I N T E R N AT I O N A L E S M AG A Z I N F Ü R Z I EG E L A RC H I T E K T U R
IN DIESER AUSGABE: Alt & Neu kombinieren Gebäudeerweiterung Historische Renovierung
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www.architectum.com
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2 EDITORIAL XXX
CHRISTOF DOMENIG CEO Clay Building Materials Europe
ALTE GEBÄUDE. NEUES DESIGN. EINE VERBINDUNG: ZIEGEL Architekten haben es immer häufiger mit Sanierungsprojekten zu tun. Dieser Anstieg spiegelt das zunehmende Alter von Gebäuden wider, aber auch das wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeitsaspekte, Denkmalschutz und wirtschaftliche Belange. Ein Grund ist aber auch, dass bestehende Gebäude immer mehr geschätzt werden. Wenn diese eine hochwertige Bausubstanz haben, ist Renovierung eine ausgezeichnete Wahl. Architektonisch geht es darum, einem alten Gebäude neues Leben einzuhauchen – mit modernen Materialien und Designelementen, die die bestehenden Merkmale ergänzen und aufwerten. Zeitgenössische Architektur bezieht die Vergangenheit mit ein, um etwas Neues, Aufregendes zu schaffen – mit jeder Menge kreativem Potenzial. Deshalb ist Abriss heutzutage für Architekten und Kunden häufig nicht die erste Wahl. Gebäude und Räume, die Spuren der Vergangenheit aufweisen, werden in neue, aufregende Konzepte verwandelt und erregen Aufmerksamkeit in der Architekturszene. Für diesen Zweck sind keramische Baustoffe perfekt geeignet. Häufig in historischen Bauten verwendet, altern sie schön, ohne an Langlebigkeit und Energieeffizienz einzubüßen. Sie werden als harmonische Ergänzung von alten Gebäuden gewählt, sind als natürlicher Baustoff optisch ansprechend, vielseitig einsetzbar und verleihen dem Ganzen einen modernen Touch. Und werden damit zum Verbindungsglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart. All die für diese Ausgabe sorgfältig ausgewählten Bauprojekte sind ein anschaulicher Beweis für den Wert von Renovierungen, insbesondere wenn ausgeklügelte Entwurfskonzepte und kreative Designansätze umgesetzt werden.
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Viel Spaß beim Lesen!
Christof Domenig
IMPRESSUM HERAUSGEBER Wienerberger AG, 1100 Wien VERLAG Starmühler Agentur & Verlag GmbH, 1010 Wien, www.starmuehler.at CHEFREDAKTEURIN Andrea Blama (Wienerberger AG) KOOPERATION Alexa Uplegger (GER), Kairi Pops (EST), Mélinda Zivan (FR), Monika Sikorska (PL), Patrick Alexander (CH), Pavla Peterkova (CZ), Sabine Merlevede (BE), Tanja Bongers (NL), Tom Dearden (UK) GRAFIK & DESIGN Starmühler Agentur & Verlag GmbH, Artdirector: Thomas Tuzar, www.starmuehler.at, Lektorat: Susanne Spreitzer DRUCK Ueberreuter Print & Packaging GmbH, Industriestrasse 1, 2100 Korneuburg PRODUKTION Ueberreuter Print & Packaging GmbH FOTO COVER Nicolas Waltefaugle FOTO RÜCKSEITE Nicolas Waltefaugle/nwphoto.fr WIENERBERGER AG CLAY BUILDING MATERIALS EUROPE, A-1100 Wien, Wienerberg City, Wienerbergstraße 11, T +43 (1) 601 92-10551, marketing@wienerberger.com, twitter.com/architectum, youtube.com/wienerbergerofficial
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INHALT XXX 3
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UPGRADE 20 V ERWANDLUNG EINES KRAFTWERKS IN EIN KREATIV- UND EVENTZENTRUM Estland 24 UPGRADE FÜR EIN 4-STERNE-HOTEL Frankreich
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26 NEUER GLANZ FÜR AMSTERDAMS „GARTENDORF“ Niederlande
STANDARDS
28 ZEITGEMÄSSE SANIERUNG EINES STUDENTENWOHNHEIMS Deutschland
04 NEWS 05 SIIRI VALLNER UND INDREK PEIL VON KAVAKAVA – Interview
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HISTORISCHE RENOVIERUNG
GEBÄUDE ERWEITERUNG
30 NEUE, TRADITIONELLE DACHZIEGEL FÜR DIE PRAGER BURG Tschechische Republik
08 ARCHITEKTUR, DIE VERGANGENHEIT UND GEGENWART VERBINDET Belgien
32 RÜCKKEHR ZUM URSPRÜNGLICHEN STIL MIT VIEL LIEBE FÜRS DETAIL Frankreich
12 MEHR RAUM FÜR GESCHÄFTE Frankreich
34 SANIERUNG EINES NEUGOTISCHEN DACHS Polen
14 V ERWANDLUNG EINES EINFAMILIENHAUSES Vereinigtes Königreich 18 V ERSCHÖNERUNG EINES DENKMALGESCHÜTZTEN HAUSES DURCH EINEN ANBAU Vereinigtes Königreich
36 HISTORISCHE INTEGRITÄT DURCH HANDGEMACHTE TONDACHZIEGEL Vereinigtes Königreich 38 ÄUSSERLICH UNVERÄNDERT TROTZ NEUER NUTZUNG Schweiz
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4 NEWS
WIENERBERGER HERITAGE SERVICE IM DIENSTE DER DENKMALPFLEGE – UNSERE MARKEN FÜR HISTORISCHE DACHRENOVIERUNGEN Für die meisten von uns sind historische Gebäude konkrete Kultur- und Zeitzeugen der Geschichte und Kunst. Ihr Schutz ist nötig, um unsere kulturelle Identität zu wahren. Dank seiner langjährigen Spezialisierung auf Dachlösungen kann Wienerberger eine extrem breite Palette an keramischen Produkten anbieten, die speziell für traditionelle und denkmalgeschützte Gebäude geeignet sind. Zur Umsetzung von Sonderlösungen und besonderen architektonischen Anforderungen ist auch eine Entwicklung und Herstellung von Tondachziegeln und Engoben speziell für Dachsanierungen möglich.
Wienerberger vertreibt seine Produkte für die historische Renovierung unter folgenden Markennamen: Aléonard (Frankreich), Casta Manufaktur (Schweiz), Keymer (UK), Koramic (Polen und verschiedene andere Länder), Manufaktur (Deutschland), Sandtoft (UK), Tondach (Tschechische Republik und verschiedene andere Länder).
Maßgeschneiderte Lösungen für außer gewöhnliche Dächer – Wienerberger bietet Spezialprodukte und lokales Know-how für die Renovierung von historischen Gebäuden.
JEDE MENGE FLEXIBILITÄT MIT DEN OVH VARIO-DACHZIEGELN
OVH Vario-Dachziegel können mit einem einfachen Dach-Clip befestigt werden und sparen so Arbeitskosten und Zeit.
Mit dem neuen Dachziegeltyp OVH Vario ist ein in sanften Wellen geschwungenes Dach kein Problem mehr. Dank ihrer variablen Kopf- und Seitenfugen sind sie extrem praktisch und leicht zu verarbeiten. Das heißt, dass dieses Dachziegelmodell unterschiedlich, sowohl der Länge als auch der Breite nach verlegt werden kann. Es ist ideal für die Renovierung, aber auch für Neubauten und eignet sich für alle Größen von Dachfeldern. Die Dachziegel können mit Dachlattenabständen von 305 bis 320 mm und der Breite nach von 200 bis 204 mm verlegt werden. Durch die variablen Abstände gibt es jede Menge Spielraum bei der Verarbeitung. Durch den effizienten Einsatz können auch deutlich Kosten eingespart werden. Darüber hinaus wurden die Dachziegel auf Wasserfestigkeit, Bruchfestigkeit und Frostbeständigkeit getestet. Verfügbar in acht Farben, matt oder glasiert. www.wienerberger.nl – info.nl@wienerberger.com
Warme, erdige Farbtöne wie Beige, Grau und Braun sind im innerstädtischen Wohnungsbau im Trend. Sie stehen für eine lebendige Architektur mit vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten und sind zugleich langlebig und wartungsarm. Mit den LimeLine Wasserstrichziegeln in fünf Farbtönen von Beige-Weiß bis zu Vulkangrau reagiert Wienerberger auf die Impulse des Marktes mit großem Erfolg. Bei der Produktion von Wasserstrichziegeln wird der Ton durch Drehtisch-Pressen gedrückt und Wasser als Trennmittel eingesetzt. So entsteht das typische Schlierendesign mit teilweise aufgerauten Bereichen, das jedem Ziegel einen Unikat-Charakter verleiht. wwww.wienerberger.de – Info.de@wienerberger.com
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Durch den Wasserstrich in der Herstellung wirkt jeder Ziegel in Farbe und Oberfläche wie ein Unikat.
