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KING OFF THE ROAD
34 LIVE 2020:2 | LAND ROVER DEFENDER King
64 8/2020
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LAND ROVER DEFENDER FAHRBERICHT
off the Road
Über 70 Jahre nachdem der erste Landy losroverte, startet Nummer zwei. Zumindest wenn man die Herumdoktereien am Urtyp im Rhythmus der Dekaden mal außen vor lässt. Und jetzt nix wie los, Kaokoland in Namibia wartet!
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FAHRBERICHT
Wir sind guter Hoffnung, dass es dem armen Kerl wieder gut geht, der den elektronischen Baukasten des neuen Defender erklären muss. Endete die Konnektivität des alten bei kratzigem UKW-Klang, einem schnarrenden Funkgerät oder einem kernigen Hupsignal plus zünftigem Fluch, wenn sich mal wieder irgendwelches Viehzeug vor der Haube tummelte, gehen zukünftig die Bits und Bytes steil. EVA 2.0 (Elektronikarchitektur), Pivi (Infotainment-System), Snapdragon (Prozessor), QNX (Betriebssystem) und Over-the-Air-Updates zählen zum Jargon der kommenden Generation. Wer mag, kann an der Bar mit den 85 Steuergeräten seines Defender kokettieren, mit 21 Datenpunkten, die konstant verarbeitet, und 14 Modulen, die upgedatet werden. Solange du „Authentifizierungssteuerung“ nuschelfrei über die Lippen bringst, geht auch noch ein Gin Tonic.
Wobei das eigentlich schade wäre, denn dann entginge einem das Fahren. Und das kann der neue Landy besser als alles, was bisher defenderte. Okay, ist jetzt auch nicht allzu schwer. Was schon mit der Sitzposition beginnt, die man diesmal doch tatsächlich unter Berücksichtigung des menschlichen Körpers entwickelte. Zum Beispiel genug Abstand zu den Seitenwänden einhalten. Kaum sind 70 Jahre um, da kommen sie auf Ideen… Nun, das Original sollte ja auch nicht verzärteln, sondern richtig was arbeiten, sich durchkämpfen.
Er entstand halt zu seiner Zeit. So wie der neue, für den Fall irgendwelcher Grundsatzdiskussionen. Widmen wir uns noch mal kurz dem Urtyp. Damals, 1946 schaute sich Maurice Wilks kurz den Willys Jeep seines Nachbarn an und überzeugte seinen Bruder, so etwas zu bauen. Da die Brüder Chefentwickler und Direktor der Rover-Werke waren, lief die Sache.
So geht das heute natürlich nicht mehr. Das wäre ja, als ob man beim Joggen einfach losliefe. Heute brauchst du schon exakt getaktete Musik und mindestens eine App
zum Teilen der Strecke. Andererseits fuhr der Landy noch nie so geschmeidig (er war noch nie irgendwie geschmeidig), so vielseitig und so nutzerfreundlich wie jetzt. USB verbinden und Terrain responden Der Horizont Es beginnt im Innenraum, der 20 Millimeter höher liegt als bei den sonstigen Land Rover und dank der quadratischen Karosserieform gute Übersicht bietet. Und das Cockpit? Luftig, geräumig mit praxisgerechten Ablagen und noch mehr Anschlüssen für USB, zwölf Volt und Co. (Sie haben Kinder? Die werden das lieben.) Der Armaturenträger ist ebenso praktisch wie stilsicher arrangiert und dank eines soliden Magnesium-Querträgers extrem steif, was ebenso überzeugt wie die klar beschrifteten Tasten und die Instrumente – entweder volldigital in sachlich-analoger Anmutung oder in der Basis übersichtlich teilanalog. Der Zehn-Zoll-Touchscreen in der Mitte gefällt mit feiner Grafik und zeitgemäßem Infotainment, ohne sich größenmäßig aufzudrängen.
Gut so, denn eigentlich spielt die Musik beim Defender im Gelände. Und dorthin dürfen mit ihm auch Menschen, die nicht mit Differenzialsperren, Sandbrettern und Stöckern zum Ausloten der Wattiefe groß wurden. Stichwort Terrain Response 2 – ein Bündel Fahrprogramme, die alles nach Wunsch einrichten, beim Kraxeln und Wühlen helfen, beim Waten alle Luftklappen schließen und die Wassertiefe checken (bis zu 900 Millimeter sind möglich). Wem die voreingestellten Programme zu profan erscheinen, der darf sich nun erstmals ein eigenes konfigurieren.
