architectum 02/2017

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I N T E R N AT I O N A L E S M AG A Z I N F Ü R Z I EG E L A RC H I T E K T U R

IN DIESER AUSGABE: e4 – Nachhaltige Gebäudekonzeption Energieeffiziente Lösungen Optimale Wohnqualität

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www.architectum.com

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2 EDITORIAL

CHRISTOF DOMENIG CEO Clay Building Materials Europe

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ZUKUNFTSFÄHIG MIT KERAMISCHEN BAUSTOFFEN Die Bauindustrie hat ein immenses Potenzial, zu einer nachhaltigen Gesellschaft beizutragen. Gebäude sind im Laufe ihrer Lebensdauer für 40% des Energieverbrauchs verantwortlich. Aus diesem Grund hat die EU neue Ziele vorgegeben, um dies zu ändern. Alle ab 2021 erbauten Gebäude sollen fast keine Energie verbrauchen –„nearly zero energy buildings“. Dies hat großen Einfluss auf das Bauen in der Zukunft. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz müssen von Beginn der Planungsphase an mit einbezogen werden und dabei nimmt auch die Auswahl des richtigen Baustoffes einen hohen Stellenwert ein. Mit unseren innovativen und energieeffizienten keramischen Produktlösungen und unseren ganzheitlichen Wohnkonzepten unterstützen wir Architekten und Bauunternehmer dabei, diese zukünftigen Anforderungen bereits heute zu erfüllen. Hintermauerziegel, Klinker und Dachziegel sowie Pflasterziegel sind nicht nur ästhetisch, sondern stehen auch für ökologisches und nachhaltiges Bauen. Sie bestehen aus natürlichen Rohstoffen und werden in Marktnähe gefertigt, was die Transportwege gering hält. Darüber hinaus haben sie eine sehr lange Lebensdauer und können mühelos mehr als 150 Jahre Bestand haben. Sie garantieren eine hohe Wohnqualität und leisten einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz. Einige der besten Beispiele für nachhaltige und energieeffiziente Projekte finden Sie in dieser Ausgabe. Sie zeigen, dass Sie mit innovativen Keramikprodukten bereits jetzt zukunftsfähige Gebäude umsetzen können. Viel Spaß beim Lesen!

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Christof Domenig

IMPRESSUM HERAUSGEBER Wienerberger AG, 1100 Wien VERLAG Starmühler Agentur & Verlag GmbH, 1010 Wien, www.starmuehler.at CHEFREDAKTEURIN Andrea Blama (Wienerberger AG) KOOPERATION Alexa Uplegger (DE), Dario Mantovanelli (IT), Kairi Pops (EST), Mélinda Zivan (FR), Patrick Alexander (CH), Sabine Merlevede (BE), Tom Dearden (UK), Zinaida Barbaros (RO) GRAFIK & DESIGN Starmühler Agentur & Verlag GmbH, Artdirector: Thomas Tuzar, www.starmuehler.at DRUCK Ueberreuter Print & Packaging GmbH, Industriestrasse 1, 2100 Korneuburg PRODUKTION Ueberreuter Print & Packaging GmbH FOTO COVER Studio Claerhout FOTO RÜCKSEITE Geraldine Bruneel WIENERBERGER AG CLAY BUILDING MATERIALS EUROPE, A-1100 Wien, Wienerberg City, Wienerbergstraße 11, T +43 (1) 601 92-10551, marketing@wienerberger.com, twitter.com/architectum, youtube.com/wienerbergerofficial, www.architectum.com

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INHALT 3

STANDARDS 04 NEWS 05 LIEN VANSTEENKISTE UND HEIN VERBEKE VON GROEP III – Interview

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e4 08 EIN ENERGIEEFFIZIENTES ZIEGELHAUS Rumänien

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10 EIN UMWELTBEWUSSTER WOHNBAU ETABLIERT SICH Frankreich 12 NACHHALTIGES BAUEN UND WOHNEN DURCH UND DURCH Belgien

ENERGIEEFFIZIENZ 16 FÖRDERUNG VON NACHHALTIGKEITS­ WERTEN IM GROSSEN RAHMEN Vereinigtes Königreich

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20 BUNTE UND NACHHALTIGE ZIEGELWÄNDE, DIE AUSSEHEN WIE LAKRITZ Deutschland 22 EIN NEUER GEBÄUDESTANDORT FÜR NACHHALTIGE FORSCHUNG Estland 24 REGIONALE WERTSCHÖPFUNG – NACHHALTIGES DESIGN Italien

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28 MODERNE UND ENERGIEEFFIZIENTE STADTVILLA Deutschland

INDIVIDUELLE LÖSUNGEN 30 EINE NEUE ART DES ZUSAMMEN­LEBENS – BEZAHLBARE WOHNQUALITÄT Schweiz 34 WENN WOHLFÜHLATMOSPHÄRE AUF NACHHALTIGKEIT TRIFFT Belgien 38 INTERESSE FÜR RECYCLING WECKEN Frankreich

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LANGFRISTIGER ERFOLG ENTSTEHT NUR DURCH NACHHALTIGES HANDELN Nachhaltigkeit ist bei Wienerberger Clay Building Materials Europe ein Teil der Unternehmensstrategie und ein integraler Bestandteil der Unternehmenskultur. Sie ist eine der Hauptinnovationsquellen für neue und optimierte Produkte sowie langfristige, kosteneffiziente Systemlösungen, die zur Energieeffizienz in Gebäuden beitragen, sich positiv auf Gesundheit und Sicherheit ihrer Bewohner auswirken und zudem hinsichtlich der Bauästhetik besonders interessant sind. Lesen Sie für weitere Informationen zum Thema auch die Nachhaltigkeitsberichte von Wienerberger. www.clay-wienerberger.com/expertise/what-sustainability-­means-for-us Hergestellt aus natürlich vorkommenden Rohstoffen, stehen keramische Produkte für Wertbeständigkeit, Langlebigkeit, hohe Wohnqualität und innovatives Bauen.

POROTON-S9-P – MIT DÄMMMATERIAL GEFÜLLTE ZIEGEL FÜR MEHRFAMILIENHÄUSER

Durch die Füllung mit dem Perlit Poroton-S9-P sorgen Sie für eine ausgezeichnete Wärmedämmung.

Mehrfamilienhäuser benötigen Ziegel und Wandsysteme, die den höchsten Ansprüchen an Struktur, Energieeffizienz, Brandschutz und Schalldämmung genügen. Um dieses Produktsegment weiter zu optimieren, haben wir das organische Bindemittel Perlit durch ein mineralisches (zementbasiertes) Bindemittel ersetzt. Das neue Bindemittel verbessert die Feuerbeständigkeit der Ziegel, die nun die Anforderungen der höchsten Brandschutzklasse A1 erfüllen. Diese können aufgrund einer Mauerwerksfestigkeit von fk = 5,2 N/mm2 auch für mehr als sechsstöckige Gebäude verwendet werden. Darüber hinaus sind durch einen U-Wert von 0,20 W/m2K (Wandstärke 42,5 cm) energiearme Gebäude möglich. Zu guter Letzt emittiert Poroton-S9-P keine Schadstoffe und wurde daher mit dem Umweltgütezeichen als gesundes Baumaterial eingestuft. Alexander.Lehmden@wienerberger.com

Eco-Brick ist deutlich schmäler, dadurch können bis zu 3,5 cm zusätzliche Dämmung verwendet werden und das zahlt sich bei der Stromrechnung aus.

