AP 2024: Hearings 3: Solidarität vs Cancel-Culture

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DE Dienstag und Mittwoch sind Anhörungstage. In einer Reihe von Hearings entwickeln wir gemeinsam die Regeln für das Festival der Zukunft. Wer trifft die Entscheidungen? Woher kommen und wohin gehen die Projektgelder? Wer wird eingeladen, wer nicht – und warum? Wer ist Produzent, wer Publikum? Boykotte –ja oder nein? Und wie geht ein global agierendes Festival mit Nachhaltigkeit zusammen? Expert:innen, Künstler:innen und Aktivist:innen geben Einblick in ihre Praxis und prüfen mögliche Alternativen. Der Rat der Republik verfolgt und diskutiert die Hearings und entwirft über fünf Wochen hinweg eine eigene Verfassung, die als Wiener Erklärung am Ende des Festivals der Öffentlichkeit präsentiert wird.

EN Tuesdays and Wednesdays are hearing days – a series in which we will develop the rules for the festival of the future together. Who takes decisions? Where does project funding come from and where does it go? Who is invited and who isn’t –and why? Who is the producer, who is the audience? Boycotts – yes or no? And: how does a globally active festival agree with sustainability? Experts, artists and activists provide an insight into their practices and examine potential alternatives. Over the duration of five weeks, the Council of the Republic will attend and discuss the hearings and design the Festwochen’s own constitution, which will be presented to the audience at the end of the festival as the Vienna Declaration.

The English version of the evening programme can be found here! festwochen.at/en/ hearings-woche-3-solidaritaet-versus-cancel-culture

Leila Offinassinga, 18 Jahre, Schülerin

28. / 29. Mai, 4. / 5. / 11. / 12. / 18. / 19. Juni, 18 Uhr

Haus der Republik

produziert und durchgeführt vom Team der Wiener Festwochen | Freie Republik Wien

Verpflichtet sich die Freie Republik Wien einem nach außen hin transparenten Verhaltenskodex, der die Vermeidung von Diskriminierung jeglicher Art sicherstellt? Werden Diversitäts-Quoten bei Einstellung von neuen Mitarbeiter:innen eingeführt? Wer bekommt in Zukunft eine Bühne? Welchen politischen und moralischen Grundsätzen verpflichtet sich das Festival und entscheidet in Zukunft ein Untersuchungsausschuss aus Wiener Büger:innen über den Ausschluss von Künstler:innen?

Vorsitzende Ratsmitglieder

Noomi Anyanwu, Dunia Khalil & Alexander Martos

Die Bühnen des Theaters und der Festivals sind Orte, an denen die Gesellschaft sich selbst beobach- tet. Das kann den Raum des Ästhetischen zu etwas sehr Politischem machen. Dieser politische Anspruch zieht sich als roter Faden – fast schon als ein Fetisch – durch die Geschichte der modernen Kunst. Heute stellen sich den Wiener Festwochen | Freie Republik Wien aber noch weitere, knifflige Fragen im Zusammenhang von Politik, Moral und Kommunikation: Braucht ein Festival, wie heute vielfach gefordert, generelle „Haltungen“ und „Werte“, mit denen es durch die aufgeladenen Konfliktlinien der Gegenwart und die Knautschzonen der künstlerischen Zusammenarbeit steuern kann? Wie können wichtige Werte von einer grassierenden Scheinmoral unterschieden werden, die den demokratischen Diskurs zu beeinträchtigen droht? Muss ein Festival überhaupt weltanschaulich oder geopolitisch Stellung beziehen oder zielt die Freiheit der Kunst nicht darauf ab, radikal andere Vorstellungen des Zusammenlebens herbeizufantasieren? Und wie können die Wiener Festwochen ihre Kunst und ihre Künstler:innen schützen vor zunehmend hefti- gen Attacken, die wahlweise aus den Untiefen der sozialen Medien oder den Scharmützeln der Tagespolitik an sie herangetragen werden?

Hearing 3 nähert sich diesen spannungsgeladenen Problemfeldern von zwei Ansatzpunkten:

TAG 1 – DIENSTAG, 4. JUNI

Wie lässt sich innerhalb des Festivals mit „false actions“, also mit unerwünschten Verhaltensweisen wie Diskriminierung, Sexismus, Mobbing etc. in jenen Zonen umgehen, die das Strafrecht nicht regelt? Außerdem: Kann es klare und praktische Umgangsweisen geben, wie mit den Verletzungen, Rufschädigungen, Einmischungsversuchen und Polemiken rund um die viel beschworene „Cancel Culture“ vernünftig umgegangen werden kann?

TAG 2 – MITTWOCH, 5. JUNI

Wie kann „true change“, also echte Veränderung von einem Kunstfestival ausgehen? Braucht es dazu neue, direktere Formen künstlerischer Solidarität oder gilt es im Gegenteil zunächst ernst zu nehmen, dass wahre Veränderung immer zuerst bei sich selbst beginnt?

