Gated Communities in Metro-Phoenix (Arizona)

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Gated Communities in Metro-Phoenix (Arizona) Neuer Trend in der US-amerikanischen Stadtlandschaft Gated Communities, für die Öffentlichkeit geschlossene, privat betriebene Wohnsiedlungen, sind in den USA seit etwa 15 Jahren zu einem Massentrend geworden, der v. a. die Großstädte erfasste. Die rasche Verbreitung dieses Siedlungstyps ist ein deutlicher Indikator für die zunehmende Polarisierung und Desolidarisierung der amerikanischen Gesellschaft sowie die rasch fortschreitende soziale und politisch-administrative Fragmentierung der dortigen Großstädte.

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leichzeitig sind Gated Communities aber auch Ausdruck dafür, dass ein immer größerer Anteil der großstädtischen Bevölkerung mit dem Standard der öffentlichen Dienstleistungen und der von den Stadtverwaltungen bereitgestellten Infrastruktur unzufrieden ist. Immer mehr Bewohner suchen daher diese abgeschotteten Siedlungen auf, wo sie sich vor den tatsächlichen oder auch nur eingebildeten Gefahren ihrer städtischen Umwelt sicher fühlen und ungestört ihren eigenen Lebensstil verwirklichen können. Ein beträchtlicher Teil der Wohnsiedlungen, die heute in den Vororten der amerikanischen Großstädte errichtet werden, befindet sich im gemeinschaftlichen Privatbesitz der Hauseigentümer. Die gewählten Vertreter der Hauseigentümervereinigungen (Homeowner Associations) sind für Verwaltung und Instandhaltung dieser Privatsiedlungen (Common Interest Developments) verantwortlich und deren Planung und Bau

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liegt in den Händen von privaten Projektentwicklern. Den städtischen Kommunen, in denen sich diese Siedlungen befinden, kommt nur mehr die Aufgabe zu, die eingereichten Pläne zu begutachten und zu genehmigen. Die Finanzierung der Infrastruktur wird ihnen von den Projektentwicklern abgenommen und die Gestaltungs- und Kontrollfunktionen über diese Privatsiedlungen werden heute vom Rat der Hauseigentümer und seinen Ausschüssen ausgeübt. Damit verlieren die politischen Vertreter und die Verwaltung einer Stadt weitgehend ihre Einflussmöglichkeiten über diese Gemeindegebiete. Der Rat der Hauseigentümer und deren Vorsitzende bilden eine Art Mini- oder Schattenregierung, die sich nur den Interessen der Bewohner der Privatsiedlung, nicht aber gegenüber der umliegenden städtischen Kommune verpflichtet fühlt. Die folgende Analyse beruht auf Erhebungen des Autors, die von der österreichischen Akademie der Wissenschaften gefördert wurden.

Foto 1: Kur- und Sporthotelanlage im geschlossenen Wohnpark Gainey Ranch (Scottsdale Metro-Phoenix)

Geschichte der heutigen Gated Communities Private, geschlossene Wohnsiedlungen sind in den USA kein neuartiges Phänomen. In manchen alten Großstädten der Nordostküste und des Mittelwestens, wie z. B. New York, Boston und St. Louis, gibt es diesen Siedlungstyp bereits seit mehr als hundert Jahren. Das wohl älteste Beispiel einer neuzeitlichen Gated Community ist Llewellyn Park in New Jersey (West Orange Township), knapp 20 km von Manhattan, wo u. a. der amerikanische Entdecker Thomas A. Edison eine Villa besaß. Dies parkähnliche romantic suburb (Frantz 1987, S. 141) wurde 1857 errichtet und kann als Prototyp der heutigen Gated Communities angesehen werden. Llewellyn Park zeichnet sich durch einen gewundenen Straßengrundriss sowie zahlreiche Sackgassen aus und verfügt über eine bewachte, imposante Toreinfahrt. Darüber hinaus ist diese ele-

