Ammann kunst ja kunst leseprobe

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JEAN-CHRISTOPHE AMMANN

KUNST? JA, KUNST! DIE SEHNSUCHT DER BILDER


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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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ISBN 978-3-86489-063-5 © Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2014 Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin Satz: Publikations Atelier, Dreieich Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany


F端r Judith, meine Frau



Inhalt

Vorwort

11

Kapitel 1: Die tägliche Wahrnehmung

13

Die Fotografin Jessica Backhaus Die Normalität der Kriegsbilder: Reportagefotos von Anja Niedringhaus Was Ad Petersens Fotos in mir ausgelöst haben Die Fotografin Sandra Mann Zu den Fotos und Foto-Installationen von Susa Templin Das Charisma des Dennis Hopper

13

Kapitel 2: Die Sehnsucht der Bilder

48

»Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen« Thomas Ritz – Die Geburt eines Malers Die Tuschezeichnungen von Simone Junker Franz Gertsch: Frühling (2009–2011) Der Maler Stanley Spencer Besuch bei der Malerin Martina Essig Die Malerin Cornelia Schleime Walter Dahn ist ein Dichter Balthasar Burkhard: Der versiegelnde Blick

48 56 60 68 71 75 79 86 94

17 22 26 34 40

Kapitel 3: Intimität und Geschlecht

102

Inge Besgen: Stratifizierte Pornografie

102


Für Elfie Semotan, die ich nie kennengelernt habe, und über einige ihrer Fotos, die mir nahegehen Margit Seiler: Eine bestimmte Zärtlichkeit Der Maler John Currin Laura Baginski: Vulviva Iris Musolf: Lust, Schmerz, Askese und Ekstase in Beton gegossen Caro Suerkemper: Verzückung und Ekstase

105 111 115 122 127 132

Kapitel 4: Gesellschaft

134

Sage mir, was du sammelst, und ich sage dir, wer du bist! Identität und Authentizität Vereinheitlichungsbestrebungen und ihr Scheitern Weltumfangend – Karsten Bott Sabrina Hohmann – Vorübergehende Besetzung Aufruhr – Latifa Echakhch Kontakthof von Pina Bausch Julia Charlotte Richter Simon Pasieka: Sollte die Kälte obsiegen? Eva, wie verdienst du dein Geld? Florian Heinke: »LIEB / NE FRAU. / DAS LEBEN. / DIE HÖLLE.« Das weibliche Territorium der Justine Otto Justine Otto: Eine alchimistische Dramaturgie Pier Paolo Pasolini: Unio mystica

134 140 148 169 176 184 186 192 201 203

Kapitel 5: Welt/Kosmos

231

»Trompe-l’œil« – oder »Die Welt als Hologramm« Magie und Wirklichkeit: Über Konfigurationen in Getreidefeldern »Energieplan« – Joseph Beuys und die Folgen Erneuerung Paul Thek: Transsubstantiation

231

210 215 221 227

236 245 256 261


Flora Hitzing Anke Röhrscheid

268 274

Kapitel 6: Tragödien

277

Lars von Trier: Antichrist ♀ Lars von Trier: Melancholia

277 287

Anmerkungen

295

Kurzbiografien der Künstlerinnen und Künstler

310

Abbildungsverzeichnis

318



Vorwort

Ich lese viel. Ohne Belletristik, ohne das Wissen und die Erfahrung der anderen, könnte ich nicht sein. Beim Lesen fallen mir die Werke der Künstler ein; beim Betrachten der Werke das Gelesene. Manchmal suche ich stundenlang nach einem Buch, weil mich die Erinnerung an den Klang eines Gedichts, an eine Begebenheit oder Erzählung nicht loslässt. Eben lese ich in der Neuen Zürcher Zeitung folgende merkwürdige Geschichte: »Der Statistiker Andrew Pole entwickelt Algorithmen zur Kundenanalyse für den amerikanischen Einzelhandelsriesen Target. Die Marketingabteilung stellte ihm die Frage: Können wir herausfinden, ob eine Kundin schwanger ist, selbst wenn sie nicht will, dass wir das wissen? Pole schrieb aus den Gewohnheiten der Kundinnen – aus dem Datenmaterial ihres Kaufverhaltens – einen Algorithmus, mit dem sich Werbung für Windeln, Babynahrung, Krippen und so weiter an Mütter in spe adressieren ließ. Eines Tages tauchte der Vater eines Teenagers in einer Target-Filiale auf und beschwerte sich über die Werbesendung an seine Tochter, die doch noch die Highschool besuche; was man sich eigentlich erlaube, sie zur Schwangerschaft zu animieren. Der perplexe Filialleiter entschuldigte sich. Ein paar Tage später meldete der Vater sich erneut, nun seinerseits sich entschuldigend: Seine Tochter sei wirklich schwanger. – Der Algorithmus ›wusste‹ es vor ihm.«1 Künstlerinnen und Künstler handeln auf ihre Art und Weise wie ein »Algorithmus«. Sie nehmen Dinge voraus, die oft viel später Teil einer allgemeinen Erkenntnis werden. So hat zum Beispiel das Ende der historischen Avantgarden, Mitte der 1970er Jahre, 15 Jahre früher stattgefunden als der Zusammenbruch von Ideologien, Hegemonien und Utopien – sowohl in der Politik als auch in der Physik

Vorwort 11


(siehe »Vereinheitlichungsbestrebungen und ihr Scheitern« in diesem Buch, Seite 148–169). So wie sich eine Gesellschaft partikularisiert, so individualisiert sie sich. So wie es einst in der Kunst eine allgemeine Richtung gab – das Neue in Generationenschritten von zehn Jahren –, so besteht die allgemeine Richtung heute in einem Radius von 360 Grad. Dass in einem solchen Umfeld der »algorithmisch« vorausahnende Künstler sehr viel schwerer zu eruieren ist, versteht sich von selbst. Ich glaube aber, dass der Sinnlichkeit erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken ist gemäß dem Motto: »Es gibt nichts zu erfinden, aber vieles zu entdecken.« Gemeint ist: Die Versinnlichung der Zwischenräume; die Sinnlichkeit der Sichtweisen der Ideen, des Intimen (als das Verbindende): »Gestern hat mich mein Mann gefragt, ob er Haare auf der Seife hinterlässt.«2 Der Mensch will heute über die Kunst nicht mehr belehrt werden. Er will auch keine »interessante« Informationsverarbeitung. Er will sich an das, was er gesehen hat, erinnern. Erinnern meint hier etwas, was in die Sinne sickert, sich zu einem Bild verdichtet. Ein Bild, das in der Lage ist, ihn auf dem Weg zu begleiten. Mein herzlicher Dank geht an den Verleger Markus Karsten und an sein Team. Ganz besonders danke ich der Lektorin Beate Koglin. Wie schon beim vorausgehenden Band Bei näherer Betrachtung wäre ich ohne ihre Hilfe auf verlorenem Posten gestanden. Ihr Sachverstand, ihr genaues Auge, ihre Fähigkeit, sich in eine nicht immer leichte Materie hineinzudenken, waren mir von unschätzbarem Wert. Jean-Christophe Ammann, im Dezember 2013

12 Vorwort


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