Wirtschaftsmagazin Hessen - Mobilität und Logistik

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Wirtschaftsmagazin

HESSEN Das Journal für Unternehmer und Investoren 1 | 2009

AUF DER ÜBERHOLSPUR SCHWERPUNKT Mobilität und Logistik in Hessen

WIRTSCHAFT China in Hessen

BILDUNG UND WISSENSCHAFT Eine Schule, fünfzig Nationen

LEBENSQUALITÄT Japan im Rheingau


Wo die Mitte Spitze ist!

Mittelhessen: europaweit vernetzt durch fünf Autobahnen 37 Autobahnauf- und -abfahrten sorgen für optimalen Anschluss Region Mittelhessen: Hessens höchster Industriebesatz 27 verfügbare GI-Flächen Kurzer Weg zum internationalen Flughafen Frankfurt Sie wollen Mittelhessen im Süden der Republik erleben? Dann besuchen Sie uns auf der Expo Real in München (Halle C1/Stand C1.242). Ihr Ansprechpartner: MitteHessen e. V. – Regionalmanagement für Mittelhessen www.region-mittelhessen.de


WIRTSCHAFTSMAGAZIN HESSEN

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, dass Hessen sich auf der Überholspur befindet, ist überall zu spüren. Eine der schönsten Gelegenheiten dazu bietet eine Entdeckungsreise durch unser Bundesland. Eine solche Reise ist denkbar einfach, denn nur wenige Länder haben eine ähnlich leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur. Im Zentrum Europas gelegen, bietet Hessen kurze Wege in alle Welt. Das prägt den Wirtschaftsstandort. Zahlreiche Logistik- und Mobilitätsunternehmen haben sich angesiedelt und fühlen sich – ebenso wie viele multinationale Konzerne – bestens aufgehoben. Und Hessen baut seinen Mobilitätsvorsprung weiter aus. Eine beispielhafte Initiative ist das „House of Logistics & Mobility“ (HOLM). In dem interdisziplinären und hochschulübergreifenden Zentrum werden künftig innovative Lösungen für die Mobilität und Logistik der Zukunft gemeinsam von Hochschulen und Unternehmen entwickelt. Eine wesentliche Frage dabei ist, wie Logistik und Mobilität nachhaltig und umweltgerecht gestaltet werden können – ein Thema, das auch im Mittelpunkt des siebten hessischen Mobilitätskongresses steht, der im Rahmen der diesjährigen Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt stattfindet. Aber nicht nur beim Thema Mobilität ist in Hessen einiges in Bewegung. Das Bundesland setzt auch auf Zukunftstechnologien wie Biotechnologie und Life Science. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die „Science City“, die derzeit im neuen Frankfurter Stadtteil Riedberg entsteht. Die Forscher in dieser „Wissenschaftsstadt“ sind dabei eng mit Wirtschaftsunternehmen vernetzt und kooperieren bei zahlreichen Projekten. Ob Wissenschaft, Forschung oder zukunftsorientierte Wirtschaft – in Hessen laufen viele Wege zusammen. Hier begegnen sich Weltoffenheit, Kultur und Innovationskraft. Wir möchten Sie gerne auf eine Entdeckungsreise in unser facettenreiches Bundesland mitnehmen. Viel Freude und Gewinn bei der Lektüre des Wirtschaftsmagazins Hessen wünscht Ihnen

DIETER POSCH Hessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung

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WIRTSCHAFTSMAGAZIN HESSEN

INHALT 10 Am Frankfurter Flughafen gibt Dr. Stefan Schulte die Richtung vor.

20 In Shenzhen befindet sich die Zentrale von Huawei. In Eschborn hat das chinesische Telekommunikationsunternehmen eine Niederlassung.

SCHWERPUNKT

MOBILITÄT

WIRTSCHAFT

10 DAS TOR ZUR WELT

20 CHINA IN HESSEN

Im „Wirtschaftsmagazin Hessen“ erläutert der neue Flughafen-Chef Dr. Stefan Schulte, wie er die starke Position des Frankfurter Flughafens weiter ausbauen möchte.

Netzwerkausrüster Huawei ist in Eschborn zu Hause

22 VORDENKER Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände tritt für die hiesige Wirtschaft ein

23 MITTEN IN DEUTSCHLAND Die neue Hauptumschlagbasis (HUB) der Hermes Logistik Gruppe befindet sich in Osthessen

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EDITORIAL

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AUF DER ÜBERHOLSPUR Nur wenige Regionen bieten eine solch herausragende Verkehrsinfrastruktur wie Hessen

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24 SERIE „KLEINER ORT – GROSSER NAME“ Melsungen lebt in Symbiose mit dem weltbekannten Unternehmen B. Braun

25 NEWS

STÄRKEN STÄRKEN Im neuen „House of Logistics & Mobility“ (HOLM) soll interdisziplinär geforscht werden

14 MARKT DER ZUKUNFT Verkehr im Fluss: Intelligente Verkehrstechnik hilft

16 JAGD NACH SUPERLATIVEN Die Messe Frankfurt ist eine Drehscheibe des internationalen Handels

17 UMFRAGE: PENDLER IN HESSEN Der tägliche Weg zur Arbeit

18 WAREN IM FLUSS Für Hessen hat der Frankfurter Binnenhafen eine elementare wirtschaftliche Bedeutung

19 NEWS

IMPRESSUM Wirtschaftsmagazin Hessen Herbst 2009

Projektleitung: Christian Schmidt, Heidi Wörner

Kostenlos zu beziehen unter www.invest-in-hessen.de

Redaktion: Christina Höhn, Ludger Kersting (stv.);

Herausgeber: HA Hessen Agentur GmbH, AbrahamLincoln-Straße 38 – 42, 65189 Wiesbaden

F.A.Z.-Institut für Management-, Marktund Medieninformationen GmbH, Mainzer Landstraße 199, 60326 Frankfurt am Main

Im Rahmen der Standortkampagne des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung

Autoren: Sarah Bautz, Ellen Bolduan, Jenni Glaser, Clara Görtz, Alexander Schneider,


26 An der Frankfurt International School werden auch musische Talente gefördert.

36 Von Japan in den Rheingau: Tomoko Kuriyama liebt ihre Arbeit als Kellermeisterin.

BILDUNG UND WISSENSCHAFT 26 EINE SCHULE, FÜNFZIG NATIONEN Kinder aus aller Welt besuchen die Frankfurt International School in Oberursel

29 DAS LEBEN IST EINE BAUSTELLE Auf dem Frankfurter Riedberg entsteht eine „Science City“, in der Wirtschaft und Wissenschaft eng zusammenarbeiten

30 REGIONALE KOMPETENZEN VERNETZEN In Hessen haben sich zahlreiche Cluster gebildet

32 BEWEGUNG AUF ALLEN EBENEN Wie die Gemeinde Mühltal ihren Nahverkehr verbessert

33 GEMEINSAM STARK

34 NEWS

Art-Direktion: Tobias Stier, Jan Walter Hofmann Anzeigenverkauf: Zeitungsanzeigengesellschaft RheinMainMedia mbh, Holger Kranz, Tel. 069-7501-4179, h.kranz@rheinmainmedia.de Fotos: Titelfoto: picture alliance (pa); S.3: Wirtschaftsministerium Hessen; S.4: Claus Setzer, istock; S.5: Claus Setzer; S.6: Deutsche Post AG; S.7: pa,

36 JAPAN IM RHEINGAU Die aus Tokio stammende Kellermeisterin Tomoko Kuriyama baut erstklassige Rieslinge aus

38 WANDERER ZWISCHEN WALD UND WEIN Auf einer Rheinsteigwanderung lassen sich Naturerlebnis und Kulturgenuss wunderbar verbinden

39 BERGE IN DER KULTURLANDSCHAFT Nicht nur wegen der documenta ist Kassel eine kulturelle Hochburg

40 HESSEN ERFAHREN Das Radwegenetz in Hessen ist bestens ausgebaut: Mit dem Online-Radroutenplaner lassen sich Touren detailliert planen

41 UMFRAGE: WOHIN AM WOCHENENDE?

Der „Pakt für Ausbildung“ hilft zahlreichen Schulabgängern auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz

Jan Voosen, Inka Wichmann

LEBENSQUALITÄT

Ausländische Arbeitnehmer berichten von ihren liebsten Ausflugszielen in Hessen

42 NEWS, GEWINNSPIEL

Deutsche Bahn; S.8: Fraport; S.9: Groß & Partner, EBS; S.10-12: Claus Setzer; S.14-15: Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen/Wonge Bergmann; S.16: Messe Frankfurt GmbH; S.17: Deutsche Bahn, privat; S.18: HFM; S.19: pa; S.20: Claus Setzer; S.21: Claus Setzer, istock; S.22: Frank Kleefeldt; S.23: Hermes Logistik Gruppe Deutschland GmbH; S.24: Stadt Melsungen, B. Braun Melsungen; S.25: ESA, NVV, SMA Solar Tech-

nology; S.26-28: Claus Setzer; S.29: Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main, Dirk Lambert, Berlin; S.30: gesundheitswirtschaft rheinmain e.V.; S.32: Günther Jockel; S.34: FH Gießen Friedberg, pa, TU Darmstadt; S.36-37: Claus Setzer; S.38: pa; S.39: www.monumedia.de; S.40: Tourismus Service Bergstraße e.V., Kurund Tourismus GmbH Bad Salzschlirf; S.41: privat, S.42: Tim Thiel, hr

Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung


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SCHWERPUNKT

AUF DER ÜBERHOLSPUR

Die hervorragende Verkehrsinfrastruktur in Hessen wird von Unternehmen immer wieder als der Standortvorteil des Landes genannt. Kein Wunder also, dass sich die Mobilitäts- und Logistikbranche im Aufwind befindet.

Ein Logistikzentrum bei Kassel: Dank der zentralen Lage erreichen die Pakete postwendend ihre Empfänger.


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An kaum einem anderen Ort weltweit ist Mobilität so erlebbar wie in Südhessen.

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ährend ein großer Jumbo-Jet dicht über der Autobahn zur Landung auf dem Frankfurter Flughafen einschwebt, setzt der Transporter zu einem Überholmanöver an. Wegen der vielen Lastwagen und des einsetzenden Berufsverkehrs ist der Seitenstreifen vorübergehend für den Verkehr freigegeben worden. Kaum ist der ICE auf der einen Seite der Fahrbahn vorbeigerast, rauschen auf der anderen Seite eine Regionalzug und nur kurze Zeit später eine S-Bahn vorbei: Wer auf der A3 vom Wiesbadener Kreuz zum Frankfurter Flughafen fährt, der spürt besonders deutlich, wie groß der Mobilitätsbedarf unserer Gesellschaft ist. Und der erkennt, dass diese verdichtete Bewegung wohl nur an wenigen Orten weltweit in dieser Form möglich ist – schließlich bedarf es dafür ebenso einer hervorragenden Infrastruktur wie einer guten Organisation der Verkehrsströme auf der Straße, der Schiene und in der Luft. Dass ausgerechnet hier in Südhessen beides gegeben ist, hat viele Gründe. Die geographische Lage am Schnittpunkt von Verkehrswegen quer durch Europa, von Nord nach Süd und von West nach Ost, zählt sicherlich dazu: Frankfurt am Main trägt nicht umsonst die Furt schon im Namen, ist seit vielen Jahrhunderten internationale Messestadt und eines der wichtigsten eu-

ropäischen Finanzzentren. Doch wie immer kommt es auch darauf an, was man aus einer bevorzugten Lage macht. Seit mit Eisenbahn, Auto und schließlich dem Flugzeug neue Verkehrsmittel für immer mehr Mobilität sorgen, hat die Region in die Infrastruktur investiert: vom Hauptbahnhof in Frankfurt als Drehscheibe für den Eisenbahnverkehr über eines der ersten Autobahnkreuze Deutschlands – das Frankfurter Kreuz – bis hin zu Gründung und Ausbau des Frankfurter Flughafens nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. So machen heute täglich etwa 350.000 Reisende und Besucher den Frankfurter Hauptbahnhof zum meistfrequentierten Bahnhof Europas, fliegt fast jeder dritte Passagier in Deutschland in Frankfurt ab, werden hier fast 60 Prozent des deutschen Luftfrachtverkehrs abgewickelt. Und mit rund 70.000 Beschäftigten ist der Flughafen auch die größte Arbeitsstätte in ganz Deutschland. Eine gute Ausgangslage, historisch gewachsene Strukturen, gezielte Investitionen – dieses Zusammenspiel gilt auch für Nordhessen, dessen Rolle in der Mobilitäts- und Logistikwirtschaft Hessens zu Unrecht etwas weniger bekannt ist. So ist der Regierungsbezirk Kassel der zweitgrößte Logistikstandort Hessens; hier kreuzen sich mit der A4, A5 und A7 mehrere wichtige Autobahnen, die gerade seit der Öffnung Mittel- und Osteuropas stark an Bedeutung gewonnen haben. Damit verbunden ist

Das Frankfurter Kreuz und der Hauptbahnhof sind zu jeder Tagesund Nachtzeit stark frequentiert.


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SCHWERPUNKT Von Hessen in die Welt: In Deutschland fliegt fast jeder dritte Passagier in Frankfurt ab.

Hessen profitiert von seiner guten Lage im Herzen Europas.

ein weiteres Plus der Region: die späteste „Cut-off-Zeit“. Das bedeutet, dass in Nordhessen bis zur spätestmöglichen Tageszeit Bestellungen aufgenommen werden und sie im Nachtsprung garantiert den Empfänger erreichen. So ist es kaum verwunderlich, dass sich in Nordhessen zahlreiche Logistikunternehmen erfolgreich angesiedelt haben. Viele Bücher, die im Internet-Versandhandel oder im Buchhandel bestellt werden, gehen vermutlich durch die Hände eines Mitarbeiters in einem der Auslieferungslager in Nordhessen. Auch der Fahrzeugbau, die Bahntechnik und das Mobilitätsmanagement spielen in der nordhessischen Mobilitätswirtschaft eine bedeutende Rolle. Große Automobilhersteller produzieren hier Achsen und Getriebe, viele Zulieferbetriebe sind für Automobil- und Bahnindustrie gleichermaßen tätig. Um die Region noch stärker beim Aufbau ihrer Mobilitäts- und Logistikkompetenz zu unterstützen, haben sich zahlreiche Unternehmen aus diesen Bereichen zum Netzwerk MoWiN.net (Mobilitätswirtschaft-Nordhessen-Netzwerk, siehe Kasten) zusammengeschlossen. Wie wichtig die Branchen Mobilität und Logistik für Hessen sind, zeigt eine aktuelle Studie der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba): In dem Bundesland arbeiten mehr Menschen in der Logistikwirtschaft als in der Finanzindustrie, und unter den 100 größten Unternehmen in Hessen sind Logistikunternehmen überdurchschnittlich häufig vertreten. Trotz der aktuell schwierigen Lage der Wirtschaft wird der Bedarf an Mobilität nicht nachlassen, sondern vielmehr in Zukunft stark zunehmen. Wie auch die intensiv geführte Diskussion um die geplante neue Landebahn am Frankfurter Flughafen zeigt, stößt der dicht besiedelte Süden Hessens dabei an seine Grenzen. Es kommt daher darauf an, intelligente Konzepte für das Verkehrsmanagement der Zukunft zu entwickeln und neue Technologien zur Verkehrssteuerung zu nutzen. Mit einer ganzen Reihe wissenschaftlicher Institutionen, die sich mit den Themen Mobilität, Logistik und Verkehr beschäftigen, bringt Hessen gute Voraussetzungen dafür mit, solche Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Gestärkt wird der Mobilitätsstandort Hessen nun auch durch das neue „House of Mobility & Logistics“ (HOLM),

das Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen untereinander vernetzen und damit Impulse für die Mobilität der Zukunft geben soll. Damit ist Hessen gut darauf vorbereitet, von seiner guten Lage im Herzen Europas auch künftig zu profitieren. Denn ganz gleich wie sich die Wirtschaft kurzfristig entwickelt, steht fest: Langfristig will unsere Gesellschaft mobil bleiben. p

MOWIN.NET Unternehmen, die in Netzwerken agieren, wachsen deutlich stärker als Einzelkämpfer und sind auch in Krisenzeiten widerstandsfähiger. Deshalb haben sich unter dem Motto „Miteinander mehr bewegen“ zahlreiche Unternehmen in dem vom Regionalmanagement Nordhessen gegründeten Netzwerk MoWiN.net e.V. zusammengeschlossen. Ziel des Vereins ist die Förderung und Entwicklung von Wissenschaft, Forschung und Wirtschaftskooperationen. MoWiN.net ist in einer Vielzahl von Projekten aktiv und bündelt die Kompetenzen von mehr als 100 Unternehmen, Institutionen und Forschungseinrichtungen aus den Branchen Automotive, Logistik, Bahntechnik und Mobilitätsmanagement. Insgesamt beschäftigen die Mitglieder in Nordhessen mehr als 48.000 Mitarbeiter und generieren einen Umsatz von weit über neun Milliarden Euro jährlich. www.mowin.net WEITERE MOBILITÄTSCLUSTER Neben dem Netzwerk MoWiN gibt es in Hessen weitere Cluster zu Mobilitätsthemen. So haben sich dem Automotive Cluster RheinMainNeckar mittlerweile rund 500 Unternehmen aus den verschiedensten Bereichen der Automotive-Wertschöpfungskette angeschlossen. Ziel ist unter anderem, strategische Allianzen unter den Mitgliedsunternehmen zu fördern: www.automotive-cluster.org. Auch in Mittelhessen sind einige Unternehmen der Automobilzulieferbrache tätig. Im Automotive-Cluster Mittelhessen haben sie sich zusammengeschlossen, um ein international anerkanntes Zentrum der Automobilzulieferbranche aufzubauen: www.tud-cluster.de.


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Mehr als eine Vision: Der Standort des neuen Forschungszentrums wird Gateway Gardens. Das neue Stadtviertel im Frankfurter Flughafen soll bis zum Jahr 2016 fertig gestellt werden.

