Bokeh

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MAGAZIN FÜR FOTOGRAFIE

Germany: EUR 10,– Switzerland: CHF 25,– UK: GBP 16,– USA: USD 26,–

L ANGZEITBELICHTUNG

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FOTORIAL 10 16 22 26

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DIE FARBEN DER NACHT

STARS SHINING

Lichtkunst aus dem Nationalpark Kellerwald-Edersee

Die Vielfalt der Sterne auch ohne Teleskop

WEICHE WASSER SIND TIEF

Lanzeitbelichtung von Flüssen und Meeren

DEN TAG VERSCHWIMMEN LASSEN NIGHT OF THE OWLS

Ein Graufilter machts möglich

Wie man die Nacht zum Tag macht

MEISTERKL A SSE 36 42

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DIE MIT DEM LICHT TANZEN

WIE MAN EINEN LEICHNAM ABSTRAHIERT

Fünf Fragen an das Duo L APP Im Gespräch mit Frank Schott

TITARENKOS DÜSTERE LANGZEITBELICHTUNGEN

St. Petersburg - Stadt der Schatten

E-WORK SHOP 46

FIELD-EQUIPMENT AUS DEM BAUMARKT

Alles was man braucht, liegt neben den Schrauben

TIPPS & FUNDSTÜCKE 48

8 TIPPS FÜR ERFOLGREICHE LANGZEITBELICHTUNGEN

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EIN ARTIKEL MIT FUNDSTÜCKEN

Von Martin Gommel höchstpersönlich

Nützliche Helferlein zum Erstellen & Bearbeiten

GALERIE 54

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INHALT

DIE BESTEN LESERFOTOS

Umsetzungen der Fotorials der Ausgabe 3/2011 zum Thema Architektur


BOKEH AUSGABE 4/2011

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FOTORIAL DIE FARBEN DER NACHT


BOKEH AUSGABE 4/2011


Idyllisch, aber kahl stehen die mächtigen Baumriesen des Kellerwaldes fest in der nordhessischen Sommernacht verwurzelt. Spielerisch werden sie umtanzt von kleinen Lichtern, die Spuren durch die Nacht ziehen, feengleich. Was viele nur erahnen: Hinter diesen bildgewordenen Sinfonien aus Licht, Bewegung und Dunkelheit steckt viel Arbeit. Und jede Menge Freude am Tun. Vier Monate wurde der Nationalpark so zu unserer Bühne, haben wir die Nacht zum Tag gemacht.

Nacht

Die Farben der

FOTORIAL: Lichtkunst aus dem Nationalpark Kellerwald-Edersee Die Idee entstand vor zwei Jahren: Es war ein lauer Sommerabend, als mir die neue Taschenlampe meines Vaters in die Hände fiel. Der Himmel versank gerade in einem malerischen Rot, ich musste unbedingt noch mal raus. Mit Kamera und Stativ zu einem nahe gelegenen Sandbruch hastend, malte ich fünfzehn Minuten später meine ersten Lichtspuren in die Dunkelheit. Es sollte der Beginn einer großen Leidenschaft werden. Unsere (meine Lebensgefährtin Nadine unterstützte mich tatgräftig) letzte Entdeckungsreise führte mitten hinein ins Reich der urigen Buchen. Die spannende Frage war: Was würde uns abseits der öffentlich zugänglichen Wege erwarten? Durch meine Mitarbeit und die Besuche im Nationalpark hatte ich zumindest eine grobe Vorstellung: Skurrile Baumformen mit eingestreuten Felsfluren und verschlungenen Mittelgebirgsbächen. KOMPOSITIONEN AUS LICHT UND WILDNIS In Absprache mit der Nationalparkverwaltung begannen wir im Oktober mit der Arbeit. Unser erstes Ziel: Herbstimpressionen sammeln. Tagsüber galt es zunächst, nach geeigneten Motiven zu suchen. Das konnten von Wind und Wetter gezeichnete Bäume genauso wie markante Felsformationen sein. Oder wie in unserem Fall: In farbenfrohen Herbstgewändern erstrahlende Buchen. Ist die geeignete Kulisse gefunden, geht es ans Planen: Welchen Standpunkt wählen wir für die Kamera, wie soll der Bildausschnitt aussehen? Wie wollen wir die Szene ausleuchten und wo setzen wir Lichtfiguren? Ist diese Vorarbeit getan, heißt es warten, warten bis die Dunkelheit einsetzt und die eigentliche Arbeit beginnen kann. Der Sucher der Kamera ist dann schwarz, einzig die von Taschenlampen oder Fackeln gezogenen Spuren bringen Licht ins Dunkel. Was als Zuschauer lediglich wie ein wandernder Lichtpunkt aussieht, enthüllt erst in der Langzeitbelichtung seine wahre Gestalt: Von Kreisen über Spiralen bis hin zu geschlungenen Linien oder funkelnden Sternen.