© Fotos: Markus Esser, Wienerberger AG, Bogumił Dąbek
IM TREND: DIE TERCA-WASSER STRICHZIEGEL LIMELINE
INTERVIEW 5
Das neue Kreativ- und Eventzentrum „Kultuurikatel“ in Tallinn, Estland, ist ein kürzlich von Kavakava ausgeführtes Renovierungsprojekt.
DAS SCHLÜSSELINSTRUMENT FÜR RENOVIERUNGEN IST KREATIVITÄT
© Fotos: Tarvo Hanno Varres, kaupokalda.com
KAVAKAVA ist ein Architekturbüro in Estland mit Siiri Vallner und Indrek Peil als wichtigsten Vertretern. Ihre Arbeit ist immer standortspezifisch und hebt das Potenzial eines speziellen Orts hervor. Gleichzeitig ist es ihr Ziel, neue Situationen entstehen zu lassen. Wenn ein altes Gebäude über genügend echtes und authentisches Material verfügt, wandeln sie es in etwas Neues, Kreatives um. Siiri Vallner erläutert ihren Ansatz für Renovierungsprojekte.
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ie haben kürzlich die Renovierung des neuen Kreativ- und Eventzentrums „Kultuurikatel“ in Tallinn abgeschlossen. Was war die Herausforderung bei diesem speziellen Projekt? Das „Kultuurikatel“ ist ein ehemaliges Elektrizitätswerk zwischen der Altstadt und der Ostsee. Der ehemalige Kraftwerkskomplex wurde nach und nach
erbaut, einige Teile im 19. Jh., aber das meiste im letzten Jahrhundert. Es war als denkmalgeschütztes Gebäude klassifiziert. Deshalb war es nicht einfach, die Nutzung der Räume zu ändern. Wie gehen Sie mit Beschränkungen um, die oft beim Renovieren eines Gebäudes auftauchen? Kreativ. In diesem Fall war das wichtigste Designwerkzeug das Entfernen von Dingen, um die bestehende Struktur möglichst attraktiv zu enthüllen. Bedeutet das, dass Sie einen Plan entwickelt haben, die Originalmaterialien und -konstruktionen zu zeigen, statt neue Elemente hinzuzufügen? Wir haben nur eine ganz begrenzte Menge an neuen Dingen hinzugefügt. Der Kamin und die Schornsteine, für die wir Ziegel verwendeten, waren schon so ungewöhnlich und eindrucksvoll, dass wir beschlossen, <
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6 INTERVIEW
Das Narva College – Universität Tartu, Estland, ist ein neues Gebäude, das die Kombination aus Vergangenheit und Gegen wart widerspiegelt.
< uns an den vorhandenen baulichen Merkmalen zu orientieren. Ursprünglich war alles aus Ziegeln, da die Temperatur im Innern sehr hoch war. Folglich verwendeten wir auch für den neuen zusätzlichen Raum, den Dachaufbau mit Schornsteinen, Ziegel.
Wie würden Sie die Herausforderung der Renovierung eines denkmalgeschützten Gebäudes und der gleichzeitigen Schaffung eines informellen kreativen Raums für moderne Nutzung beschreiben? Wir verwandelten das Kraftwerk in ein zwangloses Kulturzentrum für Künstler und Musiker. Das Schlüsselkonzept des Raumprojekts ist Offenheit und Sichtbarmachung der Materialien – Ziegel, Stahl und Beton. Das ermöglichte uns die Schaffung eines authentischen Designs mit äußerst geringen Finanzmitteln. Tatsächlich war das Budget sehr beschränkt. Und das bedeutet, dass jeder Eingriff ganz präzise und punktgenau sein muss. Nach der Renovierung stehen in dem Zentrum jetzt verschiedene Säle und Räume für Aufführungen und Proben zur Verfügung sowie Künstlerateliers, Büros und viel gemeinsam nutzbarer Raum. Das Entwurfskonzept wurde zusammen mit dem Konzept für das neue Kreativzentrum „Kultuurikatel“ entwickelt. Welche Projekte sind Ihrer Meinung nach für Renovierungen am besten geeignet? Alle, bei denen noch genügend echtes und authentisches Material vorhanden ist. Ziegel ist beispielsweise eines der Materialien, das für diese Art von Projekten bestens geeignet ist – in Form von Kombination aus altem und neuem Material. Wir haben die Erfahrung
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gemacht, dass es für eine erfolgreiche neue Nutzung unerlässlich ist, Impulse von außen zu integrieren, Workshops abzuhalten und den Vorschlägen der möglichen neuen Nutzer Gehör zu schenken. Wenn man mit den verschiedenen beteiligten Parteien kommuniziert, kann man neue Inhalte entwickeln. Das ästhetische Erscheinungsbild kann sich bei der Renovierung eines Gebäudes völlig verändern, wie bei Ihrem Projekt Raua Sauna. Wie und wann ist diese Idee entstanden? Was war der Grund dafür, dass Sie das ganze Gebäude mit einer Gitterstruktur aus Ziegeln verkleidet haben? In diesem Fall war das bestehende Gebäude sehr einfach, nur eine Art Pavillon. Aber es liegt in einem eleganten Stadtviertel, in dem die meisten Gebäude denkmalgeschützt sind. Wir brauchten also etwas Bescheidenes, das in dem denkmalgeschützten Viertel nicht heraussticht, aber gleichzeitig eindeutig neu und modern wirkt. Natürliches Tageslicht in den Räumen war auch wichtig, aber natürlich unter Beibehaltung der Privatsphäre. Ein weiterer Aspekt ist: Wir möchten, dass unsere Gebäude schön altern – und dafür sind Ziegel einfach perfekt. Die älteren Gebäudeteile wurden im ursprünglichen Stil renoviert – einer Mischung aus Jugendstil und Funktionalismus.
Siiri Vallner und Indrek Peil sind die Schlüsselpersonen des Architektur büros Kavakava.
»Wenn man etwas Existierendes verwendet, ist es viel einfacher, andersartige und bedeutungsvolle Orte zu schaffen, als wenn man bei null anfängt.« Siiri Vallner, Kavakava
INTERVIEW 7
Das Pavillon-Gebäude zur Straßenseite haben wir völlig neu gestaltet und in eine Gitterstruktur aus Ziegeln gefasst. Der neue Look wirkt bescheiden, stellt jedoch eine klare Verbindung zu dem denkmalgeschützten Stadtviertel her. Was macht Renovierungen so interessant? Das Entdecken, „Lesen“ und Neugestalten von bestehenden Raumkonzepten. Als wir mit der Planung des „Kultuurikatel“ anfingen, schauten wir uns zuerst die räumlichen Verbindungen in senkrechter und waagrechter Richtung an. Beispielsweise ist der Keller über den Schornstein zugänglich. Das bringt eine weitere Dimension gegenüber der üblichen horizontalen Bewegungsweise im Raum ins Spiel. Was sind die Vorteile von Renovierungen? Wenn man etwas Existierendes verwendet, ist es viel einfacher, andersartige und bedeutungsvolle Orte zu schaffen, als wenn man bei null anfängt. Andererseits sind Renovierungen letzten Endes häufig teurer, als wenn man von Grund auf neu baut. Doch Architekten können als Trendsetter neue Methoden und ästhetische Prinzipien einführen, die kostengünstiger sind. >
Raua Sauna in Tallinn, Estland
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8 GEBÃ&#x201E;UDEERWEITERUNG
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ARCHITEKTUR, DIE VERGANGENHEIT UND GEGENWART VERBINDET In einem ambitionierten und komplexen Projekt wurde das ehemalige Wasserwerk im belgischen Mons in ein Museum für Militärgeschichte umgebaut. Für die neue Nutzung war mehr Raum erforderlich, weshalb zu beiden Seiten des historischen dreischiffigen Ziegelbaus Erweiterungsflügel angeschlossen wurden. Als Baumaterial wurden Tonziegel gewählt, um eine Verbindung zwischen Alt und Neu herzustellen.