Fotos: K. Frantz

Klaus Frantz


gante Villensiedlung, die einen Teil des bewaldeten Südostabhangs der Orange Hills einnimmt, mit einem künstlich angelegten Teich und einem zentral gelegenen etwa 13 ha großen, naturbelassenen Stück Land ausgestattet, das von Spazierwegen erschlossen ist. Diese privaten Einrichtungen dienen dem Wohlbefinden aller dort ansässigen Bewohner und waren Vorbild für viele Privatsiedlungen, die in der Folge errichtet wurden. Die Frühformen der Gated Communities waren ausschließlich einer kleinen, sehr exklusiven Gesellschaftsschicht vorbehalten.

Weite Verbreitung fand der Siedlungstyp jedoch erst in den 60er Jahren des 20. Jhs., als in den Sunbelt-Staaten, allen voran Arizona, Kalifornien und Florida, die meist freizeitorientierten Rentnersiedlungen populär wurden. Da die dortigen Wohnsitze häufig nur in den Wintermonaten bewohnt waren, hatten deren Eigentümer von Anfang an das Interesse ihren Besitz bewacht zu sehen. Das Bedürfnis, den Zweitwohnsitz, oft aber auch das breite Angebot an Freizeiteinrichtungen nicht unbeaufsichtigt zu lassen, führte zum Aufschwung der Gated Com-

munities. Aus Kostengründen war jedoch dieser Schutzfaktor vorerst nur der gehobenen Mittelschicht sowie der Oberschicht der betagten Amerikaner vorbehalten. Mit dem wachsenden Wohlstand standen die geschlossenen Siedlungen allmählich allen Altersstufen der breiten amerikanischen Mittelschicht als potenzieller Wohnsitz offen. So sind Gated Communities heute ein weit verbreitetes Phänomen, das überall in den USA, v. a. in den jungen, rasch expandierenden Großstädten der SunbeltStaaten anzutreffen ist.

Foto 2: Automatische Toranlage in Westlake Estates (Gilbert, Metro-Phoenix)

Foto 3: Bewachte Toranlage in Coral Gables Estates (Kernstadt Phoenix)

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Klaus Frantz Gated Communities in Metro-Phoenix (Arizona)

Heutiger Stellenwert der Common Interest Developments und Gated Communities In den letzten 40 Jahren ist in den USA die Anzahl der Common Interest Developments (CIDs) von 500 (1964) auf 130 000 (1990) angestiegen. Für das Jahr 2000 wird die Zahl bereits auf 225 000 geschätzt (vgl. McKenzie 1994, S. 11). 1990 gab es in den Privatsiedlungen insgesamt 11,6 Mio. Wohneinheiten, was etwa 11 % des Gesamtbestands an Wohneinheiten in den USA entsprach (ebenda, S. 11). Nur ein kleinerer Teil dieser Wohneinheiten (1997: 3 Mio.) befindet sich in Gated Communities. Die Anzahl dieser Siedlungen wird heute bereits auf 19 000 geschätzt und es wird angenommen, dass dort etwa 8,4 Mio. Menschen wohnen (Blakely und Snyder 1997, S. 180). Mangels statistischer Angaben lassen sich jedoch die hier angeführten Zahlen nicht verifizieren.

