können gegoogelte Informationen nicht richtig einordnen und anwenden. Wer nicht versteht, wie Software funktioniert, wer den ersten Google-Treffer prinzipiell für die richtige Antwort hält, wer nur noch «Minecraft» und gar nicht mehr Fussball spielt, für den hat die Digitalisierung tatsächlich negative Auswirkungen. Dies gilt sowohl für den Unterricht in der Schule als auch für das Verhalten in der Freizeit. Und so komme ich wieder an den Anfang meiner Überlegungen. Handeln und hirnen gehören zusammen. Das Talent eines Menschen ist abhängig von angeborenen Faktoren aber auch von einer stimulierenden Umgebung. Die Erfahrung, dass üben zum Erfolg führen kann, bereitet Freude und lässt die Motivation für weitere Lernerfahrungen entstehen. Lernen heisst, neue Wege des Denkens zu ermöglichen.
Lassen Sie uns also gemeinsam handeln, es fördert unser Hirnen!