DATEN & FAKTEN Projektname Mons Memorial Museum, Mons, Belgien Architekt Atelier d’architecture – Pierre Hebbelinck Bauherr Stadt Mons Verwendete Produkte Terca Elise und Penter Arte Jahr der Fertigstellung 2015
Das Mons Memorial Museum lädt die Besucher ein, die multiplen, komplexen Wirklichkeiten des Krieges zu hinterfragen.
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as Gebäude des ehemaligen Wasserwerks spielt eine Schlüsselrolle in der zivilen, architektonischen und urbanen Geschichte der Stadt Mons. Es steht als Symbol für eine Industriegesellschaft, die die Lebensqualität der Menschen verbessern will. Dieses denkmalgeschützte historische Gebäude wurde in das Mons Memorial Museum umgewandelt, das sich mit der Militärgeschichte der Stadt vom Mittelalter bis zur Zeit nach den beiden Weltkriegen befasst. RAUM FÜR EINE NEUE NUTZUNG SCHAFFEN Um genügend Platz für Dauer- und Wechselausstellungen, ein Restaurant und ein Forum zu haben, musste mehr Raum geschaffen werden. Der Bau wurde vom Architekturbüro „ Atelier d’architecture Pierre Hebbelinck“ mit viel Fingerspitzengefühl umgebaut und zu beiden Seiten des bestehenden Gebäudes um zwei moderne Flügel erweitert. Die neuen weißen Erweiterungsflügel schließen sich an das alte Bauwerk an, machen es sozusagen zum Herz des Komplexes und geben dem Museum ein völlig neues Aussehen. DESIGN FÜR EINE GEDENKSTÄTTE Zur Herstellung einer optischen Verbindung zwischen den drei Gebäu- <
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Für beide Anbauten wurden rote Tonziegel verwendet. Außen erhielten sie einen weißen Anstrich, doch die Durchbrüche wurden pas send zur alten Konstruktion rot belassen.
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An das alte Wasserwerk wurden zu beiden Seiten Erweiterungsflügel angeschlossen, um genügend Raum für Dauer- und Wechselausstellungen, ein Restaurant und ein Forum zu schaffen.
© Fotos: François Brix
< deteilen wurde an der Ecke des nahen Boulevards eine durchgehende Fassade kreiert. Die Erweiterungsflügel haben ihre eigene Identität, harmonieren aber gleichzeitig mit dem historischen Gebäude. Die helle und offene Atmosphäre und die auskragende Form symbolisieren die Intention des Museums, als ein Ort des Friedens und Erinnerns zu dienen, da die meisten Ausstellungsstücke die Geschichte des menschlichen Leids während der Kriege widerspiegeln.
KERAMISCHE BAUSTOFFE FÜR VERGANGENHEIT UND GEGENWART Wie das Museum selbst hat auch das verwendete Baumaterial eine Geschichte zu erzählen. Die alte rote Ziegelfassade des ehemaligen Wasserwerks ist denkmalgeschützt. Deshalb schien es nur
»Die Themen des Projekts sind Licht, Erinnerung und Geschichte. Die verwendeten Materialien sind Glas, Stahl und Ziegel.« Pierre Hebbelinck, Atelier d’architecture
logisch, auch für die Anbauten keramische Baustoffe zu verwenden, um eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne zu schaffen. Die Fassadenziegel der neuen Anbauten erhielten außen einen weißen Anstrich, der sie hell und leicht wirken lässt. Hingegen wurden die Durchbrüche passend zu den verwendeten Pflasterklinkern rot belassen. Die traditionelle ziegelrote Farbe unterstreicht die authentische Atmosphäre des gesamten Museums. >
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MEHR RAUM FÜR GESCHÄFTE Ein neuer Laden, mehr Lagerräume und ein Café sollten eingerichtet werden – also musste die traditionelle Industriebäckerei Cornu S.A. in Fontain erweitert werden. Das neue Gebäude mit heller Ziegelfassade, die an das in der Fabrik verwendete Mehl erinnern soll, lässt eine klare Trennung zwischen Produktions- und Kundenbereich erkennen.
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er Kunde und Besitzer der Fabrik, die Cornu-Gruppe, ist ein traditionelles Familienunternehmen, das schon seit drei Generationen salziges und süßes Gebäck herstellt. Die Gruppe besitzt mehrere Produktionsstätten in Frankreich und der Schweiz. ANPASSEN AN DIE KUNDENBEDÜRFNISSE An ihrem Standort in Fontain in Frankreich stellt die Cornu S.A. herzhafte Snacks und süße Bäckereiprodukte her. Die Waren können auch direkt vor Ort im Fabrikladen gekauft werden. Ziel dieses Projekts war es, das Firmengelände durch Erstellung eines neuen Gebäudes mit dem Namen „La Fabrique“ (Die Fabrik) zu erweitern, in dem ein Laden, ein Café und Lagerräume untergebracht werden sollten.
DATEN & FAKTEN Projektname La Fabrique – Biscuiterie Cornu S.A., Fontain, Frankreich Architekt Atelier d’Architecture Tardy Bauherr Biscuiterie Cornu S.A. Verwendete Produkte Terca System Kess in den Farben Fleurs de pommier, Fleurs de cerisier, Vieux Knokke, Forum Branco, Oud Bologne Jahr der Fertigstellung 2016
HOMMAGE AN DIE WURZELN DES UNTERNEHMENS Das Gebäude von „La Fabrique“ steht kühn da. Die Auswahl der Baustoffe ist inspiriert von den Materialien und dem Logo der ursprünglichen Bäckerei im Dorf Champagne: Ziegel, Beton und blauer Kunstharzboden. Die von außen sichtbare Rahmenstruktur bildet ein regelmäßiges Betonraster. Es handelt sich um eine Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Fertigbauteilen. Die Ausfachungen wurden je nach der Funktion des jeweiligen Gebäudeteils mit Ziegel oder Glas ausgefüllt. FASSADENAUFBAU Die Fassade wurde so konzipiert, dass bereits beim Blick von außen klar wird, welche Funktion der Innenbereich erfüllt: öffentliche Kundenbereiche (Laden und Café) und Lagerräume, die ebenfalls in dem Gebäude untergebracht sind. Von außen gesehen ist die Fassade in zwei getrennte L-förmige Bereiche unterteilt. Die erste „L“-Form
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Die Farben der Ziegel stellen einen Bezug zu dem in der Fabrik verwendeten Mehl her.
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In dem Neubau sind ein Laden, ein Café und Lagerräume untergebracht.
© Fotos: Nicolas Waltefaugle/nwphoto.fr
wurde mit großen Fenstern versehen und gibt den Blick frei auf das Ladenlokal im Erdgeschoss und das Café im ersten Stock. Das zweite „L“ wurde mit Ziegeln zugemauert, hinter denen sich die Lagerräume befinden. Dadurch entsteht ein interessantes Wechselspiel zwischen den zarten Farbnuancen der hellrosa Ziegel, deren ausgebleichtes Aussehen einen Bezug zu dem in der Fabrik verwendeten Mehl herstellen soll, und dem Grau des Betonrasters. FABRIKLADEN IM BOUTIQUE-STIL Das Ladeninnere ist in einem ganz anderen Stil als in Produktionsumgebungen üblich gestaltet: Das Design der Räume erinnert eher an eine Boutique, mit riesigen Panoramafens tern, die den Blick auf Felder und die umliegende Landschaft freigeben. Das durch die großen Fenster einfallende Licht verstärkt noch das Gefühl der Offenheit, das dem Image der köstlichen Bäckereiprodukte entspricht, die hier zum Verkauf angeboten werden. >
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VERWANDLUNG EINES EINFAMILIENHAUSES Die geschmackvolle Hinzufügung einer Garage und eines Anbaus auf der Rückseite eines Hauses aus dem 19. Jh. in Cheshire bringt der darin wohnenden Familie viele Vorteile. Zart rosa Ziegel bilden eine harmonische Ergänzung zum bestehenden Backsteingebäude und lassen einen interessanten Kontrast zu den alten dunkelroten Ziegeln entstehen. 03|2017
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Z © Fotos: Andy Marshall
ur Schaffung von dringend benötigten zusätzlichen Wohn- und Nutzräumen hat das Architekturbüro Annabelle Tugby Architects eine Palette von zarten Ziegelschattierungen, Zedernholzverkleidung und dekorative Stahlbauteile passend zum bestehenden Gebäude verwendet. RAUM SCHAFFEN Bei diesem Projekt wurde zunächst eine große freistehende Garage im Garten hinter dem Haus abgerissen, um von den Wohnräumen eine freiere Aussicht zu genießen, den Garten zu vergrößern
und mehr Licht auf das Grundstück einfallen zu lassen. Eine neue Garage wurde im rechten Winkel zum Haus errichtet, um im vorderen Bereich eine Hofatmosphäre zu erzeugen. Ein Glasübergang mit Blick auf die Sichtziegelwände schafft einen neuen, praktischen Eingang zum Haus für die Familie und bietet Zugang zum neuen Arbeitszimmer über der Garage mit Blick auf die Felder hinter dem Haus mit Bienenstöcken. NEUE BEREICHE SCHAFFEN Im Anbau hinter der bestehenden Küche schließt sich ein großes Wohn- <
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Oak Brow: Übersichtsplan
Der moderne Anbau harmoniert hervorragend mit dem histori schen Gebäude.