„Wirtschaft, Wissenschaft und Politik werden von der Innovationskraft des HOLM profitieren.“ ST E FAN WALT E R

wanzigtausend Quadratmeter Raum für interdisziplinäre und anwendungsorientierte Forschung und Projektarbeit rund um Logistik, Mobilität und angrenzende Disziplinen: Im neuen „House of Logistics & Mobility“ (HOLM) entsteht eine völlig neue Dimension von Austausch, Zusammenarbeit und Vernetzung – und das zu einem der wichtigsten Themen für den Standort Hessen: Mobilität und Logistik. Die ersten Schritte für dieses Gründungs-, Bildungs- und Wissenstransferzentrum sind bereits getan. So öffnete Ende April die Geschäftsstelle des HOLM in „Gateway Gardens“, einem ehemaligen Gelände der US-Armee direkt neben dem Frankfurter Flughafen. Dort, wo sich Logistik und Mobilität unmittelbar erleben lassen, wird nun bis 2012 ein Neubau für das HOLM errichtet. „Mit dem House of Logistics & Mobility werden wir eine Plattform schaffen, die regionalen, nationalen und internationalen Hochschulen und Unternehmen Zugang zu exzellentem Know-how und enger Kooperation ermöglicht. Von der Innovationskraft des HOLM werden Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gemeinsam profitieren“, ist Stefan Walter, Geschäftsführer der Gründungsinitiative Frankfurt HOLM e.V., überzeugt. „Die Zusammenarbeit an diesem Ort wird die in der Region bereits vorhandenen Kompetenzen bündeln und den Wissenstransfer in die Praxis und zurück zur Wissenschaft beschleunigen“, erklärt Walter weiter. So soll das HOLM zu einem international sichtbaren Kompetenz- und Innovationscluster werden.

Stärken Z stärken Im neuen „House of Logistics & Mobility“ (HOLM) soll interdisziplinär zu den Mobilitätsund Logistikthemen der Zukunft geforscht werden.

Zu den Aufgaben des HOLM zählt neben der Forschungsarbeit, der Förderung des Austauschs und der Vernetzung auch die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften. Damit könnten die SupplyChain- und Mobilitätsmanager von morgen aus dem HOLM kommen – und weil vier der fünf größten Arbeitgeber in Hessen zur Logistikbranche zählen, ist das eine große Chance für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit regionaler Logistik- und Mobilitätsunternehmen. Dass der Standort für das HOLM gut gewählt ist, steht jedenfalls für Dr. Stefan Schulte, Vorstandsvorsitzender der Fraport AG, fest: „Wir werden zum ersten Flughafen mit Uni-Campus“, freut er sich. „Das ist auch für künftige Studenten ideal, weil man gerade hier logistische Abläufe hervorragend studieren kann.“ Denn mobiler als hier, zwischen Flughafen, Autobahn und ICE-Bahnhof, ist Deutschland wohl nirgendwo. p www.frankfurt-holm.de

GRÜNDUNGSMITGLIEDER Neben der Fraport AG zählen das Land Hessen, die Stadt Frankfurt am Main sowie der Rhein-Main-Verkehrsverbund zu den Gründungsmitgliedern des HOLM. Wissenschaftliche Partner sind die Technischen Universität Darmstadt, die European Business School, die Goethe-Universität Frankfurt und die Fachhochschule Frankfurt sowie die Fraunhofer-Gesellschaft.


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INTERVIEW

„DAS TOR ZUR WELT” Seit September ist Dr. Stefan Schulte der neue Vorstandsvorsitzende der Fraport AG. Im „Wirtschaftsmagazin Hessen“ steht er Rede und Antwort.


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Wirtschaftsmagazin Hessen: Herr Dr. Schulte, wie lau-

ten die wichtigsten Projekte, die Sie als neuer FraportChef fortführen beziehungsweise anstoßen wollen? DR. STEFAN SCHULTE: Der Ausbau des Flughafens steht ganz oben auf der Agenda. Wir befinden uns hier in Frankfurt ja schon seit Jahren an der Kapazitätsgrenze. Und die Fluggesellschaften haben einen erheblichen zusätzlichen Bedarf an Slots – also an Zeitfenstern für Starts und Landungen – angemeldet. Die Entwicklung der Airport City und eine nachhaltige Unternehmenspolitik werden weitere Schwerpunkte sein. Außerdem möchte ich gerne dem Service und der Kundenfreundlichkeit noch mehr Gewicht geben.

Dazu zählt vor allem die Pünktlichkeit. Wie steht es damit in Frankfurt?

Das „A und O“ für alle Umsteiger, insbesondere für Vielflieger, sind eine hohe Pünktlichkeit und ein verlässlicher Gepäckservice. Und mit einer Pünktlichkeitsrate von etwa 90 Prozent können wir in Frankfurt mit einem auch im internationalen Vergleich absoluten Spitzenwert aufwarten. Wir sind sogar in der komfortablen Lage, Verspätungen durch eine schnelle Abfertigung erheblich zu reduzieren. Spitzenwerte gelten auch für die Gepäckrate: 99 Prozent des Gepäcks befindet sich in dem Flugzeug, in dem der Passagier sitzt. Das verbleibende Prozent ist natürlich nicht verloren, sondern kommt in aller Regel mit dem nächsten Flieger. Bei anderen Flughäfen wie zum Beispiel London-Heathrow liegen die Werte deutlich schlechter. Da Sie gerade Ihre Konkurrenten ansprechen: Welchen Stellenwert wird das Drehkreuz Frankfurt in Zukunft im weltweiten Vergleich einnehmen, gerade vor dem Hintergrund expandierender Flughäfen wie dem in Dubai?

Der Frankfurter Flughafen ist das Tor zur Welt und das führende interkontinentale Drehkreuz für Deutschland. Er gehört zu den Top-Ten-Airports in Europa und der Welt. Diese starke Position gilt es zu festigen und auszubauen. Und im Vergleich zu Dubai haben wir den entscheidenden Vorteil, dass unsere Kunden nicht hauptsächlich aus Umsteigern bestehen. Wir verfügen vielmehr über eine sehr gesunde Mischung aus rund 50 Prozent Umsteigern und 50 Prozent Originäraufkommen. Frankfurt wird derzeit von Fluggesellschaften aus rund 110 Ländern angeflogen.

Der neue Chef vor Ort: Stefan Schulte bei einem Vorfeldbesuch.


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INTERVIEW

Stefan Schulte erläutert im Interview, wie er die bedeutende Stellung des Frankfurter Flughafens festigen will.

Dieses Angebot ist einmalig in Europa. Und darum siedeln sich neue Unternehmen auch so gern in der Region rund um den Flughafen an. Verkehr zieht weiteren Verkehr an. Deswegen sind wir so wichtig für die wirtschaftliche Prosperität von Frankfurt und der Rhein-MainRegion. 300.000 Menschen leben hier vom Flughafen. Die angrenzenden Gewerbe- und Einzelhandelsstandorte fürchten aber gerade diese Konkurrenz. Und wenn man sich umschaut, entsteht rund um die Terminals eine eigene Stadt – die Airport City. Entwickelt sich der Flughafen zu einem Einkaufszentrum mit Landebahn, wie Sie es einmal formuliert haben?

Richtig ist, dass wir unser Geld zunehmend durch den Einzelhandel und im Immobilienmanagement verdienen. Aber das funktioniert auch nur deshalb, weil wir einen hocheffizienten Flugbetrieb und ein entsprechendes Passagieraufkommen vorweisen können. Und es deckt sich mit den Erwartungen der Kunden, die einen Flughafen nicht nur als flüchtige Durchgangsstation, sondern auch als attraktiven Marktplatz definieren, wo man vor dem Ab- oder Weiterflug beispielsweise noch in Ruhe ein Geschenk besorgen kann. Die zusätzlichen Flächen, also Geschäfte und Restaurants, werden in erster Linie für unsere Passagiere geschaffen. Kein umsteigender Passagier wird die Wartezeit nutzen, um in der Frankfurter Innenstadt shoppen zu gehen. Sie zielen mit den zusätzlichen Einkaufsflächen also nicht auch auf Kunden, die nur zum Bummeln zum Flughafen kommen?

Es gibt natürlich die Zielgruppe der sogenannten „Business-Nomaden“. Das sind oft Singles mit einem hohen Einkommen, die, beruflich stark belastet, wenige Möglichkeiten zum Einkaufen haben. Als erfahrene Geschäftsflieger kennen sie die Läden im Flughafen. Diese Klientel nutzt dann die komfortablen Airport-Öffnungszeiten, um dort einzukaufen.Typische Kunden sind aber Familien, deren Urlaubserlebnis am Flughafen beginnt. Sie kommen mindestens zwei Stunden vor Abflug, schauen sich mit den Kindern die Flugzeuge an und machen dabei auch ein paar Einkäufe.

... oder nehmen die Gelegenheit zum Arztbesuch wahr: In der Airport City soll dies zukünftig im „Metropolitan Medical Center“ möglich sein. Gibt es dafür wirklich eine Nachfrage?

Ohne Zweifel! Schon heute lassen viele Geschäftsreisende und Vielflieger ihre Gesundheitsvorsorge-Checks am Flughafen durchführen. Ganz einfach deshalb, weil sich medizinische Untersuchungen optimal mit geschäftlichen Terminen oder Zwischenstopps verbinden lassen. Und die Nachfrage nach solchen medizinischen Dienstleistungen wird in Zukunft sicherlich noch steigen. Neben einem eigenen Krankenhaus soll es am Flughafen bald auch eine eigene Universität geben – das „House of Logistics & Mobility“ (HOLM). Was versprechen Sie sich von diesem Projekt?

Zum einen ein echtes Alleinstellungsmerkmal – nämlich der erste Flughafen mit einem Uni-Campus zu werden. Durch HOLM werden wir noch attraktiver – für Nachwuchskräfte, aber auch für die Wissenschaft. Und wir erwarten uns neue Impulse hinsichtlich innovativer Verkehrskonzepte, durch die wir auch in Zukunft mit an der Spitze der internationalen Flughäfen stehen werden. Noch eine persönliche Frage: Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dem ersten Flug Ihres Lebens?

Bei meinem ersten Flug war ich 16 Jahre alt. Es ging von Düsseldorf zu einem Englisch-Camp nach Dublin. Das war natürlich ein großes Erlebnis, als Jugendlicher zum ersten Mal ohne die Familie in einem Flugzeug zu sitzen und in die für mich damals große, weite Welt zu fliegen. Als Nichttechniker fasziniert mich damals wie heute, dass die großen Vögel überhaupt in der Luft bleiben. p Das Interview führten Ellen Bolduan und Ludger Kersting.

ZUR PERSON Dr. Stefan Schulte ist seit September 2009 Vorstandsvorsitzender der Fraport AG. Zuvor war der gebürtige Wuppertaler als stellvertretender Vorstandschef bereits für die Ressorts Flug- und Terminalbetrieb und Flughafenausbau zuständig. Der gelernte Bankkaufmann und Betriebswirt arbeitete nach seiner Promotion zunächst fünf Jahre für die Deutsche Bank in Frankfurt, bevor er in kaufmännischen Führungspositionen für die MannesmannGruppe in Deutschland und Italien tätig war. Vor seinem Wechsel zur Fraport AG war Dr. Schulte Finanz- und Personalvorstand des Kölner Maschinenbauers Deutz AG. Der Vater zweier Töchter lebt mit seiner Familie in Bad Homburg. FLUGHAFEN FRANKFURT Mit mehr als 70.000 Beschäftigten ist der Frankfurter Flughafen nicht nur die größte Arbeitsstätte Deutschlands, sondern auch eines der bedeutendsten Luftverkehrsdrehkreuze der Welt. So bedient Frankfurt mehr als 300 Destinationen. Wichtigstes Unternehmensprojekt ist derzeit der Ausbau, konkret die Schaffung einer weiteren Landebahn, welche die momentanen Kapazitäten von 83 Flugbewegungen pro Stunde auf 126 Starts und Landungen steigern soll. Bemerkenswert im Frachtbereich ist, dass 40 Prozent des Wertes aller Exportgüter der deutschen Volkswirtschaft über den Frankfurter Flughafen gehen. 2008 sind insgesamt rund 54 Millionen Menschen in Frankfurt gestartet, gelandet und umgestiegen. Damit liegt der Flughafen bei den Passagierzahlen europaweit auf Platz drei hinter London-Heathrow und Paris-Charles de Gaulle, im Cargo-Bereich auf Platz eins der europäischen Flughäfen. www.frankfurt-airport.de www.fraport.de


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Standorte zum Abheben Das Herzstück der Airport City ist das Airrail Center am Flughafen Frankfurt. m 19. Jahrhundert waren die Eisenbahnen der Motor für das Wachstum der Städte, im 20. Jahrhundert waren es die Autobahnen. Im 21. Jahrhundert aber wirken die großen Flughäfen wie ein Magnet für Wirtschaft und Wohlstand. Frankfurt – das kontinentaleuropäische Drehkreuz für den freien Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital – ist das beste Beispiel dafür. Hier wächst der Flughafen mit seiner vierten Start- und Landebahn in neue Dimensionen hinein. Dazu trägt eine polyzentrisch auf und um das Flughafengelände herum entstehende Airport City bei. Sie lebt nicht nur von intelligenter Logistik und vernetzter Mobilität, vielmehr werden über Transportleistungen und Geschwindigkeiten und über Blackberry und Laptop hinaus Orte der Kommunikation als Teil eines internationalen Umfeldes erforderlich, das den Wissensund Erfahrungsaustausch erleichtert und ein innovationsförderndes Klima schafft.

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SPEKTAKULÄRES BAUWERK Herzstück der Airport City ist das Airrail Center am Flughafen Frankfurt, ein Gemeinschaftsprojekt der Fraport AG und der IVG Immobilien AG. Das auf 240 Pfeilern über dem ICE Fernbahnhof errichtete 660 Meter lange und bis zu 65 Meter breite Gebäude – direkt angebunden an die Terminals – gilt als eines der spektakulärsten Bauwerke in Europa. Mit

Zwischen A3 und Flughafen laufen rund um die Uhr die Bauarbeiten am Airrail Center.

rund 140.000 Quadratmetern Nutzfläche ist es eine der größten Gewerbeimmobilien in Europa und war schon zum Richtfest im Juni 2009 zu 60 Prozent vermietet. Nach Fertigstellung im kommenden Jahr wird es zwei Hilton-Hotels und die Europazentrale der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG beherbergen. Sie bezeichnet das Airrail Center als den besten Standort in Europa – unschlagbar für Mitarbeiter und Mandanten aus aller Welt. Vom Schreibtisch oder Hotelzimmer aus können sie in wenigen Mi-

Über dem ICE-Fernbahnhof des Frankfurter Flughafens entsteht eines der größten Gebäude Europas.

nuten am Check-in-Counter, im ICE, auf der Autobahn und per S-Bahn in 15 Minuten Fahrzeit mitten im Bankenviertel sein. Als „Stadt der kurzen Wege“ ist Frankfurt mit seinem Airrail Center nicht zu schlagen, auch durch das geplante und über einen Skylink angebundene Parkhaus mit bis zu 2500 Stellplätzen.

FRANKFURTS NEUES WAHRZEICHEN Schon im Rohbau zeigt sich, dass das Airrail Center mit seiner ungewöhnlichen Aufenthaltsqualität eigene Anziehungskräfte entwickeln wird. Mit täglich mehreren Tausend Personen im Haus und den Hotel- und Konferenzeinrichtungen, den Retail- und Gastronomieangeboten entlang der lichtdurchfluteten Atrien besitzt es alle Voraussetzungen, sich in einen Veranstaltungsort von internationalen Dimensionen zu entwickeln: für Events mit Public Viewing, einem gläsernen Studio für Film- und Fernsehteams, Ablegern der Publikums-Messen, Kooperation mit der Buchmesse, Lesungen, Produktvorstellungen (IAA) oder auch Talkshows. Schon im Anflug auf den Rhein-MainAirport wird deutlich, dass hier ein neues und spektakuläres Wahrzeichen der Banken- und Messestadt Frankfurt entsteht. Text und Bilder: Airrail Center


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SCHWERPUNKT

Markt der Zukunft Intelligente Verkehrstechnik kommt schon heute auf hessischen Autobahnen erfolgreich zum Einsatz. In Zukunft werden neue Technologien für den Mobilitätsstandort eine entscheidende Rolle spielen.

it Tempo 100 gleitet das Auto sanft über den Asphalt. Der Mann auf dem Fahrersitz liest Zeitung und winkt beim Überholen den Insassen eines Busses zu. Dass der Zeitungsleser weder das Bremspedal treten noch den Schaltknüppel drücken muss, wundert die Busreisenden nicht. Sie leben im Jahr 2030 – auf ausgewählten Straßen gehört das automatische Fahren zum Alltag. Das zumindest ist die Vision einiger Verkehrsexperten, darunter auch Professor Dr. Manfred Boltze von der Technischen Universität Darmstadt. Für den Wissenschaftler steht fest, dass in 20 Jahren nahezu alle Fahrzeuge mit elektronischen Kommunikationssystemen und hocheffizienten Sicherheitstechnologien ausgestattet sein werden. „Verkehrstechnik ist ein Markt mit Zukunft“, sagt Boltze. An der Universität leitet er das Fachgebiet Verkehrsplanung und Verkehrstechnik. Boltze und sein Team beschäftigen sich unter anderem mit Telematiksystemen, die den Verkehr der Zukunft erleichtern sollen. Das ist auch notwendig, denn das Verkehrswachstum wird sich vor allem in den Ballungsräumen und im Güterverkehr noch fortsetzen. Die Verkehrsinfrastruktur hingegen stößt bereits heute an ihre Grenzen – das ist im Berufsverkehr täglich spürbar. Auch die Landesregierung hat bereits auf den zunehmenden Verkehr reagiert und die Initiative „Staufreies Hessen 2015“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Unternehmen aus der Automobilwirtschaft und mit Unterstützung aus der Wis-

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senschaft arbeitet die hessische Straßenund Verkehrsverwaltung an innovativen und zukunftsweisenden Verkehrsprojekten. Einige davon wurden bereits erfolgreich umgesetzt, so zum Beispiel die temporäre Seitenstreifenfreigabe. Per Video überwacht die Verkehrszentrale Hessen die aktuelle Verkehrssituation und gibt – bei Bedarf – den Seitenstreifen als vierte Fahrbahn frei. Um Staus zu vermeiden, wurden auch Netz- und Streckenbeeinflussungsanlagen eingerichtet, die dabei helfen, die Verkehrsströme zu lenken. Ist die Autobahn stark belastet, lenken elektronische Hinweisschilder die Autofahrer auf andere, weniger befahrene Strecken. Für einen reibungslosen Verkehrsfluss sollen zudem Geschwindigkeitsbeschränkungen sor-

gen, die der jeweiligen Verkehrssituation angepasst sind. Informationen über die Verkehrssituation erhält die Verkehrszentrale Hessen über Detektoren in der Straße. Inzwischen werden aber auch „Floating Cars“ genutzt – das sind Fahrzeuge, die unterwegs wichtige Daten wie die gerade gefahrenen Geschwindigkeiten erfassen und elektronisch an die Verkehrszentrale übermitteln. In der Summe kann die Verkehrszentrale daraus schließen, wo gerade Staus vorhanden sind oder sich ankündigen, und dann darüber informieren und gezielt gegensteuern. In der Zukunft werden neben solchen intelligenten Systemen für die Straße insbesondere innovative Technologien in den Fahrzeugen eine wichtige Rolle spielen.

