AP 2024: The Master´s Tools

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DE 1692 fanden in Salem die wohl berüchtigtsten „Hexenprozesse“ Nordamerikas statt. Die Dramatikerin und Drehbuchautorin Zora Howard lässt in einem aufrüttelnden Monolog eine der ersten Angeklagten auftreten: die Sklavin Tituba. Von der Geschichtsschreibung weitgehend vergessen, erlangte Tituba durch Arthur Millers Hexenjagd traurige Berühmtheit. In The Master’s Tools widersetzt sie sich den vielen Meistern, die ihre Geschichte für sich beansprucht haben – Tituba wird zur Herrscherin über ihren eigenen Mythos. Es entsteht eine Figur zwischen Horror und Humor, zwischen Gut und Böse, mit neuen Worten und neuen Werkzeugen. Denn um es mit der Schriftstellerin und Aktivistin Audre Lorde zu sagen: „Die Werkzeuge des Meisters werden niemals das Haus des Meisters niederreißen.“

EN In 1692, Salem was the site of probably the most infamous ‘witch trials’ in North America. The playwright and screenwriter Zora Howard is giving a stage to one of the first accused in a rousing monologue: Tituba, a slave. Tituba had largely been forgotten by history before she became sadly renowned thanks to Arthur Miller’s The Crucible. In The Master’s Tools, she resists the many masters who have claimed her story for themselves – Tituba becomes the mistress of her own legend. There emerges a figure between horror and humour, between good and evil, with new words and new tools. For, as writer and activist Audre Lorde put it, ‘the master’s tools will never dismantle the master’s house’.

The English version of the evening programme can be found here! festwochen.at/en/the-masters-tools

27. / 28. / 29. Mai, 19 Uhr, 30. Mai, 18 und 21 Uhr

Theater Nestroyhof Hamakom

Englisch

deutsche Übertitel

ca. 50 Min.

Hinweis e Empfohlen ab 14 Jahren

In der Vorstellung werden Stroboskopeffekte eingesetzt.

Bei der deutschen Übertitelung wird aufgrund begrenzter Zeichenanzahl und hoher Lesegeschwindigkeit auf das Gendern verzichtet. Wir bitten um Verständnis.

Publikumsgespräch

28. Mai, im Anschluss an die Vorstellung

Text, Regie Zora Howard Mit Portia (Tituba), Julian Rozzell Jr. (Soundperformance) Künstlerische

Projektleitung Martin Meccouri Bühnenbild, Licht Reza Behjat Sounddesign Steven Leffue Kostüm Raphael Regan Inspizienz Maimouna Camara Bewegungschoreografie Sordelet Inc. Coaching Dialekt Bibi Mama, Übersetzung Übertitel, Übertitel Almut Mölk

Produktion Butler Electronics Mit Unterstützung von Wiener Festwochen | Freie Republik Wien, The Flea (New York City), Brown Arts Institute (Providence), The Perelman Arts Center (New York City), The New York State Council on the Arts, Chelsea Factory (New York City), Mercury Store (New York City), Kunstenfestivaldesarts (Brussels)

durchgeführt vom Team Wiener Festwochen | Freie Republik Wien

Uraufführung Mai 2024, Wiener Festwochen | Freie Republik Wien

ZORA HOWARD IM GESPRÄCH

Tituba ist eine historische Person aus der Zeit der Hexenprozesse von Salem Ende des 17. Jahrhunderts. Was wissen wir über sie? Was hat Ihre Aufmerksamkeit auf diese Figur gezogen und Sie fasziniert?

Ich bin zutiefst beeindruckt von den Figuren der amerikanischen Literatur, die am Rande des Geschehens stehen und alles beobachten. Tituba ist vor allem als Nebenfigur in Arthur Millers Theaterstück Hexenjagd von 1953 bekannt. Sie war eine Schwarze Frau aus dem 17. Jahrhundert, die von Reverend Samuel Parris in Salem, Massachusetts, versklavt wurde. Als die puritanische Stadt von Gerüchten über Hexerei heimgesucht wurde, gehörte Tituba zu den Ersten, die wegen ihrer Beteiligung an den „Schwarzen Künsten“ angeklagt und inhaftiert wurden. Obwohl ihr Einfluss auf die Hexenprozesse beträchtlich war, ist sie sowohl in der Geschichtsschreibung als auch in der Literatur weitgehend vergessen. Ich war immer neugierig, mehr über ihre Version der Geschehnisse zu erfahren. Ich habe mir vorgestellt, dass sie eine Menge darüber zu sagen hätte, würde nur jemand daran denken, sie zu fragen.

Sie haben also ein Solo für Tituba geschrieben, in dem sie selbst spricht. Warum genau haben Sie diese Form gewählt?