< zimmer an. Versteckte Türen auf beiden Seiten des Raums führen zu einer neuen Toilette im Erdgeschoss, einem Hauswirtschaftsraum, einem Hundezimmer und einem Wintergarten. Vom Elternschlafzimmer geht es hinaus auf eine atemberaubende Dachterrasse über dem Anbau mit fantastischem Freizeitwert für die ganze Familie und einer externen Treppe, die in den Garten und zum Whirlpool hinunterführt.
AUSWAHL DER ZIEGEL Die Tonziegel wurden als Komplementierung zum bestehenden Haus, seiner Epoche und der hochwertigen Qualität der Immobilie sowie entsprechend den Erwartungen des Besitzers ausgewählt. Ziel der zartrosa Ziegel war es, statt einer direkten farblichen Entsprechung einen Kontrast
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DATEN & FAKTEN Projektname Oak Brow, Cheshire, Vereinigtes Königreich Architekt Annabelle Tugby Architects Bauherr Privat Verwendete Produkte Terca Retro Tiffany Stock Jahr der Fertigstellung 2016
und eine harmonische Ergänzung zu den existierenden dunkelroten Backsteinen zu schaffen. NEUE WOHNQUALITÄT Zweck des Projekts war es eigentlich, zusätzliche praktische Räume anzubauen, um die bestehenden Wohnräume zu ergänzen, doch das Ergebnis hat letztendlich neue faszinierende Wohnbereiche entstehen lassen. Was zuvor ein Haus mit einer einzigen Bewegungsrichtung war, hat sich zu einer in sich verbundenen und optisch äußerst reizvollen Gebäudestruktur mit modernen Innenräumen für die Familie gemausert. >
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»Obwohl wir instinktiv eher im modernen Stil zu Hause sind, kann unser Büro auf eine Erfolgsbilanz von einfühlsamen Renovierungen verschiedener historischer und denkmalgeschützter Gebäude zurückblicken, da wir in der Lage sind, moderne Innenarchitektur oder Anbauten harmonisch in historische Immobilien einzufügen.« Annabelle Tugby Architects
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VERSCHÖNERUNG EINES DENKMALGESCHÜTZTEN HAUSES DURCH EINEN ANBAU Dieses Projekt in London, Vereinigtes Königreich, umfasst den Anbau sowie die interne und externe Neustrukturierung eines Apartments in einem denkmalgeschützten Gebäude, das früher ein viktorianisches Pub war. Glasierte weiße Ziegel verbinden den neuen Teil mit den weißen Stuckelementen im unteren Bereich des bestehenden Gebäudes und verleihen ihm einen modernen Touch.
DATEN & FAKTEN
VIELE GRÜNDE, DEN RICHTIGEN ZIEGEL ZU WÄHLEN Fokus des äußeren Eindrucks des Projekts sind vor allem die weißen glasierten Ziegel. Drei Hauptfaktoren haben diese Wahl beeinflusst: Dieser Ziegel passt gut zum bestehenden Kontext von Backsteingebäuden und Gartenmauern. Die reflektierenden Eigenschaften des neuen Ziegeltyps sorgen für maximale Tageslichteinstrahlung in die Räume im Untergeschoss, da sie das natürliche Licht um den unteren Hof verstärken und zurückwerfen. Die weiße Farbe stellt außerdem eine optische Verbindung zwischen dem neuen Anbau, den Stuckelementen des alten, denkmalgeschützten Hauses und dem verblassten weißen Anstrich der Gartenmauer her. Die glasierten Ziegel waren dem Kunden auch wichtig, um dem Projekt eine persönliche Note zu verleihen.
Bauherr Privat
WECHSELSPIEL VON SOLIDITÄT UND TRANSPARENZ Das neue Ziegelmauerwerk wird als monolithische Form wahrgenommen und entwickelt sich vertikal aus schlanken Ziegelpfeilern, deren Ausrichtung ein dynamisches Wechselspiel von Solidität und Transparenz erzeugt. Außerdem eröffnet es einen weiten Blick aus den Wohnräumen und dem Arbeitszimmer in den Garten hinaus. Eine einzige ausgesparte Ecke lässt Licht in das Schlafzimmer einströmen und verbindet es mit dem Hof im Tiefgeschoss. Große Fens-
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Projektname Brooksby, London, Vereinigtes Königreich Architekt Llowarch Llowarch Architects (LLA)
ter- und Türöffnungen verbinden die Küche mit dem Garten auf der Rückseite des Hauses. EIN SPEZIELLER MÖRTEL Die Mörtelfarbe haben wir in Zusammenarbeit mit dem Bauunternehmer vor Ort gemeinsam entwickelt. Um hellgraue Lichtakzente zu erzielen, wurden gefärbte Mörtelproben mit einem relativ hohen Zementgehalt hergestellt. >
Verwendete Produkte Terca weiß glasiert Jahr der Fertigstellung 2015
»Unsere Kunden schreiben uns: Das fertige Projekt hat all unsere Erwartungen übertroffen und ist noch viel schöner geworden, als wir es uns je vorgestellt hätten.(...) Wir lieben unser umgebautes Apartment und freuen uns darauf, noch viele Jahre darin wohnen zu dürfen.« Architekturbüro LLA Architects
Im Untergeschoss wurden Zwischenwände entfernt und ein neues Arbeitszimmer für den Kunden – einen Chefredakteur der Kultur redaktion einer führenden nationalen Zeitung – geschaffen, der häufig vom Home Office aus arbeitet.
© Fotos: Jack Hobhouse
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ie wichtigsten neuen Elemente im Rahmen des Projekts sind eine Vergrößerung der Küche im Erdgeschoss, ein zusätzliches Schlafzimmer mit angeschlossenem Badezimmer im Untergeschoss sowie ein neues Arbeitszimmer, die alle auf neu gestaltete und begrünte Außenbereiche hin ausgerichtet sind.
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Ziel dieses Projekts war es, ein Gleichgewicht zwischen moder nen Elementen und dem Kontext der vorhandenen Innenräume herzustellen.
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VERWANDLUNG EINES KRAFTWERKS IN EIN KREATIV- UND EVENTZENTRUM
Das ehemalige Kraftwerk wurde in ein modernes Kulturzentrum für Künstler und Musiker verwandelt.
Kultuurikatel („Kulturkessel“) ist der Name des ehemaligen Elektrizitätswerks der Stadt Tallinn in Estland. Das Renovierungsprojekt konzentrierte sich auf einfache Prinzipien der räumlichen Organisation, um den Wünschen der neuen kreativen Nutzer entgegenzukommen. Das Schlüsselkonzept des Projekts war Offenheit.
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er ursprüngliche Komplex wurde im 19. Jh. erbaut und im 20. Jh. durch mehrere Anbauten erweitert. Alle Gebäude stehen unter Denkmalschutz, sind in Besitz der Stadt Tallinn und liegen in der Nähe des Stadtzentrums nur einen Steinwurf von der Ostsee entfernt. Nach umfassender Renovierung stehen in dem Zentrum jetzt verschiedene Hallen und Räume für Aufführungen und Proben zur Verfügung sowie Clubräume, Ateliers und Büros. Ergänzt wird das Ganze durch einen durchgehenden gemeinsamen Raum, der für alle Arten von neuen Nutzungsmöglichkeiten offensteht. Es ist daher multifunktional und perfekt für alle Arten von Events und bietet auf einer Fläche von über 11.200 m2 jede Menge Platz für Kreativität.