Charakteristika von Gated Communities Gated Communities bleiben in den USA fast ausschließlich der Wohnfunktion vorbehalten. Nur in wenigen Ausnahmen sind dort auch andere Funktionen integriert. Ein Beispiel dafür ist Gainey Ranch in Scottsdale (Metro-Phoenix), ein mit einer bewachten Toreinfahrt versehener Wohnpark, in dem es insgesamt 18 sog. Villages gibt, 6 davon sind zusätzlich mit automatischen Toren ausgestattet. In diesem exklusiven Wohnpark für etwa 2 300 Einw. befindet sich eine teure Kur- und Sporthotelanlage mit einem künstlich angelegten See und einem Golfplatz. Derartige Einrichtungen stehen sowohl den Hotelgästen als auch den Bewohnern von Gainey Ranch zur Verfügung (vgl. Foto 1). Gated Communities bestehen entweder ausschließlich aus Einfamilienhäusern, Reihenhäusern, Eigentumswohnungen, Mietwohnungen bzw. aus fest verankerten Wohnmobilen oder sie setzen sich aus einigen dieser Wohneinheiten zusammen, wie das bei Gainey Ranch der Fall ist. Was die Größe solcher geschlossenen Wohnsiedlungen betrifft, verfügen einige nur über wenige Einfamilienhäuser, wie z. B. Boulder Vista Estates in Carefree (Metro-Phoenix), das insgesamt acht Villen mit einem Gartenanteil von bis zu 10 000 m2 zählt (vgl. Frantz 2000, Abb. 5). Die dortigen, durchwegs sehr wohlhabenden Bewohner konnten es sich leisten, für die Errichtungskosten der teuren Infrastruktur aufzukommen und sie teilen sich heute die hohen Erhaltungs- und Betriebskosten. Daneben gibt es aber auch Siedlungen, die über Tausende Wohneinheiten verfügen (ebenda, S. 103). Die größte Gated Community von MetroPhoenix ist eine der acht US-weiten Leisure Worlds in der Teilstadt Mesa. Dabei han-

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delt es sich um eine Rentnersiedlung mit drei bewachten Toreinfahrten, die sich aus 2 798 verschiedenen Wohneinheiten zusammensetzt und zur Hochsaison von etwa 4 200 Menschen bewohnt wird. Angst und Schutz als Gestaltungskonzept Gated Communities zeichnen sich durch eine ganze Reihe von defensiven baulichen und landschaftsgestaltenden Maßnahmen aus, die sie oft als hermetisch abgesicherte, von der Außenwelt abgekapselte Wohnfestungen erscheinen lassen. Zu diesen Maßnahmen gehören ständig bewachte oder automatische Toreinfahrten (vgl. Fotos 2 und 3) sowie Mauern, Zäune, dicht bepflanzte Erdwälle oder Wassergräben. Oft beschränkt sich die markante Abgrenzung aber nur auf die Straßenseite und andere exponierte Stellen. Auch ständig eingeschaltete Videokameras, Nachtsichtgeräte oder Radaranlagen gehören zu den Sicherheitsmaßnahmen. Im Inneren der Wohngebiete wird der Schutz nicht selten durch freiwillige Bürgerpatrouillen (Neighborhoodwatch) gewährleistet oder die Bewohner leisten sich einen professionellen Sicherheitsdienst, der rund um die Uhr patrouilliert. Gated Communities als Lebensstilgemeinschaften Meist sind Gated Communities nicht nur Schlafsiedlungen, sondern auch Orte, in denen die Bewohner ungestört einer aktiven Freizeitgestaltung nachgehen und einen bestimmten Lebensstil verwirklichen können. Die Vermarkter dieser Siedlungsform preisen daher ihre Projekte oft auch als sog. Lifestyle-Communities an. Das Leben spielt sich hier gleichsam unter Ausschluss der

