AP 2024 KRAUS LECTURES 1: DIE UNÜBERWINDLICHEN

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DIE ERSTE KRAUS LECTURE IN KÜRZE

Legendär sind Karl Kraus’ Kämpfe gegen den Medienmagnaten Imre Békessy, den Wiener Polizeipräsidenten Johann Schober und den Bankier Camillo Castiglioni. 1927/28 zerlegte er seine Lieblingsfeinde im Drama Die Unüberwindlichen. Wie heißt es da in einer Szene: „Ich arbeite an einem sehr wichtigen Artikel, der nicht erscheinen soll. Und zwar schon morgen.“

Fast 100 Jahre später lassen Enthüllungen über das Verhältnis österreichischer Boulevardmedieneigentümer zur Politik verblüffende Parallelen zu den einst von Kraus thematisierten Zuständen erkennen. In einer szenischen Lesung mit Texten von Kraus, Békessy, Wolfgang Fellner, Eva Dichand und Thomas Schmid zeigen Florian Scheuba und Cornelius Obonya, unterstützt vom Medienwatchblog Kobuk, wie brisant und punktgenau die Kraus’sche Kritik an Käuflichkeit und Machtmissbrauch im Journalismus heute noch ist.

26.Mai, 11 Uhr

Odeon

Konzept, Dramaturgie Claus Philipp Mit Cornelius Obonya, Florian Scheuba durchgeführt vom Team Wiener Festwochen | Freie Republik Wien

In Kooperation mit Wien Bibliothek im Rathaus

150. GEBURTSTAG VON KARL KRAUS IN FÜNF „VORLESUNGEN“

„Nichts trostloser als seine Adepten, nichts gottverlassener als seine Gegner“, schrieb Walter Benjamin über den 1874 geborenen, oft zitierten, gleichzeitig viel zu wenig gelesenen Sprach­ und Kulturkritiker, Satiriker und begnadeten Performer Karl Kraus. In der Freien Republik Wien gestalten verschiedene Künstler:innen und Intellektuelle eine Reihe von „Vorlesungen“, wie sie Kraus selbst zwischen 1910 und 1936 mit großem Erfolg u. a. im Wiener Konzerthaus, in Arbeiterheimen und Theatern gehalten hat. An fünf Wochenenden wird Kraus weniger nachgebetet, als vielmehr sein „Theater der Dichtung“ entstaubt: Sprachanalysen und Textsprengungen, die er als Herausgeber der Fackel in Die letzten Tage der Menschheit, der Dritten Walpurgisnacht und hunderten Prozessen gegen korrupte Politiker und Medienmacher vorexerzierte, werden neu interpretiert.

2. / 9. / 16. / 23. Juni, 11 Uhr

Odeon

Lecture am 23. Juni im Haus der Republik

Deutsch

60 bis 90 Min.

Konzept, Dramaturgie Claus Philipp

Kraus-Lesung II Petra Slottova, Samouil Stoyanov

Kraus-Lesung III Boris Eder, Sir Henry

Kraus-Lesung IV Clemens J.Setz, Robert Stadlober, Barbara Zeman und Onkel Gusta Kraus-Lesung V Thea Ehre, Nick Romeo Reimann, Olivia Axel Scheucher durchgeführt vom Team Wiener Festwochen | Freie Republik Wien

In Kooperation mit Wien Bibliothek im Rathaus

ZUR REIHE: KRAUS LECTURES – EINE HOMMAGE ZUM
Ein einzelner Mensch kann einer Zeit nicht helfen oder sie retten, er kann nur ausdrücken, daß sie untergeht.
– Søren Kierkegaard

Vor einer Realität, die stündlich die Satire einholt, wird dieser bloß ein Vorsprung gewährt. Nicht die Wirklichkeit, sondern die Möglichkeit ist der Spielraum der dramatischen Handlung, welche die Phantastik des Lebens niemals übertreffen könnte, einem Gesetz unterworfen, das die Unterlassungen des Zufalls kompensiert und die innere Notwendigkeit eben einer Ordnung des Zufalls herstellt. Das Ergebnis erscheint in allen Akten als der Ausdruck einer wahren und nun erst erkennbaren Wirklichkeit, als die sich die vorhandene durch den eigenen Mund entlarvt, durch den verläßlichsten Verräter: die Sprache. Wieder, wie in den „Letzten Tagen“ einer Menschheit, deren rätselhaftes Fortleben nun noch diese Bilder gewährt hat, ist das Dokument Figur geworden, erstanden Berichte als Gestalten, steht die Phrase auf zwei Beinen: „Sätze, deren Wahnwitz unverlierbar dem Ohr eingeschrieben ist, wachsen zur Lebensmusik“. Es ist die sich selbst verifizierende Lüge, in der sich die Kontrastwelten verständigen und zu gemeinsamem Scheindasein unüberwindlich verbinden.

„Ihr Ministerium inseriert im Schnitt weniger als alle anderen. „Wir haben über Sie weder positiv noch negativ

„Sie kennen das G’schäft, für’s Inserat

KARL KRAUS ÜBER „DIE UNÜBERWINDLICHEN“

GESTERN UND HEUTE, BÉKESSY UND FELLNER: VON WEM STAMMEN DIE

FOLGENDEN ZITATE?