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DATEN & FAKTEN Projektname Kultuurikatel, Tallinn, Estland Architekt Siiri Vallner, Indrek Peil, Kavakava Bauherr Kultuurikatel Verwendete Produkte Terca Aseri red, smooth Jahr der Fertigstellung 2015
© Fotos: kaupokalda.com
STRATEGIE UND GESTALTUNGSKONZEPT Das Projekt konzentrierte sich auf einfache Prinzipien der räumlichen Organisation, um den Bedürfnissen der neuen kreativen Nutzer entgegenzukommen. Das knappe Budget war eine Herausforderung – jeder Eingriff musste präzise und punktgenau sein. Das Schlüsselkonzept des Projekts war Offenheit – um Raum zu lassen für spätere Erweiterungen und ungeplante Entwicklungen. Besonderen Wert wurde darauf gelegt, auch Ideen und Impulse von außen in Form von Workshops und Input der Nutzer mit aufzunehmen. Kommunikation mit den verschiedenen beteiligten Parteien war ein wesentlicher Teil des Projekts. <
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< Das Entwurfskonzept wurde zusammen mit dem Konzept für das neue Kreativzentrum „Kultuurikatel“ entwickelt. Das Projekt wurde in mehreren Phasen gebaut. Viele Räume wurden mit dem absoluten Minimum ausgestattet, um den künftigen Nutzern die Fertigstellung nach ihren Wünschen offen zu lassen.
ERHALTUNG ALTER STRUKTUREN Für das Renovierungsprojekt wurden passende Baustoffe zur ursprünglichen Architektur gewählt. Die alte Ziegelfassade wurde behutsam durch eine neue, moderne, helle Ziegelfront ersetzt, die einen schönen Kontrast zu den alten verwitterten Fassaden bildet. Ersatzund Instandsetzungsarbeiten sowie Hinzufügungen wurden umsichtig ausgeführt und die Oberflächen roh und unpoliert gelassen wie im ursprünglichen Zustand. Deshalb gibt es viel Sichtbeton, Stahl und Ziegel vom alten Kraftwerk zu sehen, und oft wurde auch das Innere einfach belassen, wie es war, und in das gestalterische Konzept integriert. Das schafft eine ganz einzigartige Atmosphäre. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses ungewöhnlichen Industrie-Looks wurde das Gebäude des Tallinner Kreativzentrums dieses Jahr als Hauptveranstaltungsort für den estnischen Vorsitz im Rat der Europäischen Union ausgewählt. >
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Das Schlüsselkonzept des Raumprojekts ist Offenheit und Sichtbarmachung der Materialien – Ziegel, Stahl und Beton. Trotz knappem Budget entstand dieses authentische Design.
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»Wir haben nur eine ganz begrenzte Menge an neuen Dingen hinzugefügt. Der Kamin und die Schornsteine, für die wir Ziegel verwendeten, waren schon so ungewöhnlich und eindrucksvoll, dass wir beschlossen, uns an den vorhandenen baulichen Merkmalen zu orientieren.« Siiri Vallner, Kavakava
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UPGRADE FÜR EIN 4-STERNE-HOTEL
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er Architekt Pierre Monmarson (BM Architecture) wurde aufgrund seiner Kenntnisse im Bereich Planung von öffentlichen Bauten für dieses Projekt ausgewählt und sah sich einer dreifachen Herausforderung gegenüber: möglichst schnelle Fertigstellung zu minimalen Kosten und Aufstockung des Gebäudes, das ursprünglich nur drei Geschosse und ein geneigtes Schieferdach besaß. Die Kapazität des Hotels sollte unter Beibehaltung harmonischer Proportionen durch Aufstockung um 58 Zimmer erhöht werden. Deshalb veränderte der Architekt den Stil dieses Faubourg-Gebäudes und gab ihm ein „Haussmann-ähnlicheres“ Aussehen.1
1) Baron Georges-Eugène Haussmann (1809–1891) erstellte und dirigierte im Auftrag des Kaisers Napoléon III die in ihren Ausmaßen alles übertreffende Restrukturierung der französischen Hauptstadt. Die Gebäude im sog. „Haussmann-Stil“ waren mit fünf bis sieben Geschossen für mehrere Familien verschiedener Gesellschaftsschichten ausgelegt und ein Spiegelbild der aufkommenden bürgerlichen Gesellschaft. Die Mansardendächer mit Dachluken, welche Licht in die Zimmer des Dienstpersonals einfallen lassen, sind typisch.
DIE LATTE HÖHER LEGEN Der Ansatz sollte zum einen das bestehende Gebäude reflektieren, zum anderen aber auch eine Dynamik zwischen Geschichte und Innovation erzeugen. Zu diesem Zweck entwarf Pierre Monmarson eine Dachkuppel nach dem Beispiel der vielen Kuppeln aus der Kaiserzeit im Viertel und erzeugte ein interessantes Wechselspiel zwischen der vorstehenden Ecke des Eckgebäudes und dem sanft geschwungenen Dach. In Fortsetzung dieses Ansatzes städtebaulicher Integration ließ der Architekt gebogene Erkerfenster einbauen, die an die typischen traditionellen Erkerfenster in diesem Viertel
Ursprünglich hatte das Gebäude drei Geschosse und ein Schrägdach.
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© Fotos: Nicolas Waltefaugle
Das Eckhaus, in dem das XO Hotel untergebracht ist, mit dessen Renovierung und Aufstockung der Architekt Pierre Monmarson beauftragt wurde, befindet sich in Paris, Frankreich. Dem Architekten ist es gelungen, gleichzeitig etwas Neues zu schaffen und das typische Pariser Stadtbild von Haussmann-Fassaden, unterbrochen von einzelnen Art-déco-Gebäuden zu respektieren.
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Die Balkone und Brüstungen, die dem Gebäude einen Art-déco-Touch verleihen, sind dem Hotel-Logo, einem stilisierten Weinblatt, nach empfunden.
DATEN & FAKTEN Projektname XO Hotel, Paris, Frankreich Architekt BM Architecture, Pierre Monmarson Verwendete Produkte Koramic 301 weiß glasiert Jahr der Fertigstellung 2016
erinnern. Ein Sofa vor jedem Erkerfenster eröffnet den Hotelgästen einen atemberaubenden Blick über die Dächer von Paris. DIE RICHTIGEN DACHZIEGEL GEBEN DEN AUSSCHLAG Monmarson benötigte ein leichtes Material für die Erhöhung des Gebäudes – etwas Flexibles, das sowohl für die Ausführung der gebogenen Flächen geeignet war als auch stark genug für die Dachdeckung der Kuppel. Der weiß glasierte Flachziegel war genau das Richtige – leicht anpassbar an die hölzernen Dachlatten, wie eine Verkleidung, und klein genug zum Erzeugen der erforderlichen Kurven und Rundungen. Pierre Monmarson kombinierte den Perlglanzeffekt der weißen Ziegel mit der weißen Fassadenfarbe, um eine einheitliche Farbgebung des gesamten Gebäudes zu gewährleisten. „Ziel war es, einen offensichtlichen Bruch zwischen dem bestehenden Gebäude und der Aufstockung zu vermeiden.“ Es ist ein herausragendes Projekt und besonders eindrucksvoll, weil es die Pariser Dächerlandschaft in Übereinstimmung mit der Architektur dieses symbolträchtigen Stadtviertels durch eine Kombination aus Tradition, Art déco und Modernismus bereichert hat. >
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Das historische Arbeiterviertel Van der Pek im Norden von Amsterdam, Niederlande, geht auf das Jahr 1926 zurück. Im Rahmen der abschnittsweisen Sanierung wurden etwa 1.500 Häuser renoviert. Etwa 40 % der Häuser werden verkauft, um das Projekt zu finanzieren. Der Rest der Häuser steht weiterhin als Sozialwohnungen zur Verfügung, wie es die ursprüngliche Bestimmung des ganzen Viertels war. Schöne Optik durch neue Dächer aus Tondachziegeln. 03|2017
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DORFATMOSPHÄRE Der Amsterdamer Architekt Jan Ernst van der Pek hat fast alle Häuser in diesem Viertel entworfen und setzte dabei auf ein Stadtviertel mit echtem Dorfcharakter. Die Gebäude wurden im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. Danach wurden 14 davon, die noch renovierfähig waren, wieder aufgebaut. Alle anderen, die zu stark beschädigt waren, wurden abgerissen und durch Stadthäuser ersetzt, um der enormen Wohnungsknappheit Herr zu werden.