Noomi Anyanwu ist Aktivistin und Vorsitzende von Black Voices Austria. Sie hat ihren Bachelor in Afrikawissenschaften abgeschlossen und studiert Human Rights and Diplomacy im Master an der Universität in Stirling, Schottland. Bereits seit ihrem 15. Lebensjahr ist sie politisch aktiv in Form von Workshops, österreichweiten Kampagnen in Jugendorganisationen, ihrer Schulzeitung oder aktuell ihrem Online Aktivismus als @thisisnoomi. Außerdem tritt sie als Trainerin und Beraterin zum Thema Anti-Rassismus für Organisationen oder in der Erwachsenenbildung auf. Ihre letzte Publikation als Autorin und Herausgeberin war mit dem Rassismus-Ratgeber „War das jetzt rassistisch?“ ein großer Erfolg.

Dunia Khalil ist eine langjährige juristische Beraterin im Bereich Antirassismus sowie Hass im Netz und hält als ausgebildete Antirassismus-Trainerin Workshops und Schulungen zu einer Vielzahl von Themen im Zusammenhang mit Antidiskriminierung. Sie ist außerdem als Expertin in nationalen und internationalen Netzwerken, Arbeitsgruppen und Organisationen zum Thema Grund- und Menschenrechte aktiv.

Alexander Martos arbeitet als freier Kurator in Wien und realisiert eine Vielzahl von Projekten im Spannungsfeld von Wissenschaft, Bildung und Öffentlichkeit sowie Wissenschaft und Kunst. Seit 2006 leitet er die von ihm und Karin Harrasser gegründete Forschungs-, Bildungs- und Kulturplattform Science Communications Research. Studium der Philosophie, Zeitgeschichte und Kulturwissenschaft an der Universität Wien.

Muhammet Ali Baş ist Kurator und Vermittler für Stadtprojekte bei der Tangente St. Pölten.

Birgit Englert ist Assoziierte Professorin für afrikanische Geschichte und Gesellschaften am Institut für Afrikawissenschaften der Universität Wien und seit 2023 habilitiert. In den letzten 25 Jahren zahlreiche Publikationen zu den Themenfeldern Landrechte, populärkulturelle Praktiken, Mobilitäten und qualitative Forschungsmethoden, insbesondere zu Ostafrika und diasporischen Kontexten. Unter anderem Mitbegründerin der „Stichproben. Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien“ (seit 2001) sowie der „Rassismuskritischen AG am Institut für Afrikawissenschaften“ (seit 2021). Aktuelle Forschungen und Lehre zu Solidaritätspraktiken, insbesondere mit Fokus auf den Kampf gegen die Apartheid in Südafrika sowie die gegenseitige Bezugnahme zwischen afrikanischen und palästinensischen Akteur:innen. Weiters mehrjährige Auseinandersetzung mit der Debatte um Erinnerungskulturen im deutschsprachigen Raum und praktische Erfahrung mit Cancel-Culture im universitären Kontext.“

Arne Forke ist Referent für Theater, Musik und Literatur im Büro der Kulturstadträtin Wiens.

Günther Friesinger ist Medienkünstler, Autor, Kurator und Filmproduzent. Er ist Geschäftsführer des Künstler:innen Kollektives monochrom, Gründer und Leiter von paraflows – Plattform für Digitale Kunst und Kultur in Wien und Festivalleiter der Roboexotica. Aktuelle Filme: Hacking at Leaves (2024), aktuelle Publikationen: Kleine Weltentwürfe. Texte zur Medien-, Kunst-, und Kulturtheorie (2024), Protestformen. Widerstand als kulturelle Praxis (2023). Tag-Cloud: Zeitgenössische Kunst, Digitale

Kultur, Aktivismus, Performance, Medientheorie, Science Fiction, Open Culture, Urban Hacking.

Andrea Lumplecker arbeitet an den Schnittstellen einer künstlerischen, kuratorischen und vermittelnden Praxis. Mit Yasmina Haddad ist sie Teil des Kollektivs und Offspace SCHOOL, den die beiden seit 2011 in Wien zusammen betreiben.

Seit 2021 leitet Andrea das Weiterbildungsprogramm der Universität für angewandte Kunst Wien, dem sie den Namen Klasse für Alle gegeben hat mit dem Ziel, den Zugang zur Kunstuniversität für ein diverses Publikum zu öffnen. Intersektionalität steht im Mittelpunkt, und so verbinden sich (queer)feministische Theorie, antikoloniales Handeln und ökologische Intervention über Denken, Begehren, Kinship und Empathie zu einer kollektiven künstlerischen Praxis.

Andreas Mailath-Pokorny ist seit 2018 Rektor der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. In den Jahren 1988 bis 1997 war er Büroleiter im Kabinett von Bundeskanzler Vranitzky, von 1997 bis 2001 Sektionschef für Kunst im Bundeskanzleramt. Von 2001 bis 2018 war Andreas Mailath-Pokorny Stadtrat für Kultur und Wissenschaft in Wien. Seit 2010 ist er außerdem Präsident des Bundes sozialdemokratischer Akademiker:innen, Intellektueller und Künstler:innen.