Eco-Brick ist ein wahrhaft moderner Fassadenziegel. Die Ziegel sind schmaler als herkömmliche Ziegel und schaffen Platz für bis zu 3,5 cm zusätzliche Dämmung, womit wiederum ein verringerter Energieverbrauch einhergeht. Die geringere Wandstärke kann auch für eine Vergrößerung der Wohnfläche im Inneren genutzt werden und eignet sich perfekt für Renovierungen, bei denen die Arbeiten innerhalb

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festgelegter Perimeter erfolgen müssen. Das muss allerdings nicht zulasten der Ästhetik gehen: Denn Eco-Brick gibt es in einer großen Auswahl zeitloser Farbvarianten. Schließlich vereinfacht das geringe Gewicht dieser Ziegel die Handhabung auf der Baustelle und ermöglicht einen energiesparenderen Transport. export.be@wienerberger.be

© Fotos: Markus Esser, Wienerberger AG

ECO-BRICK – DER VORMAUERZIEGEL FÜR NIEDRIGENERGIEHÄUSER


INTERVIEW 5

Lien Vansteenkiste und Hein Verbeke gehören zum Architekturbüro Groep III Architecten in Brügge, Belgien.

FÜR EIN GLEICHGEWICHT ZWISCHEN KOMFORT, PRIVATSPHÄRE UND PLATZ

© Fotos: Architecten Groep III, Fien Muller

Lien Vansteenkiste und Hein Verbeke von Groep III sprechen über nachhaltige Architektur, energieeffizientes Bauen und maximale Wohnqualität in ihrer Arbeit.

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mweltveränderungen und die EU-Richtlinie mit Energieeffizienz-Zielen für 2020 erhöhen den Druck auf die Bauindustrie, nachhaltige und energieeffiziente Lösungen für Gebäude zu finden. Die Richtlinie verlangt, dass alle nach 2020 erbauten Gebäude Niedrigstenergiegebäude sein müssen. Das bedeutet, dass die Häuser fähig sein müssen, die verbrauchte Energie wieder zu produzieren. Fällt es sehr schwer, diese Vorgaben einzuhalten, oder würden Sie sich in Ihrer Arbeit sowieso auf nachhaltige Architektur konzentrieren? L. V.: Nachhaltige Architektur ist ein wichtiger Aspekt zeitgenössischer architektonischer Gestaltung geworden. Wir versuchen immer, Gebäude zu entwickeln, die minimale Auswirkungen auf die Umwelt mit maximalem Komfort für den Menschen kombinieren. Unser Leitbild besagt, dass wir unsere Bauherren im Entwurfsprozess inspirieren, ermutigen und unter-

stützen möchten. So können wir die Umwelt bestmöglich schützen und sie positiv mit einbringen. Wir inspirieren unsere Kunden zum Beispiel, indem wir die Bedeutung der Nachhaltigkeit hervorheben. Bedeutet „ermutigen“, dass der Bauherr am Entwurfsprozess beteiligt ist, oder geht es hier mehr um Beratung? L. V.: Wir beraten, inspirieren und gewährleisten, dass Kunden jeden Schritt des Entwurfsprozesses nachverfolgen können, denn nachhaltiges Design beginnt mit der ersten Idee. Sind die von Ihnen gebauten Gebäude bereits in der Lage, so viel Energie zu produzieren, wie sie verbrauchen? L. V.: Wir möchten ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Vorteilen schaffen. Nullenergiegebäude sind sicher das Ziel, aber sie <

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6 INTERVIEW

Groen-Steenbrugge-Lageplan: 1 Studentenheim 2 Büro 3 Wohnhaus 4 Garten

< sind nicht immer bezahlbar. Wir müssen also versuchen, diese Faktoren in ein Gleichgewicht zu bringen und eine spätere Verbesserung des Gebäudes zu ermöglichen.

Was sind die wesentlichen Nachhaltigkeitsmerkmale Ihres Projekts Groen Steenbrugge? L. V.: Ein Aspekt jedes nachhaltigen Konzepts ist die effiziente Raumnutzung. Das Grundkonzept von Groen Steenbrugge orientiert sich an der städtischen Bebauungsdichte und Multifunktionalität. Die effiziente Raumnutzung ist ein wichtiger Faktor bei der städtebaulichen Planung. Für ein Grundstück mit 3.000 m2 hatten wir acht Häuser mit kleinen Privatgärten und ein Bürogebäude vorgesehen. Das Bürogebäude teilen sich zwei Unternehmen. Weiterhin gibt es eine Studentenunterkunft mit zwölf Zimmern. Hinzu kommt ein Gemeinschaftsgarten, der von allen Bewohnern genutzt wird, und eine Tiefgarage mit Direktzugang zu jedem Haus. Wir haben also ein großes Bauvorhaben auf einem sehr kleinen Grundstück umgesetzt und so den Platz unter Berücksichtigung der Differenzierung bestmöglich genutzt. Die Raumnutzung ist also ein Hauptmerkmal für Nachhaltigkeit in diesem Projekt. Ist dies Ihrer Meinung nach ein Aspekt nachhaltigen Bauens, das insgesamt mehr Beachtung finden sollte? H. V.: Flandern wurde sehr stark baulich erschlossen und die Zersiedelung um die Städte nimmt immer weiter zu. Wir zählen nun auf die Unterstützung des flämischen Regierungsbaumeisters, der überzeugt

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5 Öffentlicher Park 6 Zugang zur Tiefgarage 7 Fahrrad- und Fußweg

ist, dass es so nicht weitergehen kann. Flandern ist bereits „überbebaut“ und es gibt keine hochwertigen Freiflächen mehr. Wir müssen also bezüglich unserer Planung und Bebauung umdenken. Der verfügbare Raum muss effizienter genutzt werden. Gibt es in Flandern Vorgaben zur Größe von Baugrundstücken? H. V.: Es gibt gesetzliche Vorschriften, die allerdings von Stadt zu Stadt unterschiedlich sein können. Zukünftig wird die Bebauung näher am anderen sein, aber das bedeutet nicht, dass dies zulasten der Qualität gehen muss. Und wir dürfen nicht vergessen, dass Einzelräume wichtig sind, auch wenn die Gebäudedichte höher ist. Es ist sicher eine Herausforderung, Wohnkomfort und Privatsphäre gegen die Einschränkungen kleinerer Räume und Energieeffizienz abzuwägen. Wie beeinflusst dies Ihre Arbeit? H. V.: Ich denke, dass unser Projekt Groen Steenbrugge ein sehr gutes Beispiel ist. Es zeigt, dass es möglich ist. Natürlich ist jedes Bauvorhaben einzigartig. Die verantwortungsvolle Raumnutzung bei

Natürliche, fast mono­ chrome Materialien charakterisieren das Projekt Groen Steenbrugge.

»Wir versuchen immer, Gebäude zu entwickeln, die minimale Auswirkungen auf die Umwelt mit maximalem Komfort für den Menschen kombinieren.« Lien Vansteenkiste