© Fotos: Hubaer Kusters
NEUER GLANZ FÜR AMSTERDAMS „GARTENDORF“
er Stadtteil Van der Pek ist eines der ersten sog. Gartendörfer in Amsterdam. Zweck dieses Viertels war es einst, den verarmten Arbeitervierteln im Zentrum der Stadt etwas anderes entgegenzusetzen. Damals konnten die Arbeiter noch in der Nähe von Industrieanlagen und Werften leben, ohne teure Transportkosten für Fähren zwischen der Innenstadt und dem Norden von Amsterdam aufbringen zu müssen.
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Alle Betondachsteine wurden durch keramische Dachziegel ersetzt.
PROJEKTGESCHICHTE Das Sanierungsprojekt lief 2015 an und soll noch bis 2019 fortgesetzt werden. Dann sollen nahezu alle Häuser wieder wie neu aussehen und weitere 50 Jahre halten. Außerdem werden sie die höchstmögliche Energieeffizienzklasse (A) in den Niederlanden haben. Eric Schaaphok, Projektentwickler der Housing Corporation Ymere: „Die ersten Pläne sahen einen Abriss und Neubauten im Retrostil vor. Nach einem Aufstand des Mieterbunds beschlossen wir, das gesamte Stadtviertel zu erhalten. Zusammen mit der Kommission für Raumqualität begannen wir mit einer sorgfältigen Renovierung: vom Fundament bis zur Gebäudehülle und vom Grundriss bis zum Komfort. WUNDERSCHÖNE TONDACHZIEGEL Die alten Betondachsteine wurden durch keramische Dachziegel ersetzt. Eric Schaaphok: „Wenn man viel Zeit und Geld für die Erhaltung eines Denkmals investiert, entscheidet man sich für einen Hingucker auf dem Dach: wunderschö-
ne Dachziegel.“ Was das Ziegelmauerwerk betrifft, war es viel zu kompliziert, da Hand anzulegen. Deshalb wurde es beibehalten – eine gute Reinigung war ausreichend. Wo es möglich war, wurden die alten gelben Ziegelbänder im Mauerwerk ebenso wie die Bogenfenster der Läden renoviert. Dank der traditionell sorgfältigen Renovierung ist das Stadtviertel Van der Pek wieder zu einem Ort mit Lebensqualität für seine Bewohner und alle Leuten geworden, die hier gerne zum Einkaufen herkommen. >
»Wenn man viel Zeit und Geld für die Erhaltung eines Denkmals investiert, entscheidet man sich für einen Hingucker auf dem Dach: wunderschöne Dachziegel.«
DATEN & FAKTEN Projektname Stadtviertel Van der Pek, Amsterdam, Niederlande Architekt Architectenbureau Hoogeveen BV, Amstelveen, Niederlande Bauherr Housing Corporation Ymere Verwendete Produkte Koramic Tuile du Nord 44 in Naturrot und Blau Jahr der Fertigstellung 2015 – 2019
Eric Schaaphok
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ZEITGEMÄSSE SANIERUNG EINES STUDENTENWOHNHEIMS Die gelungene Renovierung des Studentenwohnheims in Minden, Deutschland, zeigt, wie ein Gebäude nicht nur optisch ansprechender, sondern auch nachhaltiger und wirtschaftlicher gestaltet werden kann. Die keramische Fassadenlösung trägt zu diesem Erfolg maßgeblich bei.
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as Studentenwerk Bielefeld setzte mit der Sanierung des 1969 errichteten Mindener Studentenwohnheims ein hochwertiges und nachhaltiges Konzept um. Zugunsten zeitgemäßer Wohnqualität entwickelten die Planer neue Raumlösungen in vier verschiedenen Standards. Dazu gehörte auch die Umwandlung von 113 Einzelapartments in 55 größere Ein- und Zwei-Zimmer-Apartments. Zwei von 20 Erdgeschoss-Apartments sind jetzt rollstuhlgerecht und vier barrierefrei. MEHRWERT DURCH HINTERLÜFTETE VORHANGFASSADE Aufgrund der neuen größeren Fenster schlug das Bielefelder Architekturbüro Crayen + Bergedieck eine Fassade aus Keramikplatten vor. Die Elemente können mit einer Unterkonstruktion direkt auf der Hintermauer verankert werden, und die Möglichkeit einer systemoffenen Dämmung verringert zudem den Energieverbrauch im Gebäude. Durch die Hinterlüftung treten keine feuchtetechnischen Probleme auf. Zusätzlich zeichnet sich gebrannter Ton durch eine lange Lebensdauer aus. Er ist wartungsarm und
dadurch besonders wirtschaftlich, veralgt nicht und ist recyclingfähig. Dachkollektoren für die solarthermische Warmwasserbereitung und eine Heizungsanlage auf Erdgasbasis setzen effizient die Beheizung des Gebäudes um.
DATEN & FAKTEN
ATTRAKTIVES OUTFIT Angelehnt an die Nachbarbebauung kamen auf 1.400 m2 Fassadenfläche Keramikplatten zum Einsatz – in Lachs- und Naturrot sowie Rotbraun. Die Farben passen sich an die Umgebung an, geben dem Gebäude gleichzeitig aber auch einen individuellen Charakter.
Verwendete Produkte Argeton in Lachs- und Naturrot sowie Rotbraun
Projektname Studentenwohnheim, Minden, Deutschland Architekt Crayen + Bergedieck
Jahr der Fertigstellung 2015
WOHNSICHERHEIT DURCH BRANDSCHUTZKLASSE A1 Vorgabe für die Sanierung war die Umsetzung eines Brandschutzkonzeptes, dessen Auflagen mit der geplanten keramischen Vorhangfassade problemlos zu erfüllen waren (Brandschutzklasse A1, nicht brennbar). Wer einen der begehrten Studentenwohnheimplätze bekommt, freut sich über eine zeitgemäße, energieeffiziente und sichere Wohnsituation in Hochschulnähe. >
Ein unregelmäßiger Wechsel der farbigen Tonplatten sorgt für opti sche Spannung an der Fassade.
© Fotos: Jens Krüger
Halbrunde und farblich abgestimmte Aluminiumprofile sorgen an den Gebäudeecken für einen homogenen und technisch sauberen Abschluss. Die Profile werden von Argeton in vier verschiedenen Varianten angeboten: offen, halbrund, geschlossen und Y-förmig.
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Mit seiner tausendjährigen Geschichte ist die Prager Burg Teil des denkmalgeschützten Stadtgebiets. Sie wurde um 880 n. Chr. von Fürst Bořivoj I. des böhmischen Herrscher geschlechts der Přemysliden gegründet.