Eigentlich wollte ich umkehren. Aber wie von Geisterhand gelenkt, ging ich weiter.

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FOTORIAL DIE FARBEN DER NACHT

ESSENZ Manchmal ist weniger allerdings mehr. Hatten wir uns zu Beginn des Projekts noch darauf eingeschworen, möglichst immer mit filigranen Lichtfiguren zu arbeiten, so brach sich bereits nach wenigen Wochen eine neue Sichtweise bahn. Es war einer dieser rauen Herbsttage an denen sich die Sonne, wenn überhaupt, nur selten zeigt. Ich war entlang der Hagensteinroute unterwegs, hatte die mit bizarren Baumgestalten bestandenen Steilhänge gerade hinter mir gelassen. Eigentlich wollte ich umkehren. Aber wie von Geisterhand gelenkt, ging ich weiter und fand mich Minuten später in einem alten Fichtenforst wieder. Mein Blick schweifte umher, blieb stehen: Was war das? Inmitten der kahlen Fichtenriesen ragte eine vereinzelte Buche empor, erstrahlte in vollem Herbstgewand. Schon bei dieser ersten Begegnung schien sie mir sagen zu wollen: “Ich habe Dich bereits erwartet.“ Solche Worte vergisst man nicht. ALLES EINE FRAGE DER BELEUCHTUNG Bis alles so erstrahlt wie es soll, können Stunden vergehen. Auf dem Weg dahin kommen rund zwei Dutzend unterschiedliche, teils modifizierte Leuchten zum Einsatz. Allen gemein ist ihr Zweck: Mit Licht die Kulisse ausmalen, ihr ein völlig neues Erscheinungsbild geben. Es ist, als ob man vor einer dunklen Leinwand steht. Doch während der Maler seinen Pinsel zur Hand nimmt,


DER FOTOGRAF Thomas Bölke, geb. 1976, ist in Volkmarsen (Hessen) aufgewachsen. Nach dem Biologiestudium in Marburg war er einige Jahre in der Naturschutzplanung tätig. Seit 2007 ergänzt er seinen wissenschaftlich geprägten Blick zunehmend durch fotografische Sichtweisen aus Natur und Landschaft. Einen Schwerpunkt bilden dabei Langzeitbelichtungen bei Nacht.

greifen wir zu Taschenlampe, Fackel, Wunderkerze – eben allem, was leuchtet. Der Verschluss der Kamera bleibt dabei bis zu 45 Minuten offen. Das Faszinierende an dieser entschleunigten Art von Fotografie lässt sich auf eine einfache Formel bringen: Ihr Grundprinzip ist einfach, die gekonnte Umsetzung aber erfordert viel Übung und nicht weniger Geduld. Auch die Beharrlichkeit, bei widrigen Wetterverhältnissen loszuziehen, wird manchmal belohnt. Es war Anfang Dezember, der Winter stand vor der Tür. Es war kalt und nass, Schnee noch nicht in Sicht. Alles in allem also ein Wetter, bei dem man eigentlich lieber zu Hause bleibt. Wäre da nicht der Nebel gewesen. Geräuschlos kroch er durch den Wald, hüllte alles in einen gespenstischen Schleier – wunderschön. Unsere Freude währte jedoch nicht lange: Gegen Mittag hatte sich der Nebelschleier gelüftet, was blieb, war Feuchtigkeit und eine durch jede Ritze kriechende Kälte. Sollten wir abbrechen? Gegen Nachmittag hatten wir schließlich eine vielversprechende Stelle gefunden. Aber bei dem Wetter? Der Nebel kam unserer Entscheidung zur Flucht zuvor. Kaum setzte die Abenddämmerung ein, da stieg er erneut aus unsichtbaren Quellen empor, kroch langsam auf uns zu. Schnell wurde die Kamera in Position gebracht, die passende Lichtquelle ausgewählt. Und siehe da: Der bei Tageslicht so unscheinbar wirkende Wald wurde plötzlich zur Kulisse einer mysteriösen Lichterscheinung. Wer