Sie merken schon, dieser Defender ist ein fürsorglicher. Luftgefedert (je nach Version), mit enorm steifem Alu-Chassis (grundsätzlich), recht bequemen Sitzen und praktischem Interieur. Seinen Trainingszustand musste er neben vielen anderen Checks während seiner Entwicklung unter anderem bei einem harten Bordstein-Anpralltest beweisen. ▷
Moderner Zehn-ZollTouchscreen, solider Magnesium-Querträger, viele Ablagen, passende Ergonomie
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TESTBERICHT | LIVE 2020:2 Der Horizont
ist nur ein Zwischenziel
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FAHRBERICHT
Wir wollen jedoch nicht über Bordsteine kraxeln, Einkaufstüten nutzlasten oder in Boutiquen-Scheiben narzissen, sondern den Landy standesgemäß rannehmen, einstauben, rumkraxeln. Landrovern halt. Wo? Och, Namibia wäre doch nett für so was. Schon klar, entwickelt wird in England, aber in Afrika war und ist so ein Defender ja auch zu Hause. Nicht nur für „Daktari“-Fans. Vielseitig und nutzerfreundlicher denn je.
Mildhybrid und Sperrdiff: passt schon Als ob er nur auf Auslauf gewartet hätte, legt unser 110er los. In Kaokoland können die beiden zum Start verfügbaren Motoren zeigen, was geht. Zum einen der 400 PS starke Dreiliter-Sechszylinder-Benziner mit elektrischem Verdichter, Twin-Scroll-Lader und 48-Volt-Mildhybrid. Per integriertem Startergenerator liefert der bis zu 140 Newtonmeter Drehmoment extra.
Als Diesel schiebt der stärkere der beiden ZweiliterBiturbos mit 240 PS und 430 Nm. Etwas präsenter, mit kleinem Turboloch, aber sympathischem Punch. Schaltgerangel ist beim Defender passé, ZF-Achtgangautomatik Serie. Eine gute Wahl, denn die Box arbeitet kultiviert, sortiert die Stufen situationsgerecht. Wie früher sind Allradantrieb samt sperrbarem Mittendifferenzial Standard, auf Wunsch kommt ein aktives Sperrdifferenzial an der Hinterachse dazu. Praktisch in hartem Gelände: das per Knopfdruck wählbare Untersetzungsgetriebe.
Am Van-Zyl-Pass sind wir dankbar dafür. Das steile Biest ist gespickt mit verblockten Felsen, die nur drauf
warten, dich aufs Dach zu schmeißen, zumindest aber die Ölwanne aufzuschlitzen oder dem Unterboden Schürfwunden zuzufügen. Okay, 1920 haben sie es schon mal mit einem Ford Model T geschafft – egal.
Wir fahren den Wagen maximal rauf, freuen uns über kurze Überhänge, fast 30 Zentimeter Bodenfreiheit, 50 Zentimeter Verschränkung und feinen Vortrieb. So kraxelt der 2,4-Tonner stoisch von Block zu Block. Irgendwann sind wir oben, ohne die umfangreiche KameraAusrüstung genutzt zu haben, die das komplette Umfeld zeigt, sogar virtuell durch die Motorhaube gucken kann.
Eine der Kameras schaut dabei stets nach hinten, das Bild lässt sich in den Innenspiegel einblenden. Praktisch, wenn die Sicht nach hinten versperrt ist, etwa sobald der optionale Mittelsitz vorn als Alternative zur konventionellen Konsole oder freiem Durchstieg an Bord ist. So wird der fünf Meter lange Defender 110 wahlweise zum Fünf-, Sechs- oder Siebensitzer. Der kurze, bis zu sechssitzige Zweitürer 90 folgt etwas später.
Doch nun wird der 110 erst mal zum Wüstenprofi, Richtung Skeleton Coast warten heftige Sandpassagen und ausgetrocknete Flussbetten. Mächtige Staubfontänen begleiten das Herausbeschleunigen aus Kurven, der Landy nimmt Tempo auf, nutzt den langen Radstand, selbst in Spurrillen hältst du ihn mit leichter Hand, lässt ihn ziehen, das Tempo lässig halten. Ob 18-Zoll-Stahlräder oder die größten 22-Zoll-Alus, der Außendurchmesser beträgt immer 815 Millimeter, was sowohl das Sandwühlen als auch das Überrollen von Hindernissen erleichtert.