NEUE, TRADITIONELLE DACHZIEGEL FÜR DIE PRAGER BURG
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ie Dächer der Prager Burg sind mit klassischen Tondachziegeln im Mörtelbett oder mit historischen rechteckigen Schieferplatten gedeckt. In den letzten Jahren wurde eine Rekons truktion der Dacheindeckung bei einer Reihe von Gebäuden erforderlich. Die Sanierung wurde hauptsächlich in einigen Bereichen des West-, Mittel- und Nordflügels des sog. Neuen Palasts, beim Alten Königspalast und bei der Schmiede im Lumbe-Garten durchgeführt. DACH MIT HISTORISCHER PATINA Ein wichtiger Teil des Burgkomplexes, der bereits erwähnte mittlere Flügel des Neuen Palasts, wurde komplett renoviert. Der östliche Dachbereich mit einer Fläche von rund 1.440 m2 wurde mit engobierten keramischen Dachziegeln in Antik-Finish gedeckt. Der naturfarbene Patinierungseffekt der Dachziegel gibt dem Dach ein historisches Aussehen und wurde durch teilweises Engobieren erreicht, bei dem eine gefärbte Glasmischung vor dem Brennen auf die Ziegel aufgebracht
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DATEN & FAKTEN Projektname Prager Burg, Prag, Tschechische Republik Architekt Petr Chotěbor, Amt für Denkmalschutz Verwendete Produkte Tondachziegel Prejz, Antik, engobiert Jahr der Fertigstellung 2015
wurde. Ein Spezialmörtel ohne Zementgehalt wurde verwendet. Die Art der Verlegung ist in der tschechischen Dachdeckerzunft seit Jahrzehnten gleich geblieben und garantiert, dass die Eindeckung den ursprünglichen Charakter im historischen Stil behält. Drei Gruppen von Dachdeckern, Zimmerleuten und Spenglern wechselten sich 40 Tage lang bei den Arbeiten auf dem Dach ab. Während der Rekonstruktion wurden insgesamt 189 Paletten Tondachziegel und 22 Paletten Mörtel verwendet. PROFESSIONELLE EINSCHÄTZUNG Sämtliche bei der Rekonstruktion der Dächer der Prager Burg eingesetzten Materialien und technologischen Verfahren wurden im Vorfeld mit dem Amt für Denkmalschutz des Büros des Präsidenten der Tschechischen Republik besprochen und abgestimmt. Aufgabe dieses Amts ist es, darauf zu achten, dass die Richtlinien der Staatsverwaltung in Bezug auf Erhaltung des Kulturerbes der Prager Burg als nationales Kulturdenkmal eingehalten werden. >
© Fotos: Jakub Sobotka, Motyl Media s.r.o.m, shutterstock.com – Oleg Totskyi
Die Prager Burg ist ein herausragendes historisches Denkmal der Tschechischen Republik und auch das markanteste Wahrzeichen der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden historischen Altstadt von Prag. Für die Renovierung des Dachs werden daher höchste Ansprüche an die Qualität der Tondachziegel gestellt.
HISTORISCHE RENOVIERUNG 31
Die Burg mit ihren Tondachziegel-Dächern ist ein Symbol des tschechischen Staates und eine der bedeutendsten Kulturstätten.
»Meiner Ansicht nach war die Rekonstruktion der Dächer erfolgreich – die Qualität aller verwendeten Arten von Dacheindeckungen und ihre tadellose Funktionalität sind eine Selbstverständlichkeit. Es ist äußerst wichtig für das Gesamtbild von historischen Gebäuden, dass die Form und die Art der Dacheindeckung sowie ihre Farbe beibehalten werden.« Architekt Petr Chotěbor vom Amt für Denkmalschutz
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Die traditionellen roten und schwarzen Tondachziegel geben dem 900 m2 großen Dach einen authentischen Look.
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© Fotos: Grégory Tachet
32 HISTORISCHE RENOVIERUNG
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RÜCKKEHR ZUM URSPRÜNGLICHEN STIL MIT VIEL LIEBE FÜRS DETAIL Eingebettet in die Hügel und Weinberge der Elsässischen Weinstraße (Route des Vins d‘Alsace) liegt der historische und wunderbar erhaltene Ort Andlau. Viele der roten und schwarzen Dächer werden von Kirchtürmen überragt und die Fassaden der Fachwerkhäuser wurden aus dem Sandstein der Vogesen gefertigt. Für die Renovierung der Kapelle brauchte man Tonziegel, die diese Tradition respektierten.
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ie Größe der Kapelle Saint-André in Andlau ist ungewöhnlich. Da es im selben Ort auch eine Abtei gibt, wurde das Gebäude zwar als Kapelle eingestuft, doch es ist so groß wie eine Kirche, mit einem fast 900 m2 großen Dach, das dringend renoviert werden musste. Obwohl das Originalgebäude auf die Zeit der Karolinger im Mittelalter zurückgeht, wurde die Kapelle mehrmals erweitert und renoviert. Heute hält ihr achteckiger Turm Wache über einen alten Friedhof am Rande der Weinberge. EINE KOMBINATION AUS INNOVATION UND TRADITION Das historische Gebäude war der perfekte Einsatzort für hochwertige traditionelle Tondachziegel. Zwei
Versionen der Dachziegel in natürlichen Farben wurden ausgewählt (mit Bogenkanten und abgerundeten Kanten), um einen perfekten Sitz zu garantieren. Die Herstellung ist komplex, da diese Ziegel langsam, über einen Zeitraum von fünf Tagen in einem Brennofen bei hoher Temperatur gebrannt werden, um unter Beachtung der Größe und Dicke der traditionellen Dachziegel ihre Flexibilität sicherzustellen. Das Formen und Zuschneiden aller Sonderteile wird durchweg von Hand ausgeführt. Der erfahrene Dachdecker Aimé Fluck und der Bürgermeister von Andlau haben die Farben Noir de Vigne (Weinstock-Schwarz) und Rouge de Mars (Mars-Rot) ausgewählt, denn das sind Farben, die in der Gegend häufig vorkommen.
DATEN & FAKTEN Projektname Kapelle Saint-André, Andlau, Frankreich Architekt Aimé Fluck (Dachdecker) Bauherr Gemeinde Andlau Verwendete Produkte Aléonard Alsace Noir de Vigne und Rouge de Mars Jahr der Fertigstellung 2015
FACHWISSEN Ganz besonders wurde auf die Kombination der Dachziegel geachtet, die auf dem Dach verlegt wurden: Es wurden immer nur 3 m² auf einmal eingedeckt, um das richtige Verhältnis von roten und schwarzen Ziegeln mit Bogenkanten und abgerundeten Kanten zu finden. Ziel war es, „die kleinen Unregelmäßigkeiten zu reproduzieren, die auf alten Dächern mit ihren verschwommenen Linien zu sehen sind“. Rot und Schwarz wurden abwechselnd verwendet, um „das verwitterte Aussehen eines alten roten Daches mit schwarzen Sprenkeln zu erzeugen, das normalerweise ein Zeichen für den natürlichen Alterungsprozess von Terrakotta-Ziegeln ist“. Bei der Renovierung der Kapelle war es besonders wichtig, die Authentizität des Gebäudes zu erhalten. Das wurde durch Beibehaltung des alt aussehenden Erscheinungsbildes erzielt, das historische Gebäude und das regionale Kulturerbe kennzeichnet. >
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SANIERUNG EINES NEUGOTISCHEN DACHS Mehr als hundert Jahre lang ist die Schutzengelkirche nun schon das wichtigste katholische Gotteshaus in Wałbrzych (Polen) und für Touristen eine wichtige Sehenswürdigkeit auf der Karte. Für die Sanierung des neugotischen Daches war es nötig, eine seltene Dachdeckertechnik mit sauber geschnittenen Falzziegeln anzuwenden, die die Dachoberfläche außergewöhnlich glatt erscheinen lässt.
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ls die Pfarrkirche der heiligen Schutzengel in den Jahren 1899 bis 1904 in Wałbrzych errichtet wurde, hätte niemand gedacht, dass sie mehr als ein Jahrhundert später immer noch die wichtigste katholische Kultstätte in der Stadt sein würde. Verantwortlich für dieses Projekt war damals der Architekt Alexis Langer, ein Vertreter des neugotischen Stils. Die Backsteinkirche mit ihrem Netzrippengewölbe hat den Grundriss eines lateinischen Kreuzes und wird von polygonalen Säulen gestützt.
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Das Kirchendach zeichnet sich jetzt durch ein wunderschönes, authentisches neugotisches Dachmuster aus.
DATEN & FAKTEN Projektname Schutzengelkirche, Wałbrzych, Polen Architekt Alexis Langer Dachdecker Alpex Sp. z o. O Verwendete Produkte Koramic Biberschwanzziegel, gotische Form, rot & anthrazit, engobiert Jahr der Fertigstellung 2017
© Fotos: Piotr Krajewski
Bei dem historischen Dach der Kirche handelt es sich um ein Satteldach mit einem integrierten Turm über dem Haupteingang. BESONDERES DACHDESIGN Mit der Renovierung des Kirchendachs wurde 2016 begonnen. Der Plan war, Dachziegel in zwei Farben zu benutzen, auf der Dachfläche ein Muster zu erzeugen und eine ungewöhnliche Bautechnik von Dachkehlen anzuwenden. Die Wahl fiel auf Tondachziegel, engobiert in Anthrazit und Rot, wegen ihrer unbestreitbaren Ähnlichkeit mit den Originalmaterialien, aber auch wegen ihrer hohen Qualität und Haltbarkeit. Bevor das Muster von dem Restaurator genehmigt wurde, erstellte der mit der Sanierung beauftragte Bauunternehmer ein Modell des Dachs und präsentierte verschiedene Alternativen des Dachlayouts.