Öffentlichkeit und unter Seinesgleichen ab. Die Bevölkerung ist in sozialer und ethnischer Hinsicht überaus homogen und zeichnet sich häufig durch eine ähnliche Lebensweise und spezifische Freizeitpräferenzen aus. Überdies stehen die Menschen oft im selben Lebensabschnitt und haben daher häufig ähnliche Bedürfnisse. Freizeitorientierte Einrichtungen und Annehmlichkeiten In vielen geschlossenen Siedlungen wird mit dem schlüsselfertigen Haus gleichzeitig auch eine ganze Palette von Annehmlichkeiten und Freizeiteinrichtungen mitgeliefert, die dem Wohlbefinden der Bewohner dienen soll. Dazu gehören Annehmlichkeiten, die von der Natur quasi vor Haus bereitgestellt werden, wie z. B. ein de facto – wenn auch nicht de jure – weitgehend ungestörter Zugang zu einem Flussufer, Strand oder Landschaftsschutzgebiet (vgl. Foto 4). Die Annehmlichkeiten und Freizeiteinrichtungen werden aber auch vom Projektentwickler mitgeliefert, v. a. in jenen geschlossenen Siedlungen, die sich nicht durch eine landschaftliche Gunstlage auszeichnen. Die Betreiber errichten u. a. künstlich angelegte Seen, die sich zum beschaulichen Betrachten, zum Fischen, Bootfahren und sogar Wasserskilaufen eignen. Dazu kommen Parkanlagen mit Spazierund Radwegen sowie Golf- und Tennisplätzen (vgl. Foto 1 und Abb. 2). Auch Schwimmbecken und Fitnesszentren und nicht zuletzt Country Clubs mit eigenen Restaurants für die Familie oder zum Einladen von Geschäftsfreunden gehören häufig zur Normalausstattung. In Einzelfällen gibt es sogar Poloplätze, siedlungseigene Flugplätze (vgl. Foto 5) oder ein attraktives Netz von Reitwegen. Häufig sind

Foto 4: Burgartige Villa in einer namenlosen Gated Community am Abhang der naturgeschützten Camelback Mountains (Kernstadt Phoenix)


diese Einrichtungen so platziert, dass sie gleichzeitig mehreren angrenzenden Privatsiedlungen zur Verfügung stehen, sodass die Errichtungs- und Erhaltungskosten auf eine größere Anzahl von Personen aufgeteilt werden können.

Aufgabe des Projektentwicklers Hinter den Wohnsiedlungen sowie dem Trend zur Privatisierung der Infrastruktur, der Raumplanung und der Gemeindeverwaltung stehen meist große, kapitalintensive Projektentwickler (Developer). Die Aufgabe des Projektentwicklers ist es, den Grund zu erwerben, den Generalplan (Master Plan) für die Siedlung zu erstellen sowie diesen beim betreffenden Stadtplanungsamt einzureichen und genehmigen zu lassen. Darüber hinaus muss der Projektentwickler die gesamte Infrastruktur bereitstellen. Dabei geht es nicht nur um den Bau der zuvor bereits erwähnten freizeitorientierten Einrichtungen, sondern auch um die Errichtung des gesamten Straßenund Kanalnetzes, die Verlegung der elektrischen Leitungen und vieles mehr. Die Erfüllung all dieser Aufgaben ist häufig außerordentlich kostenintensiv und risikoreich, da bis zu diesem Zeitpunkt vom Projektentwickler noch keinerlei Einnahmen erzielt wurden. Ein Kostenrahmen von 400–600 Mio. US$ für den Ankauf von etwa 3 000–4 000 ha Land und die Bereitstellung der Infrastruktur, wie dies bei Desert Mountain in Scottsdale (Metro-Phoenix) der Fall ist (vgl. Abb. 2), ist keineswegs ungewöhnlich. Es verwundert daher nicht, dass die Projektentwickler, die in finanzieller Hinsicht allein meist zu schwach sind, sich i. d. R. auf private Geldgeber (Projektsponsoren) wie z. B. Banken, Versicherungen oder die Immobilienabteilungen von großen Erdölkonzernen stützten, um ein Projekt durchführen zu können. Erst wenn die Infrastruktur weitgehend fertig gestellt ist, wird mit dem Bau der Häuser begonnen. Da viele dieser auf dem Reißbrett konzipierten Großprojekte (Master-Planned Communities) aus einer Reihe von offenen oder geschlossenen Wohnsiedlungen bestehen (vgl. Frantz 2000, S. 104) haben meist nur die ganz großen, US-weit operierenden Projektentwickler die personelle und finanzielle Kapazität, die Projekte zu entwickeln und in Eigenregie zu errichten und zu vermarkten. In der Regel ist es jedoch so, dass der Projektentwickler nach Fertigstellung der Infrastruktur das Areal in mehrere Subareale (Subdivisions) unterteilt. In der Folge werden dann die Rechte zur Ausführung der einzelnen Wohnsiedlungen an sog. Homebuilders weiterverkauft, die meist als Generalunternehmer fungieren und schlüsselfertige Wohnhäuser erstellen. Die Generalunternehmer betrauen wiederum Immobilienagenturen mit dem Verkauf der Häuser. Zuvor werden jedoch im