INTERVIEW 7

gleichzeitig hoher Designqualität ist eine ständige Herausforderung bei der Planung. Alternative Wohnformen wie Gemeinschafts- oder Mehrgenerationen-Entwürfe, betreutes Wohnen etc. können Antworten auf diese Herausforderung geben. Was könnten und sollten Architekten Ihrer Meinung nach tun, um nachhaltige Gebäudekonzepte voranzutreiben? H. V.: Wir sollten unsere Kunden beraten und informieren. In unserem Büro schauen wir immer über das zu bebauende Grundstück hinaus. Wenn wir zum Beispiel mit dem Bau einer Schule betraut werden, schauen wir uns die Qualität der umgebenden Architektur an: Welche Infrastruktur gibt es bereits und welche Funktionen gibt es vor Ort bereits? So entsteht ein Masterplan mit einem Mehrwert, bei dem es um mehr als nur den Schulbau geht. Ein weiterer Aspekt ist natürlich die Materialwahl. Ziegel ist als Naturmaterial sehr beliebt und kommt oft für nachhaltige Bauvorhaben zum Einsatz – was sind die Vorteile dieses Baustoffs? L.V.: Wir verwenden gern Ziegel, da er ein natürliches Material ist. Er ist vielseitig einsetzbar, in verschiedenen Farben und Texturen erhältlich und kann zur Umsetzung verschiedener Baustile genutzt werden. Einzigartig ist die lange Lebensdauer und Beständigkeit des Materials. Wir entwerfen auch viele Sozialwohnungen, wo der Ziegel für diese Eigenschaften beliebt und kostengünstig ist. Natürlich ist der Komfort im Gebäude ein wichtiges Thema und dafür kommt eine weitere einzigartige Eigenschaft des Ziegels zum Tragen: die hohe thermische Masse. Wenn die Außentemperaturen zum Beispiel im Tagesverlauf schwanken, kann eine hohe thermische Masse im Gebäude diese täglichen Schwankungen „ausgleichen“. Man könnte also sagen, dass Ziegel für eine Art natürliche Klimaregulierung sorgen? H. V.: Ja, denn die thermische Masse nimmt Wärmeenergie auf, wenn die umgebende Temperatur höher ist, und gibt sie wieder ab, wenn die Umgebungstemperatur fällt. Für mich ist es ganz natürlich, Ziegel in meinen Projekten zu verwenden. >

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EIN ENERGIEEFFIZIENTES ZIEGELHAUS Dieses Einfamilienhaus in Rumänien wurde gemäß dem e4-Konzept gebaut, das vier zentrale Eigenschaften aufweist: Energy (Energieeffizienz), Economy (Erschwingliche Kosten), Ecology (Erneuerbare Energie) und Emotion (Einzigartige Wohnqualität). In dem Gebäude werden Ziegel und alternative Energiequellen verwendet, um ein nachhaltiges, hochwertiges Wohngefühl mit einer kostengünstigen Bauweise und geringen Instandhaltungskosten zu verbinden.

VOLLE KONTROLLE ÜBER DAS INNENRAUMKLIMA Die Ziegelwände sorgen für ein ausgewogenes Innenraumklima und schützen vor plötzlichen Temperaturänderungen. Dieses e4-Ziegelhaus unterstreicht zudem die Vorliebe des Eigentümers für innovative Lösungen beim Hausbau: Dazu gehören die Grundwasserwärmepumpe oder die Sonnenkollektoren auf dem Dach. Das Haus verfügt über ein „Zentralhirn“, das den Eigentümern dank der neuesten Automatisierungstechnik die Kontrolle aller Parameter für den Wohnkomfort und ein optimales Management der Instandhaltungskosten ermöglicht. ZIEGELBAUWEISE FÜR EINEN GERINGEREN ENERGIEVER­ BRAUCH Ein zusätzliches Unterscheidungsmerkmal

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DATEN & FAKTEN Primärenergieverbrauch 38,5 kWh/m2a Heizwärmeverbrauch 8,5 kWh/m2a CO2 -Emissionen 6,4 kgCO2 /m 2a Projektname e4-Haus Rumänien, bei Bukarest Architekt Tecto Arhitectura Bauherr Privat Verwendete Produkte Porotherm TermoExpert 38 STh Jahr der Fertigstellung 2015

ist die thermodynamische Solarwand – die „Trombe-Wand“. Sie trägt durch die verstärkte Heizung/ Kühlung der Innenräume ohne jeglichen Energieverbrauch zur natürlichen Belüftung des Hauses bei. Dies ist der Kombination von Solarenergietechnik und der Wärmeträgheit der Ziegel zu verdanken. Im Winter nimmt die thermodynamische Solarwand die Wärme während der Sonnenstunden auf und gibt sie dann langsam im Laufe der Nacht ab, womit ein geringerer Energieverbrauch gewährleistet wird. Wienerberger entwickelte das e4-Konzept im Sinne eines energieeffizienten, gesunden und kostengünstigen Wohnungsbaus. Es spiegelt den zunehmenden Wunsch vieler Bauherren wider, bei der Umsetzung der eigenen Vorstellungen auch den Klimaschutz zu berücksichtigen. > Mehr dazu erfahren Sie unter: www.clay-wienerberger.com/ expertise/the-e4-brick-house-concept

© Fotos: Wienerberger AG

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it diesem e4-Haus in der Nähe von Bukarest hat Tecto Arhitectura bewiesen, dass nachhaltiges Bauen nicht langweilig aussehen muss. Da ein kostengünstiger Bau zu den Anforderungen gehörte, setzten die Architekten durch die Verwendung klarer, strukturierter Formen und das Zusammenspiel von Schwarz und Weiß auf einen modernen Look. Dieses Konzept fand sowohl im Außen- als auch im Innenbereich Anwendung. Unter Berücksichtigung der Bedürfnisse einer modernen Familie mit zwei Kindern entschieden sich die Architekten für verschmelzende Innenräume und große Fensterfronten, um die Räume mit Tageslicht zu fluten.


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Dank ihrer ausgezeichneten Wärmespeicherkapazität und erstklassigen Dämmeigenschaften können Ziegel den Ausstoß von CO2 und den Energiebedarf insgesamt reduzieren. In Kombination mit einem innovativen Heizsystem wird der Gesamtenergieverbrauch minimiert.

»Die Anwendung des e4-Konzepts für ein Einfamilienhaus verkörpert die ideale Vision eines möglichen Hauses der Zukunft. Das Projekt untersucht parallel verschiedene Möglichkeiten der Energie- und Materialeinsparung – sowohl während der Bauphase als auch über die Lebensdauer des Eigenheims hinweg.« Dr. Architect Sergiu C. Petrea, Tecto Arhitectura

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EIN UMWELTBEWUSSTER WOHNBAU ETABLIERT SICH „Le Candide“ ist ein mehrstöckiges Sozialwohnungsbauprojekt in Frankreich, mit dem 29 Wohnungen in einer zuvor eher verwahrlosten Wohngegend entstehen sollten. Das Projekt gründet auf dem Wienerberger e4-Konzept: Ecology (Erneuerbare Energie), Economy (Erschwingliche Kosten), Energy (Energieeffizienz) und Emotion (Einzigartige Wohnqualität).

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as Gebäude könnte treffenderweise als Wohn-Lebensraum bezeichnet werden und soll eine Alternative für urbanes Wohnen darstellen. Für die Architekten ist es ein Ideenlabor, das den Bewohnern Möglichkeiten eines „natürlichen Wohnens“ in einem mehrstöckigen Gebäude eröffnet. Der Zwillingsblock beherbergt eine Reparaturwerkstatt im Erdgeschoss, auf dem Dach gibt es einen Gemüsegarten und Gewächshäuser, eine Windturbine zur Bewässerung und einen Spielplatz mit einer Terrasse für Kinder.

DATEN & FAKTEN

KERAMISCHE BAUSTOFFE – FÜR INNEN UND AUSSEN Betrachtet man das Gebäude von außen, fallen zuerst die Balkone auf. Mit ihren geflochtenen Weidenbalustraden und dem unterschiedlichen Aussehen auf jedem Stockwerk bringen sie eine Wellenbewegung in die Fassade. Nachts leuchten hier LEDs wie kleine Glühwürmchen, die tagsüber wieder aufgeladen werden. Zweischalige Ziegelwände sorgen für eine zusätzliche Wärme- und Schalldämmung und ein besseres Innenraumklima für die Bewohner.

Bauherr OPH de Vitry-sur-Seine (Wohnraumverbesserungsvorhaben)

VORBILD DURCH INNOVATION Dieses Projekt ergab sich aus einem Architekturwettbewerb und erhielt später einen Preis bei einem Ideenwettbewerb für CO2-arme Lösungen. Damit konnte man die Energiesparmöglichkeiten überprüfen und Systeme vorschlagen, mit denen CO2-Emissionen von weniger als 5 kg/m2a er-

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Primärenergieverbrauch 18,93 kWh/m2a Heizwärmeverbrauch 8,54 kWh/m2a CO 2 -Emissionen 2,1 kgCO2 /m2a Projektname Le Candide, Vitry-sur-Seine, Frankreich Architekt Bruno Rollet Architecte

Verwendete Produkte Wand: Porotherm GFR20Th+ Fassade: Terca Rhônes Jahr der Fertigstellung 2012

Balkone mit Balustraden aus Flechtwerk legen sich wellenförmig um die dunkle Ziegelfassade.