das fertige Bild betrachtet, sieht zunächst einmal nur hohe Fichtenstämme, mysteriös beleuchtet. Ein genauer Blick jedoch lenkt das Auge auf eine vereinzelt stehende kleine Buche. Nicht nur einmal wurde ich schon angesprochen, was hinter diesem „Omen“ steckt. Mein Hinweis: Hier wächst die Zukunft. Denn die Fichten sind vom Borkenkäfer befallen, ihre besten Tage gezählt. Fallen sie, machen sie der unscheinbaren Buche Platz. Urwald im Werden.

Wäre da nicht der Nebel gewesen. Geräuschlos kroch er durch den Wald, hüllte alles in einen gespenstischen Schleier – wunderschön.

ETWAS SCHAFFEN, DAS NICHT VON DIESER WELT SCHEINT Ähnliche Geschichten ziehen sich durch die meisten unserer Bilder, auch wenn sie dem flüchtigen Betrachter oftmals verborgen bleiben. Eine besondere Faszination geht dabei von rauen, kargen Orten aus, an denen sich das Leben seinen Existenzanspruch immer wieder neu erkämpfen muss. Mein liebstes Beispiel: Die Steilhänge des Hagensteins. Brüllende Hitze und quälende Trockenheit lassen die Bäume hier tagtäglich ums Dasein kämpfen. Ihre Wurzeln tief in den Fels gekrallt, recken sich die knorrigen Körper gen Himmel und regen die Fantasie des Betrachters an. Schon bei Tage drängt sich der Verdacht auf: Hier könnten Kobolde und andere Fabelwesen zuhause sein. Mit der Landschaft arbeiten, aber gleichzeitig etwas zu schaffen, das nicht von dieser Welt scheint, das ist die Zauberformel, die uns immer wieder nach draußen treibt. Es gibt noch viel zu entdecken.

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MEISTERKLASSE DIE MIT DEM LICHT TANZEN


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Das LAPP-Duo Jan

Leonardo Wöllert und Jörg Miedza

Die mit dem

Licht tanzen

MEISTERKLASSE: Fünf Fragen an LAPP Jan Leonardo, warum Langzeitbelichtungen? JAN LEONARDO: Langzeitbelichtungen haben den großen Vorteil, dass der Fotograf die Zeit als Variable zur Verfügung hat. Diese Zeit kann er kreativ nutzen, um in den Belichtungsvorgang einzugreifen. Viele Elemente in unseren Bildern sind nur auf der Zeitachse realisierbar. Nur darin hast Du den Spielraum für die Performance. Das ist die Zeit die das Theaterstück andauert. Am Ende steht bei uns aber keine 90Minuten Live-Aufführung, sondern nur ein einziges Bild! So wird, durch diesen Zeitraum zwischen Öffnen und Schließen der Blende, aus dem eher passiven Fotografen hinter der Kamera, eine Symbiose aus Fotograf und Performancekünstler vor und hinter der Kamera. Mit den Jahren haben mein Partner Jörg Miedza und ich einige Techniken entwickelt, um den Faktor Zeit immer kreativer nutzen zu können. Eine schon bekannte Herangehensweise ist die Light Art Performance Photography (kurz LAPP). Bei dieser Art der Langzeitfotografie, werden Lichter wie bei einem Tanz choreographiert aufgeführt. Das brachte uns den einprägsamen Titel in einem Fotomagazin ein: „Die mit dem Licht tanzen“. Neue Techniken wie z.B. die Portable Lightbrush Photography, die wir in Zusammenarbeit mit dem High Performance Lampenhersteller Led Lenser entwickelt haben, sind dagegen noch eher unbekannt. Hierbei wird wie mit einem Lichtpinsel das Licht in der Szenerie aufgetragen, von Hand mit portablem Licht in vielen Variationen. Arbeiten mit Licht vor der Kamera ist wie das Malen auf einem weißen Blatt Papier. Hier ist auch eine gewisse Zeit vonnöten um das was dargestellt werden soll so zu zeichnen, wie es der Künstler im Kopf hat. Im Grunde genommen ist alles eine Frage aus dem Zusammenspiel von Zeit und dem kontrollierten Verteilen von Licht. Wer das verstanden hat, kann sich immer neue Anwendungsgebiete ausdenken. Bisher nutzte man bei Dun-