„Was hab ich getan? Wie der Arzt oder der Advokat von Patienten beziehungsweise Klienten, so wird eben auch der Journalist von den Personen entlohnt, denen er durch Publizieren, aber auch durch Verschweigen von Mitteilungen Dienste erwiesen hat.“

„Was geht das mich an, warum man gegeben hat? Was geht mich der Grund an? Ich hab genommen! Seit wann is Nehmen strafbar?“

„Alles zu seiner Zeit. Man sagt nicht unnötig die Wahrheit und man lügt nicht ins Blaue. So wie ihr lügts, das ist keine Kunst. Es muss alles hübsch verteilt sein, der Leser soll nicht unterscheiden können – es hat ihm vor den Augen zu flimmern!“

„Mich weghaben wollen! Will man die Natur austreiben? Mit Strafparagraphen? Békessy ist ein Begriff. Békessy steckt in jedem von euch drin.“

„Ich bin die Wahrheit! Machts die Zeit nicht besser, wie sie is. Ich bin ihr Ausdruck! Wenn ihr mich losgeworden seids, seids ihr darum noch nicht die Zeit losgeworden.“

„Österreich ist eine Qualitätszeitung. Leider werden wir nicht immer als solche erkannt.“

„Ihr Ministerium inseriert im Schnitt weniger als alle anderen. Daher überlegen Sie sich, wie Sie das in Zukunft handhaben wollen.“ geschrieben. Das könnte sich jetzt gravierend ändern.“

Daher überlegen Sie sich, wie Sie das in Zukunft handhaben wollen.“

„Es gibt bei uns keine Vermischung von Redaktion und Inseraten.“

gibt’s a Gegeng’schäft, oder?“ – „Ja natürlich!“

Plakat zur Vertreibung Emmerich Békessys aus Wien. WBR, PS, P 236251

Florian Scheuba ist Autor, Kabarettist, Schauspieler und Kolumnist. Geboren 1965 in Wien, nahm er Schauspielunterricht bei Herwig Seeböck. Seit Jahrzenten ist er erfolgreich im österreichischen Kabarett u. a. mit der Gruppe Die Hektiker, mit Thomas Maurer, Alfred Dorfer, Robert Palfrader und mit seinen Solo­Kabarettprogrammen. Er ist Autor und Akteur bei Wir Staatskünstler in der gleichnamigen ORF­Serie sowie in den Bühnenprogrammen. In den letzten Jahren entwickelte er innovative neue Formen der investigativen Satire, u. a. mit Falter­Chefredakteur Florian Klenk. Scheuba wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem deutschen und dem österreichischen Kleinkunstpreis sowie dem Salzburger Stier. Er schrieb Theaterstücke wie u. a. Freundschaft, Unschuldsvermutung und Cordoba – das Rückspiel sowie gemeinsame Drehbücher mit Paul Harather, Rupert Henning oder David Schalko. Florian Scheuba entwickelte, schrieb und spielte die TV­Satiresendungen Die kranken Schwestern, Die4Da, Donnerstalk und Wir Staatskünstler, als Schaupieler war er u. a. in Liebesgeschichten und Heiratssachen, der Extrablatt­Bearbeitung News und in dem BBCFilm The Haider Show zu sehen. Er ist regelmäßiger Kolumnist bei Der Standard. Zuletzt verfasste er die Bücher Schrödingers Ente, Geht*s und Wenn das in die Hose geht, sind wir hin. Seit 2020 gestaltet er den erfolgreichen Falter­Podcast Scheuba fragt nach.

Cornelius Obonya, 1969 in Wien geboren, stammt aus einer Schauspielerdynastie: Seine Eltern sind Elisabeth Orth und Hanns Obonya, seine Großeltern mütterlicherseits waren Paula Wessely und Attila Hörbiger. Mit 17 Jahren ging er ans MaxReinhardt­Seminar um Schauspiel zu studieren, verließ es aber nach einem Jahr und lernte bei dem Kabarettisten Gerhard Bronner. Bronner gehörte zu den wichtigen Begegnungen in seiner Laufbahn ebenso wie Emmy Werner, die ehemalige Direktorin des Volkstheater Wien und Andrea Breth, mit der er viele Jahre an der Schaubühne Berlin und auch am Burgtheater Wien gearbeitet hat. Sein weiterer Weg führte Ihn als Jedermann 2013 bis 2016 zu den Salzburger Festspielen und zu zahlreichen deutschen, wie österreichischen Produktionen in Film und Fernsehen. So bei Tatort oder mit Adults In The Room in der Regie von Costa­ Gavras bei den Filmfestspielen von Venedig. Große Erfolge feierte er 2010/11 mit seinem Soloabend Cordoba –Das Rückspiel von Florian Scheuba und Rubert Hennig am Rabenhof Theater in Wien. Dafür erhielt er den Salzburger Stier 2010 und eine Nominierung für den Spezialpreis des Nestroy­Preises 2010. Auch als Interpret von Hörbüchern etc. ist Cornelius Obonya bekannt. Er erhielt vielfache Auszeichnungen u. a. den Ferdinand Raimund –Ring und den Deutschen Hörbuch Preis. Zuletzt erhielt er für seine Aufnahme des Romans Die Inkommensurablen von Raphaela Edelbauer den Deutschen Hörbuch Preis 2024 als bester Interpret.

IMPRESSUM Eigentümer, Herausgeber und Verleger Wiener Festwochen GesmbH, Lehárgasse 11/1/6, 1060 Wien T + 43 1 589 22 0 festwochen@festwochen.at | www.festwochen.at Geschäftsführung Milo Rau, Artemis Vakianis Künstlerische Leitung (für den Inhalt verantwortlich) Milo Rau (Intendant) Bildnachweis Cover @ Videostandbild Die Raben. Die letzten Tage der Menschheit via Wienbibliothek im Rathaus; S. 6. Plakat zur Vertreibung Emmerich Békessys aus Wien. Auszug aus: Katharina Prager (2018). Geist versus Zeitgeist: Karl Kraus in der Ersten Republik Wien, S. 34. Eine Publikation der Wienbibliothek im im Rathaus, Metroverlag Wien. Herstellung Print Alliance HAV Produktions GmbH (Bad Vöslau)

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