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Baureportage | Altstadthotel Weisses Kreuz, Innsbruck
Altstadthotel Weisses Kreuz Thomas Hudovernik und Brigitte Steixner Herzog-Friedrich-Straße 31 A-6020 Innsbruck tel: +43 512 59479-0 mail: hotel@weisseskreuz.at
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| Neukonzeption, Renovierung und Erweiterung um Zimmer und ein aussichtsreiches
Dachgeschoss | | Bar Blaue Brigitte – beim Blick aus den
Glaskuppeln der Dachboden Bar wirkt der
Himmel für interne wie externe Gäste zum
Greifen nah | | Architektur & Interior Design: noa* – network of architecture, Bozen und
Berlin, www.noa.network | | Altstadthotel aus dem Jahr 1465 mit Kultcharakter und zweifachem Dachl-
Blick auf und über die Dächer Innsbrucks | | „Barock-Schick-Schock“ in bester Altstadtlage unweit des Goldenen Dachls und umgeben von Traditionsgeschäften und -lokalitäten | | Ein minutiös durchdachtes Aussehen lässt so manche Eigenheit kurios erscheinen – Stichwort: „Besenkammer“, Merkwort: Boris-Becker-Schläger | | Selbst Mozart war 1769 zu Gast – die pompöse Mozart Suite erinnert spielerisch mit Billardtisch noch heute daran | | #Tirolrocks – sämtliche Produkte vom „Voll lokal Frühstücksbuffet“ bis zur
Tirola Kola sind lokaler Natur |
Rendezvous mit Mozart: Das Altstadthotel Weisses Kreuz in Innsbruck lädt seine Gäste seit Frühling 2021 auf eine erfrischend bunte Zeitreise ein, für die noa* – network of architecture den passenden Rahmen geschaffen hat. Im neuen Dachgeschoss wurde eine „barocke“ Bar realisiert und der erste Stock in den Hof hinein um sechs Zimmer samt überglaster Terrasse erweitert. Gesamt stehen nun 48 „Kammern“ bereit –allesamt außergewöhnliche Zimmer und Suiten als Inszenierungsrahmen barocker Elemente. b
Spiegelkorridor – der Gast begegnet sich selbst.
auelemente verschiedenster Epochen prägen die Häuser der historischen Straßenzüge rund um das berühmteste Wahrzeichen der Stadt – das Goldene Dachl mit seinen 2657 feuervergoldeten Schindeln. Eine Mischung aus Gotik und Renaissance wirkt seit Jahrhunderten prägend auf den Stil der umliegenden Gebäude, rechte Winkel und schlichte Modernität sucht man hier meist vergebens. Im Grundriss lang gezogen und schmal präsentiert sich typischerweise auch das über den vorgelagerten Arkadengang zugängliche Altstadthotel Weisses Kreuz. Über diesen Gang taucht man ein in seine persönliche Geschichte, die bis zurück in die 1460er Jahre reicht. Beeindruckend fügen sich die einzelnen Elemente zu einer Symbiose der Stadtmorphologie. Als Ehre und Herausforderung zugleich offenbarte sich die Transformationsgeschichte des altehrwürdigen Hotels auch dem preisgekrönten Architektur- und Designstudio noa*, das vergangenes Jahr mit der Neukonzeption beauftragt wurde.
Die außergewöhnliche Zeitreise, zu der die Gastgeber Thomas Hudovernik und Brigitte Steixner auch im Inneren einladen, beginnt schon im Erdgeschoss. Auf dem Weg zum Fahrstuhl geht’s entlang eines von zwei Spiegelschleusen durchbrochenen Korridors. Der Gast begegnet sich selbst, entrückt dem Zeitempfinden durch Raumgrenzen, die an den Seiten und der Decke aufgelöst werden und Architektur gezielt immateriell wirken lassen. Von hier aus bringt der Fahrstuhl Gäste direkt in das neue sechste Obergeschoss, das mit professioneller Raffinesse und klarerweise unter Einhaltung des Denkmalschutzes entstanden ist. Dieses neue Dachgeschoss folgt einer bis ins Detail durchdachten Choreografie: Es reagiert einerseits auf Nachbarschaft und Stadtbild, in dem es die ursprüngliche Neigung zur Straße hin beibehält, steigt jedoch nach hinten auf Raumhöhe an und öffnet sich mit sechs Glaskuben, die einen wunderbaren Blick über die Dächer freigeben. Ein einzigartiges Panorama aus Stadtturm, Sprungschanze und Nordkette offenbart sich.