Jan Leonardo Wöllert und sein Partner Jörg Miedza sind Lichtkunstfotografen. Sie haben eine neue Technik entwickelt, die sich “Light Art Performance Photography” - kurz LAPP - nennt. LAPP ist eine faszinierende Möglichkeit die Dynamik und Geschichte einer umfassenden Lichtkunstaufführung in einer Fotografie festzuhalten.

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MEISTERKLASSE DIE MIT DEM LICHT TANZEN

kelheit ein Blitzlicht, blitzte damit jegliche Bewegung tot. Vielfach ist das aber gar nicht nötig. Kreative Fotografie beginnt dort, wo man sich Gedanken macht, neue Wege zu gehen. Aktfotografie ist genauso gut mit Langzeitbelichtung möglich wie mit einem Studioblitz. Mit transportablen Leuchtmitteln kann der Fotograf nur viel kreativer und vielseitiger ausleuchten.

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Jörg, wie lange plant ihr Eure Fotos im Voraus? JÖRG: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt einige Fotografien, da planen wir schon seit zwei Jahren dran. Es sind meist viele einzelne Ideen, die dann ein Ganzes ergeben. LAPP-Fotos bestehen aus vielen Details und Elementen. Einige Elemente kann jeder unerfahrene Nachtakteur klar erkennen, einige andere wird nur der absolute Fachmann erkennen können. Nur die perfekte Zusammenstellung all dieser Elemente ergibt ein gutes LAPP-Bild. Jedes dieser Elemente hat seine eigene Konstruktion und Herangehensweise und ist dabei auch sehr unterschiedlich in der Planung. Manches kannst Du schnell beeinflussen und bei manchem bist Du den äußeren Einflüssen einfach unterlegen. Der Vollmond kommt alle 28 Tage hervor und Schnee hast Du meist nur in 1 von 12 Monaten liegen. Eine Location und die entsprechenden Zutrittsberechtigungen brauchen in extremen Fällen einfach lange Zeit und viele Gespräche.


Es muss aber nicht immer so extrem sein. Auch wir planen unsere Ideen mit der Natur und den Jahreszeiten. Es entsteht aber auch durchaus etwas Spontanes. Dann aber mit Elementen, die wir an anderer Stelle schon gründlich ausgearbeitet und vorbereitet haben, nur eben spontan in eine neue Szenerie eingesetzt. Es ist halt kein Zufallsprodukt und selbst einfache Formen, Geschichten und Szenerien werden zunächst solange vor den Sensor getragen, bis der sie so aufgezeichnet hat, wie wir uns das vorgestellt haben. In der Zusammenarbeit mit NIKE haben wir sogar eigens eine kleine Halle angemietet, um die Lichtfiguren vorab zu üben, um später dann die kostbare Zeit nicht dabei im Werserstadion zu verlieren.