In den Rechnern der Verkehrszentrale Hessen in Rödelheim laufen die Verkehrsdaten aus dem gesamten Bundesland zusammen. Rund um die Uhr wird hier der Verkehr beobachtet und reguliert.


IBH BeteiligungsManagementgesellschaft Hessen mbH (BM H)

So zum Beispiel Navigationssysteme, die den Fahrer bei Unfall- oder Staugefahr warnen. „Auch automatische Abstandshaltung und automatische Bremsassistenten werden irgendwann zum Standard gehören“, prognostiziert Boltze. Wohin die Reise gehen kann, zeigt ein Pilotprojekt, an dem das Land Hessen, der Fahrzeughersteller Opel und andere Partner derzeit zusammenarbeiten. Die Experten entwickeln eine neue Technologie, mit der die Fahrzeuge untereinander „kommunizieren“ können. Wenn ein Fahrzeug etwa wegen einer Panne oder eines Unfalls liegenbleibt, „warnt“ das

Wir finanzieren

Zukunft Öffentliches Beteiligungskapital für den hessischen Mittelstand.

Mensch und Technik: Experten überwachen den Verker rund um die Uhr.

betroffene Auto die anderen nachkommenden Fahrzeuge vor der Gefahrenstelle, indem es ein elektronisches Signal aussendet. Solche Signale werden auch übermittelt, wenn beispielsweise der Scheibenwischer betätigt wird. Nachfolgende Fahrer erhalten dann die Information, dass es zu regnen begonnen hat. „Wenn Verkehrstechnik intelligent eingesetzt wird, kann sie die Unfallgefahr erheblich reduzieren und helfen, Staus zu vermeiden“, sagt Boltze. Als Technologiebeauftragter Hessens für „Mobilität und Verkehr“ will er ein Kompetenznetzwerk Verkehrstechnik aufbauen, in dem sich Unternehmen untereinander austauschen. Eine Kooperationsmöglichkeit, von der nach Boltzes Einschätzung nicht nur die Unternehmen profitieren werden, sondern auch Hessen: „Neue Produkte in der Verkehrstechnik werden nicht nur Verkehrsprobleme lösen, sondern auch die Wirtschaft stärken.“ p www.ziv.de www.staufreieshessen2015.de

• Beteiligungskapital bis zu 1,5 Mio. € • Günstige Konditionen • Bedarfsgerechte Beteiligungsvarianten • Beratung bei Finanzierungsfragen • Partnerschaftliche Zusammenarbeit • Volle unternehmerische Freiheit

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SCHWERPUNKT

Jagd nach Superlativen Viele Veranstaltungen der Messe Frankfurt haben sich zu Leitmessen der verschiedensten Branchen entwickelt. Entsprechend hoch ist der Internationalitätsgrad. enn Roland Lambrette seinen Blick durch die Festhalle aufdem Frankfurter Messegelände schweifen lässt, erkennt man die Wertschätzung, mit der er dem Gebäude begegnet. „Sie ist eine Kathedrale der Ingenieurskunst“, sagt der Geschäftsführer des Frankfurter Ateliers Markgraph voller Anerkennung. Eine Kathedrale, deren Innenraum in diesem Moment jedoch eher einer Großbaustelle ähnelt. Denn in dem altehrwürdigen Kuppelbau, der „Grande Dame“ des Geländes, herrscht emsiges Treiben. Seit Tagen sind mehrere hundert Helfer damit beschäftigt, alles für den großen Auftritt vorzubereiten: den Messestand von MercedesBenz auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) für Pkw in Frankfurt. Wie schon in den vergangenen Jahren soll es wieder ein Stand werden, der das Publikum zum Staunen bringt – mit einem überraschenden neuen Erscheinungsbild und einem Maximum an Nachhaltigkeit. Das Atelier Markgraph verantwortet dabei die Kommunikation sowie das Ausstellung- und Mediendesign. Das Stuttgarter Architekturbüro Kauffmann Theilig & Partner, eine Messebaugesellschaft, spezielle Lichtdesigner und diverse Subunternehmer sind ebenfalls in die logistischen Vorbereitungen involviert.

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Anziehungspunkt für Aussteller und Besucher: Die Messe Frankfurt profitiert von ihrer zentralen Lage in der Stadt. Nukleus des Geländes ist die altehrwürdige Festhalle.

„Die ersten Planungen beginnen meistschon rund zwölf Monate vor der Eröffnung“, sagt Lambrette. Denn nicht nur die Verantwortlichen von Mercedes-Benz wissen um die Bedeutung der IAA – ist sie doch seit Jahrzehnten die Leitmesse der Automobilbranche. Deutschlands größte Messegesellschaft bietet ihr in Frankfurt das ideale Umfeld. Neben der historischen, aber in ihren Nutzungsmöglichkeiten absolut modernen Festhalle stehen insgesamt neun weitere Hallen zur Verfügung. Neuestes Mitglied im Ensemble ist die Halle 11, die zur IAA erstmals genutzt wird – von der BMW Group. Leitmessen vom Kaliber der IAA mit allen „Big Playern“ der Branche sind in Frankfurt keine Seltenheit. Während die Automobilausstellung vom Verband der Automobilindustrie als Gastveranstalter durchgeführt wird, hat die Messe Frankfurt auch selbst zahlreiche Eigenveranstaltungen zu weltweiten Topmessen der jeweiligen Branchen entwickelt. Hierzu zählen unter anderem technische Messen wie die ISH (Weltleitmesse Erlebniswelt

MESSE FRANKFURT IN KÜRZE Zahl der Messen und Ausstellungen im Inland: 42 (konzerneigene Veranstaltungen: 17) Aussteller: 43.682 (bei konzerneigenen Veranstaltungen rund 24.000) Besucher: 1.678.677 (bei konzerneigenen Veranstaltungen rund 900.000) Vermietete Nettofläche: 1.422.605 m2 (konzerneigenen Veranstaltungen rund 1 Million m2) Internationalitätsgrad bei Eigenveranstaltungen: Aussteller: rund 70 Prozent (Vergleich Messeplatz Deutschland: 53 Prozent) Besucher: rund 46 Prozent (Vergleich Messeplatz Deutschland: 25 Prozent)

Bad-, Gebäude-, Energie- Klimatechnik Erneuerbare Energie), Konsumgütermessen wie die Ambiente, ebenso Textilmessen wie die Heimtextil und Techtextil oder auch die Automechanika. „Premiumveranstaltungen sind auch in schwierigen Zeiten für Unternehmen das zentrale Marketinginstrument und zeichnen sich durch einen hohen Internationalitätsgrad aus“, sagt Michael von Zitzewitz,Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Frankfurt. Viele dieser Veranstaltungen, die als Marken in Frankfurt begründet wurden, haben sich mittlerweile auch im Ausland etabliert – allein die Automechanika weltweit an zwölf verschiedenen Standorten.Von Zitzewitz nennt einen damit verbundenen Vorteil: „Wenn wir im Ausland einen qualitativ hochwertigen Aussteller kennenlernen, ist es natürlich leichter, ihn dazu zu bewegen, mit seinen Produkten auch nach Frankfurt zu kommen.“ Die Bühne für die Gäste ist jedenfalls bereitet. Mit einem umfangreichen Dienstleistungsangebot, das vom Standbau über Werbemaßnahmen bis hin zum Catering reicht, bietet die Messe Frankfurt ihren Kunden bei Bedarf die Unterstützung an, die vor und während solcher Großveranstaltungen benötigt wird. Und mag der Aufwand im Vorfeld noch so groß sein, er zahlt sich fast immer aus. Auch für Unternehmen, deren Stände nicht an die imposanten Aufbauten in der Festhalle heranreichen. p

Alle Zahlen beziehen sich auf das Geschäftsjahr 2008.

www.messefrankfurt.com


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Von Kassel nach Erfurt (Thüringen)

„Der Stress bleibt am Boden“ eine Pendelsituation unterscheidet sich ein bisschen von der anderer Pendler: Während viele den Bus, die Bahn oder das Auto nutzen, gehe ich regelmäßig mit der firmeneigenen Turboprop in die Luft. Seit 15 Jahren fliege ich ungefähr einmal die Woche von Kassel-Calden nach Erfurt zum Hauptsitz der Firma. Von Vorteil ist, dass ich selbst einen Pilotenschein habe, und dementsprechend flexibel sein kann. Die 220 Kilometer Entfernung von Kassel nach Erfurt lege ich im Flugzeug in rund 16 Minuten zurück. Innerhalb einer guten halben Stunde erreiche ich außerdem alle Betriebsstätten meines Verlages. Klasse ist, dass man frisch und motiviert zu den Terminen erscheint und keine Arbeitszeit mit Wegezeit vergeudet. Fliegen ist zudem eine der sichersten Reisemöglichkeiten, und wenn man selbst fliegt, achtet man täglich verstärkt darauf, sich gesundheitlich fit zu halten. Auch mental lernt man abzuschalten, denn beim Selbstfliegen muss der Stress am Boden bleiben.

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MARTIN SCHIFFNER, 51 Jahre, Verlagsinhaber der Wochenzeitung „hallo thüringen“, Hofgeismar

Von Frankfurt nach Kassel

„Ohne ICE käme ich gar nicht zur Arbeit“ eit Oktober 2008 pendle ich wochentags mit dem ICE zwischen Frankfurt und Kassel. Und es klappt ganz gut – der Zug ist morgens um sieben selten verspätet. Für die 200 Kilometer braucht der ICE knapp eineinhalb Stunden. Das kann manchmal lang werden, deshalb versuche ich, die Hinfahrt so gut es geht zu „verschlafen“. Vor der Rückfahrt schaue ich unter www.bahn.de/ris, ob der Zug pünktlich ist. Für die Fahrt nehme ich mir immer ein Buch oder Zeitschriften mit und höre Musik. Viele fragen mich, warum ich mir keinen Job in der Nähe suche, aber meine Arbeit macht mir sehr viel Spaß, und die Kollegen sind so nett, dass ich die lange Fahrt

Hessen in Bewegung Zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Um an die Arbeit zu gelangen, steht Arbeitnehmern in Hessen eine gut funktionierende Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung. Wir haben einige Pendler nach ihren Erfahrungen gefragt.

Die Gleise am Frankfurter Hauptbahnhof führen nach ganz Europa.

gerne in Kauf nehme. Durch einen Umzug nach Kassel könnte ich zwar vier Stunden Reisezeit am Tag sparen, aber dann würde ich meinen Mann und unsere Freunde nur am Wochenende sehen, und – nichts gegen Kassel – ich wohne viel zu gern in Frankfurt. Allerdings habe ich mittlerweile einige Pendlerbekanntschaften gemacht, die der Meinung sind, dass man die „Fahrerei“ nur ein paar Jahre mitmachen kann. Also wohne ich vielleicht doch bald in Kassel.

EVELINE RICHTER, 35 Jahre, Mitarbeiterin Pressestelle, Landwirtschaftliche Sozialversicherung (LSV), Kassel

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Von Oppenheim nach Darmstadt

„Mit der Fähre nach Hessen“ ch fahre dreimal die Woche mit dem Auto von Oppenheim nach Darmstadt zur Arbeit. Dabei nehme ich manchmal auch die Autofähre, die mich vom rheinlandpfälzischen Nierstein auf die andere

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Rheinseite ins hessische Trebur bringt. Die Überfahrt dauert zwischen sieben und zehn Minuten, die ich beispielsweise nutze, um Zeitung zu lesen, mich zu schminken oder ein paar Telefonate zu erledigen. Die Fähre rechtzeitig zu erwischen ist häufig reine Glücksache, da sie von vielen Rheinlandpfälzern genutzt wird, um auf die hessische Rheinseite zu gelangen und umgekehrt. Das ist auch kein Wunder, denn durch die Überquerung lässt sich ordentlich Benzin sparen: Wenn ich beispielsweise statt der Fähre über die Autobahn nach Darmstadt fahre, sind das gleich 20 Kilometer mehr – die Fahrtzeit ist allerdings dieselbe. Wenn das Fährschiff in Trebur angelegt hat, fahre ich über die Landstraße Richtung Darmstadt weiter. Das ist im Allgemeinen eine sehr entspannte Fahrt durch die Dörfer, die oft auch mit schönen Naturbeobachtungen verbunden ist. Nur die vielen mit Getreide vollgeladenen Traktoren tragen dazu bei, dass es manchmal etwas langsamer vorangeht.

RAQUEL MEIKLE, 43 Jahre, Sales Executive bei der internationalen Zeitungsorganisation WAN-IFRA, Darmstadt


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SCHWERPUNKT

Waren im Fluss Viel Bewegung am Frankfurter Osthafen: Im Jahr 2008 wurden hier 2,3 Millionen Tonnen Schiffsgüter umgeschlagen. Bei weiterhin steigender Nachfrage soll der Binnenhafen in den kommenden Jahren noch erweitert werden. s ist laut. Es ist windig. Es riecht nach Schwerstarbeit. Von der Honsellbrücke hat man den perfekten Überblick: Meterhoch stapeln sich die bunten Container. Berge von Kies und Sand türmen sich in der Hafenanlage, daneben sind Dutzende Schrottautos schon platzsparend zusammengepresst. Zwei riesige Kräne bewegen sich zwischen Hafenbecken und -anlage hin und her, Lastwagen rattern über die Hafenstraßen. Im Hafenbecken wird gerade ein Binnenschiff aus Rotterdam entladen, das Getreide geliefert hat. Nur ein paar Meter weiter wartet ein Lkw auf Ladung. Der Fahrer muss das Getreide noch heute in die Nähe der luxemburgischen Grenze transportieren. Er ist einer von rund 8.000 Arbeitern, die hier, am Osthafen in Frankfurt, in einem der zahlreichen Betriebe – Speditionen, Umschlagsunternehmen, Autorecyclingfirmen oder Baustoffbetriebe – angestellt sind. Wie eine kleine Stadt präsentiert sich der Binnenhafen – mit eigenen Straßen, meterhohen Industriegebäuden, einer Vielzahl geschäftiger Menschen und besonderen Straßenverkehrsregeln. Die sind auch notwendig, denn der Hafen ist ein sogenannter „Trimodalport“ – hier treffen drei Verkehrsträger unmittelbar aufeinander: Schiff, Lkw und Bahn. Schon im Mittelalter war Frankfurts Hafen ein bedeutender Verkehrshandels-

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Startpunkt Main: Über den Rhein und die Donau steuern große Containerschiffe alle wichtigen europäischen Seehäfen an.

platz für verschiedenste Waren wie Getreide und Baumaterial. Bereits im 14. Jahrhundert verkehrten hier regelmäßig Marktschiffe zwischen Mainz und Frankfurt. Heute ist der Binnenhafen für die Stadt und die Rhein-Main-Region von elementarer wirtschaftlicher Bedeutung. Allein im Jahr 2008 wurden 2,3 Millionen Tonnen Schiffsgüter umgeschlagen – hauptsächlich Massengüter wie Sand und Kies, aber auch Baustoffe für die Bauindustrie, Kohle, Schrott, Mineralöle sowie Recyclingmaterialien. Insgesamt verzeichnet der Hafen mit den Lkw-, Schiffsund Bahntransporten eine jährliche Verkehrsleistung von rund elf Millionen TonZAHLEN – DATEN – FAKTEN Hafen- und Industriegelände: 162 Hektar Gleisnetz der Hafenbahn: 56 Kilometer Uferlänge: 9 Kilometer Straßen: 5,5 Kilometer Anzahl der Unternehmen: 115 Arbeitsplätze: rund 8.000* Container 2008: 27.224 TEU** Umschlag Schiffe 2008: 1.679 Hafenbahnverkehr 2008: 1.100.000 Tonnen * GFH: Gesellschaft der Frankfurter Hafenanlieger ** TEU: „Twenty Foot Equivalent Unit“ ist eine Norm für Containerschiffe. Sie sind somit auf den Transport von genormten 20 bis 40 Fuß großen Containern ausgerichtet.

nen und ist damit umschlagsstärkster Binnenhafen der Region. Ein Grund für den großen Erfolg ist die zentrale Lage innerhalb Deutschlands und Europas. „Frankfurts Hafen ist sehr gut vernetzt: Die großen europäischen Seehäfen und Wirtschaftszentren sind optimal über Europas wichtigste Wasserstraßen Rhein und Donau zu erreichen“, sagt Petra Roth, Oberbürgermeisterin von Frankfurt. In Zukunft werde die Bedeutung des Trimodalports sogar noch zunehmen, zeigt sich Roth überzeugt. Ralf Karpa, Geschäftsführer HFM – Managementgesellschaft für Hafen und Markt mbH, sieht den Verkehrsschwerpunkt des Frankfurter Hafens vor allem innerhalb Europas. Etwa 200 bis 300 Containerschiffe im Jahr pendeln zwischen der Mainmetropole und den Seehäfen Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. „Im Idealfall“, so Karpa, „funktioniert das wie ein Kreislauf.“ Die Schiffe werden in Frankfurt beladen, transportieren ihre Fracht zu einem anderen Hafen, werden dort wieder neu beladen und bringen die Ladung dann erneut hierher, wo sie abermals neue Ladung übernehmen. „Die Nachfrage nach Güterumschlag wächst stetig“, freut sich der Hafen-Chef. In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass Schiffstransporte immer beliebter werden. Denn der Transport sei im Vergleich zum Lkw wesentlich umweltfreundlicher. Entscheidend sei aber, dass mit einer Ladung wesentlich mehr Güter transportiert werden könnten: Um beispielsweise eine Fracht von 2.000 Tonnen zu befördern, werden rund 40 Eisenbahnwaggons oder 90 Lkw benötigt. Karpa ist davon überzeugt, dass sich wegen der zentralen Lage und der optimalen Hafeninfrastruktur in Zukunft viele weitere Unternehmen hier ansiedeln werden. In Anbetracht der guten Ausgangsposition stehen für die kommenden Jahren einige Zukunftsgedanken im Raum: „Wir wollen das Containerterminal erweitern“, so Karpa. Bei weiterhin steigender Nachfrage sollen neue Flächen erschlossen werden. Auch eine Kooperation mit benachbarten Häfen schließt Karpa nicht aus. Mittlerweile ist die Fracht des Binnenschiffes aus Rotterdam umgeschlagen. Der Lkw rattert über die Hafenstraßen Richtung Autobahn. Wenn er am nächsten Tag wiederkommt, bringt er einen Anhänger voll Altglas mit, welches dann wieder mit dem Schiff Richtung Niederlande fährt. Ein Kreislauf eben. p www.hfm-frankfurt.de