Ich habe diese Form zum Teil deshalb gewählt, weil sie eine neue Herausforderung war. Ich hatte noch nie ein Ein­Personen­Stück geschrieben und war gespannt darauf, die Fallstricke kennenzulernen und meine Stimme in diesem Stil zu finden. Mehr als die schriftstellerische Herausforderung, ist es jedoch die Figur selbst, die mich zu dieser Form hingezogen hat. Ich wollte Titubas einzigartige Stimme hören – und zwar in aller Ausführlichkeit. In The Master’s Tools wird nur Tituba sprechen. Sie widersetzt sich

den vielen Herren, die Anspruch auf ihre Geschichte erhoben haben und stellt stattdessen ihre eigene Subjektivität, ihre eigene, gewaltvolle Wahrheit in den Mittelpunkt.

Sie haben den Text vor einigen Jahren geschrieben und veröffentlicht (als er auch zum ersten Mal inszeniert wurde). Nun haben Sie beschlossen, den Text selbst zu inszenieren. Wie kommen in Ihrer künstlerischen Vorgehensweise das Schreiben und die Regiearbeit in Einklang? Wie hängen diese beiden Formen des künstlerischen Ausdrucks für Sie zusammen?

Als ich The Master’s Tools schrieb, gab es bestimmte Teile des Stücks, die ich sehr klar vor meinem geistigen Auge hatte: wie Titubas Arbeitsplatz aussah, die Geräusche der Umgebung um sie herum und wie sich diese zu einer weiteren Figur im Stück entwickeln. Diese Elemente stehen nicht im Text und waren es wert, mit Hilfe der Regiearbeit erforscht zu werden. Das ist für mich ein sehr kollaborativer Prozess. Die Dramatikerin sagt: Das ist die Story. Als Regisseurin ist es meine Aufgabe, herauszufinden, wie man diese Geschichte würdigt und lebendig werden lässt.

Der Titel The Master’s Tools bezieht sich auf das berühmte Zitat und den Text von Audre Lorde: „Die Werkzeuge des Meisters werden niemals das Haus des Meisters niederreißen.“ Können Sie die Wahl des Titels etwas näher erläutern?

In ihrem Essay postuliert Lorde, dass die Werkzeuge des Unterdrückers, die zur Aufrechterhaltung seines Unterdrückungssystems geschaffen wurden, nicht dazu verwendet werden können, zu zerstören, was er geschaffen hat. Deshalb, so Lorde, müssen wir andere Werkzeuge, andere Methoden finden, um gegen diejenigen zu kämp ­

fen, die uns unterdrücken. Aber Tituba hat ihre Unterdrücker:innen lange studiert und sie hat deren Werkzeuge studiert. Und sie hat eine andere Vorstellung von alldem …

Welche Rolle spielt Tituba als historische Person für die Zukunft, was ist ihr Vermächtnis?

Tituba durchbricht die Vorstellung, dass der Anspruch auf Geschichte ein Recht ist, das nur wenigen Privilegierten vorbehalten ist und ermutigt uns alle, unsere eigenen Mythen zu schaffen.

Zora Howard ist Dramatikerin, Performerin und Regisseurin. Ihre künstlerischen Wurzeln liegen in den sich wiederholenden Prozessen von Beobachten und Erzählen. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen die Themen Diaspora, Schwarze kulturelle Traditionen und zwischenmenschliche Intimität. Zora Howard setzt sich – oft mit einer starken und prägnanten Erzählstimme – dafür ein, gelebte Wahrheiten nicht nur wiederzugeben, sondern auf der Bühne greifbar zu machen. Zu ihren Stücken gehören STEW, BUST, HOLDING und GOOD FAITH. Ihre Projekte entwickelte sie u. a. im SPACE at Ryder Farm, The Lark, Ojai Playwrights Conference, Escola do Largo und Cape Cod Theatre Project. 2020 wurde ihr Spielfilm Premature, den sie gemeinsam mit dem Filmemacher Rashaad Ernesto Green geschrieben hat, auf dem Sundance Film Festival 2019 uraufgeführt und für den Film Independent John Cassavetes Award nominiert. Zora Howard ist Inaugural Judith Champion Fellow am Manhattan Theatre Club, ehemalige Van Lier New Voices Fellow am Lark Theatre, Lilly Awardund Helen Merrill Award­Preisträgerin 2022 und arbeitet derzeit mit dem gemeinnützigen Theater Seattle Rep, dem Manhattan Theatre Club und Wessex Grove.

IMPRESSUM Eigentümer, Herausgeber und Verleger Wiener Festwochen GesmbH, Lehárgasse 11/1/6, 1060 Wien T + 43 1 589 22 0 festwochen@festwochen.at | www.festwochen.at Geschäftsführung Milo Rau, Artemis Vakianis Künstlerische Leitung (für den Inhalt verantwortlich) Milo Rau (Intendant) Textnachweis Originalbeitrag, das Interview hat Iris Raffetseder (Dramaturgie Wiener Festwochen | Freie Republik Wien) im Mai 2024 geführt. Übersetzung Almut Mölk Bildnachweis Cover © Proton Theatre / Kornél Mundruczó Herstellung Print Alliance HAV Produktions GmbH (Bad Vöslau)

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