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Woher die Idee, Figuren auf diese Art in ein Foto zu packen? JAN LEONARDO: Von Anfang an war ein Ansatz unserer Arbeit, Bewegung zu zeigen und Geschichten in unseren Fotografien zu erzählen. Oft kam das Feedback „wie aus einer anderen Welt“, das hat mich schnell dazu ani-

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miert, wirklich etwas aus einer anderen Welt „einzuladen“ und im Foto zu verewigen. Was wollt ihr mit Euren Fotos sagen? JÖRG: Wir wollen nicht direkt auf etwas hinweisen. Es gibt einige gesellschaftskritische Themen die wir bewusst umschiffen. Das kann sich in bestimmte geografischen Plätzen oder bestimmten Lichtformen ausdrücken. Das wäre zu direkt und lenkt den Betrachter zu schnell in eine Richtung. Unser Anliegen sind mehr die Bilder mit Interpretationsspielraum. Die Bilder, die dem Betrachter dazu verleiten wieder einmal zu fantasieren. Wenn wir unser Licht in die Dunkelheit bringen, können wir dabei wohlbekanntes in völlig neues Licht tauchen. Die Aussage ist,: schau mal, das kennst Du doch, aber SO hast es noch nie gesehen. Wir schaffen gerne Brücken und Interpretationsanreize und verwenden dabei Themen wie Sience Fiction, Märchen und Fantasy wie ein Add-On. Feste Aussagen sind aber nicht immer in unserem Sinn. Vielfach wollen wir einfach nur verzaubern, gefangen nehmen und die Fantasie des Betrachters

stimulieren. Der Betrachter findet oftmals ganz eigene Wege in das Geschehen und hat eigene Ideen. Das bekommen wir auch deutlich in den Rückmeldungen auf unsere Bilder in den eMails. Es ist dabei schön zu sehen, dass LAPP-Bilder oft die gleiche Art der Interpretation weltweit hervorrufen. Hier gibt es eher die Interpretationsunterschiede zwischen Mann und Frau als zwischen China oder USA.

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Wer sind Eure Abnehmer? Wer kauft Eure Fotos? L APP: Was Kunst darstellt, entscheidet allein der Betrachter. Denn Kunst entsteht allein im Auge des Betrachters. In vielen Fällen wird Kunst aber auch über die Zeitkonstante geprägt. NIKE hatte uns zur Fussball-Weltmeisterschaft 2010 als Lichtkünstler entdeckt und sich die 9 Nationaltrikots in einer speziellen Lichtkunstperformance umsetzen lassen. Für uns ein sehr interessantes Projekt mit überragender Reichweite. In der Umsetzung hatten wir dabei völlig freie Hand. Der Verkauf von Fotos und generell das kommerzielle Interesse stehen bei uns einfach nicht im Vordergrund. Das

Light Art Perfor-

mance mit dem Titel „Stick fight“

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MEISTERKLASSE DIE MIT DEM LICHT TANZEN


ist einer der Faktoren, der dich als Künstler langfristig überhaupt in die Lage versetzt kreativ und künstlerisch erfolgreich zu arbeiten. Schnell werden Künstler zu kreativen Auftragsproduzenten, getrieben von den Wünschen anderer. Das ist nicht das, was wir anstreben. Es gibt bestimmt noch einige Dinge, die wir für potentielle „Abnehmer“ ausarbeiten können. Ein solches Projekt war in 2010 beispielsweise unser erstes Buch. Auf der Photokina in Köln haben vorgestellt. Wir wollten ein Bildband herausgeben, welcher die Schönheit unserer Bilder auf einem anderen Medium als den Monitor darstellt. Weiter wollten wir Hintergundinformationen zu Jan und Jörg sowie zu der Art der Arbeit in dieser Kunstkategorie geben. Es sollte kein Kochbuch für Lichtfiguren werden, es sollte eine inspirierende Wirkung haben und den Betrachter motivieren eigene Ideen umzusetzen. Ein weiteres Projekt für 2011 könnte vielleicht der Verkauf von Bildern werden, aber warten wir das mal ab. Im Vordergrund stehen die Produktion von Bildern und die Umsetzung der Ideen die wir haben. Vielleicht machen wir auch noch drei weitere Jahre einfach nur unsere LAPP-Bilder und gehen dann erst an die kommerziellen Themen. Es gibt noch so viele Ideen in unseren Ideenbüchern und solange die darin schlummern, habe ich einfach das Gefühl das da noch was auf mich wartet. Wie oben schon beschrieben gibt es aber auch Abnehmer. Gerne arbeiten wir aber auch mit Förderern zusammen. Das ist ein Segment, welches wir auch proaktiv ansprechen und denen wir unsere Bilder zeigen. Heute werden wir bei der Entwicklung von neuen Lichttechniken von Canon und Carl