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Hessen: Modellland für Elektroautos Fahrzeuge mit Elektromotor werden in Zukunft dazu beitragen, Mobilität kostensparend und klimafreundlich zu gestalten. Deshalb hat die hessische Nachhaltigkeitskonferenz ein umfangreiches Modellprojekt ins Leben gerufen, um Vorreiter für nachhaltige Elektromobilität zu werden. Hessen möchte die Nachfrage nach CO2-neutralen Fahrzeugen erhöhen und einen Unternehmens-Cluster bilden. Das Projekt „Modellland Hessen“ umfasst Forschungsvorhaben zum Mobilitätsverhalten der Bürger und zu den technischen Möglichkeiten und den Anforderungen an die Infrastruktur. Es ist eng verzahnt mit einem zwei Jahre dauernden bundesweitem Programm des Bundesverkehrsministeriums, dass mit 115 Millionen Euro gefördert wird. Auch die Automobilindustrie hat bereits Interesse an einer engen Zusammenarbeit bekundet. Aktuell wird mit Hochdruck an der Einrichtung einer Leitstelle in der Region Rhein-Main gearbeitet. Parallel werden die ersten drei Projektanträge für konkrete Modellvorhaben in Rhein-Main und Nordhessen vorbereitet, denn bereits im Herbst

Die Umwelt im Blick

2009 sollen die ersten Modellversuche an den Start gehen. „Modellland Hessen“ ist Teil der Nachhaltigkeitsstrategie Hessens, die durch eine Vielzahl von Initiativen das Leben in Hessen auch in Zukunft ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig machen wird. www.hessen-nachhaltig.de

Eine der wohl größten Herausforderungen unserer Zeit ist der fortschreitende Klimawandel. So sind auch die Unternehmen der Mobilitätswirtschaft intensiv in die Klimadiskussion eingestiegen. Denn gerade in dieser Branche stecken viele Potentiale, die genutzt werden können, um einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Doch wo stehen die Unternehmen derzeit wirklich? Und wie weit konnten insbesondere die Automobilhersteller bereits Technologien entwickeln, die dem Ruf des Fahrzeugs als Klimakiller entgegenwirken? Diese und weitere Fragen rund um das Thema „Nachhaltige und umweltgerechte Mobilität“ stehen im Mittelpunkt des 7. Hessischen Mobilitätskongresses, der im Rahmen der Internationalen Automobilausstellung (IAA) im Congress Center Messe Frankfurt stattfindet. Im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung organisiert die HA Hessen Agentur GmbH den Event. Partner ist der Verband der Automobilindustrie (VDA). www.mobil-in-hessen.de

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WIRTSCHAFT

Die Welt zu Gast in Hessen

Walter Haas, Technischer Direktor bei Huawei Technologies Deutschland, baute das Europageschäft des chinesischen Telekommunikationsausrüsters mit auf. Auf langen Autofahrten mit chinesischen Führungskräften durch Europa lernte er die Mentalitätsunterschiede zwischen Europäern und Asiaten gut kennen.

Zu Hause ist, wo Innovation ist: Der chinesische Telekommunikationsausrüster Huawei hat sich in Eschborn niedergelassen. n der Eingangshalle schieben sich zwei Männer in Anzügen durch die Glastür – und unterhalten sich auf Chinesisch. Am Empfang nimmt eine Frau im Blazer alle Anrufe entgegen – und plaudert auf Hessisch. Und im Aufzug treffen zwei Gäste mit Laptoptaschen aufeinander – und grüßen sich auf Englisch. Wer Huawei in Eschborn an der Mergenthalerallee besucht, hört Satzfetzen in allen möglichen Sprachen. Das chinesische Telekommunikationsunternehmen beschäftigt in seiner hessischen Niederlassung rund

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150 Mitarbeiter. „Etwa 60 Prozent unserer Belegschaft sind lokale Mitarbeiter aus Deutschland oder anderen EU-Staaten. Die anderen Kollegen kommen vor allem aus China. Wir haben aber auch Mitarbeiter, die aus Afrika oder Südamerika stammen. Wir sind da sehr international“, sagt Walter Haas, Technischer Direktor bei Huawei Technologies Deutschland. Er selbst war vorher in Oberfranken zu Hause. Vorher – das heißt vor knapp zehn Jahren. Damals hat Huawei begonnen, von Deutschland aus den europäischen Markt zu erobern, erst mit der Unterstützung von Partnern, dann mit Hilfe eigener Mitarbeiter. Warum Huawei sich an der Mergenthalerallee angesiedelt hat, erläutert Walter Haas in drei Sätzen. Erstens: „Hessen liegt in der Mitte Deutschlands – und ist damit gut zu erreichen“, sagt er. Zweitens: „Das Rhein-Main-Gebiet kann mit

dem Flughafen Frankfurt aufwarten – und der ist für uns unentbehrlich.“ Und drittens: „In Eschborn hatten sich schon einige unserer Kunden niedergelassen – und denen wollten wir nah sein.“ Neben diesem Dreiklang aus Hessen, RheinMEHR UND MEHR CHINESISCHE FIRMEN SIEDELN SICH AN Die Zahl spricht für sich: Fast 350 chinesische Unternehmen haben sich in Hessen niedergelassen, darunter die Solarenergiefirma Jiangsu Linyang Solarfun, der Maschinenhändler Shanghai Silver Intel und das Beratungsunternehmen China-Europe International Business. Asiatische Restaurants und Supermärkte, Netzwerke und Stammtische, Ärzte und Schulen erleichtern das Eingewöhnen. Eine wichtige Rolle spielt der Frankfurter Flughafen: Jede Woche gibt es mehr als 100 Direktflüge nach China.


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Main-Gebiet und Eschborn fällt ihm aber noch ein weiterer Grund ein. In der Gründungsphase hatte er einen Kollegen, der aus der Region stammte. Der ließ nicht nach, die Vorzüge seiner Heimat zu preisen. Mit seiner Hessenliebe steckte er die übrigen Mitarbeiter an. Auch wenn sie aus Oberfranken kamen.

LEKTIONEN IM AUTO Freilich kann das Unternehmen sich nicht darauf verlassen, dass in jeder Abteilung ein Lokalpatriot mit Überzeugungskraft sitzt. So gibt es Seminare, die Neuzugängen beim Eingewöhnen helfen sollen. Wobei dort eher allgemeine Fragestellungen in den Mittelpunkt rücken, etwa Mentalitätsunterschiede zwischen Europäern und Asiaten. Walter Haas nennt ein Beispiel: „In China schaffen die Menschen erst Vertrauen, bevor sie sich dem Geschäft widmen. In Europa hingegen finden die Menschen eher über das Geschäft zu vertrauensvollen Partnerschaften.“ Er selbst hat solche Gegensätze nicht in monatlichen Unterrichtsstunden, sondern auf langen Autofahrten kennengelernt. Vor zehn Jahren wusste niemand in Deutschland mit dem Namen Huawei etwas anzufangen. Dass das Unternehmen unter anderem Computerprogramme für Mobilfunknetze entwickelt, hatte kaum jemand gehört. So brauste Haas mit Führungskräften aus China über Land. „Tausende Kilometer haben wir zusammen zurückgelegt.“ Während künftige Kunden von Huawei erfuhren, lernte Walter Haas mehr über China. Das Wissen kam ihm noch oft zugute: Gerade in der Anfangszeit reiste er oft nach Shenzhen unweit von Hongkong, wo Huawei den Hauptsitz unterhält. „Sechsmal im Jahr flog ich durchschnittlich nach China“, erzählt er. Viele Mitarbeiter sind an Langstreckenflüge gewöhnt: 75 Prozent der Vertragsabschlüsse rechnet Huawei dem internationalen Markt zu. So hat der Konzern inzwischen weltweit nicht nur 100 Niederlassungen eröffnet, sondern auch zwölf Entwicklungszentren gegründet, unter anderem in Bangalore, Moskau und Dallas. Ein sogenanntes Innovationszentrum ist in Darmstadt entstanden: Dort können Kunden die neue Technologie testen – und mit dem Netzwerkausrüster gemeinsam weiterentwickeln. „Wer an unserem Standort anfängt, hat meist schon Auslandserfahrungen innerhalb des Konzerns gesammelt“, sagt Walter Haas. Doch eines gilt auch für die, die nur drei, vier Jahre bleiben: „Hessen ist unser Zuhause.“ p

In Shenzhen befindet sich die Zentrale von Huawei.

„ICH BIN SO LANGE VOR ORT, BIS ALLES REIBUNGSLOS LÄUFT“ Ob sie die Sprachbarriere überwinden und Freundschaften knüpfen würde? Vor ihrem Umzug nach Eschborn machte sich Sandy Jiang Sorgen. Doch ihre Bedenken waren unbegründet: Sie schrieb sich in ein Deutschseminar ein – und schnappte schnell Vokabeln auf, sie belegte einen Badmintonkurs – und traf rasch auf Gleichgesinnte. Mit neuem Wortschatz und Freundeskreis erkundet sie die Region, fährt nach Bad Soden, Bad Homburg und Rüdesheim. Sandy Jiang arbeitet nun schon seit zweieinhalb Jahren in der Personalabteilung von Huawei in Hessen. Zuvor war sie erst in Shenzhen, dann in Sydney beschäftigt. Auch in Eschborn wird sie nicht immer bleiben können: „Ich bin so lange vor Ort, bis alles reibungslos läuft.“


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WIRTSCHAFT

Vordenker Gemeinsam ist man stärker: Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände tritt für die hiesige Wirtschaft ein. ie lässt sich der drohende Verkehrsinfarkt vermeiden? Können Quereinsteiger den Schuldienst bereichern? Welche unternehmerischen Chancen bergen Elektroautos? Verkehr, Bildung und Umwelt – die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) beschäftigt sich mit einer großen Themenvielfalt. Schließlich vertritt sie 60 Mitgliedsverbände – und ist damit zuständig für 150.000 Firmen und 1,5 Millionen Mitarbeiter. Deren breitgestreute Anliegen bringt sie gegenüber der Politik, den Gewerkschaften und der Öffentlichkeit zu Gehör: „Wir sind die Stimme der hessischen Wirtschaft“, sagt VhU-Präsident Dieter Weidemann. Die VhU erhebt ihre Stimme vor allem in Fragen der Wirtschaftspolitik, Bildungspolitik und Sozialpolitik. Drei unterschiedliche Funktionen nimmt sie dabei wahr: Sie handelt als Interessenmanager der Wirtschaft, als Ansprechpartner der Landespolitik und als Vordenker in Zukunftsfragen. Als Interessenmanager unterstützt die VhU die Arbeitgeberseite in Tarifangelegenheiten und im Arbeitsrecht, vertritt sie

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in Selbstverwaltungsorganen und in Verwaltungsausschüssen. Anders gelagert sind die Aufgaben, die die VhU als Ansprechpartner von Regierung, Parlament oder Fraktionen erfüllt: Von der Gesetzgebung bis zur Umsetzung steht sie für Wirtschaftsbelange ein. Freilich will die VhU ihre Ansichten nicht nur Mandats-, sondern auch Meinungsträgern vermitteln. Deshalb nimmt sie an aktuellen Debatten teil, liefert neue Denkanstöße. Dabei ist Dieter Weidemann eines besonders wichtig: „Wir äußern Kritik. Doch immer in konstruktiver Form“, sagt er. „Wir bringen nicht nur Forderungen vor, sondern entwickeln gleichzeitig Lösungen.“ Das heißt: Wenn die VhU sich für bessere Bildung stark macht, unterbreitet sie konkrete Vorschläge, empfiehlt etwa eine größere Verzahnung von Universität und Referendariat, von erster und zweiter Phase der Lehrerausbildung. „Motor für Reform und Exzellenz in Hessen“ lautet das Motto, mit dem die Dachorganisation der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände wirbt. Was es mit diesem Leitgedanken auf sich hat, macht eine Veranstaltung besonders deutlich: der Hessische Unternehmertag. Der ist inzwischen zu einer festen Institution geworden: Seit 1979 bietet er Managern die Möglichkeit, mit Vertretern aus Politik, Verwaltung und fremden Branchen in Kontakt zu treten. Unter dem Titel „Perspektiven für die deutsche Wirtschaft“ findet er in diesem Jahr am 27. Oktober im Wiesbadener Kurhaus statt. „Wie die

hessische Wirtschaft sich für den Aufschwung fit macht“ wird VhU-Präsident Dieter Weidemann eingangs erläutern. Im Anschluss stellt Ministerpräsident Roland Koch (CDU) „Programme zur Krisenbewältigung“ vor. Das letzte Wort hat Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: Er spricht über das Zusammenspiel von Staat und Wirtschaft. Im Mittelpunkt stehen aber nicht allein die Redner: Die Aufmerksamkeit gilt den mittelständischen Unternehmen, die sich als „Hessen-Champions“ erwiesen haben. „Erzählen Sie Ihre Erfolgsgeschichte, und wir machen sie auf dem Hessischen Unternehmertag publik“, hatte Dieter Weidemann zu Beginn des Wettbewerbs gesagt. Wer dieser Forderung nachgekommen ist, kann sich auf der Bühne wiederfinden: Gemeinsam mit dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung zeichnet die VhU erfinderische und erfolgreiche Betriebe aus. Geehrt wird, wer es in seiner Branche zum Weltmarktführer gebracht, überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze geschaffen oder neue Entwicklungen vorangetrieben hat. Kurz: Der Betrieb muss die Standortkampagne „An Hessen führt kein Weg vorbei“ mit Leben füllen – genau, wie es in den vergangenen Jahren Schenck Process GmbH, Smiths Heimann GmbH und viele mehr getan haben. p www.vhu.de www.hessen-champions.de

Im vergangenen Jahr belegte die Schenck Process GmbH bei den Hessen-Champions in der Kategorie „Weltmarktführer“ den ersten Platz. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (links) und VhU-Präsident Prof. Dieter Weidemann (rechts) gratulierten Melanie Machauer, Human Resources, und Norbert Geilen, Managing Director & CFO. Eine Veranstaltung mit Tradition: Vertreter aus Wirtschaft und Politik treffen sich jährlich auf dem Hessischen Unternehmertag im Wiesbadener Kurhaus.


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Über Transportbänder fahren täglich unzählige Pakete durch die Sortierhalle.

Mitten in Deutschland Seit Anfang des Jahres ist die neue zentrale Hauptumschlagbasis (HUB) der Hermes Logistik Gruppe in Betrieb. Ihr Standort: die osthessische Gemeinde Friedewald. s geht ein strenger Wind. Im Wasser des Burggrabens spiegeln sich die schnell vorüberziehenden Wolken. Von hier oben, dem Turm der Wasserburg Friedewald, hat man einen schönen Blick über die Burganlage, die sich am Ortsrand Friedewalds befindet. Rund 2.500 Menschen leben in dem Dorf, wo – so scheint es zumindest – die Uhren etwas langsamer ticken als andernorts. Doch das Gegenteil ist der Fall. Denn kaum irgendwo anders in Deutschland geht es so schnell zu wie in der osthessischen Gemeinde. Die Hermes Logistik Gruppe hat hier seit Anfang des Jahres ihre größte deutsche zentrale Hauptumschlagbasis in Betrieb genommen. Täglich werden bis zu 200.000 Pakete und andere postalische Sendungen erfasst, sortiert und auf Lastwagen geladen. Rund 350 von ihnen rollen Tag für Tag über das Gelände, transportieren Waren von und nach Friedewald. Es muss schnell gehen – aber glücklicherweise sind die Wege von Friedewald aus kurz: Der Ort in der Nähe von Bad Hersfeld liegt im Zentrum Deutschlands und verfügt über eine außerordentlich gute und verkehrsgünstige

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Lage. Diesen großen logistischen Vorteil haben zahlreiche Logistik- und Distributionsunternehmen erkannt und sich in der Region niedergelassen. „Der Standort könnte nicht besser sein“, bestätigt Sven Klimpel, Leiter der zentralen HUB in Friedewald. Der Logistikfachmann hat die HUB mit aufgebaut. Bereits ein Jahr bevor die neue Anlage den Betrieb aufnehmen sollte, ging Klimpel, der bis dahin in der Hamburger Hermes-Zentrale arbeitete, nach Osthessen, um den für Januar 2009 angepeilten Start bestmöglich vorzubereiten. „Die meisten Mitarbeiter wurden neu eingestellt und mussten erst eingearbeitet werden“, sagt Klimpel. Heute ist in Friedewald längst Routine eingekehrt. In den riesigen Sortierhallen fahren unzählige Pakete über mehr als ein Dutzend Förderbänder. Auf einem Großstücksorter ziehen Autoreifen und eine Teppichrolle vorbei. Dank der hiesigen Sortiertechnik ist Friedewald der Umschlagort für alle sperrigen Güter. „Es gibt nichts, was nicht versendet wird“, berichtet Klimpel. Selbst ganze Gartenteiche wurden hier schon umgeschlagen. „Immer mehr Menschen geben ihre Pakete in einem Hermes-Paketshop ab“, erzählt Klimpel. Über 14.000 Annahmestellen gibt es mittlerweile in Deutschland. Von dort werden die Pakete in die jeweils nächstgelegene der insgesamt 60 Niederlassungen transportiert. Über Nacht gelangen die Pakete dann nach Friedewald oder in eine der anderen HUB des Unternehmens, in denen die Sendungen sortiert und erneut in Lkw verladen werden. Diese steuern dann die zuständigen Niederlas-

sungen an, von wo aus die Pakete schließlich durch die Hermes-Zusteller ihren Empfängern überbracht werden. Bei den Geschäftskunden funktioniere das im Prinzip genauso, sagt Klimpel. Als eine Tochtergesellschaft des Otto-Konzerns ist Hermes verantwortlich für dessen Warentransport – und für die Sendungen der anderen Otto-Töchter wie etwa Heine oder Baur. „Aber auch eine stetig wachsende Zahl anderer Firmen und großer Versandunternehmen übergibt uns ihre Waren zur Auslieferung“, erklärt er. Mehrmals täglich bringen Lkw die Produkte dieser Auftraggeber nach Friedewald, wo sie zusammen mit den Sendungen der Privatkunden in die Niederlassungen transportiert werden. Erst kürzlich hat Hermes mit amazon.de einen neuen namhaften Großkunden dazugewinnen können. Doch nicht nur dank des neuen Kunden ist der HUBLeiter mit dem Verlauf des ersten halben Jahres sehr zufrieden. Das Wachstum liege weit über den Erwartungen. „Wir wollten eigentlich mit 150 Mitarbeitern starten. Jetzt sind es schon rund 220,” freut sich Klimpel. Auch privat fühlt sich der Norddeutsche in Hessen sehr wohl. Die Großstadt Hamburg vermisse er nicht. „Ich bin auch in einer ländlichen Gegend aufgewachsen, in Dithmarschen – und fühle mich hier sehr wohl.“ In einem einzigen Punkt jedoch wurden die Erwartungen des HUB-Leiters enttäuscht. „Ich hatte gehofft, dem norddeutschen Wind entfliehen zu können“, lacht er. „Aber hier ist es genauso windig!“ p www.hermes-logistik-gruppe.de


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KLEINER ORT — GROSSER NAME

450 Jahre, zweierlei Architektur: Das Rathaus von Melsungen, erbaut 1556, und ein Bürogebäude der B. Braun Melsungen AG, fertiggestellt 1992.