Foto 5: Airpark Estates (Carefree, Metro-Phoenix)

Regelfall auf den Arealen der einzelnen Wohnsiedlungen drei bis sechs nach Größe und Preis leicht abgestufte Musterhäuser errichtet, unter denen die Kunden auswählen können.

Erstellung von Satzungen Eine weitere Aufgabe des Projektentwicklers ist es, für jede der Privatsiedlungen Satzungen (Covenants, Conditions and Restrictions) zu erstellen, die bis zu 70 Seiten lang sein können und von jedem Eigentümer zu unterschreiben sind. Die für jeden Käufer verbindlichen Satzungen schreiben bis ins kleinste Detail vor, welche Veränderungen in Haus und Garten unterbleiben müssen, wie deren Instandhaltung zu erfolgen hat und ob in der Hauseinfahrt ein Auto geparkt oder im Garten Wäsche aufgehängt werden darf. Wenn sich der Erstbesitzer eines Hauses nach Jahren entscheiden sollte seine Immobilie zu verkaufen, dann sind diese Satzungen auch für den neuen Käufer gültig. Mithin sind die Eigentumsrechte der Bewohner von Gated Communities durch eine Reihe von Regulativen erheblich eingeschränkt. Diese stehen im Allgemeininteresse der selbstverwalteten Siedlung und ihrer Bewohner, weil damit die Wohnqualität der Privatsiedlung und der Wert der dortigen Immobilien aufrechterhalten werden können. Konstituierung der Eigentümervereinigung Bereits während der Bauphase setzt der Projektentwickler eine Vereinigung der Hauseigentümer ein, an welche die Kontrolle über die Einhaltung der Satzungen weitergegeben wird. Verstößt ein Eigentümer gegen die Satzungen, wird er aufgefordert diese einzuhalten. Wenn dies nicht zielführend ist, wird er verklagt. Dem gewählten Ausschuss der Hauseigentümervereini-

Gated Community mit integriertem Privatflughafen und hauseigenen Hangars

gung stehen oft Immobilienverwaltungsfirmen zur Seite, die vom Rechtsanwalt bis zum Gärtner und vom Sicherheitsdienst bis zum privatwirtschaftlich geführten Feuerwehrunternehmen alle notwendigen Dienstleistungen für die betreffende Siedlung organisieren. Für die privaten Dienstleistungen sind von den Hausbesitzern an die Eigentümervereinigung beträchtliche Beiträge zu leisten, die monatlich bis zu 1 500 US$ (siehe Desert Mountain) betragen können.

Metro-Phoenix und seine Gated Communities Zum Phänomen Gated Communities gibt es in den USA weder auf nationaler noch auf einzelstaatlicher oder kommunaler Basis genauere statistische Daten. Die zuvor gemachten Angaben zur Verbreitung dieses neuen Siedlungstyps beruhen daher nur auf groben Schätzwerten, die sich nicht verifizieren lassen. Um sich ein Bild vom tatsächlichen Stellenwert der Gated Communities machen zu können, sind empirische Einzelstudien nötig, die bisher jedoch noch für keine amerikanische Großstadt vorliegen. Im Folgenden sollen die ersten Daten einer Erhebung vorgestellt werden, die 1999 in Metro-Phoenix durchgeführt wurde. Die Gesamterhebung fußt auf einer systematischen flächendeckenden Befahrung des Stadtgebiets und zahlreichen Begehungen in Gated Communities. Darüber hinaus wurden in allen Teilstädten zu bestimmten Einzelfragen Stadtplaner, Polizei- und Feuerwehrbedienstete sowie Mitarbeiter von Realitätenbüros und Baufirmen befragt, wobei in der vorliegenden Arbeit, neben einigen Zahlenangaben, nur der Aspekt des sozio-ökonomischen Hintergrunds der Bewohner in Gated Communities kurz angesprochen werden soll. Die 2,8 Mio. Einw. zählende Hauptstadt Arizonas eignet sich für eine solche Erhe-