Nada Taha Ali Mohamed ist Juristin und war jahrelang in einigen Organisationen/Vereinen als Geschäftsführerin tätig. Derzeit leite sie die Koordinationsstelle der Wiener Kinder- und Jugendstrategie der Stadt Wien (bei WIENXTRA) und organisiert zu dem Zweck Beteiligungsprojekte für junge Menschen zwischen 5 und 20 Jahren in Wien.

Vera Rosner (vormals Rebl) geboren in Wien, beschäftigt sich Tanz, Choreografie, Performance sowie interdisziplinären Konzepten und lebt in Wien. Sie leitet seit 2006 wöchentlich eine offene Workshop-Gruppe, seit 2011 eine fortgeschrittene Trainingsgruppe und unterrichtet unterschiedliche Workshop-Formate u. a. in Wien, Graz, Innsbruck, Bremen, bei GAIAC in Porto, bei DanceAbility Finnland, AbArt in München und an der Universität in Bologna. Von 2005 bis 2009 tanzte sie bei Danse Brute. 2008 gründete sie die Compagnie A.D.A.M., mit der sie die Performances 6 tanzen, Auf freiem Fuß, dancing with paints (Kooperation mit L.A.C.E. Theatre, Los Angeles), (Ruderal-)Flora und Fuss-Noten gestaltete. Als Performerin war sie zuletzt in Gala von Jerôme Bel auf der Bühne zu sehen sowie in Habitat und Everybody Electric von Doris Uhlich.

Heinz Sichrovsky ist Kulturjournalist. Er studierte Germanistik und brach das Studium im Dissertationsstadium ab, um Kulturkritiker zu werden. Seitdem arbeitete er bei der Arbeiter-Zeitung, bei NEWS, der Kronen Zeitung sowie für den ORF, schreibt kulturhistorische Sachbücher und ist außerdem Moderator des Buchmagazins erLesen auf ORF 3. Heinz Sichrovsky ist verheiratet, ist Vater von zwei Töchtern und lebt in Wien.

Nina Vobruba, geboren 1985, arbeitet als Kulturarbeiterin und Künstlerin. Im FLUCC ist sie im Bereich der Community-Projekte, Organisationsentwicklung und Kunstproduktion tätig und auch im laufenden Prozess des Strukturaufbaus für

Awareness, Diskriminierungssensibiltät und Gewaltprävention involviert. Als Künstler:in bewegt sie sich im Bereich Performance und bildender Kunst, verwebt interdisziplinäre Prozesse und kollektive Praxen. Ihre Arbeiten waren unter anderem im Kunsthaus Graz, der Neuen Galerie Graz und in der Kunsthalle Wien ausgestellt. Sie war an der Gründung des Gemeinschaftsprojekts CAMBIUM beteiligt, welches ein ehemaliges Kasernengelände in selbstverwalteten Wohn- und Arbeitsraum umwandelte und 2019 von den rund 70 Bewohner:innen und etwa 250 Anleger:innen freigekauft wurde. Sie lebt mit ihrem Sohn in Wien und ist punktuell in aktivistischen Kontexten tätig.

Dusty Whistles ist eine Transfrau, die als weiß gelesen wird und in einer Gesellschaft, in der Corponormativity und Weißsein strukturell bevorzugt werden, als körperlich unbeeinträchtigt gilt. Sie stammt aus einer portugiesischen Einwanderer:innenfamilie von Kunsthandwerker:innen und gewerkschaftlich organisierten Dienstleistungsarbeiter:innen. Sie wurde im kolonial besetzten Matinecock-Territorium auf der Insel Paumanok, die New York heißt, geboren. Derzeit lebt und arbeitet sie in Wien. Ihre Praxis ist geprägt von 24 Jahren aktivistischer Arbeit und steht in der Tradition der Social Practice Art. Ihre Arbeit umfasst performative Strategien, archivarische Disziplinen, Methoden der Pflege und insbesondere den Austausch mit einer intersektionalen Bewegungspraxis.

IMPRESSUM Eigentümer, Herausgeber und Verleger Wiener Festwochen GesmbH, Lehárgasse 11/1/6, 1060 Wien T + 43 1 589 22 0 festwochen@festwochen.at | www.festwochen.at Geschäftsführung Milo Rau, Artemis Vakianis Künstlerische Leitung (für den Inhalt verantwortlich) Milo Rau (Intendant) Textnachweis Beitrag der Ausschussvorsitzenden Noomi Anyanwu, Dunia Khalil, Alexander Martos Bildnachweis Cover © Alevtina Kakhidze Herstellung Print Alliance HAV Produktions GmbH (Bad Vöslau)

Die Cover-Illustration gestaltete die multidisziplinäre ukrainische Künstlerin Alevtina Kakhidze, die sich in ihren Arbeiten kritisch mit gesellschaftspolitischen Veränderungen und Themen wie Konsumverhalten, Ökologie, Feminismus und dem Leben in Konfliktgebieten auseinandersetzt.

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