Headquarter Melsungen Das nordhessische Fachwerkstädtchen lebt in Symbiose mit dem weltbekannten Unternehmen B. Braun Melsungen – eine typisch hessische Kombination. omantisches Fachwerk, eine uralte Brücke über das Flüsschen Fulda, sanfte, waldbedeckte Hügel in der Umgebung: Melsungen ist ein Ort wie geschaffen für einen Familienurlaub im nordhessischen Mittelgebirge. In dieses Bild der beschaulichen Provinz passen Begriffe wie „Corporate Citizenship“ oder „mobile Arbeitswelten“ auf den ersten Blick nicht ganz so gut. Doch sie gehören zum Alltag vieler der 14.500 Einwohner des Städtchens. Denn ihre Heimat, das ist auch die Heimat des weltbekannten Familienunternehmens B. Braun Melsungen AG, das seine Herkunft schon im Namen trägt. Mit Medizintechnik erwirtschafteten die rund 38.000 Mitarbeiter des Unternehmens im vergangenen Jahr einen Umsatz von fast 3,8 Milliarden Euro – und das in 50 Ländern weltweit. Das „Headquarter“, wie es auch Bürgermeister Dieter Runzheimer (SPD) nennt, liegt hier im Nordhessischen, zusammen mit 5.500 Arbeitsplätzen. Angesichts dieser Größenverhältnisse verwundert es nicht, dass der Ort und das Unternehmen in einer Art Symbiose leben: Der Bundesliga-Handballverein wird von B. Braun gesponsert, und viele Mitglieder der Familie Braun, darunter nicht zuletzt Unternehmenschef Ludwig Georg

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Braun, einer der bekanntesten Unternehmer Deutschlands und langjähriger Präsident des DIHK, engagieren sich hier in vielfältiger Weise. „Wenn man so klein ist, dann sind auch die Wege sehr kurz, lassen sich gute Ideen wie zum Beispiel eine Stiftung für ein kinder- und familienfreundliches Melsungen schneller umsetzen“, schildert Bürgermeister Runzheimer einen der Vorteile, mit denen Melsungen punkten kann. Er sieht häufig internationale Gäste in der Stadt – Geschäftsleute, die sonst Großunternehmen eher in den Metropolen dieser Welt besuchen. „Und ich habe den Eindruck: denen gefällt es hier sehr gut“, so Runzheimer.

Natürlich weiß auch er um die Zweischneidigkeit der engen Verbundenheit mit einem Unternehmen: „Die mitteloder langfristige Finanzplanung ist für unsere Gemeinde sicher schwieriger als für andere Orte vergleichbarer Größe. Es kann sehr gute Jahre geben, aber dann kann es plötzlich ins Gegenteil umschlagen“, sagt der Bürgermeister, der seit 2005 im Amt ist. Letztlich überwiegen aber die Vorteile deutlich – denn ohne B. Braun wäre Melsungen – trotz der anderen Unternehmen, die es hier auch gibt – außerhalb der Region wohl weitgehend unbekannt, läge die Arbeitslosenquote vermutlich nicht deutlich niedriger als sonst im strukturschwachen Nordhessen. So aber bilden Fachwerkstädtchen und Weltunternehmen eine geglückte Kombination, ist der Alltag zwischen Headquarter und Marktplatz möglicherweise vor allem eins: typisch hessisch. p www.melsungen.de www.bbraun.com

Zukunft in der Provinz: In Melsungen forschen die Medizintechniker von B. Braun für den weltweiten Gesundheitsmarkt.


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Auf zu den Sternen Hessen verfügt neben seiner ausgezeichneten Infrastruktur auch über eine leistungsfähige Luft- und Raumfahrtindustrie. Bislang wissen aber nur Branchenexperten, dass dieser Industriezweig im Verbund mit bedeutenden Forschungseinrichtungen sowie innovativen Dienstleistungsanbietern die Zukunft der europäischen Luftund Raumfahrt maßgeblich mitgestaltet. Um das Potential dieser Zukunftsbranche einem großen Kreis bekanntzumachen, gibt eine Broschüre einen breitgefächerten Überblick über die wichtigsten Kompetenzen der Branche. Kostenlos bestellen oder downloaden unter

Der ESA-Satellit GOCE wird vom Europäischen Raumfahrtkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt gesteuert.

www.invest-in-hessen.de

Einfach sitzen bleiben In Kassel und der Region haben die Fahrgäste des öffentlichen Personennahverkehrs jetzt gut lachen: Mit der RegioTram können sie ohne Umsteigen von der Kasseler City in die Umgebung und auch wieder zurück fahren. Das bislang getrennte System von Bahn und Tram in Kassel und der Region ist damit von gestern. Die zentrale Schnittstelle des RegioTram-Systems bildet der Kasseler Hauptbahnhof – hier

Anzüge aus dem Kleinbus treffen Straßenbahn und Eisenbahn aufeinander. Auch die Technik, nämlich der Systemwechsel der unterschiedlichen Stromspannungen der Oberleitungen für die Fahrzeuge, geht im Hauptbahnhof über die Bühne. Die Technik spielt zwar eine große Rolle, viel entscheidender ist aber, dass ganz Nordhessen dank der RegioTram jetzt enger zusammenrückt. www.regiotram.de

Ohne Umsteigen: In Kassel verbindet die RegioTram das Umland mit der Innenstadt.

„Egal zu welcher Uhrzeit, am Flughafen oder auf dem Autobahnrastplatz, in der Woche oder am Wochenende – für meine Kunden ist mir kein Weg zu weit.“ Alexander Desch aus Jossgrund im hessischen Spessart passt sich mit seinem mobilen Anzugservice ganz den Wünschen seiner Kundschaft an. Seit 13 Jahren versorgt er Geschäftskunden mit Anzügen, Hemden und Krawatten. Die Idee, mit einem breiten Anzugsortiment direkt zu den Kunden zu kommen, kam dem gelernten Industriekaufmann, als er selbst einmal einem Freund in sehr kurzer Zeit einen Anzug organisieren musste. In seinem Kleinbus mit speziell angefertigtem Schrank und großem Spiegel hat Desch etwa 70 Anzüge, 100 Hemden und 250 Krawatten dabei. Zwischen 180 und 250 Euro kosten die Stücke aus Baumwolle, Schurwolle, Cord oder Samt. www.anzug-alex.de

Zukunftstechnologie

Wirtschaftsportal

In der neuen Fabrik des nordhessischen Unternehmens SMA Solar Technology AG werden Wechseltrichter produziert, eine zentrale Komponente für Solaranlagen. Mit der CO2-neutralen Produktion leistet SMA als Weltmarktführer in der Solartechnikbranche einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz.

Das deutsch- und englischsprachige Portal für wirtschaftsinteressierte Menschen, Investoren und Unternehmen bietet unter anderem eine umfassende Kooperationsdatenbank, ein Standortinformationssystem sowie Informationen zu den wichtigsten Branchen und Clustern in Hessen. www.invest-in-hessen.de

Diese Photovoltaikanlage steht auf dem Gelände des Solartechnikherstellers SMA in Niestetal.

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BILDUNG UND WISSENSCHAFT

Eine Schule, fünfzig Nationen 1.500 Kinder und Jugendliche aus aller Welt besuchen die Frankfurt International School. Sie wollen das International Baccalaureate Diploma erwerben, eine weltweit anerkannte Hochschulzugangsberechtigung. Gleichzeitig lernen sie aber noch etwas anderes. Zum Beispiel Mut.

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Zehntausende Bücher stehen in den drei Schulbüchereien. Ein Bibliotheksbesuch pro Woche ist Pflicht.

in Schüler schnappt sich eine Bananenmilch, ein Lehrer füllt seinen Becher mit dampfendem Kaffee. Mit einem freundlichen „good morning“ begrüßt die Kassiererin in der Cafeteria eine Mutter, die sich ein Schokoladencroissant aufs Tablett gelegt hat. Wie überall auf dem Campus der Frankfurt International School wird auch hier Englisch gesprochen. Schüler aus 50 verschiedenen Ländern besuchen die größte internationale Schule Deutschlands. In Oberursel, unweit des Naturparks Hochtaunus, treffen allmorgendlich 1.500 Kinder und Jugendliche ein. Vor mittlerweile fast 50 Jahren gründeten sechs amerikanische und britische Familien die internationale Schule in Oberursel. 120 Kinder polterten damals über die Holzbohlen der „Villa Waldlust“, einem Altbau mit Mansardendach und Fachwerk. Inzwischen passt die Schülerschaft längst nicht mehr in die Villa: Gebäude für die Primary School, für Kinder von drei Jahren bis zur ersten Klasse, für die Elementary School (zweite bis fünfte Klasse) sowie die Upper School (bis Stufe 12) kamen hinzu, außerdem eine Turnhalle, ein Sportplatz und ein Anbau für Chemielabore, Computerräume – und Probensäle. „It’s not just academics“, sagt Rhiannon Wood, die Leiterin der Upper School. Es geht ihr nicht bloß um den Lernstoff: Sie will, dass die Kinder nicht nur Matheformeln anwenden und Französisch-

vokabeln kennen, sondern dass sie ihren Charakter entwickeln und ihre Kreativität entfalten: „Wir möchten die Schüler zu verantwortungsbewussten, risikofreudigen und besonnenen Menschen erziehen.“ So steht es auch im Leitfaden der Schule. Rhiannon Wood verlässt sich freilich nicht allein auf Leitsprüche. Wohltätigkeitsprojekte und Bühnenerfahrungen sollen dazu beitragen, dass die Schüler sozial, mutig, nachdenklich werden. Doch durch die internationale Gemeinschaft seien ohnehin alle ein bisschen feinfühliger, wachsamer, meint Rhiannon Wood, selbst Australierin. „They keep you on your toes.“ Sie – das sind zum Beispiel Fredrik Lindwall aus Schweden, Moritz Weidner aus Deutschland und Dayul Lim aus Korea.

DER SOZIALE: FREDRIK LINDWALL Turnschuhe und Kapuzenpullover, Fernsehapparate und Laserdrucker wuchteten Fredrik Lindwall und seine Freunde an einem Samstag Anfang April in den Schulbus. Ihnen stand kein gewöhnlicher Klassenausflug bevor: Zwölf Stunden lang fuhren sie nach Kobiele Wielkie, eine kleine polnische Stadt in der Nähe von Radomsko. Dort liegt ein Waisenhaus, das Schüler wie Fredrik nun schon seit zwei Jahren unterstützen – zum Beispiel durch Altkleider, die sie in der Nachbarschaft sammeln, durch Geldspenden, die sie beim Kuchenverkauf einnehmen. Und durch Besuche.


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Fünf Tage verbrachten Fredrik Lindwall und rund ein Dutzend andere Jugendliche aus der neunten bis elften Klasse in Polen. Sie teilten den Alltag der Waisenkinder, schliefen in Mehrbettzimmern und besuchten den Schulunterricht, brachten ihnen Football bei und gingen mit ihnen zum Bowling. Einige der Kinder waren noch Säuglinge, andere hatten schon ihren achtzehnten Geburtstag gefeiert. Manche hatten Mutter und Vater früh verloren, viele stammten aus Familien, die sich nicht um sie kümmern konnten. „Nach den Erfahrungen war ich meinen Eltern dankbarer als je zuvor“, sagt Fredrik Lindwall. Fredrik Lindwalls Mutter arbeitet für einen großen Lebensmittelkonzern – zunächst in Schweden, dann in Großbritannien, kurz darauf abermals in Schweden, danach in Indonesien und schließlich in Deutschland. Mit seinen achtzehn Jahren ist Fredrik Lindwall viermal umgezogen, hat also viermal neue Städte erkundet, neue Freunde kennengelernt, neue Schulen gefunden. Zuletzt im August vergangenen Jahres. Seitdem geht er in die elfte Klasse der Frankfurt International School. Mit dieser bewegten Biographie ist er nicht allein: Jedes Jahr bilden die Neulinge ein Viertel der gesamten Schülerschaft. Fredrik Lindwalls beste Freunde kommen aus Pakistan und Indien, Schweden und Deutschland. Ein paar Kontakte hat er noch vor Schulbeginn an den Orientierungstagen geknüpft. „Ice-breaking activities“ nennt er solche Unternehmungen. Als Eisbrecher hat sich besonders das Pantomimespiel bewährt – schließlich herrscht zunächst eigentlich ein Sprachgewirr. Rund 30 Prozent aller Schüler stammen aus den Vereinigten Staaten, mehr als 20 Prozent aus Deutschland und knapp 15 Prozent aus Korea, dann folgen in der Schulstatistik die Engländer, Schweden und Dänen.

hingegen kommt es nicht allzu ungewöhnlich vor. Theaterspielen ist eines seiner Lieblingsfächer. An der Frankfurt International School muss jeder Schüler eine Weile zwei der drei Fächer Musik, Kunst und Theater belegen – und deshalb zwangsläufig von Zeit zu Zeit die Bühne betreten, sei es mit einem Instrument oder in einem Kostüm. So hat Moritz Weidner keine Angst vor Publikum: Bei Model United Nations – einer Art UN für Schüler – hat er kürzlich in Dublin als Delegierter ein Grußwort gehalten und auf Umweltschutz gepocht. Welches Land er vertreten habe? Die Bahamas. Moritz Weidner stammt aus Oberursel. Weil er dem Vorbild seines großen Bruders folgen wollte, haben seine Eltern ihn früh an der Frankfurt International School angemeldet, mit vier Jahren schon. Keine Umzüge – das macht ihn zu einer Ausnahme unter seinen Freunden: Einer hat in Russland gelebt, einer ist auf den Niederländischen Antillen aufgewachsen, einer wird nun in die Schweiz ziehen. Machen diese ständigen Abschiede Moritz Weidner nicht zu schaffen? Schon. „Aber es gibt ja E-Mails. Und Facebook.“ Das Internet will er allerdings nicht bloß für soziale Netzwerke nutzen. Das Internet könnte in der Schule eine noch größere Rolle spielen, findet er. Das hat er auch kürzlich dem sogenannten Zukunftskomitee vorgeschlagen, einem Zusammenschluss von Eltern, Lehrern und Schülern. Moritz Weidner meint: Noch viel stärker als bislang sollte die Schulgemeinschaft sich über Internetplattformen verständigen – Lehrer könnten Französisch-Notizen einspeisen, Schüler würden sich nach Matheaufgaben erkundigen. Das hat sogar den Schuldirektor schwer beeindruckt. „So sieht Lernen im 21. Jahrhundert aus“, sagt er.

DER MUTIGE: MORITZ WEIDNER

Aus der Ferne schallte türkische Folklore herüber, später erklangen brasilianische Trommeln. Dayul Lims Aufgabe auf dem jährlichen „World Fest“ hieß: Zuckerwatte herstellen. Sobald ein Kind auf die Metallwanne mit der klebrigen Masse zeigte, hielt sie einen Holzstab hinein und zog die Zuckerwatte heraus. Überall auf dem Pausenhof hatten Schüler, Eltern und Lehrer Imbissbuden aufgebaut, um Esswaren aus aller Welt anzubieten. Am norwegischen Stand brodelte Fischsuppe, in japanischer Obhut

Vor kurzem hat sich Moritz Weidner einer Männerbande mit Dreitagebartstoppeln und einer Schwäche für Rum angeschlossen: Er ist unter die Piraten gegangen. Zumindest auf der Bühne. In einer Schülerinszenierung von „Peter Pan“ ist der Vierzehnjährige in die Rolle eines Seeräubers geschlüpft. Einen Bühnenauftritt hinzulegen, vor ein Premierenpublikum zu treten – das finden die meisten Menschen wagemutig. Moritz Weidner

DIE NACHDENKLICHE: DAYUL LIM

Computer Science und Visual Arts sind in allen Stundenplänen zu finden. Auch bei Moritz Weidner, Fredrik Lindwall und Dayul Lim (v.l.).