„The guardians“ von LAPP

Zeiss unterstützt. Heute werden wir bei der Entwicklung von neuen Lichttechniken von Canon und Carl Zeiss unterstützt. Beide Hersteller haben in den LAPP Bildern Material gefunden, um die Langzeitbelichtung in einer neuen und sehr eindrucksvollen Nuance zeigen zu können. Das ist für alle neu und hebt sich deutlich von den üblichen Bildern, die der Hersteller zur Darstellung der Langzeitbelichtung hat, ab. Für uns steht das Thema erst am Anfang. Es wird noch sehr viel folgen und das begründet sich in der immer besser werdenden Hardwareprodukten für Fotografie und Lichterzeugung und schlussendlich in der scheinbar unerschöpflichen Fantasie von uns beiden.

INTERNET www.lapp-pro.de LITERATUR „Faszination Lichtmalerei – Die Kunst der Light Art Performance Photography“ 209 Seiten Dpunkt Verlag ISBN 978-3898646697 39,90 Euro

Langzeitbelichtung „Communication“

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MEISTERKLASSE WIE MAN EINEN LEICHNAM ABSTRAHIERT


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Wie man einen

Leichnam abstrahiert

MEISTERKLASSE: Im Gespräch mit Frank Schott vom Project 12:31

„1993 wurde ein verurteilter Mörder hingerichtet. Sein Körper wurde für wissenschaftliche Zwecke segmentiert und fotografiert. 2011 haben wir ihn mit Hilfe der Fotografie wieder zusammengefügt.” So wird auf www.project1231.com beschrieben, was Croix Gagnon und Frank Schott unternommen haben, um die folgenden Fotografien zu erstellen.

Auf den Fotos sieht man geisterhafte Gestalten, schwebend an verschiedenen Orten. Sie wirken wie Nebel, der gespensterhaft verschiedene Körperformen angenommen hat. Dass es sich bei diesem Nebel in der Tat um einen Toten handelt, ist kaum zu glauben. Mit Hilfe von Langzeitbelichtungen wurde ein Leichnam aus dem Visible Human Project genutzt, um diese Bilder zu erzeugen. Der Körper stammt von Joseph Paul Jernigan. Er wurde am 5. August 1993 um 12:31 Uhr wegen Mordes durch eine tödliche Injektion hingerichtet. Die Uhrzeit wurde zum Titel des Projektes “12:31. Hallo Frank. Wie kommt man auf die Idee, einen Leichnam in ein Foto zu integrieren? Das Konzept für 12:31 kam vom Art Director, der Zugang zu den Daten des Visible Human Projects hatte. Mich hat eher die Fototechnologie interessiert – eine neue Umsetzung von Langzeitbelichtungen mit Hilfe von Motion Video. Gab es Momente, in denen Du gedacht hast: “Nee, das kann man doch nicht machen!” Oder warst Du von Anfang an ohne Zweifel begeistert? Ich war eigentlich von Anfang an begeistert – von den visuellen Ergebnissen der Videosequenz als Lichtmalerei. Dass die Motion-Video-Sequenz des Visual Human Projects so genaue Abbildungen des menschlichen Körpers zeigen würde, war uns anfangs nicht bewusst – und wir haben deshalb schlussendlich die abstrakteren Abbildungen ausgewählt… Aber ab und zu ist es Dir sicher auch kalt den Rücken runtergelaufen, oder? Manchmal schon. Ich hatte vom Visible Human Project bis dahin noch nichts gehört und die Story des Spenders zusammen mit den Bildergebnissen ist doch etwas unheimlich – aber eben auch faszinierend. Für uns war das Visible Human Project anfangs nur neutrales Arbeitsmaterial, aber nach den ersten Fotoversuchen und den detaillierten Abbildungen haben wir das Projekt erweitert auf die Story des Körperspenders und die ethischen Fragen der Todesstrafe. Deshalb auch der Zusammenhang mit Amnesty International: Der gesamte Erlös der Print-Edition geht an AI.