Funktional treffen dort zwischen Erkern und Nischen aus Glas Empfang, Frühstücksbuffet, Bar und Abendlokal aufeinander. Sofort sticht das dominierende Einrichtungsstück des lang gezogenen Raumes ins Auge – eine maßgefertigte Tafel aus Messing mit barocken Verzierungen und abenteuerlichen 13 Metern Länge. Geräucherter Eichen-
boden schenkt ihr zusätzliche Betonung, das warme Dunkelblau des Raumes steht in Verbindung zum royalen Messing des Tisches.
Diesem Farbton und der Bauherrin selbst ist auch der Name des Kulttreffs für Ein- wie Ausheimische zu verdanken: Blaue Brigitte. Verschiedene Sitzbereiche mit außergewöhnlichen Sesseln und Leuchten im Gatsby-Stil bieten einen variantenreichen Mix, bei dem charmante Akzente in Hellrosa und Ockergelb an das opulente Messing-Thema anknüpfen. Die Leitlinie des Projekts – Barock-Schick-Schock – zeigt sich im Dachgeschoss von seiner kuriosesten Seite. Minimalismus und weiße Flecken sind nicht zu finden. Bis hin zu technischen Details wurde alles farblich abgestimmt. Lebendigkeit spiegelt sich in allen Elementen wider und erinnert an die dynamische Baugeschichte, in welcher sich gerade ein neues Kapitel auftut.
Trotz der unterschiedlichen Raumhöhen – gotischen Decken und Bögen, die die Geschosse des tradierten Hauses so mit sich bringen – gelang es noa*, ein System für die nach dem Umbau gesamt 48 „Kammern“ zu entwickeln. Gästezimmer und Suiten, die Richtung Straße orientiert sind, lassen weiterhin mit Blick aus dem Fenster am Treiben der Innsbrucker Altstadt teilnehmen, jene Richtung Innenhof erfreuen nun mit einem internen Patio oder Balkon. Für den fensterlosen Mittelteil des Gebäudes wurde eine besonders raffinierte Lösung gefunden. Denn diese Räume werden nun über einen internen Lichthof ausgeleuchtet und verfügen sogar über eine kleine begrünte Privatterrasse. Gestalterisch folgen die Zimmer in sich geschlossenen Farbcodes. Jeweils in eine Farbe getaucht, wird der Raum zum Inszenierungsrahmen barocker Elemente. Dabei ist die gesamte Ausstattung monocolor durchkomponiert: Vom Teppich und den Fliesen über die Wandfarbe bis hin zu den Vorhängen und Möbelstücken. Akzentuiert wird der barocke Touch zusätzlich durch eine eigens angefertigte Fotografie-Serie.
Opulent gekleidete Damen greifen mit skurrilen Accessoires das Leitthema „Barock-Schick-Schock“ auf. Zudem gibt der jeweilige Farbton einen Hinweis auf die Konfiguration der einzelnen Zimmer. So sind die rot-goldenen Zimmer besonders großzügig, die hellblauen kleiner und die dunkelblauen mit Balkonen ausgestattet. Die grünen begeistern mit Patio im ruhigen Lichthof, während die grauen als Twin-Zimmer konzipiert sind. Von einer großzügigen Hommage an Mozart als einstigen Gast des Hauses, 50 m² mit privater Champagner Bar und Dachl-Blick bis hin zur grünen Stuben Suite mit historischem, neu beim Umbau entdecktem Gemälde und gemütlicher Holzdecke ist hier alles dabei. Gänzlich aus dem Rahmen fällt nur das kleinste Zimmer, die kuriose Besenkammer. Scheinbar komplett im Rohbau-Status verharrt, lockt sie Freaks wie Liebhaber mit unverputzten Wänden, Kingsize-Bett, rätselhaftem Tennisschläger, Schaukel im rohen Patio und vor allem einer verführerischen Einladung, die auf der Website selbst nachgelesen werden sollte, in ihre vier Wände.
Das Weisse Kreuz bleibt ein Haus voller Kuriositäten und Geschichten, für die es nun an der Zeit ist, sie neu zu erfahren. Vollendet wie eine Komposition von Mozart!