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Klaus Frantz Gated Communities in Metro-Phoenix (Arizona) bung besonders gut. Sie ist jung, verfügt Richtung Norden, Westen und Nordosten über große Baulandreserven und die einzelnen städtischen Kommunen üben hinsichtlich der Bauordnung im Allgemeinen eine Laissez faire-Politik aus, die den Projektentwicklern i. d. R. wenige Auflagen in den Weg stellt. Darüber hinaus stellt MetroPhoenix ein überaus dynamisches großstädtisches Konglomerat von 23 ausufernden Teilstädten dar und sie ist die am raschesten wachsende Millionenstadt der USA (Frantz 1996, S. 206). Die Erhebungen ergaben, dass in Metro-Phoenix im Sommer 1999 insgesamt 641 Gated Communities existierten, die sich auf 17 der 23 Teilstädte aufteilten. Etwa

19 % dieser Siedlungen hatten bewachte Toreinfahrten, knapp 12 % blieben ausschließlich Rentnern vorbehalten. Die Kernstadt Phoenix, Scottsdale und Mesa waren jene Teilstädte, wo mit 214, 149 bzw. 94 die meisten geschlossenen Siedlungen lagen (vgl. Abb. 1). Mit welcher Dynamik sich dieser neue Siedlungstyp ausbreitet zeigt die Tatsache, dass sich während der Erhebung 19 % der Siedlungen noch im Bau befanden. In den Gated Communities von MetroPhoenix lebten zu dieser Zeit ungefähr 320 000 Menschen, was immerhin fast 12 % der Gesamtbevölkerung ausmachte. In Surprise (18 800 Einw.) lag dieser Prozentsatz bei 70 %, in Apache Junction (22 800 Einw.)

und Carefree (2 600 Einw.) bei über 50 %. Alle Teilstädte zeichnen sich durch einen sehr hohen Rentneranteil aus. Etwa ein Drittel aller Bewohner in Gated Communities lebte in den geschlossenen Rentnerstädten von Metro-Phoenix. Im Gegensatz zur allgemein verbreiteten Meinung sind Gated Communities längst nicht mehr nur private Wohlstandsinseln, in denen die Oberschicht der Bevölkerung ihren privilegierten Lebensstil absichert. Das Beispiel Metro-Phoenix zeigt, dass in Wirklichkeit nur etwa 13 % der geschlossenen Siedlungen den sehr begüterten Kreisen und 32 % der oberen Mittelschicht vorbehalten sind. Beim Gros der Gated Communities handelt es sich vielmehr um Wohn-

Abb. 1: Gated Communities in den städtischen Kommunen von Metro-Phoenix (hier durch Farben gegeneinander abgegrenzt) und ihre schichtspezifischen Merkmale (1999) Quelle: eigene Erhebungen

Entwurf: K. Frantz; Kartografie: H. Heinz-Erian

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Abb. 2: Desert Mountain in Scottsdale (Metro-Phoenix) Beispiel einer Gated Community mit integrierten geschlossenen Siedlungen (1999)