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Eine Windturbine auf dem Dach wird zur Bewässerung des gemeinschaftlichen Gewächshauses und der Pflanzkästen auf den Balkonen genutzt.

© Fotos: Bruno Rollet, Luc Boegly

reicht werden konnten. Die Wohnbaugenossenschaft entschied sich für die Umsetzung dieser Änderungsvorschläge und verband somit Architektur, Gebäudetechnik und soziales Engagement miteinander. Zu den neuen Technologien, die in das Projekt integriert wurden, gehörten eine Photovoltaikanlage, eine Grundwasserwärmepumpe, eine Abwasser-Wärmerückgewinnungsanlage und ein hybrides natürliches Belüftungssystem. Das Projekt ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie Vororte durch attraktiven und umweltfreundlichen Wohnbau aufgewertet werden können. >

»Das Wohnviertel war lange Zeit vernachlässigt worden, sodass wir quasi von vorn anfangen mussten. Ziegel ist dafür sehr gut geeignet. Die Zeit kann ihm nichts anhaben.« Bruno Rollet, Bruno Rollet Architecte

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NACHHALTIGES BAUEN UND WOHNEN DURCH UND DURCH Das „Nachhaltige Wohnviertel“ in Belgien untersucht, in welchem Maße nachhaltiges Bauen machbar und kostengünstig ist, wenn klassische Baumethoden und bekannte Keramikmaterialien zum Einsatz kommen. Auf der Grundlage des e4-Konzepts von Wienerberger (Ecology – Erneuerbare Energie, Economy – Erschwingliche Kosten, Energy – Energieeffizienz und Emotion – Einzigartige Wohnqualität) bietet das Reihenhaus optimalen Wohnkomfort.

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Mit diesem Pilotprojekt wollte Wienerberger Belgien zwei Ansprüche unter Beweis stellen: Es ist möglich, trotz niedriger Baukosten ein nachhaltiges Wohnprojekt umzusetzen, das die Kriterien für die BREEAM-Bewertung „Ausgezeichnet“ erfüllt – dabei werden die Anfangsinvestition und die langfristigen Instandhaltungskosten berücksichtigt und die Einsparungen mit einem Standard-Neubau verglichen.

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as Nachhaltigkeitskonzept spielte von Anfang an eine große Rolle: So wurde der Standort – am Stadtrand, umgeben von sieben Wohnhäusern – besonders sorgfältig ausgewählt. Trotz der Bereitstellung mehrerer Wohneinheiten für sieben Familien blieb die Baufläche fast gleich. (Anstelle von 30 % nahm sie nun 33 % des Bodens ein.) ENERGIEKONZEPT Der erste Schritt war der Entwurf einer optimalen Gebäudehülle. Als Nächstes mussten energieeffiziente Geräte und erneuerbare Energien berücksichtigt werden. Bisher haben die Häuser eine deutlich bessere Leistung gezeigt als erwartet. Mit einer E7/E12 und K16/K19-Bewertung (jeweils für mittlere und abschließende Reihenhäuser) sind die Eigenheime „zukunftsfähig“ und erreichen den Passivhausstandard von 15 kWh/m2/Jahr. WASSERBEWIRTSCHAFTUNG Für Regenwasser soll Wasserneutralität erreicht werden. Dementsprechend soll so viel Regenwasser wie möglich aufgefangen und zur Verwendung eingesetzt werden. Die Schrägdächer der Häuser sind mit Keramikziegeln gedeckt. Jedes Haus hat einen 5.000-Liter-Regenwassertank, der mit den Toiletten, einer Wartungsarmatur und einem Zulauf für die Waschmaschine verbunden ist. Überschüssiges Wasser läuft in ein mit Kies gefülltes Filterbecken im Gemeinschaftsgarten ab. GUTE INVESTITION Die Endkosten des Bauvorhabens beliefen sich auf 1.100 Euro pro m2 zzgl. MwSt. für die mittleren Reihenhäuser und 1.210 Euro pro m2 für die beiden Eckreihenhäuser. Fast ein Viertel <

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DATEN & FAKTEN Primärenergieverbrauch für die Heizung 7.436 kWh prim/Jahr Nettoenergieverbrauch für die Heizung 9 kWh/Jahr CO 2 -Emissionen -477 kg CO2 /Jahr Projektname De Duurzame Wijk – Das Nachhaltige Wohnviertel, Waregem, Belgien Architekt Wielfaert Architects, Landschaftsarchitekt: Fris in het Landschap Bauherr Eribo Building & Immo Technischer Berater 3E Verwendete Produkte Terca Eco-Brick Linnaeus, Koramic Bellus Schiefer engobiert + Koramic Fleece Plus Bettung, Porotherm PLS 500, maßgeschneiderte wasserdurchlässige Penter Pflasterklinker Jahr der Fertigstellung 2016

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© Fotos: Studio Claerhout

Der Schutz einer Reihe wertvoller Bäume während der Bauphase hat dazu geführt, dass der begrenzte private Außenbereich der Bewohner direkt in einen lang gewachsenen Gemeinschaftsgarten übergeht.

< (24 %) der Kosten entfiel auf den Überbau, der einen großen Einfluss auf das Leistungsprofil hat. Daraus ergibt sich ganz klar: Entscheiden Sie sich für eine nachhaltige und gleichzeitig bezahlbare Gebäudehülle, setzen Sie auf eine Sammelheizung und richten Sie besonderes Augenmerk auf einen Aktionsplan für erneuerbare Energien.

Die traditionelle belgische Bauweise mit der Verwendung klassischer keramischer Baustoffe eignet sich perfekt für günstige Bauvorhaben mit langer Nutzungsdauer, ohne dass dies zu Lasten der Qualität oder Ästhetik fallen würde.

HOHE QUALITÄT, DIE GENERATIONEN ÜBERDAUERT Wohnkomfort steht im Mittelpunkt. Mithilfe der Wärmespeicherkapazität der soliden Konstruktion können Temperaturschwankungen minimiert werden. Für eine optimale Schalldämmung wurden die Häuser durch eine Betonplatte getrennt, und die doppelten Trennwände zwischen den Häusern sind zusätzlich schallisoliert. Die Außenfassaden werden durch eine flexible Fuge getrennt. Damit die Häuser sich mit ihren Bewohnern mitentwickeln können, wurden gründliche Überlegungen zur

Barrierefreiheit und Anpassungsfähigkeit angestellt. In diesem Sinne hat man sich u.a. für geringe Schwellenhöhen am Eingang, breite Türen, Rangierraum für Rollstühle und ein Treppenhaus entschieden, das für die Installation eines Treppenlifts geeignet ist. Das Projekt wurde nach dem Nachhaltigkeitszertifikat BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Methodology) mit „Ausgezeichnet“ bewertet. Damit ist es erst das zweite Wohnbauprojekt in Belgien, das eine solche Bewertung erhalten hat. >

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FÖRDERUNG VON NACHHALTIGKEITS­ WERTEN IM GROSSEN RAHMEN

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as Projekt befindet sich am südlichen Stadtrand von Cambridge, wo 3.500 neue Wohnungen mit Gemeinschaftsanlagen und Grünflächen entstehen sollen. Der Masterplan für dieses Projekt wurde von Formation Architects entwickelt. Die rechtwinkelige Häuseranordnung umschließt einen parkähnlichen Gemeinschaftsbereich mit Tischen, Bänken, Pergolas und Grillplatz sowie grasbewachsenen Spielflächen und einem Kinderspielhaus. Gesäumt ist dieser Bereich von Bäumen und