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MEISTERKLASSE WIE MAN EINEN LEICHNAM ABSTRAHIERT

Ist das Projekt abgeschlossen oder wird es Folgebilder/Projekte von Eurer Seite geben? Projekt 12:31 ist soweit abgeschlossen. Die Fotoausstellung läuft bis diesen Monat in San Francisco, weitere Ausstellungsorte sind danach im Gespräch… Weil wir viele Leser haben, die sich gar nicht vorstellen können, wie so ein Foto entsteht: Erklär mal. Die Daten des Visual Human Projects existieren als Motion-Video-Segment, eine Diashow “von Kopf bis Fuß” sozusagen. Dieses Video lief auf einem Bildschirm, den wir dann in Langzeitbelichtung bewegt haben. Je nach Bewegung wurden die Körpersilhouetten detaillierter oder abstrakter. Wie habt ihr den Bildschirm bewegt? Schließlich sieht man davon gar nichts. Wir haben anfangs Versuche gemacht mit dem Laptop auf einer Kameraschiene, die resultierenden Bilder waren dann aber doch zu “creepy”: Schwebender Körper in allen Details. Letztendlich haben wir uns für abstraktere Motive entschieden: Der Laptop wurde von Hand frei bewegt, bei


Langzeitbelichtungen von mehreren Minuten und in dunklem Outfit ist der “Lichtmaler” dann nicht zu sehen. Und sicher habt ihr auch viele Fotos gemacht, die es dann nicht ins finale Projekt geschafft haben, oder? Wir haben fast ein halbes Jahr an dem Projekt gearbeitet. Viele lange Nächte auf Location und diverse Versuche mit Technik und Langzeitbelichtungen im Studio und on Location. Da kam einiges Material zusammen, dann erst haben wir die sieben finalen Kompositionen ausgewählt. Wie reagiert die Öffentlichkeit auf Euer Projekt? Mit mehr Interesse als erwartet! 50.000 Besucher aus 140 Ländern auf der Project Website bisher, redaktionelle Anfragen und Printbestellungen aus aller Welt. Das Projekt scheint zu unterschiedlichen Aspekten Aufmerksamkeit zu erregen: Die Fototechnik, der medizinische Hintergrund des Visible Human Projects – aber auch ethische Fragen zu Todesstrafe und medizinischer Forschung. Das Projekt scheint zu unterschiedlichen Aspekten Aufmerksamkeit zu erregen: Die Fototechnik, der medizinische Hintergrund des Visible Human Projects – aber auch ethische Fragen zu Todesstrafe und medizinischer Forschung. Dieser Satz ist ein blinder Satz. Hier müsste der Autor des Textes noch etwas hinzufügen, damit das Layout besser passt. Aber manchmal geht es auch so.

Wenn wir schon beim Thema Todesstrafe sind: Hat das Projekt Eure Einstellung geändert/verstärkt oder anderes? Eigentlich nicht. Ich habe mich schon immer gegen die Todestrafe ausgesprochen, aber es gab schon ein paar neue Gesichtspunkte, die erst mit der Recherche zum Visible Human Project zutage kamen: Fragen zu Organspende und Todesstrafe sind in den USA schon länger in den Medien und die Coverage zu 12:31 hat diese Diskussion noch mal angefacht. Dieser Satz ist ein blinder Satz. Hier müsste der Autor des Textes noch etwas hinzufügen, damit das Layout besser passt. Aber manchmal geht es auch so. Dieser Satz ist ein blinder Satz. Hier müsste der Autor des Textes noch etwas hinzufügen, damit das Layout besser passt. Aber manchmal geht es auch so. Das ist das Ende des Textes, jetzt ist Schluss. Vielen Dank, Frank! Für Deine Zeit und die Bereitschaft, uns ein paar Fragen zu beantworten.