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BILDUNG UND WISSENSCHAFT dampften Yakisoba-Nudeln, und unter der französischen Flagge brutzelten Crêpes. Menschenmassen schoben sich über den Pausenhof – bis hin zu Dayul Lims Zuckerwattenstand. Dass es nicht leicht ist, Menschen zusammenzubringen, weiß Dayul Lim. Manchmal beobachtet die Vierzehnjährige, wie sich an der Schule Grüppchen bilden. „Koreaner hängen viel mit Koreanern zusammen, Deutsche mit Deutschen. Das liegt vor allem an der Sprachhürde“, sagt sie. Damit die Schüler die Barriere überwinden, gibt es Zusatzsprachkurse. In „English as a Second Language“ sitzen zum Beispiel gerade ein Schwede und ein Deutscher, eine Japanerin und eine Koreanerin. Dayul Lim konnte diese Klasse überspringen – bevor sie im vergangenen Winter auf die Frankfurt International School kam, hatte sie schon viele Englischkurse belegt, unter anderem in Oxford und Los Angeles. Nun spricht sie Koreanisch, Deutsch und Englisch fließend; außerdem lernt sie Spa-

nisch. Eine Weile lang hat sie außerdem jeden Samstag eine koreanische Schule besucht; sie wollte den Anschluss an das Land, in dem sie nur ein Jahr gelebt hat, nicht verlieren. p www.invest-in-hessen.de 쑺 Internationalität 쑺 Internationale Schulen Musik liegt in der Luft: Die internationale Schule hat mehrere Chöre, Orchester und Bands.

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Träume, Ideen und Visionen gibt es in den unterschiedlichsten Größen, aber sie in die Tat umzusetzen ist in jedem Fall großartig. Um Investoren in FrankfurtRheinMain hierbei zu helfen, bietet die Region eine erstklassige Infrastruktur mitten im Herzen Europas. Ob zu Lande, zu Wasser, in der Luft oder auf dem Daten-Highway – unsere Transportmittel sind so vielfältig wie die Pläne unserer Investoren und haben dennoch ein gemeinsames Ziel: den Erfolg. Wie wir Ziele verwirklichen? Sehen Sie selbst:

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hre Lebenserwartung ist kurz. Schon nach 25 Tagen sind sie alt, und nur wenige Tage später werden sie sterben. Professor Heinz Osiewacz vom Institut für Molekulare Biowissenschaften an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt tut alles, um die Pilze möglichst lange am Leben zu erhalten. Seine Erkenntnisse sollen dazu beitragen, den menschlichen Alterungsprozess zu verstehen, um später einmal gegen die vielen Einschränkungen und Krankheiten, die in den späten Lebensabschnitten auftreten, vorgehen zu können. Osiewacz’ Arbeitsplatz ist ein Labor im „Biozentrum“ des neuen Frankfurter Stadtteils Riedberg. Hier im Nordwesten der Stadt entsteht eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Deutschlands. „Leben und Arbeiten“ lautet das Konzept der Stadtplaner. Denn neben den naturwissenschaftlichen Fakultäten der Universität und den Forschungsinstituten, die sich hier sukzessive ansiedeln, sollen auf dem Riedberg bis zum Jahr 2017 rund 15.000 Menschen wohnen. Professor Heinz Rund 3.000 sind Osiewacz erforscht bereits in ihre neu auf dem Campus gebauten Häuser Riedberg das Leben von Pilzen. und Wohnungen eingezogen – seit einigen Jahren ist der Riedberg eine gigantische Baustelle. Als Osiewacz als einer von acht Professoren des damaligen Fachbereichs Biologie – heute Biowissenschaften genannt – vor rund 16 Jahren in das „Biozentrum“ einzog, war diese Entwicklung nicht abzusehen. „Lange Zeit waren wir Biologen auf dem Riedberg fast isoliert“, erzählt der Wissenschaftler. Denn der wesentlich größere Teil seines Fachbereichs befindet sich an anderen Orten innerhalb Frankfurts. Dieser Zustand wird jedoch nicht mehr lange andauern. Bereits im nächsten Jahr sollen die Kollegen und Studenten in das „Biologicum“ einziehen. Was die Wissenschaftler derzeit hautnah erleben, ist die Entstehung einer „Science City“ – einer Wissenschaftsstadt – in der sich Lehre, Wissenschaft und Wirtschaft gegenseitig befruchten und voneinander profitieren. Eine Schlüsselrolle innerhalb dieser Entwicklung nimmt das Frankfurter Innovationszentrum Biotechnologie (FIZ) ein. Die Gesellschaft stellt biotechnologischen und pharmazeutischen Forschungsunternehmen passende Büro- und Laborflächen zur Verfügung. Sie hilft aber auch beim Austausch untereinander und vermittelt Kontakte zwischen der Universität und den im FIZ an-

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sässigen Unternehmen, zum Beispiel bei Projektanbahnungen. Wirtschaft und Wissenschaft sollen auf diese Weise stärker verzahnt werden. Ein Konzept, das Osiewacz sehr begrüßt. „In gewisser Weise sitzen wir Professoren ja schon in einem Elfenbeinturm“, gibt er zu. „Als Forscher sind wir oft mehr an hehren Erkenntnissen und grundlegenden Dingen interessiert als an einer möglichen Marktreife.“ Die enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft könne nur fruchtbar sein. Ohnehin

dern. Firmen aus dem FIZ sind noch nicht dabei. „Als ich mich beim Projektantrag nach potentiellen Partnern umsah, befand sich das FIZ noch im Aufbau“, erzählt er. Beim nächsten Forschungsvorhaben werde er sicherlich auch dort Kooperationsmöglichkeiten suchen, so Osiewacz. An Baustellen und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten hat sich der Wissenschaftler bereits gewöhnt – auch im Privaten: Denn Osiewacz gehört zu den ersten, die auch ihr privates Domizil

Das Leben ist eine Baustelle

Auf dem Frankfurter Riedberg entsteht ein neuer Stadtteil zum Leben und Arbeiten.

sei die Konzentration der zahlreichen naturwissenschaftlichen Institute und Unternehmen an einem Standort vielversprechend. Nur in starken Verbünden könne man größere Forschungsprojekte planen und durchführen. Damit verbunden sei auch die erfolgreiche Einwerbung von Forschungsgeldern. Und das werde insbesondere dann einfacher, wenn man solch forschungsstarke Institute, wie das ebenfalls am Riedberg angesiedelte MaxPlanck-Institut für Biophysik und das in der Planung befindliche Max-PlanckInstitut für Hirnforschung, an seiner Seite habe. Auch den Pilzen widmet sich Osiewacz im Rahmen eines großen Forschungsprojektes. Als Leiter des Projektes koordiniert er rund ein Dutzend universitäre Forschungsgruppen und ein Unternehmen aus den unterschiedlichsten europäischen Län-

am Riedberg aufschlugen. Vor drei Jahren ist er zusammen mit seiner Frau in den neuen Frankfurter Stadtteil gezogen. Er schätzt vor allem den kurzen Weg zur Arbeit. „Das ist ein großer Gewinn an Lebensqualität“, so Osiewacz. Außerdem haben sich rasch sehr nette nachbarschaftliche Kontakte entwickelt. Nach und nach wachse auch die Infrastruktur: Ob Supermärkte, Friseur, Ärzte, Restaurant und Cafés – für die Bedürfnisse des Alltags sei gesorgt. Auch wenn ihn der Lärm und Schmutz, den die zahlreichen Baustellen zwangsläufig mit sich bringen, manchmal nervt – bereut hat er seine Entscheidung noch nie. „Wo gehobelt wird, fallen eben auch Späne“, sagt der Wissenschaftler ganz pragmatisch. p www.riedberg-ffm.de www.sciencecityfrankfurtriedberg.com


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BILDUNG UND WISSENSCHAFT

Regionale Kompetenzen vernetzen Wenn Wirtschaftsunternehmen und wissenschaftliche Institutionen kooperieren, profitieren alle Beteiligten: Das zeigt sich insbesondere in Hessen, wo zahlreiche „Cluster“ regionale Kompetenzen bündeln.

emeinsam sind wir stark“ ist eine Weisheit, die in Hessen gerne beherzigt wird. Das zeigt eine Reihe von Wirtschaftsinitiativen, die sich der Zusammenarbeit einer ganzen Branche verschrieben haben. In sogenannten „Clustern“ aus den verschiedensten Sektoren werden hessenweit Kompetenzen von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und wissenschaftlichen oder staatlichen Institutionen gebündelt. Sie alle wollen vor allem eines: den Kooperationsgedanken mit Leben füllen und so einen möglichst großen Mehrwert für alle Beteiligten erzielen. Die Gründer dieser regionalen Kompetenznetzwerke haben erkannt, dass Cluster wie ein Wachstumsmotor wirken können: Zum einen schaffen sie Wettbewerbsvorteile für ihre Mitglieder und binden diese so noch stärker an den jeweiligen Standort. Zum anderen ziehen sie weitere Unternehmen an und fördern so die wirtschaftliche Entwicklung ganzer Landstriche. Elisabeth Straßer, Wirtschaftsförderin im Kreis Groß-Gerau, ist von diesen Vorteilen überzeugt. Sie hat im September 2003 zusammen mit der IHK Darmstadt und auf Initiative der Zulieferbranche den „Automotive Cluster RheinMainNeckar“ ins Leben gerufen. „Am Anfang hatten wir nicht viel mehr als die simple Erkenntnis, dass es in unserer Region vor Kompetenz im Automobilsektor nur so brummt“, erzählt sie. „Das profunde Wissen und die räumliche Nähe einer ganzen Reihe guter Betriebe haben wir uns seit-

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Der Cluster „gesundheitswirtschaft rhein-main“ hat der Volkskrankheit Diabetes den Kampf angesagt und bietet auf Infoveranstaltungen einen Risikocheck an: Das Angebot nahm auch der Offenbacher Stadtkämmerer Michael Beseler gerne an.

her zunutze gemacht und schon sehr viel auf die Beine gestellt.“ Mittlerweile organisiere der Automotive Cluster jedes Jahr mehrere Fachkonferenzen, Kooperationsbörsen, Betriebsbesuche und Fortbildungen, bei denen bis zu 80 Unternehmen die Gelegenheit zum Meinungsaustausch nutzen und sich somit gegenseitig unterstützen. Wer wie in diesem Fall mit einem Cluster konkrete Standortvorteile erreichen wolle, kann nach Einschätzung von Elisabeth Straßer in Hessen auf besonders engagierte Unternehmen setzen: „Die Menschen und das Wissen in den Betrieben sind die treibenden Kräfte, die den bisherigen Erfolg unserer Region als anerkannter Automobilstandort ausmachen.“ Auch Detlef Franke von der im Jahr 2006 gegründeten Initiative „gesundheitswirtschaft rhein-main“ kann Positives vermelden. Während der Wissenstransfer im Gesundheitssektor früher eher auf einzelne Berufsgruppen beschränkt gewesen sei, biete sich nun erstmals ein Rahmen, in dem Ärzte, Mitarbeiter von Krankenhäusern und Pflege- und Rettungsdiensten, Vertreter der Pharmaindustrie, Medizintechnik und Biotechnologie sowie Versicherungen und Beratungsunternehmen branchenübergreifend zusammenarbeiteten. Wie gut sich das jeweilige Know-how dieser Akteure ergänzen kann, zeigt nach Ansicht von Detlef Franke zum Beispiel ein Arbeitskreis, der sich mit der Volkskrankheit Diabetes befasst: Rund zehn Cluster-Mitglieder – darunter der hessische Landesverband des Deutschen

Diabetiker-Bundes, Arztpraxen, Kliniken, Unternehmen, Stadtverwaltungen und Krankenkassen – entwickelten gemeinsam ein Maßnahmenpaket, das dazu beitragen soll, die Dunkelziffer der Erkrankungen aufzudecken und dadurch die Prävention und Patientenversorgung erheblich zu verbessern. In ausgewählten hessischen Stadtverwaltungen führt der Arbeitskreis beispielhaft Studien sowie Informationsabende, Diabetes-Tests und Schulungen für Risikogruppen durch – Maßnahmen, die ein einzelnes Mitglied des Clusters alleine kaum auf die Beine stellen könnte. Die in hessischen Clustern vertretenen Branchen sind im Übrigen so vielseitig wie das Land selbst: In den Bereichen Finanzen, Gesundheit, Medizin, Consulting, Automobil, Materialwirtschaft, Optik, Adaptronik, Informations- und Kommunikationstechnologie bis hin zu Logistik, Holzwirtschaft und Erneuerbare Energien haben sich die jeweiligen Akteure in Kompetenznetzwerken zusammengeschlossen. p

CLUSTER IN HESSEN Das TechnologieTransferNetzwerk Hessen (TTN-Hessen) hat gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft hessischer Industrie- und Handelskammern die Broschüre „Clusterund Netzwerk-Initiativen in Hessen“ herausgegeben – ein praktisches Nachschlagewerk, das einen fundierten Einblick in die hessische Clusterlandschaft bietet. www.ttn-hessen.de


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BILDUNG UND WISSENSCHAFT

Bewegung auf allen Ebenen Mobilität für alle: Das Midkom-Taxi holt Fahrgäste vor der Haustür ab, und der Fahrer hilft ihnen beim Einsteigen.

Wenn man sich auf dem Land ohne Auto fortbewegen möchte, wird es oft schwierig. Drei hessische Gemeinden haben ein Mobilitätssystem eingeführt, das den öffentlichen Nahverkehr ergänzt. b Gedächtnistraining, Kreativwerkstatt oder Mittagstisch: Den ortsansässigen Senioren wird im hessischen Mühltal einiges geboten. Bis 2007 allerdings konnten sie die Angebote der Gemeinde kaum nutzen. Das Problem war die unzureichende Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Wer sich ohne Auto fortbewegen wollte, kam zu bestimmten Tageszeiten kaum vom Fleck. Außerdem waren die Bushaltestellen so weit von einigen Wohngebieten entfernt, dass gerade ältere Menschen in ihrer Mobilität stark eingeschränkt waren. 2007 entschloss sich die Gemeinde deshalb zu handeln. Gemeinsam mit dem Darmstädter Softwarehaus Telenet AG Rhein-Main und dem Fachbereich Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Universität Darmstadt startete Mühltal mit dem Projekt „Midkom“ (Mobilität in den Kommunen) eine Initiative, die den ÖPNV ergänzt und erweitert. Das Projekt besteht aus zwei sich ergänzenden Fahrangeboten: dem von Bürgern Mühltals ehrenamtlich gefahrenen Midkom-Bus und dem Midkom-Pkw, der ähnlich wie ein Anrufsammeltaxi funktioniert. „Unser Pkw-Angebot holt die

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Mühltaler montags bis freitags zwischen 8 und 14 Uhr an bestimmten Haltestellen ab. Außerdem fährt es Orte an, die die Mühltaler besonders häufig nutzen“, erklärt Axel Klein, Projektansprechpartner der Gemeinde. Hierzu zählten Arztpraxen, Apotheken, Banken, Supermärkte und zahlreiche öffentliche Einrichtungen. Auf Wunsch fährt das Taxi aber auch andere Haltepunkte an. Wie bei einem Anrufsammeltaxi auch geben die Fahrgäste ihren Auftrag etwa 30 Minuten vor der gewünschten Abfahrtszeit telefonisch ab. Eine Fahrt kostet 2,20 Euro pro Person. Ähnlich funktioniert der Midkom-Bus. Er fährt allerdings ausschließlich Donnerstagnachmittags und Freitagabends. Von dem Pkw-Angebot unterscheidet ihn, dass eine Fahrt knapp die Hälfte kostet. Mit dem Start der Initiative im Juli 2007 wurden gleich mehrere Probleme der Gemeinde auf einmal gelöst. Bereits wenige Monate später schlossen sich die Nachbarkommunen Groß-Zimmern und Ober-Ramstadt dem Projekt an. Das Erfolgspotential erkannte auch das Land Hessen und wählte Midkom als ein besonders innovatives Forschungs- und Entwicklungsverbundprojekt aus. Als Modell- sowie Pilotprojekt wird es seitdem

gefördert und aus Mitteln der Europäischen Union finanziert. Besonders innovativ ist das Projekt insbesondere deshalb, weil es rein bedarfsorientiert fährt: Midkom ist kein Linienangebot. Es befördert die Fahrgäste zu den von ihnen gewünschten Zeiten an die von ihnen angegebenen Zielorte. „Kein Fahrzeug ist unterwegs, wenn es dafür keinen Bedarf gibt. Dafür versuchen wir, möglichst viele Personen auf einmal zu transportieren, damit die Fahrten effizient und umweltbewusst sind“, so Klein. An dieser Stelle kam das Darmstädter Unternehmen Telenet AG ins Spiel. Das Softwarehaus entwickelte das Mobilitätssystem WLAB („Webbasiertes Leitsystem für Alternative Bedienformen im ÖPNV“). „Die Software koordiniert automatisch alle gewünschten Fahrziele sowie Abfahrtszeiten und errechnet daraus die optimale Route für den Pkw- oder Busfahrer“, erklärt Horst Benz, Projektleiter bei der Telenet AG. Ganz ohne menschliche Hilfe funktioniert das webbasierte System aber nicht. So verfügt Midkom über eine eigene Zentrale, deren Mitarbeiter alle Anrufe entgegennehmen, sie ins System eingeben und die errechneten Routen mitsamt der Uhrzeit an die Fahrer weiterleiten. Die Zentrale befindet sich im Mühltaler Haus Burgwald, einer Rehaklinik für Suchtkranke. In einem kleinen Raum mit Computer und Telefon sitzt dort pro Schicht ein ehemaliger Patient der Klinik und verbindet mittels WLAB alle Fahrwünsche zu einer Route. „Wir führen im Rahmen dieses kommunalen Projekts ehemals Drogenabhängige ins Arbeitsleben zurück und verhelfen ihnen so teilweise zu einer Festanstellung“, so Benz. p www.midkom.de www.innovationsfoerderung-hessen.de


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Gemeinsam stark Mit dem hessischen „Pakt für Ausbildung“ stärken sich nicht nur Wirtschaft und Bundesland gegenseitig den Rücken. Sie helfen auch Tausenden von Schulabgängern. auchende Köpfe, konzentrierte Blicke, Gesichter zwischen Bangen und Hoffen – wie in ganz Deutschland spielen sich auch an hessischen Schulen jedes Jahr dieselben Szenen ab: Die Schulabgänger fiebern und arbeiten ihrem Abschluss entgegen. Doch was kommt danach? Davon haben viele Schüler bestenfalls ein unklares Bild. Eine gefährliche Situation, zumal die Zahl der Ausbildungsplätze in der Vergangenheit häufig unter der der Schulabgänger lag und viele unversorgt blieben. Um diesem Problem zu begegnen, gibt es in Hessen seit 2004 den sogenannten „Pakt für Ausbildung“ zwischen Wirtschaft und Landesregierung. Das Ziel ist klar umrissen: Jeder Schulabgänger bekommt ein Angebot. Sei es ein Ausbildungsplatz oder eine Möglichkeit zur weiteren Qualifizierung. Gerade angesichts der aktuellen Situation ist der Pakt für Ausbildung ein Erfolgsmodell: Denn seine Gründung zeigt, wie aus einer Krisensituation eine Chance für alle Beteiligten erwachsen kann. „Im Herbst 2001 brachte der Einbruch der Wirtschaft einen deutlichen Rückgang der Azubi-Zahlen mit sich“, sagt Dr. Brigitte