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Grünpflanzen, während eine Glaswand für Schallschutz sorgt. Drei kleine Gärten können zum Gemüseanbau genutzt werden. VERSCHIEDENE GEBÄUDEARTEN Formation Architects hat insgesamt 128 Wohnstätten gebaut – 70 zwei- und dreistöckige Häuser und 58 Wohnungen in vierstöckigen Gebäuden, die den Eingang zu diesem neuen Wohngebiet abgrenzen. Die verschiedenen Gebäudearten sind in langen und kurzen Reihen entweder einzeln versetzt oder als Doppelhäuser angeordnet. Zurückgesetzte Strukturen und unterschiedliche Gebäudehöhen, schmale, bodentiefe Fenster und kleine Balkone vermitteln den Eindruck, als wären sie spielerisch mit Bausteinen zusammengesetzt worden. <

© Fotos: Louis Sinclair

Das Wohnprojekt Seven Acres in England erhielt noch vor seiner Fertigstellung zahlreiche Preise. Die Auszeichnungen waren nicht nur der Architektur, sondern auch dem Nachhaltigkeitskonzept für die 128 Neubauten zu verdanken.


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DATEN & FAKTEN Projektname Seven Acres, Cambridge, Vereinigtes Königreich Architekt Formation Architects Bauherr Skanska Verwendete Produkte Terca Marziale Jahr der Fertigstellung 2014

Zurückgesetzte Plattenstrukturen an Fassade und Dachterrassen vermitteln das Gefühl, das Haus wäre aus senkrechten Bausteinen erbaut.

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»Wir haben uns für einen Ziegel mit fast handgefertigter Qualität entschieden. Die helle Farbe erinnert an das skandinavische Erbe des Investors und passt sich gleichzeitig gut in die umgebenden Ziegelbauten von Cambridge ein.« Michael Richter, Formation Architects

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Die Skulpturen am Ende des Komplexes in Richtung Straßenkurve laden zum Spielen ein.

< HERAUSRAGENDES ZIEGELMAUERWERK Das Design der zusammenhängenden Ziegelfassaden, die dem Haus Ruhe und Größe verleihen, ist besonders bemerkenswert. Auskragende Binder und dekorative Vertiefungen in der Fassadenfläche sorgen für eine ansprechende Ästhetik. Auf die Frage nach der Auswahl der zu verwendenden Ziegel sagt Michael Richter von Formation Architects: „Wir haben uns für einen Ziegelstein mit fast handgefertigter Qualität entschieden.“ Eichenholz vervollständigt die begrenzte Materialpalette der acht Haustypen und drei Wohngebäude. Alle Wohnungen haben eine Mindestdeckenhöhe von 2,7 Metern oder verfügen über galerieähnliche offene Bereiche; Schiebetüren ermöglichen unterschiedliche Raumkonfigurationen, und Terrassen auf allen Etagen ergänzen die schmalen Gärten.

NACHHALTIGKEITSMERKMALE Die starke Dämmung, das Belüftungssystem mit Wärmerückgewinnung, die Dreifachverglasung, Photovoltaik, grüne Dächer und Regenwassersammeltanks sind Beispiele für das umweltbewusste Profil dieses Wohnviertels. Fahrradräume in jedem Haus sollen die Bewohner an den eigenen Beitrag zur Energieeinsparung erinnern. >

4-Betten-Haus – Grundriss für Erdgeschoss und Obergeschoss

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BUNTE UND NACHHALTIGE ZIEGELWÄNDE, DIE AUSSEHEN WIE LAKRITZ Die farbenfrohen Wände des Kinderhauses Buntspecht in Spardorf entstanden in monolithischer Ziegelbauweise, deren hoher Wärmeschutz die zukunftsweisende Energieeffizienz unterstreicht, ohne dabei auf zusätzliche Dämmschichten zurückgreifen zu müssen.

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iese Bauweise schreibt die Vorteile der einschaligen Wand im modernen, energieeffizienten Bauen fort. Die Ziegel übernehmen sowohl die tragende Wirkung als auch den Wärmeschutz der Außenwand, sodass keine zusätzlichen Dämmschichten auf der Außen- oder Innenwand benötigt werden.

OPTIMIERTE GEBÄUDEHÜLLE Die Außenwände entstanden aus einem verfüllten Hintermauerziegel in den Stärken 49 und 42,5 cm. Die mit Mineralwolle verfüllten Leichthochlochziegel mit einer Wärmeleitfähigkeit von A = 0,07 W/mK können selbst in KfW-Effizienz- und Passivhäusern für hochwärmedämmende monolithische Außenwände verwendet werden. Bei 49 cm Mauerwerksstärke plus 2 cm äußerem Leichtputz und 1,5 cm Kalkgipsputz innen wird damit ein U-Wert von 0,14 W/m2k erreicht. Auch die tragenden Innenwände wurden aus Ziegelmauerwerk gebaut. Sie unterstützen ein gesundes Raumklima, da hochporosierter Ton Feuchtigkeit und Wärme aufnimmt und zeitverzögert wieder abgibt. Für Gebäude, in denen sich Kinder und Betreuer aufhalten, ist das ein großer Vorteil.

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DATEN & FAKTEN Projektname Kinderhaus Buntspecht, Spardorf, Deutschland Architekt dbj-Architects Bauherr Gemeinde Spardorf Verwendete Produkte Poroton T7-MW Jahr der Fertigstellung 2014

Auf den Wänden ruhen die Decke des Erdgeschosses sowie das Flachdach über dem Obergeschoss. Das Dach schließt mit einer umlaufenden Beton-Attika ab, die den Planern zufolge verschiedene Funktionen erfüllt – sowohl bezüglich struktureller Anforderungen als auch im Sinne eines wärmebrückenfreien Aufbaus. PLATZ FÜR KINDER Auf 1.280 m2 Netto-Grundfläche konnte eine Aufteilung mit fünf Gruppenräumen für Krippe, Kindergarten und Hort sowie ein Sportraum, zwei Schlafbereiche, ein Werkraum und der Personalbereich vorgesehen werden. >

© Fotos: Deutsche Poroton / Matthias Rotter

LAKRITZ ALS INSPIRATION „Natürlich muss die gestalterische Idee für solch ein Projekt von den Kindern als spätere Nutzer ausgehen“, beschreibt djb-Projektleiter Matthias Bettmann die Anfänge der Planung. „Kinder lieben Süßigkeiten und sie lieben Farben! Also haben wir uns von einem Lakritzkonfekt inspirieren lassen. Die monolithische Baumasse wurde optisch in einzelne farbige Wandscheiben aufgelöst, zwischen denen sich senkrechte, geschossübergreifende Fensterelemente befinden, die mit ihrer dunklen Farbe praktisch die Lakritze im Konfekt darstellen.“


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Zwei freistehende, weiße Säulen markieren den Eingangsbereich des zweistöckigen Gebäudes. Die Verbindung zur Fassade erfolgt auf Dachhöhe, um Wärmebrücken in dem monolithischen Bau zu vermeiden.

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EIN NEUER GEBÄUDESTANDORT FÜR NACHHALTIGE FORSCHUNG Das Rakvere Smart House Kompetenzzentrum in Estland ist ein experimentelles Konzept, in dem eine Forschungseinrichtung für intelligente Gebäudetechnik untergebracht ist. Ziel war es, einen physischen „Baukörper“ zu schaffen, in dem verschiedene technische Lösungen für zukünftige Bauten entwickelt und getestet werden können.