GROSSES HANDWERKLICHES KÖNNEN WAR GEFRAGT Jerzy Lisowski, Präsident der Alpex Sp. z o. o., dem Bauunternehmen, das die Sanierung des historischen Dachs vorgenommen hat, kommentiert: „Während der Renovierung des Dachs der Schutzengelkirche sahen wir uns mit drei Herausforderungen konfrontiert: einem sehr steil abfallenden Dach, dem Erstellen eines zweifarbigen Musters mit Biberschwanzziegeln auf den 24 Dachschrägen sowie dem Bau von luftdichten Dachkehlen zwischen den Schrägen. Das Muster wurde extrem präzise ausgeführt und die Spezialplatten sorgten dafür, dass die Dachziegel sich exakt in die Dachkehle einpassten. Das ist eine schwierige und zeitaufwendige Lösung, die in Polen nur selten angewandt wird und nur von wenigen Dachdeckern ausgeführt werden kann. Das Aussehen dieser Art von Kehle passt perfekt zum neugotischen Stil des Gebäudes.“ >
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36 HISTORISCHE RENOVIERUNG
HISTORISCHE INTEGRITÄT DURCH HANDGEMACHTE TONDACHZIEGEL Das alte Pfarrhaus (Old Vicarage) im englischen Suffolk wurde nach jahrelangem Verfall aus seinem Dornröschenschlaf erweckt und mit viel Sorgfalt von seinem Besitzer Tim Pitt renoviert, der auch ein erfahrener Renovator ist. Die traditionellen handgemachten Tondachziegel passen perfekt zu dem historischen Bauwerk und der Umgebung.
Projektname Old Vicarage, Suffolk, Vereinigtes Königreich Architekt Tim Pitt (Besitzer) Verwendete Produkte Keymer Traditional Elizabethan und Antique Jahr der Fertigstellung 2016
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iel der Renovierung dieses denkmalgeschützten Gebäudes in Suffolk war es, ein komfortables und gut isoliertes Heim für die Familie des Besitzers zu schaffen. Vor diesem Projekt hatte Tim Pitt schon viel Erfahrung bei Arbeiten an preisgekrönten denkmalgeschützten Bauwerken gesammelt. Tim legte besonderen Wert auf eine stilechte Dacheindeckung, die dem kulturellen Erbe, der Tradition und der Gegend angemessen sein sollte. EIN GEBÄUDE AUS DER TUDOR-ZEIT Das Gebäude war von seinen vorhergehenden Besitzern nicht übermäßig modernisiert worden. Es brauchte daher viel Sorgfalt und Mühe, um es wieder im alten Glanz erstrahlen zu lassen. Seit der Tudor-Zeit war es in drei Stufen umgebaut und erweitert worden, u. a. durch einen ziemlich großen Anbau im georgianischen Stil. Das Äußere des Hauses wurde komplett renoviert,
da der Putz und das Dach in einem sehr schlechten Zustand waren. Die Fassade wurde in mühevoller Kleinarbeit wiederhergestellt. Dabei wurde der frühere Kalk-Rosshaar-Putz durch eine Oberflächenbehandlung mit Kalkschlämme ersetzt. Das Dach wurde mit handgemachten Tondachziegeln neu eingedeckt. OPTIMALE LÖSUNG Da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, war es von entscheidender Bedeutung, passende Dachziegel zu finden, die seinem Charakter und Status entsprachen. Eine 50/50-Mischung von zwei verschiedenfarbigen Dachziegeln kam den ursprünglichen Flachkrempern am nächsten, die man auf einem Haus aus dieser Zeit und in dieser Gegend erwarten würde. Vom Besitzer werden sie als deutliche Verbesserung gegenüber den maschinell hergestellten Ziegeln angesehen, die vorher vom Dach gefallen waren.
© Fotos: SG Photography Ltd
DATEN & FAKTEN
HISTORISCHE RENOVIERUNG 37
Das stilvoll renovierte Dach ergänzt das Gebäude sehr schön und wird von der lokalen Bevölkerung hochgeschätzt und bewundert.
ZUSÄTZLICHE DÄMMUNG Außerdem baute Tim so viel Dämmmaterial wie möglich in die Zwischenräume zwischen den Balken ein und brachte eine diffusionsoffene Fassadendämmbahn unter dem Putz an. Dasselbe Wärmeschutzniveau wurde auch auf dem Dach durch Dämmung unter den Tondachziegeln wiederholt, um Energiekosten einzusparen. EINE GUTE INVESTITION Tim und seine Familie leben jetzt in einem beeindruckenden Haus, das komfortabel und energieeffizient ist – mit gleichbleibender Temperatur sommers wie winters. Und die Qualität und hohe Lebensdauer der für die Renovierung verwendeten Dachziegel sorgen dafür, dass das Dach wohl noch viele Jahrzehnte schön und wasserdicht bleibt. >
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Dieses denkmalgeschützte Gebäude aus den 50er-Jahren wurde mit großer Sorgfalt renoviert und umgebaut und bietet jetzt Raum für Büros, eine Gemeinschaftsküche und sechs Wohnungen.
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© Fotos: Wienerberger CH
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ÄUSSERLICH UNVERÄNDERT TROTZ NEUER NUTZUNG Dem denkmalgeschützten Rothen Stall in Teufen, Schweiz, wurde von den neuen Eigentümern neues Leben eingehaucht. Das streng symmetrische Gebäude mit Remise und Stall wurde komplett umgebaut. Nun befinden sich Wohneinheiten und Büroräume unter dem renovierten Tondach.
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as Gebäude wurde im Jahr 1833 im Auftrag von Daniel Roth, Textilkaufmann und Landwirt, erbaut. Es bestand aus einem Wohnteil und einem Stall mit Remise. Bis in die 1950er-Jahre wurde im Rothen Stall noch Landwirtschaft betrieben. Danach stand der Stall-Teil bis zum Umbau 2016 leer. GESCHICHTSTRÄCHTIG Der Rothen Stall ist ein einmaliges klassizistisches Stallgebäude, bei dessen Bau Konstruktionsprinzipien aus dem Holzbrückenbau angewendet wurden. Er ist Teil des Teufner Kulturpfades und steht unter Denkmalschutz.
DATEN & FAKTEN Projektname Rothen Stall, Teufen, Schweiz Architekt ateBO AG Verwendete Produkte Casta Handstrich, Rundschnitt, naturrot Jahr der Fertigstellung 2016
URSPRÜNGLICHES AUSSEHEN Den neuen Eigentümern war es wichtig, dass die klassizistische Architektur, insbesondere die Brückenkonstruktion des Dachstuhls sowie weitere Eigenheiten der damaligen Architektur, wieder voll zur Geltung kommen. Auch die befahrbare Scheune sollte in ihrer Funktion erhalten bleiben. Beim Umbau blieb das Aussehen des prägenden 400 m2 großen Dachs unverändert. Auch das verwendete Material blieb gleich: gebrannter Ton. Beim Ersatz der alten Ziegel entschied man sich bewusst gegen behandelte Modelle mit künstlich erzeugten Verwitterungsspuren. Die Wahl fiel stattdessen auf naturrote traditionelle Ziegel, die erst in den kommenden Jahren auf natürliche Weise die gewünschte Patina von selbst entwickeln werden. TRADITIONELLE EINFACHDECKUNG MIT MODERNER UNTERKONSTRUKTION Eine weitere Vorgabe betraf die Art der Eindeckung, bei der die ursprüngliche, heute seltene Einfachdeckung verlangt wurde. Für den dazu nötigen Dachaufbau wurde ein erprobtes System aus Dampfbremse, PU-Steildachdämmung und Unterdachbahn verwendet. Trotz des großen Altersunterschieds harmoniert das moderne System bestens mit dem traditionellen Ziegeldach. Dank der erfolgreichen Renovierung erstrahlt der Rothen Stall in neuem Glanz und bietet gleichzeitig Raum für eine neue, zeitgemäße Nutzung mit sechs Wohneinheiten, Büroräumen und einer Gemeinschaftsküche, die allen Mietern zur Verfügung steht. >
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www.architectum.com