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Klaus Frantz Gated Communities in Metro-Phoenix (Arizona) siedlungen des Mittelstands (49 %) und in gut 2 % lebt sogar die untere Mittelschicht (vgl. Abb. 1). Noch deutlicher kommt das bei der Bevölkerungsverteilung zum Ausdruck. Hier zeigt sich, dass die Oberschicht nur etwa 3 % und die obere Mittelschicht 17 % der Gesamtbevölkerung in Gated Communities stellt. Der Mittelschicht gehören dagegen mehr als 73 % und der unteren Mittelschicht fast 3 % an. Nur in den Teilstädten Paradise Valley und Carefree bzw. etwas eingeschränkt in Litchfield Park und Goodyear geben die selbstgewählten Ghettos des Wohlstands bei den geschlossenen Siedlungen den Ton an (vgl. Abb. 1). Desert Mountain – Gated Community mit integrierten geschlossenen Siedlungen Große Wohnparks, bei denen der Öffentlichkeit der Zutritt durch bewachte Toreinfahrten verwehrt ist, und die auf ihrem Areal kleinere Gated Communities integriert haben, sind in der amerikanischen Stadtlandschaft ein eigenartiges, aber keinesfalls seltenes Phänomen. Was Metro-Phoenix betrifft, gibt es 15 solche Wohnparks mit zusammen 60 Gated Communities. Das wohl beste und in seiner Dimension beeindruckendste Beispiel dafür ist Desert Mountain im äußersten Nordosten von Scottsdale (vgl. Abb. 2). Dieser mondäne Wohnpark beherbergt nicht weniger als 29 Villages und umfasst ein Areal von 3 200 ha, wovon 800 ha, die im Norden vom Tonto National Forest begrenzt werden, als naturgeschützte Zone ausgewiesen sind. Das radarüberwachte Gelände dieses Parks steigt von 800 auf 1 400 Höhenmeter an, sodass hier die klimatischen Verhältnisse wesentlich angenehmer sind als im niedriger gelegenen Phoenix. Mit fünf exklusiven Golfplätzen, drei Clubhäusern, siebzehn Tennisplätzen (Sand, Hartplatz und Rasen), zwei großen Swimming Pools und einer Reihe von anderen Einrichtungen ist dieser noch nicht fertig gestellte Wohnpark einzigartig ausgestattet. Aufgrund seiner luxuriösen Ausstattung haben sich hier bis heute etwa 2 400 äußerst vermögende Menschen angesiedelt und Wohnsitze in der Preisklasse von 1,25–8,7 Mio. US$ (inklusive Grundstück und Golfplatzmitgliedschaft) errichten lassen. Um die Anlagen allerdings in Schuss zu halten und das Gelände von der Außenwelt abzuschirmen, werden von der mit dem Management betrauten Firma knapp 600 Bedienstete angestellt, was hohe zusätzliche Betriebskosten nach sich zieht.

Fazit Gated Communities haben in den letzten Jahren in den USA eine überaus rasche Verbreitung gefunden und die dortige Stadtlandschaft sowie beträchtliche Teile der suburbanen Gesellschaft und deren Le-