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it Partnern aus mehreren estnischen Universitäten bemüht sich das Kompetenzzentrum, zusätzlich zu den regionalen Berufsschulen, Unternehmen und Behörden als zentrale Schaltstelle des Baugewerbes einen Beitrag zu leisten, um die regionale Entwicklung und Innovation zu fördern. Zu den Forschungsgebieten gehören neue Technologien für die Haus- und Büroausstattung, automatisierte Gebäudesysteme und Gebäudemanagement. Dabei dient das Kompetenzzentrum nicht nur als

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lokaler Knotenpunkt, sondern nimmt auch aktiv an verschiedenen europäischen Initiativen für nachhaltige Energie teil und unterstützt die Energieeffizienz durch innovatives und intelligentes Bauen. UNTERSTÜTZUNG NEUER TECHNOLOGIEN Um seine nachhaltigen und innovativen Ansätze zu unterstreichen, wurde das Kompetenzzentrum selbst als erstes öffentliches Niedrigstenergiegebäude Estlands unter Verwendung der BIM-Methode konzipiert, indem ver-


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Das Kompetenzzentrum wurde als erstes öffentliches Niedrigstenergiegebäude in Estland konzipiert.

© Fotos: Oliver Alver, Henry Vürst

Gebäude der Bank von Estland, das nach wie vor das optisch dominante Gebäude auf dem zentralen Platz darstellt. Das neue Gebäude schaut dahinter hervor und schafft so einen ästhetischen Kontrast zum historischen Bau. Die erdfarbenen Mauersteine der Fassade dienen dabei als verbindendes Element. Sie stellen ein einzigartiges Muster her, ohne sich zu sehr von dem alten Gebäude abzuheben, das aus Ziegelstein erbaut wurde. Die Gebäude sind durch die Verwendung keramischer Materialien und die zeitbeständige Struktur miteinander verbunden.

schiedene Gebäudeautomatisierungstechniken zum Einsatz kommen. Eine Reihe nachhaltiger Energiequellen wie Solarmodule und geothermische Wärmepumpen werden für die Gebäudebeheizung benutzt. Eine einmalige Umgebung für Demonstrations- und Testzwecke im Zentrum schafft optimale Bedingungen für die wissenschaftliche Arbeit der Forscher. Im städtebaulichen Kontext ist das Zentrum die Erweiterung eines bestehenden Gebäudes. Zu dem Grundstück gehört auch das denkmalgeschützte

INTEGRIERTE NACHHALTIGKEIT Zusätzlich zu den neuen nachhaltigen Elementen wie Solarheizung und Wasseraufbereitung wurde die Forschungseinrichtung unter Berücksichtigung traditioneller Bauverfahren konzipiert. Das spiegelt sich in der Verwendung der Baustoffe wider. Der verwendete Ziegel schafft nicht nur eine attraktive Fassade, sondern hat zudem eine ausgezeichnete Wärmespeicherkapazität, die das Gebäude im Winter warm und im Sommer kühl hält. Tark Maja ist ein gutes Beispiel, wie natürliche Baumaterialien mit der neuesten Technologie kombiniert werden können. >

DATEN & FAKTEN Projektname Tark Maja („Intelligentes Haus“), Rakvere, Estland Verwendete Produkte Terca Westminster Architekten Alver Arhitektid Bauherr SA Virumaa Kompetentsikeskus Jahr der Fertigstellung 2015

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Die monolithische Bauweise wird durch die Wahl gleichmäßiger Materialien noch unterstrichen: einheimische Sandarten, Kreide und weißer Zement.

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REGIONALE WERTSCHÖPFUNG – NACHHALTIGES DESIGN Mit der Eleganz und der Gelassenheit eines Herrenhauses präsentiert sich das Einfamilienhaus in Südtirol. Der weiße Monolith zeichnet sich durch eine energiesparende Bauweise und die Verwendung natürlicher und lokaler Materialien aus.

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er Wunsch des Bauherrn war es, einen kleinen, aber bedeutungsvollen Ansitz zu schaffen. Das Einfamilienhaus befindet sich am Ausgang des Mühlwalder Tals auf 862 m Meereshöhe. Es fügt sich in die umgebende Landschaft ein und strahlt gleichzeitig die ruhige und elegante Gelassenheit eines Herrenhauses aus. Die quadratischen Fensteröffnungen in unterschiedlicher Größe beziehen sich auf signifikante Punkte der in unmittelbarer Nähe steil aufragenden Berglandschaft und bieten eine atemberaubende Aussicht auf die Berge und Wälder. LOKALES BAUMATERIAL Die einheitliche Materialwahl aus lokalen Sanden, Kalk und Weißzement unterstreicht den monolithischen Charakter des Gebäudes. Der natürliche Grundton des Materials steht dabei im Vordergrund. Die Fassadenoberfläche präsentiert sich in einem gewaschenen Grobputz. Auch bei der Auswahl des Wandmaterials wurde ein natürliches und robustes Material gewählt – Ziegel. Die rautenförmigen Dachplatten wurden aus Weißzement und Dolomitsanden handwerklich hergestellt und anschließend sandgestrahlt, um eine getreue Abstimmung mit der Fassade zu erreichen. Alle verwendeten Materialien, außen wie innen, demonstrie< ren regionale Verbundenheit.

DATEN & FAKTEN Primärenergiebedarf 73,28 kWh/m2a Heizwärmebedarf 41,54 kWh/m2a Projektname Haus am Mühlbach, Südtirol, Italien Architekten Pedevilla Architects Bauherr Privat Verwendete Produkte Porotherm PLAN 50 T Jahr der Fertigstellung 2014

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Erschlossen wird das Gebäude über die tiefer versetzte Garagenzufahrt an seiner Schmalseite und über das hölzerne Zugangsportal an seiner Längsseite. Die interne Raumabfolge ist halbstöckig versetzt und reicht von dem im Erdgeschoss liegenden Koch- und Ess­bereich bis hin zum Wohnbereich im Dachgeschoss.

Erdgeschoss

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Dachgeschoss

Obergeschoss

Untergeschoss

< EHRLICHES HANDWERK Im Innenraum wurde ebenso besonders auf die handwerkliche Qualität und die Verwendung von ortstypischen Materialien geachtet. So wurde der Innenputz auf Kalkbasis durch Zusammensetzung von Sumpfkalk, Marmorsanden und Erdpigmenten hergestellt. Diese warm anmutenden 0 1

»Um eine hohe regionale Wertschöpfung zu erreichen, wurde großer Wert auf handwerkliche Qualität und die Verwendung von ortstypischen Materialien gelegt.« Pedevilla Architects

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Oberflächen werden durch den Einsatz von handgehobeltem Ulmenvollholz und durch die Verlegung von Passeirer Gneis unterstützt. Natürliche Materialien schaffen ein gutes Wohnklima und erzeugen in ihrer Zusammenwirkung eine Wohlfühloase mitten in den Bergen. 5 10 REDUZIERTE ENERGIEKOSTEN Die Architekten und der Bauherr verzichteten bewusst auf komplizierte Haus­ Obergeschoss 1:100 technik, um das Gebäude möglichst wartungsarm zu gestalten, und investierten das Geld in hochqualitative Materialien. Das Projekt entspricht der Klasse B der Klima­HausZertifizierung in Südtirol. Diese Klasse beschreibt ein Gebäude mit einem Heizenergiebedarf unter 50 kWh/m2a. >

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© Fotos: Gustav Willeit, Pedevilla Architects

Dachgeschoss


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Viel Sorgfalt wurde auch bei der Innenarchitektur aufgewendet, wobei der hochwertigen Verarbeitung und der Verwendung typischer lokaler Materialien besondere Aufmerksamkeit zukam: kreidebasierter Innenputz, von Hand gehobeltes Ulmenholz, Passeirer Gneis und Hufschmied-Bronze.