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Scheuerle, Geschäftsführerin der IHK Frankfurt. Als Reaktion wurde – zunächst auf Bundesebene – der „Pakt für Ausbildung“ ins Leben gerufen. Er beruht auf der gegenseitigen Unterstützung der Paktpartner: Die Wirtschaft erklärte sich bereit, mehr Ausbildungsplätze zu identifizieren, der Staat versprach, Schüler beim Sprung ins Berufsleben zu begleiten und besser zu qualifizieren. In Hessen können alle Beteiligten bereits auf beachtliche Erfolge zurückblicken. „Im ersten Schritt war es unser Ziel, 3.000 neue Ausbildungsplätze und 1.500 Praktika in den fortlaufenden drei Jahren zu identifizieren“, sagt Brigitte Scheuerle. „In der zweiten Runde haben wir auf 4.000 erhöht. Beide Ziele haben wir erreicht.“ Gerade die Praktika, durch die Bewerber besser für ihren Wunschberuf qualifiziert werden sollen, sind sehr erfolgreich. „Diese Einstiegsqualifizierung hat sich in den bisherigen fünf Jahren als großer Renner erwiesen“, so Scheuerle. „Bis zu 70 Prozent der Jugendlichen gehen danach direkt in eine Ausbildung über.“ Die wichtigste Stelle bei der Vorbereitung auf das Berufsleben ist jedoch

nach wie vor die Schule. Deshalb haben die hessischen Paktteilnehmer das Projekt „Optimierung lokaler Vermittlungsarbeit“, kurz OLOV, ins Leben gerufen. Durch das Projekt sollen Schüler besser auf das Berufsleben vorbereitet werden. Beratung und Unterstützung – zum Beispiel beim Erstellen eines eigenen Werdegangs – stehen dabei im Mittelpunkt. „Viele Schulabgänger wissen nicht, wo ihre Stärken und Schwächen liegen“, sagt Birgitt Klingkowski, Schulamtsdirektorin im Schulamt für Groß-Gerau und den Main-Taunus-Kreis in Rüsselsheim, und fügt hinzu: „Manchmal gelingt der Übergang in den Beruf auch deswegen nicht, weil der entsprechende Schüler nicht passgenau qualifiziert ist.“ Erst wenn klar ist, wie es etwa um ihre Ausdauer, Konzentration, soziale Kompetenz, Team- und Kritikfähigkeit bestellt ist, können gezielt Maßnahmen ergriffen werden, um die Qualifikation der Schüler zu verbessern und damit auch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. p www.ihk-hessen.de

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BILDUNG UND WISSENSCHAFT Die Schüler der Fachschule für Technik an der Ludwig-GeisslerSchule in Hanau und Studenten der Fachhochschule Friedberg freuen sich über ihren Erfolg.

Erfindungssuche amen bekannter Wissenschaftler wie Emil von Behring (Abbildung), Justus von Liebig und Wilhelm Conrad Röntgen sind untrennbar mit Mittelhessen verknüpft. Sie verdeutlichen, welches Potential die Bildungs- und Forschungsregion seit jeher besitzt. Diese Tradition wird fortgesetzt. Heute stammen rund die Hälfte aller hessischen Erfindungen beziehungsweise Patentanmeldungen aus der Region Mittelhessen.

N Schüler und Studenten entwickeln „Eco-Racer“ co-Racer“ heißt Deutschlands energiesparsamstes Auto: Auf einer Strecke von 727 Kilometern verbraucht das motorbetriebene Fahrzeug, das aussieht wie ein Liegefahrrad mit Motor und Karosserie, nur einen Liter Benzin. Doch die Konstrukteure dieses Energiesparwunders sind keine Wissenschaftler, sondern Schüler der Fachschule für Technik an der Ludwig-Geissler-Schule in Hanau und Studenten der Fachhochschule Fried-

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berg. Beim Shell-Eco-Marathon, der im Mai dieses Jahres auf dem Lausitzring stattfand, erzielte der Eco-Racer das beste Ergebnis der deutschen Teilnehmer in der Prototypenklasse mit Ottomotor. An dem größten Energie-Effizienz-Wettbewerb Europas hatten 3.000 Teilnehmer aus 29 Ländern teilgenommen. Vorgestellt wurden rund 200 verschiedene Fahrzeuge in den Kategorien Solar-, Wasserstoff- und Benzinantrieb.

„Klimzug“ fürs Klima

Schwindelig gespielt

ie Diskussion um den Klimawandel ist so aktuell wie nie zuvor. Hessen geht dieses Thema mit dem Projekt „Klimzug-Nordhessen“ offensiv an. Darin koordiniert zum Beispiel die Universität Kassel allein 27 Teilprojekte, die Anpassungsstrategien an den Klimawandel erforschen, erproben und umsetzen. Ausschlaggebend für die Realisierung des Verbundprojekts war insbesondere eine leistungsfähige regionale Kooperation zwischen Universität, dem Regionalmanagement Nordhessen sowie dem Regierungspräsidium, der Stadt Kassel und den fünf nordhessischen Landkreisen. Weitere Teilprojekte werden von Forschern der Hochschule Fulda, der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt und des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik durchgeführt.

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www.klimzug-nordhessen.de

ieses Jahr steht für die „Darmstadt Dribblers“ unter einem guten Stern: Sie dürfen sich RoboCup-Weltmeister nennen. Zwar sind die Darmstadt Dribblers keine ganz normale Fußballmannschaft, sondern drei bis zu 60 Zentimeter große, autonome humanoide Roboter. Doch sie kicken genauso gern wie „Jogis Jungs“. Entwickelt wurden sie vom Bereich Simulation, Systemoptimierung und Robotik der TU Darmstadt unter der Leitung von Professor Oskar von Stryk. Beim RoboCup 2009 in Graz traten kürzlich 22 Teams aus 44 Ländern gegeneinander an. Die Roboter der TU Darmstadt spielten „alle Gegner

www.mitte-hessen.de/de/wissenschaftbildung/erfindungssuche

schwindelig“ und trugen souverän den Sieg nach Hause. Der RoboCup ist eine Initiative zur Förderung der Forschung und Entwicklung autonomer und intelli-

genter Roboter. Gleichzeitig ist er der größte Robotik-Wettbewerb der Welt. www.dribblers.de


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Zukunftsträchtige Ideen fördern ür Unternehmen sind Forschungs- und Entwicklungsprojekte nicht nur zeitaufwendig, sondern auch mit finanziellen Risiken verbunden. Im Rahmen der sogenannten „Hessen ModellProjekte“ fördert das Land Hessen deshalb Unternehmen, die innovative Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen im Technologiebereich entwickeln, und stellt so sicher, dass zukunftsträchtige Ideen nicht an der Finanzierung scheitern. Unterstützt werden vor allem kleine und mittlere Unternehmen aus Hessen, die mit weiteren Partnern zusammenarbeiten. Seit Anfang des Jahres werden auch Projekte mit Schwerpunkt im Automotivebereich bezuschusst, mit dem Ziel die Diversifizierung des Produktsortiments und die Erschließung neuer Märkte zu beschleunigen.

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Weiterbildung Hessen e.V. er Verein Weiterbildung Hessen e.V. ist die bedeutendste Vereinigung von Bildungsanbietern in Hessen. Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, die Qualität von Bildungsanbietern zu erhöhen und zeichnet vorbildliche Unternehmen mit dem Gütesiegel „Geprüfte Weiterbildungseinrichtung“ aus. Bis heute haben sich mehr als 320 Anbieter der beruflichen, allgemeinen und politischen Bildung durch Weiterbildung Hessen e.V. zertifizieren lassen. Öffentlich geförderte Träger sind ebenso vertreten wie privatwirtschaftliche Unternehmen.

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Als starkes Netzwerk wirbt der Verein zudem für den Gedanken des lebensbegleitenden Lernens. Er formuliert Anliegen der Branche an die Politik, informiert über Entwicklungen und führt Veranstaltungen durch. Das Land Hessen hat Weiterbildung Hessen e.V. mit Aufgaben betraut, die sich mit den Zielen des Vereins verbinden. So setzt der Verein das Förderinstrument Qualifizierungsscheck (www.qualifizierungsschecks.de) um. Unter www.hessen-weiterbildung.de betreibt er außerdem die hessische Weiterbildungsdatenbank. www.weiterbildunghessen.de

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LEBENSQUALITÄT

Umrankt: Tomoko Kuriyama am Lorcher Kapellenberg.


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Japan im Rheingau omoko KuriyamaEderer schlüpft in ihre Wanderstiefel, bevor sie ihren Arbeitstag antritt. Sie braucht Profilsohlen – andernfalls würde sie an den steilen, steinigen Schieferhängen abrutschen: Ihr Einsatzort sind die Weinberge bei Lorch im Rheingau. Dort kraxelt sie zwischen den Reben umher, wickelt Triebe und steckt Ranken fest. In der Ferne rattert die Eisenbahn, rauscht der Autoverkehr, ziehen Rheinschiffe vorbei. Doch Tomoko Kuriyama lässt sich nicht ablenken. Ihre Aufmerksamkeit gilt den Weinstöcken am Lorcher Kapellenberg: Sie ist die Kellermeisterin des Traditionsguts Friedrich Altenkirch. Tomoko Kuriyama stammt aus Tokio. Ihr Großvater trank gerne Rotwein und machte sie auch mit europäischen Sorten bekannt. Den Riesling aber entdeckte sie erst später, viel später, als sie längst ihr Politikstudium mit Schwerpunkt internationale Beziehungen abgeschlossen und Marketingerfahrung in einem Mobilfunkkonzern in Tokio gesammelt hatte. Damals lernte sie ihren Mann kennen, einen Deutschen. Gemeinsam zogen sie nach Hessen, erst nach Gelnhausen, dann nach Lorch. Fast achtzehn Jahre ist das inzwischen her. „Ich überlegte damals: Was kann ich wohl in einem fremden Land tun?“, erzählt Tomoko Kuriyama. Sie wusste: In eine Marketingabteilung wollte sie nicht zurückkehren. „Es sollte etwas Handfesteres sein.“

Ihren Namen wird man sich merken müssen: Der Kellermeisterin Tomoko Kuriyama gelingen im Rheingau erstklassige Rieslinge.

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AUSBILDUNG BEIM AUSNAHMEWINZER Tomoko Kuriyamas Wahl fiel auf den Wein. Sie hörte von Paul Fürst, einem Ausnahmewinzer, preisgekrönt und begeisterungsfähig. Sein Weingut würde ihr Ausbildungsbetrieb werden, entschied sie. Und fuhr einfach hin. Paul Fürst war einverstanden. Er brachte ihr das Handwerk bei, zeigte ihr, was sie über den Weinbau und auch die Weinpräsentation wissen musste. „Ich hatte mich nicht getäuscht“, sagte Tomoko Kuriyama nun. „Paul macht alles – und gibt sein Wissen weiter.“ Auf diesen Grundlagen konnte sie aufbauen: Sie schrieb sich an der Fachhochschule Geisenheim im Rheingau ein, wo Studenten sich mit Weinwirtschaft, Weintechnologie, Weinbau beschäftigen. Ein Traktor rumpelt vorbei. Der Fahrer winkt, als er Tomoko Kuriyama sieht. „Ein Kollege“, sagt sie. Einige Meter weiter bremst der Trecker. Bevor der Mann vom Sitz springt, zieht er sich eine Maske vor das Gesicht. Dann schnappt er sich die Spritzanlage, die er auf seinem Anhänger gelagert hat. Sieben, acht, neun Mal müssen Winzer im Jahr ihre kostbaren Reben mit chemischen Mitteln einsprühen. „Der Weinbau ist keine Apfelzucht“, sagt Tomoko Kuriyama. Mehltau bedroht die Weinstöcke. „Würden wir nicht spritzen, könnten wir unsere Ernte verlieren. Ein kompletter Ertragsausfall wäre wahrscheinlich.“ Solche Katastrophen muss Tomoko Kuriyama verhindern. Ihre Aufgaben sind zahlreich: Sie erntet Trauben und zieht Proben, kontrolliert Bestände und bestellt Etiketten, leitet Verkostungen und besucht Kunden. Im Sommer ist sie etwa nach Berlin gereist. Im berühmten Café Einstein hat sie ihre Weine vorgestellt; sie

sprach mit Journalisten, Gastronomen, Weinkennern. Solche Unterhaltungen bescheren ihr Rückmeldungen. Auf die legt sie großen Wert, insbesondere, wenn sie von geschätzten Professoren, früheren Vorgesetzten oder gewieften Weinhändlern stammen. Am liebsten verbringt Tomoko Kuriyama ihre Zeit jedoch nicht in der Hauptstadt, sondern in den Weinbergen. Dort gefällt ihr die Abwechslung: „Jedes Jahr ist anders“, sagt sie. Dann verbessert sie sich: „Jeder Tag ist anders. Wir müssen uns der Natur anpassen.“ Das gelingt ihr: Sie erhält viel Beifall für ihre Arbeit. Ihr Gespür für Riesling-Eleganz sei bemerkenswert, schreiben die Kritiker. Sie loben den feinen Mirabellenduft, den herben Nachgeschmack, die ausgeprägte Maracujanote. Tomoko Kuriyamas Rieslinge zeugten von ebenso viel Können wie Ehrgeiz, meint zum Beispiel Stuart Pigott, der bekannte britische Weinjournalist. Vor allem der „Quarzschiefer Riesling“ hat es ihm angetan, der zarten Süße und mineralischen Säure wegen.

KÜHLER WEINKELLER Nicht nur den „Quarzschiefer Riesling“ lagert Tomoko Kuriyama in einem Gewölbe, das dunkel ist, kühl und feucht. In Gitterboxen stapeln sich die Flaschen; auf den Etiketten sammelt sich Staub. Nur wenige Schritte weiter beginnt der Ausbaukeller. Dort reift der Wein in Edelstahltanks, die 675, 1.100 oder gar 4.500 Liter fassen. An ihnen baumeln Zettel, sogenannte Weinpässe, die etwa das Lesedatum, die Gesamtsäure und das Mostgewicht festhalten. Den Mostzucker bauen Hefepilze ab: Sie wandeln ihn in Alkohol um. Und in Kohlendioxid, das dann in den Kellerraum entweicht. Wenn ein Winzer sich den Fässern nähert, zündet er deshalb eine Kerze an. Erlischt sie, weiß er: Die Luft wird knapp. Auf einigen Holzfässern stehen Kerzenhalter. „Wir brauchen aber keine Kerzen“, sagt die Kellermeisterin und zeigt auf einen Schacht, der ins Freie führt. So kann die Japanerin in Ruhe ihre Proben nehmen. Unter den eigenen Weinen schmeckt ihr selbst der „Lorcher Schlossberg“ aus dem Jahr 2007 mit zwölf Prozent Alkoholgehalt am besten: „Er ist charaktervoll.“ Und besitzt damit die Eigenschaft, die sie auch an den Menschen in Hessen sehr schätzt. „Die Menschen haben immer viel zu sagen. Darüber, wie ich meine Kinder erziehe, darüber, wie ich meinen Beruf ausübe“, erzählt Tomoko Kuriyama. Diese Mitteilungsfreude fand sie zu Beginn ein wenig sonderbar – das kannte sie weder aus Japan noch aus Amerika, wo sie als Teenager zwei Austauschjahre verbracht hatte. Doch mit der Zeit wich das Befremden der Rührung: „Die Menschen fühlen sich verantwortlich.“ Alle zwei, drei Jahre fliegt sie nach Tokio zurück. In der Metropole mischt sich niemand in ihre Angelegenheiten, urteilt über ihre Entscheidungen. Doch nach einer Weile fehlt ihr Lorch. Und Tomoko Kuriyama freut sich auf das Dorf. Ihr Zuhause. p www.rheingau.de www.diebergstrasse.de

Mit feiner Zitrusnote: Tomoko Kuriyamas Rieslinge.


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LEBENSQUALITÄT

Wanderer zwischen Wald und Wein Waldtäler und Weinberge – einer der schönsten Abschnitte des Wanderweges Rheinsteig führt von Kloster Eberbach bis Schloss Johannisberg. Für die Strecke von elf Kilometern brauchen Wanderer ungefähr drei Stunden – wenn sie keine allzu lange Rast einlegen. Ausgedehnte Verschnaufpausen sind allerdings ratsam. An der Strecke liegen viele Sehenswürdigkeiten.

Herrliche Ausblicke: Naturerlebnis und Kulturgenuss lassen sich auf einer Rheinsteigwanderung wunderbar verbinden.

www.rheinsteig.de

Vom Drehort zum Ausflugsziel: Kloster Eberbach ackeln lodern in hohen Gewölben, Mönche huschen durch finstere Gänge – und Sean Connery streicht sich über seine grauen Bartstoppeln. Vor einem Vierteljahrhundert hat Jean-Jacques Annaud die Innenaufnahmen für das Filmepos „Der Name der Rose“ im Kloster Eberbach in Eltville gedreht. An die Szenen denken seitdem die Cineasten,

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HESSISCHE LANDESWEIN- UND -SEKTPRÄMIERUNG 2009 Am 14. November 2009 stehen im historischen Ambiente des Kloster Eberbachs eine Auswahl von mehr als 100 preisgekrönten Tropfen zur Verkostung. Die Klosterschänke bietet Gutes aus der hessischen Küche. Neben der Verkostung gibt es die Möglichkeit zu kostenlosen Klosterführungen. Besonderer Service: ein kostenfreier Pendelbus vom Wiesbadener Hauptbahnhof. www.weingenuss-im-kloster.de

wenn von der Zisterzienserabtei im Rheingau die Rede ist. Wandersleute haben allerdings ein anderes Bild von Kloster Eberbach. Sonnenlicht durchflutet den Kreuzgang und fällt in die Klosterkirche. Eine Geschichte von Mord und Totschlag, Hexerei und Ketzerei kommt den Besuchern nicht in den Sinn. Schon gar nicht, wenn

Vom Mittelalter bis in die Neuzeit: Schloss Vollrads er Geheimrat sparte mit Lob. Den Wohnturm finde er wunderlich, ließ Johann Wolfgang von Goethe verlauten, als er das Anwesen der Reichsfreiherren von Greiffenclau besichtigte. Für gewöhnlich aber erntet Schloss Vollrads in Oestrich-Winkel freundlichere Wortmeldungen. Schließlich verfügt die Anlage über eine lichtdurchflutete Orangerie und eine holzgetäfelte Schlosshalle und beeindruckt mit spanischen Ledertapeten und üppigen Stuckverzierungen.