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bensstil nachhaltig verändert. Die Gründe für die rasante Ausbreitung dieses neuartigen Siedlungstyps sind vielfältig (vgl. Frantz 2000), wobei die Angst vor der Kriminalität und das zunehmende Sicherheitsbedürfnis sicherlich eine wesentliche Rolle gespielt haben. Die große Popularität der geschlossenen Siedlungen hängt aber auch mit der drastischen Einsparungspolitik in den meisten amerikanischen Großstädten zusammen, die letztlich zu einem drastischen Rückbau der kommunalen Dienstleistungen und einer wachsenden Unzufriedenheit der städtischen Bevölkerung geführt hat. Die Unzufriedenheit hat bewirkt, dass sich immer mehr Stadtbewohner an die Peripherie der Großstädte zurückziehen, wo sie in den privaten Wohnsiedlungen, die dort in großer Zahl aus dem Boden schießen, eine scheinbar heile Gegenwelt zu den kernstädtischen Problemen vorfinden. ■ Literatur Bell, D.: Residential Community Associations: Community or Disunity? In: A. Etzioni (Hrsg.): The Essential Communitarian Reader. Lanham, MD, 1998, S. 167–176 Blakely, E., und M. Snyder: Fortress America: Gated Communities in the United States. Cambridge, Washington, D. C., 1997 Caldeira, T.: Fortified Enclaves: The New Urban Segregation. Public Culture 8 (1996), S. 303–328 Flusty, S.: Building Paranoia: The Proliferation of Interdictory Space and the Erosion of Spatial Justice. West Hollywood 1994 (Los Angeles Forum for Architecture and Urban Design, Forum Publication H. 11) Ford, L., und E. Griffin: The Ghettoization of Paradise. Geographical Review 60 (1979), S. 140–158 Forrest, R., und P. Kennett: Risk, Residence, and the Post-Fordist City. American Behavioral Scientist 41 (1997) H. 3, S. 342–359 Frantz, K.: Die Salt River Indianerreservation. Landnutzungskonflikte und sozio-ökonomischer Wandel am Rande der Großstadt Phoenix. GR 48 (1996) H. 4, S. 206– 212 Ders.: Gated Communities in the USA – A New Trend in Urban Development. Espace – Populations – Sociétés (2000-1), S. 101–113 Garreau, J.: Edge City. Life on the New Frontier. New York 1991 Hahn, B.: Die Privatisierung des öffentlichen Raums in nordamerikanischen Städten. In: A. Steinecke (Hrsg.): Stadt- und Wirtschaftsraum. Berlin 1996, S. 256–269 (Berliner Geographische Studien, Bd. 44) Holzner, L.: American Ideologies and the Building of Compromise-Landscapes. In: K. Frantz (Hrsg.): Human Geography in North America. New Perspectives and Trends in Research. Innsbruck 1996, S. 289–299 (Innsbrucker Geographische Studien, Bd. 26) Marcuse, P.: Walls of Fear and Walls of Support. In: N. Ellin (Hrsg.): Architecture of Fear. Princeton 1997, S. 101– 114 McKenzie, E.: Privatopia. Homeowner Associations and the Rise of Residential Private Government. New Haven 1994 Mitchell, D.: The End of Public Space? People’s Park, Definitions of the Public and Democracy. Annals of the Association of American Geographers 85 (1995), S. 108–133 Newman, O.: Defensible Space: Crime Prevention Through Urban Design. New York 1972 Reich, R.: Secession of the Successful. New York Times Magazine, 20. Januar 1991

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Autor Prof. Dr. Klaus Frantz, geb. 1948. Institut für Geographie der Universität Innsbruck, Innrain 52, A-6020 Innsbruck. E-Mail: klaus.frantz@uibk.ac.at. Arbeitsgebiete/Forschungsschwerpunkte: Stadt- und Sozialgeographie, Ethnische Minderheiten, Nordamerika.

Summary Gated Communities in Phoenix, Arizona: A Reflection of the Fragmentation of U. S. Metropolitan Cities by Klaus Frantz Over the past fifteen years the construction of gated communities has become a mass trend in U. S. American urban development. It is estimated that there are more than eight million people in the U. S. living in gated communities today. In all the metropolitan areas of the Sunbelt states, and to a lesser degree also in the rest of the country, these communities have not only changed the American urban landscape, but suburban society and its lifestyle as well. In the USA they are predominantly privately built and maintained. The residents cut themselves off from the outside world using a number of defensive measures such as guarded or remote-controlled gates, walls and fences. These “fear induced measures” are often supplemented by a privately organized neighborhood watch or professional security personnel. Gated communities are one element in U.S. American cities that reflect the progressive trend towards privatization of urban services and an increasing polarization, fragmentation and diminishing solidarity within urban society. So far there has been no study that would show the extent of this new trend in urban development. As an indication of its possible importance, this survey of the twenty-three independent cities that make up the urban conglomerate of Metro-Phoenix found 641 gated communities with a total population of more than 320,000 people.


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