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MODERNE UND ENERGIEEFFIZIENTE STADTVILLA Dieser Blickfang mit zwei Wohnungen ist Teil einer Stadtentwicklung in Deutschland. Die Kubusform mit ihren hellbeigen Ziegeln ist mehr als nur optisch ansprechend. Dank der zweischaligen Konstruktion der Wände verfügt das Haus über die neueste Energieeffizienz-Technik.

SKULPTURALE AKZENTE Inmitten dieser neu entstandenen Wohnfläche bietet ein moderner beiger Kubus Wohnkomfort in herausragendem Design. Gemeinsam entschieden sich Architektin Anja Engelshove und der Bauherr für einen hellen Ziegel, dessen Retro-Look im Kontrast zum modernen Design steht. Die in einem speziellen Verfahren entwickelten unregelmäßigen und leicht gebrochenen Kanten der Ziegel lassen das Material gewollt älter aussehen. KONSEQUENTE ZIEGELBAUWEISE Da der Bauherr Wert auf eine Ziegelfassade legte, musste Architektin Anja Engelshove keine Überredungskunst für eine Hintermauer und Innenwände aus gebranntem Ton aufbringen. Mit der zweischaligen Konstruktion unter Verwendung 17,5 cm starker Planziegel wird eine ausgezeichnete Wärmedämmung erreicht. Die Bauweise wirkt sich positiv auf die Raumluftqualität aus und sorgt somit für ein gesundes Wohnraumklima. Die Innenwände aus Hintermauerziegeln nehmen überschüssige Feuchtigkeit auf und speichern die Wärme. ENERGIEEFFIZIENTES DESIGN Die großflächigen, nach Süden ausgerichteten Fenster lassen nicht nur viel

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DATEN & FAKTEN Projektname Stadtvilla am Phoenixsee, Dortmund Architekt Anja Engelshove Bauherr Privat Verwendete Produkte Terca Oud Laethem, Poroton T16 Jahr der Fertigstellung 2015

Licht, sondern auch Sonnenwärme ins Haus. Das hilft, Heizenergie zu sparen. Insgesamt erzielt die Stadtvilla einen Mindest-U-Wert von 0,171 W/m2K – wofür das Haus mit KfW-Effizienzhausstandard 55 eingestuft wurde. Diese Bewertung bestätigt, dass das Gebäude moderne Energieeffizienzstandards und damit die Anforderungen für finanzielle Förderung erfüllt. HOHE WOHNQUALITÄT Die elegante Architektur setzt sich im Inneren mit klaren Linien, hochwertigen Materialien und viel Licht im ganzen Gebäude fort. Entspanntes Wohnen in exklusivem Ambiente mit Blick auf den Phoenixsee. >

© Fotos: Ralf Pieper

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ines der aktuell größten Stadtentwicklungsprojekte Deutschlands wird derzeit auf einer 200 Hektar großen Industriebrache in Dortmund realisiert. Die Entwicklungspläne umfassen einen künstlichen See, neue Geschäfts- und Industriegebäude sowie Wohnungen.


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Die großen Fensterflächen ermöglichen den freien Blick auf den Phoenixsee und lassen viel Licht in den Raum. Die Vorliebe für helle Farbtöne setzt sich auch im Inneren fort.

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Flexible Wohnkonstellationen. Hinter den kleinen Fenstern und Balkonen verbergen sich die Mini-Apartments, die mit den großzügigen gemeinsamen Wohnbereichen verbunden sind.

EINE NEUE ART DES ZUSAMMENLEBENS – BEZAHLBARE WOHNQUALITÄT Das Clusterhaus Haus A in der Schweiz widmet sich aktuellen Fragen: Wie kann man das Zusammenleben von Menschen gestalten, ihre Beziehungen zueinander und die Beziehung zum öffentlichen Raum von innen nach außen, und wie können diese Menschen gemeinsame Einrichtungen nutzen?

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aus A ist Teil des neuen Hunziker Areals im Norden Zürichs. Das Projekt mit dem vielversprechenden Titel „mehr als wohnen“ umfasst insgesamt 450 Wohnungen. Die Wohnungen verteilen sich auf 13 Gebäude, die von unterschiedlichen Architekten entworfen wurden. „Mehr als wohnen“ heißt, dass man mehr als nur Wohnraum bieten möchte: So werden den Bewohnern und Genossenschaftsmitgliedern (bei fehlendem Privatauto) Dienstleistungen wie Carsharing und Elektromobilität angeboten; zudem sind Gemeinschaftsküchen, Gewächshäuser, Kräutergärten und Hotelzimmer für Gäste geplant.

DATEN & FAKTEN Projektname Clusterhaus, Haus A – Zürich, Schweiz Architekten Duplex Architekten Bauherr Baugenossenschaft mehr als wohnen Verwendete Produkte Poroton-T7, Poroton-T8 und DryFix Polyurethanschaum Jahr der Fertigstellung 2015

GEMEINSAME RÄUME UND SOZIALBEREICHE Das beeindruckendste Merkmal des Wohnhauses ist allerdings die neuartige und innovative Raumaufteilung, wie im Fall des Hauses A, das der Feder von Duplex Architekten entsprang. Es bietet seinen Bewohnern sowohl einen großen Gemeinschaftsraum als auch einen eigenen Rückzugsbereich. Dieser Bereich ähnelt einer Miniwohnung mit einem oder <

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Hunziker Areal, Baugenossenschaft mehr als wohnen Grundriss Regelgeschoss möbliert, Haus A, Dialogweg 6 Duplex Architekten, Zürich

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»Wir haben das gesamte Gebäude auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner der Ziegelmaße gebaut. Auf diese Weise konnten wir den Zuschnitt der Ziegel und den anfallenden Abfall minimieren und die Dämmeigenschaften verbessern. Das passt gut zu den innovativen Sozialkonzepten des Projekts.« Duplex Architects

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Auf dem Grundriss erkennt man die Miniapartments mit einem oder zwei Zimmern, einer Küchenzeile und einem kleinen Duschbad sowie den Gemeinschaftsbereich.


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© Fotos: Johannes Marburg, Duplex Architekten AG

Die Idee war, erschwingliche Qualitätswohnungen für Bewohner mit Gemeinschaftssinn zu schaffen.

< zwei Zimmern, einer Teeküche und einem kleinen Duschbad. Die Bewohner sind vom neuen Konzept begeistert. Marco Gähler, 27, Physiker und Chemiker, sagt dazu: „Vierhundert Quadratmeter mit einem riesigen Essbereich und einem noch größeren Wohnzimmer, einer außergewöhnlich großen Loggia, auf der man Partys feiern kann, und all das mitten in Zürich? Ich nenne das sozialen Luxus.“

Anna Hambitzer, 28, Physikerin und Medizintechnikerin, sagt: „Hier zu sein ist wirklich mehr als nur wohnen. Dieses Haus ist ein Beitrag zu einer zukünftigen, gesellschaftsübergreifenden Verbundenheit, die weit über die klassische Studenten-WG hinausgeht.“

MINIMALE BAUABFÄLLE Neben den sozialen Aspekten ist die innovative Bauweise eines der beeindruckendsten Merkmale von Haus A. Die gesamte Außenwand wurde als monolithische Mauerwerkswand mit integrierter Perlit-Dämmung gebaut. Alle geometrischen Maße des Gebäudes wie die Geschosshöhe und die Breite der Fenster basieren auf einem Vielfachen der Ziegelmaße, um so wenig Abfall wie möglich zu produzieren. Um eine Einschränkung der Dämmeigenschaften zu vermeiden, hat man die Ziegel nicht auf Mörtel gebettet, sondern sie stattdessen mit einer 2 mm dicken Polyurethanschaum-Schicht zusammengeklebt. Dank all dieser Maßnahmen war keine zusätzliche Wärmedämmung notwendig. >

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Dieser Neubau wurde respektvoll inmitten der alten Bäume eingebettet, die Teil des Klimakonzepts sind.