DER FOTOGRAF

Frank Schott wuchs in Deutschland auf und kaufte sich seine erste Kamera mit 15. In den 80ern verbrachte er die Nächte am liebsten damit große Bands und Musiker zu fotografieren. Bald ging er an die Akademie der Künste Köln. 1989 eröffnete er sein erstes Studio und fokussierte sich zunächst auf Porträts, Beauty und Fashion. Später erweiterte er sein Repertoire auf Landschaften, Konzeptfotografie und Automotive Visuals. Er reiste weltweit für diverse Aufträge. Inspiriert wurde er viel vom Amerikanischen Westen und so entschied er sich 1999 umzuziehen und sein Studio nach San Francisco zu verlegen. Heute fährt er 150 Meilen in der Woche und arbeitet sowohl mit europäischen, als auch mit USamerikanischen, asiatischen, amerikanischen oder asiatischen Kunden an weltweiten Werbe-Projekten. Zudem hat er ein mehrere eigene Foto-Projekte, die ihm besonders am Herzen liegen.

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MEISTERKLASSE WIE MAN EINEN LEICHNAM ABSTRAHIERT


HINTERGRUND Jospeh Paul Jernigan (31. Januar 1954 – 5. August 1993) war ein Mörder aus Texas, der um 12:31 Uhr durch die Todesspritze hingerichtet wurde. 1981 wurde Jernigan wegen Niederstechens und Erschießens des 75-jährigen Edward Hale zum Tode verurteilt, der ihn beim Stehlen einer Mikrowelle erwischte. Jernigan verbrachte daraufhin zwölf Jahre im Gefängnis bevor sein letzter Gnadengesuch abgelehnt wurde. Sein Leichnam wurde nach der Exekution in Scheiben geschnitten und für das Visible Human Project der Universität von Colorado fotografiert. Jernigans Leichnam wurde in eine Mixtur aus Gelatine und Wasser gehüllt und eingefroren um das Präparat zum Schneiden zu stabilisieren. So wurde er in Intervalle von einem Milimeter unterteilt. Jede von den 1.871 Scheiben wurde sowohl analog als auch digital fotografiert, woraus sich 65 GB Datenmenge ergaben. Auf Drängen eines Gefängnis-Seelsorgers hatte Jernigan zugestimmt seinen Körper für wissenschaftliche oder medizinische Zwecke freizugeben, ohne dass er jedoch vom Visible Human Project wusste. Einige haben deshalb ethische Bedenken. Die wohl heftigste Reaktion kam von der Universität Wien. Sie verlangte, dass man die Bilder zurückziehen sollte, da Medizin niemals in Verbindung mit Hinrichtungen gebracht werden und dass die Zusstimmung des Spenders überprüft und kontrolliert werden sollte.

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„Into the dark“

Valencia, Spanien

Anne Schubert

Brücke zwischen Erde und Luft

Die

GALERIE: Die besten Leserfotos zum Thema der letzten Ausgabe „Architektur“

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GALERIE DIE BRÜCKE ZWISCHEN ERDE UND LUFT


„Liquidroom“

Schwimmbad in Berlin

Dennis Gerbeck

„Corner“

FH Potsdam

Andreas Levers

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„Vanishing“

Zeelandbrücke in

Holland

Julius Tinteljaar

„Abandoned“ Karlsruhe

Susanne Schell

GALERIE DIE BRÜCKE ZWISCHEN ERDE UND LUFT


„Pervert People“ Essen

Wolfgang Vucko

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„Schuhfabrik“ Pirmasens Pia Brand

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GALERIE DIE BRÜCKE ZWISCHEN ERDE UND LUFT


„Warehouse Crucifixion“

Mannheim

Thomas Wollbeck

„Interaction“ Bahn-

hof Lüttich, Belgien

Thomas Matsch

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„Geometrie“

Valencia, Spanien

Johann Majer

„blinded by the light“ München

Ben Galore

GALERIE DIE BRÜCKE ZWISCHEN ERDE UND LUFT


„U“ São Paulo Marcelo Mug

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