Das Eindecken von Ochsenaugen erfordert Erfahrung und Augenmass.
IN FORM UND FARBE ORIGINALGETREU Das Dach der hundertjährigen Kirche St. Maria Neudorf in St. Gallen wurde komplett saniert und mit neuen Ziegeln eingedeckt. Mit einem objektspezifisch und teilweise gar in Handarbeit hergestellten Biberschwanzziegel aus der neuen Casta Manufaktur liessen sich die hohen denkmalpflegerischen Vorgaben alle erfüllen. Dieses Jahr feiert die Kirche St. Maria Neudorf in St. Gallen ihren hundertsten Geburtstag. Der sich am Jugendstil orientierende Sakralbau wurde von 1914 bis 1917 nach den Plänen des Rorschacher Architekten Adolf Gaudy errichtet. Eine umfangreiche Sanierung der Innenräume hatte bereits vor rund zehn Jahren stattgefunden, und eben wurde nun auch die komplette Aussensanierung von Fassade und Dach erfolgreich abgeschlossen. Denkmalpflegerische Vorgaben Die Herausforderungen bei der Sanierung von Kirchen sind vor allem einmal die Grösse und Höhe der Bauwerke – und damit auch jene von Gerüst und Notdach –, zum andern aber auch
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die hohen denkmalpflegerischen Ansprüche, die an solche Bauten gestellt werden. Das rund 2 000 Quadratmeter grosse Ziegeldach musste daher weitestgehend detailgetreu dem ursprünglichen Dach nachgebildet werden, um das Erscheinungsbild beizubehalten. Die vor hundert Jahren verbauten Ziegel hatten in der Zwischenzeit jedoch so viele Witterungs- und Frostschäden erlitten, dass sie nicht mehr verwendet werden konnten. Damit ging die Suche los nach einem Ziegel, der dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingesetzten möglichst nahekam. Erschwerend dabei war, dass die alten Ziegel weder Herstellerstempel noch Datum aufwiesen, was Recherchen zum ursprünglichen Baumaterial ver-
unmöglichte. Die Denkmalpflege legte in der Folge daher sehr genaue Vorgaben für die neuen Ziegel fest, die sich auch in der Ausschreibung für die Dachdeckerarbeiten wiederfanden. Nur mit Handarbeit zum Ziel «Wir sahen rasch, dass sich unser Berner Biber aufgrund der gewünschten vier Mulden als Grundform eignete, doch wir mussten bezüglich Form und Farbe für die Kirche St. Maria noch etwas an ihm feilen», erinnert sich Michael Benz, Verkaufsberater Dach bei ZZ Wancor. Die Rundung des Ziegelfusses musste einen grösseren Radius aufweisen, und der Farbton verlangte nach einer zusätzlichen Engobierung mit dem Farb-
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OBJEKT IM FOKUS TECHNIK & TRENDS Bei den wellenförmigen Gefällswechseln mussten konkav und konvex gewölbte Ziegel verwendet werden.
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Das Dach der hundertjährigen Kirche erstrahlt in neuem Glanz.
FAKTEN Bauherrschaft Katholische Kirchgemeinde St. Gallen, St. Gallen Beratung Denkmalpflege der Stadt St. Gallen, St. Gallen Bauleitung Bollhalder & Eberle AG, St. Gallen Ausführung Arbeitsgemeinschaft A. Weibel AG, St. Gallen (Mitglied Gebäudehülle Schweiz) Eigenmann AG, Wittenbach (Federführung der Arge) (Mitglied Gebäudehülle Schweiz) Ziegellieferant ZZ Wancor AG, Regensdorf (Bildungspartner Gebäudehülle Schweiz)
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TECHNIK & TRENDS OBJEKT IM FOKUS
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Die Ziegel erhalten eine spezielle Rundung.
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Ein altes Ziegelmuster dient als Vorlage.
ton Umbra. Damit liess sich der Hauptziegel wie gewünscht herstellen, doch noch fehlten alle anderen Bestandteile des Sortiments bis hin zu den Turmziegeln und den besonders anspruchsvollen konkaven und konvexen Ziegeln. Denn das Dach der Kirche St. Maria weist einige Wellen auf, die sich mit geraden Ziegeln nicht nachbilden lassen. Daher mussten rund 3 000 Spezialziegel weitestgehend in Handarbeit hergestellt werden. Die noch nassen und weichen Ziegel wurden dazu im Werk Laufen aus
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der Fertigungsstrasse genommen und von Hand auf objektspezifisch geformte Holzrahmen gelegt, die ihnen die gewünschte Wölbung verliehen. Auch alle weiteren Schritte, die ein normaler Ziegel ausschliesslich in einem industriellen Fertigungsablauf durchlebt – bis hin zur Abpackerei –, mussten manuell erfolgen. «Das Werk schaffte auch im Dreischichtbetrieb nicht mehr als 800 Stück pro Woche, aber wir konnten exakt das gewünschte Produkt herstellen», erzählt Michael Benz. Zeit ist ohnehin ein
nicht zu unterschätzender Faktor bei solchen Spezialaufgaben, denn von der Bestellung bis zur Auslieferung auch der üblicheren Ziegelformen vergehen im Minimum sechs Wochen. Anspruchsvolle Dachdeckerarbeiten Alte Dächer wirken meist harmonisch und schön, sie sind aber nicht immer einfach einzudecken. Das weiss gerade Ronny Egli, der Projektleiter der Eigenmann AG. So waren neben den erwähnten wellenförmigen Gefällswechseln auch Ochsen-
Der letzte Feinschliff vor dem Brennen.
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Nach dem Trocknen werden die Ziegel auf den Ofenwagen umgeladen.
augen sicher einzudecken oder die Ziegel der kegelförmigen Dachflächen des Chors trapezförmig zuzuschneiden. «Hier nutzten wir die alten Ziegel als Schablone für die neuen und konnten die komplizierte Geometrie so auf Anhieb richtig abbilden», erzählt Ronny Egli. Herausfordernd waren aber auch die schiere Grösse der Dachfläche und die Logistik, erfolgten die Ziegellieferungen doch per Kran durch Öffnungen des Notdachs hindurch. Ein hoher Einsatzwille und die gute Zusammenarbeit der Beteiligten
verschaffen nun aber die Genugtuung, bei einem sehr besonderen Auftrag mitgemacht und ein perfektes Resultat erbracht zu haben, das zudem von weither sichtbar ist. Auch Michael Benz freut sich, dass er Hand bieten konnte bei einer aussergewöhnlichen Lösung, die im Vergleich zum Alltagsgeschäft selten ist und bleibt, und er meint: «Nachdem wir unser Know-how und Angebot mit der neuen Casta Manufaktur nun deutlich vergrössert haben, wäre es schön, es gäbe weitere solche Aufträge.»
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ZZ Wancor AG 8105 Regensdorf T 0848 840 020 Bildungspartner Gebäudehülle Schweiz
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