WENN WOHLFÜHLATMOSPHÄRE AUF NACHHALTIGKEIT TRIFFT Im belgischen Hasselt ist ein Hortgebäude entstanden, bei dem dank der Berücksichtigung der natürlichen Umgebung die städtische Grünfläche erhalten und so ein angenehmes Umfeld für die Kinder geschaffen werden konnte.

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ens°Ass Architecten stellten mit diesem Projekt ihr kontextbewusstes Denken unter Beweis. Der Auftrag bestand darin, an eine bereits bestehende Reihenhauszeile anzuknüpfen und einen Durchgang zum Park zu ermöglichen. Die Architekten entschieden sich gegen den Bau zusätzlicher großer Gebäude auf Kosten der herrlichen Bäume. Stattdessen rollten sie die Sache von der anderen Seite auf. Um die Grünfläche der Stadt zu erhalten, erweiterten sie nicht die Reihenhauszeile, sondern entwarfen im Park zwischen den Bäumen und Büschen einen Pavillon mit „Wurzeln“. Der Garten fungiert als Rückwand, sodass das Gebäude von der

Straße aus kaum zu sehen ist. Die Fassade geht aus der Dünnbettmethode hervor, und die Textur der Ziegel passt sich gut in das sprunghafte Wachstum der Umgebung ein. STÄDTISCHER ERHOLUNGSRAUM Durch die Verwendung einer Pavillonform konnte eine größere Fläche frei bleiben. Zusätzlich bringt das Zusammenspiel beider Funktionen – Stadtpark und Kinderhort – einen Mehrwert für beide und wirkt sich positiv auf das Stadtgefüge aus. Alle Funktionen sind klar, einleuchtend und räumlich logisch. Die runden Fensteröffnungen in der Außenwand erhöhen die soziale <

DATEN & FAKTEN Projektname De Ark, Hasselt, Belgien Architekten Lens°Ass Architecten Bauherr VZW De Wiekslag Verwendete Produkte Terca Blauw-Rood Genuanceerd Jahr der Fertigstellung 2014

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Die Grundrisse von Erd- und Obergeschoss zeigen die intelligente Raumaufteilung in „De Ark“.

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Die runden Fenster in der Außenwand sind in Wahrheit umfunktionierte Oberlichter. Sie stellen eine Verbindung für die Bewohner zum Park her.

© Fotos: Lens°Ass Architecten & Philippe van Gelooven

< Interaktion im Park. Sie schaffen eine angenehme Atmosphäre und werden auch dem Projekttitel gerecht: „De Ark“ – die Arche. Der Pavillon und die Wand lassen gemeinsam einen von der Außenwelt geschützten Raum entstehen.

NACHHALTIGKEIT ALS GRUNDVORAUSSETZUNG Alle verwendeten Materialien (Beton, Ziegel und Holz) wurden unter Anwendung der jeweiligen Nachhaltigkeitskriterien ausgewählt und integriert. Die großen Bäume, die erhalten werden konnten und schützend über dem neuen Pavillon stehen, unterstützen das Klimakonzept. Regenwasser wird in den Innenhöfen und auf den Dächern gesammelt und kann im Boden versickern. Auch die Wahl der Ziegel spiegelt diesen Ansatz wider, denn Ton ist Teil unserer natürlichen Umgebung. Dadurch, dass die Architekten im Laufe ihrer zahlreichen Umbauprojekte mit einigen sehr

alten Gebäuden zu tun hatten, konnten sie sich mit den einzigartigen Eigenschaften von Ziegel vertraut machen, so Bart Lens. Er schätzt den Werkstoff aufgrund seiner „wunderschön alternden Patina, der Reinigungsfreundlichkeit, seiner flexiblen Nutzung und Wiederverwendung sowie der soliden Widerstandsfähigkeit des Materials“. „De Ark“ schafft eine Wohlfühlatmosphäre unter Berücksichtigung von Natur und Nachhaltigkeit. >

»Heute sind Nachhaltigkeit und der ökologische Fußabdruck ein ganz wichtiges Thema. Aus der Geschichte haben wir gelernt, dass Ziegelgebäude nicht nur langlebig, sondern auch außergewöhnlich beständig sind. Ein beruhigender Gedanke für einen Immobilieninvestor.« Bart Lens

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INTERESSE FÜR RECYCLING WECKEN In Paris ist unter dem Boulevard Périphérique, der die Stadt vom Vorort Pantin trennt, eine neue öffentliche Recycling- und Sortieranlage entstanden. Das ungewöhnlich stylische Design der Anlage soll Passanten dazu bewegen, ihren Abfall dort zu entsorgen und somit Ressourcen einzusparen.

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SCHICKES DESIGN UND RECYCLING Eine Sortieranlage ist nicht wirklich glamourös, sodass man sich für einen auffälligen weißen Ziegel entschieden hat, um das Gebäude hervorzuheben und das Thema Wiederverwertung für jedermann sichtbar zu machen. Als natürliches Material passt Ziegel sehr gut in das Gesamtkonzept. Mit einer Fläche von 1.400 m2 hebt sich die Anlage vom umgebenden Straßennetz ab wie eine Perle im Asphaltdschungel. Abgeschottet von ihrer unwirtlichen Umgebung ist sie durch eine Einfriedung aus weißen Ziegeln und Glasbausteinen, die 35–40 Meter hohe, geschwungene Wände ergeben. Mit diesem letzten Schliff soll die Neugier der zahlreichen Passanten sowie die Bereitschaft geweckt werden, so viele Wertstoffe wie möglich zu sammeln und zur Wiederverwertung hier abzugeben.

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DATEN & FAKTEN Projektname Espace de tri Porte de Pantin, Paris, Frankreich Bauherr Stadt Paris Architekt Data Architectes Verwendete Produkte Terca, weiß, emailliert Jahr der Fertigstellung 2016

STÄRKE UND LEICHTIGKEIT Die gleichermaßen robuste und leichte Einfriedung steht im Kontrast zur umgebenden Infrastruktur und lässt einen Dialog mit den Passanten entstehen. Die glasierten weißen Ziegel wurden versetzt verlegt, wobei einige von ihnen von der Wand abstehen. Dieses Design und die Höhe von 3,3 m verhindern das Eindringen Unbefugter, lassen gleichzeitig aber die Blicke neugieriger Fußgänger zu und das Tageslicht hindurch. Die städtische Umgebung spiegelt sich auf der glänzenden Ziegelfassade, die im Licht der Sonne und der vorbeifahrenden Autos erstrahlt. Dieses Wertstoffzentrum steht mit seiner mutigen Architektur für Nachhaltigkeitswerte, während es gleichzeitig als notwendige Einrichtung zur Abfallverwertung dient. Letztlich ist es doch der Abfall von heute, der die Ressourcen von morgen stellt. >

© Fotos: Geraldine Bruneel

ie Sortieranlage befindet sich in einem Teil der Stadt, der bis vor Kurzem noch durch Indus­ trie, Gewerbe und Parkhäuser geprägt war. In den vergangenen 30 Jahren hat das Gebiet durch Rückgang und Verlagerung dieser Aktivitäten eine Erneuerung erfahren. Mit seiner Lage auf einem ehemaligen Kreisverkehr, der umgebaut wurde, um die Durchfahrt einer Straßenbahn zu ermöglichen, liegt der Standort inmitten vielfältiger Verkehrsstraßen: die Tangente darüber, ein Straßentunnel darunter und vier Spuren auf jeder Seite. Er ist somit strategisch inmitten verschiedener Logistikrouten gelegen und bietet zudem den Vorteil, gut sichtbar und ausgezeichnet erreichbar zu sein.


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Die Kombination von Keramik- und Glasziegeln schafft ein faszinierendes Zusammenspiel von Licht und Schatten.

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