Wenn nötig watet der Landy durch 90 Zentimeter tiefes Wasser. Und auch wieder raus …
FAHRBERICHT
Die Lenkung gibt auch dabei stets genug Rückmeldung, ohne je nervös zu werden. Beim Gaswegnehmen in der Kurve dreht der Defender zart ein, um den Radius zu verkleinern, ohne dir ernsthaft querzukommen. Das hilft beim zügigen Swing auf losem Untergrund, sei es Sand oder Schotter. Wer vor lauter Übermut mal eine Welle übersieht, den beschützt die Luftfederung vor harten Schlägen. Kleine Sprünge? Kein Thema, Defender goes Rallye. Na ja, ein bisschen. Der Benziner schiebt wuchtig, die Luftfedern und Bilstein-Adaptivdämpfer schlucken Unebenheiten und garantieren Bodenkontakt. Einzig das ESP greift bisweilen etwas konservativ zu, der Defender würde eigentlich mehr Dynamik vertragen.
Hier gibt es was aufs Dach Immerhin kann er in Fahrt bis zu 168 Kilogramm aufs Dach nehmen, 300 Kilogramm statisch – wichtig für Freunde gepflegten Dachzeltens. Noch ein paar Zahlen: Gepäckraum rund 2400 Liter, Anhängelast 3,5 Tonnen, Zugfestigkeit der Schleppösen 6,5 Tonnen. Man weiß ja nie. Die optionale Winde funktioniert hervorragend, wie wir an einer zu optimistisch genommenen, tief ausgefahrenen Rinne lernen. Hier hilft nicht mal mehr die per Luftfederung abrufbare Reserve-Bodenfreiheit, die das reguläre Hochniveau von 70 Millimetern um weitere 75 erhöht: Der Defender sitzt auf seinem – glatten – Unterboden auf. Zum Glück rettet das Partnerauto per Winde.
Wäre ja auch schade, wenn unserer – so wie viele Schiffe – an der Skeleton Coast für immer gestrandet wäre. Wir wollen ihn schließlich eines Tages auch noch beim routinierten Boutiquen-Hopping erleben. Dass er Offroad kann, wissen wir ja jetzt.
Text: Jörn Thomas Fotos: Nick Dimbleby TECHNISCHE DATEN
Karosserie Fünfsitziger Geländewagen, Länge x Breite x Höhe 4758 x 1996 x 1967 mm, Radstand 3022 mm, Leergewicht 2361 kg. Fahrwerk Einzelradaufhängung, vorn mit Doppelquerlenkern, Luftfedern, Stoßdämpfern, hinten mit Quer-/Längslenkern, Luftfedern, Stoßdämpfern, Stabilisator vorn und hinten, innenbelüftete Scheibenbremsen vorn und hinten, Reifen 255/65 R 19. Kraftübertragung Allradantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe. Motor Sechszylinder-Reihenmotor mit Abgasturbolader und Ladeluftkühler, Hubraum 2996 cm³, Leis tung 294 kW (400 PS) bei 5500/min, max. Dreh moment 550 Nm bei 2000/min. Fahrleistungen 0–100 km/h.................................................................................... 6,1 s Höchstgeschwindigkeit ............................................................191 km/h Gesamtverbrauch (NEFZ) .................................................S 9,6 l/100 km Grundpreis Land Rover Defender 110 P400 AWD .............................. ab 68 900 Euro
FAZIT
■ Land Rover hätte gar nicht so oft „Defender“ dranschreiben müssen: Der neue ist ein cooler Typ, der traditionelle Werte clever in die Gegenwart übersetzt, statt sich darin zu verkeilen. Ein nahbarer Individualist, der Platz, Komfort, Vernetzung und hohe Geländekompetenz mit stilsicherem Auftritt verbindet. Alles kann, nichts muss, vom Einkaufsbummel über den Familienurlaub bis zur Expedition.
Fakt: Bei Himba-Nomaden gilt eine Ziege als Frühstück. Vier Ziegen zählen so viel wie eine Kuh
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