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Von Bismarck bis Gault Millau: Schloss Johannisberg olche Gäste sind gerngesehen: Sie freuen sich an Unterkunft und Umgebung – und bringen ihre Zufriedenheit auch noch zu Papier. „Ich hatte ein Zimmer mit der Aussicht über den Rhein und die Berge“, schrieb Otto von Bismarck im Jahr 1851 in einem Brief an seine Frau. „Es war eine herrliche, warme Mondnacht, und ich lag noch sehr lange im Fenster. Hier mag ich verweilen, denn hier darf man träumen.“ Er nächtigte bei dem alten, fast tauben Fürsten Metternich

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sie durch die Parkanlagen streifen. Dort ragt zwischen Klostermauer und Obstgarten ein Fachwerkpavillon auf; wenige Schritte weiter stoßen Spaziergänger auf eine Orangerie, in der experimentierfreudige Mönche frostempfindliche Pflanzen zogen. Durch die großen Glasscheiben ist nicht nur eine Mauer, sondern auch Weite zu erkennen. Das Rheintal.

auf Schloss Johannisberg in Geisenheim. Seither hat Schloss Johannisberg viele Besucher empfangen. Zum Beispiel die strengen Kritiker des einflussreichen Restaurantführers Gault Millau: Sie verliehen dem Weingut den Ehrentitel „Kollektion des Jahres 2009“. „Dies ist eine der Bastionen deutscher Weinkultur.“ Die Trockenbeerenauslese zeige all jene Feinheiten, „die Deutschlands Spitzenweine einst so einmalig auf diesem Planeten machten.“

Eine Urkunde aus dem Mainzer Stadtarchiv beweist es: Schloss Vollrads widmet sich seit rund achthundert Jahren dem Weinbau. Schon am 18. November 1211 hat Schloss Vollrads Weine an das St. Viktoriastift verkauft. Auch mit Städten am Niederrhein und in Norddeutschland soll Vollrads bereits im Mittelalter gehandelt haben. Heute sitzen die Abnehmer der Weine in noch weiter entfernten Gefilden. Schloss Vollrads gehört inzwischen zu den bekanntesten Weingütern der Welt.

ABSEITS DER WANDERWEGE Viele begeben sich nicht nur in Wanderstiefeln in den Rheingau, sondern auch in Abendgarderobe: Seit mehr als zwanzig Jahren findet jeden Sommer das Rheingau Musik Festival statt. Zwei Monate lang spielen Solisten, Ensembles und Orchester an fast vierzig Veranstaltungsorten, zum Beispiel in Kloster Eberbach, Schloss Vollrads und Schloss Johannisberg. www.rheingau-musik-festival.de


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r ist genau, wie ein Held sein sollte: stark und schön, gut gebaut und leicht bekleidet, souverän und lässig zugleich. Kein Wunder, dass er der Liebling einer ganzen Stadt ist. Doch wer ist dieser Halbgott, der Postkarten, Poster und Bierflaschen ziert und nach dem sich sogar das städtische Baseballteam benannt hat? Die Rede ist von Herkules. Genauer: von dem monumentalen HerkulesStandbild oberhalb der der Kasseler Wilhelmshöhe. In einer stolzen Höhe von 596 Metern thront die mehr als acht Meter hohe Figur über der Stadt, die ihr im besten Sinne des Wortes zu Füßen liegt. Streng genommen ist der Held „nur“ der krönende Abschluss einer riesigen barocken Parkanlage, des sogenannten Bergparks Wilhelmshöhe. Dazu gehören etwa auch das gleichnamige klassizistische Schloss sowie die Wasserkaskaden, die sich den steilen Hang hinunter bis zur Stadt ergießen. Alle Teile gemeinsam bilden ein einzigartiges Kulturdenkmal, das weltweit seinesgleichen sucht. Bestes Indiz: die derzeit laufende Bewerbung um einen Platz auf der Welterbe-Liste der UNESCO, die von Experten als durchaus aussichtsreich eingeschätzt wird. Doch auch die Wilhelmshöhe ist ihrerseits nur eine von vielen „Bergen“ in der reichen Kasseler Kulturlandschaft. Dicht an dicht drängen sich hier architektonische Schmuckstücke, hochkarätige Kunstwerke und historische Dokumente aus den vergangenen 600 Jahren zu einem echten Kulturpanorama, der sogenannten „Museumslandschaft Hessen Kassel“. „Kassel bietet eine einzigartige Konzentration von Kunst-, Kultur- und Naturschätzen“, sagt Eva Kühne-Hörmann, hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst. „In ihrer künstlerischen und geschichtlichen Bedeutung stehen sie auf einer Stufe mit Dresden, München oder Berlin.“ Verantwortlich für den Reichtum an Kunstschätzen zeichnen die Herrscher von Hessen-Kassel. Seit Ende des 16. Jahrhunderts setzten sie, frei nach dem Motto „Höher, schneller, weiter!“, all ihre Energie, ihr Vermögen und ihre Sammelleidenschaft dafür ein, Kassel zu einer kulturellen Hochburg zu machen. Neben dem Willen zur Repräsentation – Herkules ist nicht umsonst auch ein Sinnbild für den guten und mächtigen Herrscher – ging es ihnen dabei auch darum, bedeutende Werke für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein Grundsatz, der bis heute gilt. Sei es mit Blick auf die legendäre Augsburger Prunkuhr, einer rund 1,40 Meter hohen, reich verzierten Barockuhr im

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Ein Held und seine Stadt: Das HerkulesStandbild im Bergpark Wilhelmshöhe ist das Wahrzeichen Kassels

Berge in der Kulturlandschaft Als documenta-Stadt ist das nordhessische Kassel weltberühmt. Doch nicht nur die Moderne ist hier zu Hause – wer die Stadt besucht, erlebt 600 Jahre Kulturgeschichte live. Astronomisch-Physikalischen Kabinett in der Orangerie im Park Karlsaue, deren Geheimnis die Fachwelt bis heute nicht entschlüsseln konnte. Oder beim berühmten „Jakobssegen“ in der Gemäldegalerie Alte Meister im Schloss Wilhelmshöhe, wichtiges Spätwerk eines der „Superstars“ unter den Barockkünstlern: Rembrandt van Rijn. Dabei muss nicht alles, was glänzt, barock sein. Wer sich mehr für aktuelle Kunst begeistert, braucht nicht bis zur nächsten documenta im Jahr 2012 zu warten: In der durch die documenta bekannten Ausstellungshalle, dem Fridericianum, sind auch in den vierjährigen Pausen zwischen den großen Schauen zeitgenössische Werke zu sehen. Zur Zeit seiner Entstehung in den 1770er Jahren war das nach seinem Erbauer Landgraf Friedrich II. benannte Gebäude übrigens das erste öffentliche Museum überhaupt auf dem europäischen Festland – ein weiteres Indiz für die kulturelle Tradition, die bis heute fest in der Stadt verankert ist. Große Kunst innen, bedeutende Architektur außen: Diese Mischung, die das Fridericianum auszeichnet, findet man in

Kassel vielerorts. So beherbergt etwa das Schloss Wilhelmshöhe unter anderem die größte Rembrandt-Sammlung Deutschlands – und ist damit zugleich eines unter zahlreichen architektonischen Highlights, die Geschichte für jeden Besucher erlebbar machen. Wer möglichst viel von der Kasseler (Kultur-)Landschaft auf einen Blick sehen will, sollte sich die Mühe machen, Herkules in seiner luftigen Höhe zu besuchen und gemeinsam mit ihm auf die Kulturlandschaft Kassel hinunterblicken. Übrigens: Zwar fällt die Entscheidung über den Welterbetitel erst 2012. Dennoch ist die Stadt Kassel bereits heute keine Unbekannte bei der UNESCO. Denn zu deren Weltdokumentenerbe gehören die originalen Handexemplare der Kinderund Hausmärchen von Wilhelm und Jacob Grimm, die ab diesem Herbst im Rahmen einer Sonderausstellung im Kasseler Kulturbahnhof gezeigt werden – und die einen weiteren Höhepunkt bilden in der Kulturlandschaft Hessen-Kassel. p www.kassel.de www.museum-kassel.de


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LEBENSQUALITÄT

Hessen erfahren Ob zwischen Kassel und Darmstadt, an Main oder Lahn, durch die Wetterau oder den Vogelsbergkreis: Wer Hessen mit dem Fahrrad erkunden will, kann sich nicht nur auf lebendige Städte und schöne Landschaften freuen, sondern auch auf ein gut ausgebautes Wegenetz. Und auf einen Online-Routenplaner, der hält, was er verspricht.

TIPPS FÜR ERSTNUTZER Ein GPS-Gerät ist zwar nicht unbedingt nötig, einen Kilometerzähler allerdings sollte jeder Radreisende am Lenker haben, um die Streckenangaben der Wegbeschreibung gut nachvollziehen zu können. Zudem empfiehlt es sich, vorab die Strecke auf der digitalen Karte genau anzuschauen. Sollte der Verlauf einmal nicht ganz klar sein: Jeder Abbiegehinweis in der Beschreibung ist mit einer Detailkarte hinterlegt, die auch mit ausgedruckt werden kann.

Auf aussichtsreichen Wegen: Wer sich Hessen mit dem Rad erschließt, genießt die Landschaft in vollen Zügen.

ugegeben, etwas ratlos bin ich nun doch. Ob das wohl der richtige Weg ist? Einmal Frankfurt – Wiesbaden, und zwar mit dem Fahrrad – so lautet der Plan. Nun stehe ich mit meinem Drahtesel mitten im Grünen, auf einem ausgebauten Feldweg in der Nähe von Hofheim am Taunus. Doch die ausgedruckte Wegbeschreibung lässt keinen Zweifel zu. Unbeirrt führt sie mich über Stock und Stein, Wiesen und Felder. Und tatsächlich: Rund drei Stunden später rolle ich auf dem Wiesbadener Schlossplatz zwischen Marktkirche und Landtag ein, ohne Umwege und nur wenige Minuten später als geplant. Auch wenn die Tour insgesamt eine Herausforderung für mich war – der einfachste Teil war die Vorbereitung: Man gebe die gewünschten Start- und Zieladressen auf der Internetseite www.radroutenplaner.hessen.de ein, gedulde sich dann ein paar Sekunden, während der Planer die fahrradfreundlichste Strecke ermittelt, und drucke schließlich die detaillierte Beschreibung aus – fertig ist die Ausflugsplanung. Das Prinzip funktioniert wie bei anderen Routenplanern auch, allerdings mit dem Vorteil, dass der Planer neben dem normalen Straßennetz vor allem das hessische Radwegenetz bevorzugt. Insgesamt 19.000 Kilometer davon sind bisher im Routenplaner hinterlegt, und es werden ständig mehr. Das Netz reicht von der Hauptverkehrsstraße mit ausgewiesener Fahrradspur bis hin zu versteckten Pfaden, die mit dem Auto nicht befahrbar sind und daher bei konventionellen Programmen gar nicht erst berücksichtigt werden. Ein klares Argument für den Radroutenplaner: Schließlich verdanke ich eben diesen Feldwegen meine unverhofft idyllische Landpartie mitten im eigentlich urbanen Rhein-Main-Gebiet.

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Bestens orientiert: Mit Hilfe des hessischen Radroutenplaners lassen sich Touren detailliert vorbereiten.

Auch was das Suchergebnis betrifft, bietet der hessische Radroutenplaner mehr als nur eine schlichte Streckenbeschreibung. Ein gutes Bild vom Schwierigkeitsgrad der Route gibt etwa das abrufbare Höhenprofil, und wer über ein OutdoorGPS-Gerät verfügt, kann sich die Strecke auch als Datei herunterladen. Für die Streckenauswahl selbst gibt es ebenfalls zahlreiche Zusatzoptionen. So kann etwa jeder Nutzer selbst entscheiden, ob er zum Beispiel Steigungen vermeiden oder Sehenswürdigkeiten in der Nähe der Route ansteuern möchte. Der eigentliche Clou aber ist: Dank der zahlreichen Funktionen lassen sich nicht nur Tagesausflüge, sondern auch längere Touren hervorragend vorbereiten. Für Anund Abreise etwa zeigt der Routenplaner die nahen Bahnhöfe an und verzeichnet auch rund 380 fahrradfreundliche Gastronomie- und Übernachtungsbetriebe, wo Radreisende nach den Herausforderungen des Tages ein weiches Bett für eine Nacht finden. Inspiration in Fülle für alle, die eine längere Tour planen, bieten die auf der Webseite verzeichneten Themenrouten. Sie führen nicht nur durch die verschiedenen Landschaften, sondern orientieren sich auch an typisch hessischen Phänomenen, wie etwa der Vulkanradweg oder den Grüngürtelradweg rund um Frankfurt. So können sich Radreisende das Land in jeder Hinsicht und im besten Sinne des Wortes selbst „erfahren“. p www.radroutenplaner.hessen.de www.hessen-tourismus.de


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„Bergquellwasser in Bad Wildungen probieren“ ch komme aus Shanghai, mit rund 15 Millionen Einwohnern die größte Stadt Chinas. Kassel ist dazu vergleichsweise doch sehr beschaulich. Ich lebe hier seit knapp sieben Jahren. An Hessen gefällt mir sehr, dass es so zentral in Deutschland liegt und dass es hier so viele schöne Städte und Orte gibt, an denen man etwas unternehmen kann. Im Sommer fahre ich am liebsten nach Bad Wildungen und zum Edersee. Diese Ausflugsorte habe ich schon gleich nach meiner Ankunft hier in Hessen entdeckt: Bad Wildungen ist eine schöne, malerische Stadt, in deren Umgebung man prima wandern und das gute Bergquellwasser probieren kann. Der Edersee hat in der heißen Jahreszeit natürlich seinen besonderen Reiz – man kann dort schwimmen, campen, grillen, wandern oder eine Rundfahrt mit dem Schiff unternehmen. Bei gutem Wetter komme ich auf jeden Fall einmal im Monat hierher und genieße die Zeit mit meinen Freunden am See.

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JIAJING ZHANG, 27 Jahre, Controllerin bei B. Braun Melsungen, Kassel

„Rhön zu jeder Jahreszeit reizvoll“ or ziemlich genau 29 Jahren bin ich aus Dublin, Irland, nach Fulda gekommen. Ich fühle mich hier sehr wohl, und inzwischen ist Fulda meine Heimat geworden. Seit ich hier bin, habe ich mir schon immer viele verschiedene Orte in Hessen angeschaut, um das Land und die Leute kennenzulernen. Dabei bin ich eigentlich immer mit dem Auto unterwegs. Besonders gerne gehe ich mit meiner Familie in der Rhön wandern, da die Landschaft dort meinem Herkunftsland sehr ähnelt. Die Rhön ist zu jeder Jahreszeit reizvoll, besonders die Wasserkuppe und das Rote Moor. Ein „Muss“ für meine Besucher, also Familie und Freunde aus Irland, sind das Fuldaer Schloss, der Dom sowie Schloss Adolfseck und das Museum „Point Alpha“. Aber auch ohne Besuch unternehme ich fast jedes Wochenende mindestens einen Spaziergang in Fuldas

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WeekendTrips in der Wahlheimat Sie kommen aus den Vereinigten Staaten, China oder den Niederlanden nach Hessen: Viele ausländische Arbeitnehmer leben aus beruflichen oder privaten Gründen schon seit Jahren in dem Bundesland. Für nicht wenige ist Hessen mittlerweile eine zweite Heimat geworden. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn neben Kulturdenkmälern und pulsierenden Städten bietet Hessen auch Naturliebhabern zahlreiche attraktive Erholungsmöglichkeiten. Was schätzen Menschen aus anderen Ländern Europas und der Welt besonders an ihrer Wahlheimat? Wir haben einige von ihnen gefragt.

Umgebung. Das Einzige, was ich hier vermisse, ist das Meer – aber man kann ja auch nicht alles haben!

KAREN ECKERT, 51 JAHRE, WEBDESIGNERIN BEI EDAG, FULDA

„Gerüche des Odenwalds aufnehmen“ rsprünglich komme ich aus Denver, Colorado. Hessen ist in den vergangenen Jahren wie eine zweite Heimat für mich geworden. Eine Zeitlang habe ich als Englischlehrer an der Martin-LutherSchule in Rimbach im Odenwald gearbeitet. Vor zwei Jahren bin ich aber nach Frankfurt gezogen, wo ich als Übersetzer arbeite. Da mein Job ziemlich anstren-

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gend ist, fahre ich in meiner freien Zeit so oft es geht mit der Bahn oder dem Mountainbike die Bergstraße entlang. Dabei kann ich den Stress, den das Leben in der Großstadt nun einmal mit sich bringt, am besten vergessen. Ich nehme dann die Gerüche und Geräusche des Odenwalds auf und kann dabei wunderbar entspannen. Meist fahre ich nach Heppenheim und von dort aus die Siegfriedstraße Richtung Osten. Auch das Weschnitztal besuche ich gerne. Im Odenwald habe ich mich in die Vielfalt dieser Region verliebt: Die Mischung aus ländlichem und kosmopolitischem Leben, Industrie und Landwirtschaft, und die Künste und die Kultur – all das gefällt mir sehr.

ERIK GRELL, 26 JAHRE, ÜBERSETZER, FRANKFURT AM MAIN

„Urlaubsgefühle im Bergpark Wilhelmshöhe“ ch lebe seit mittlerweile über 30 Jahren in Lohfelden bei Kassel. Als Mitarbeiterin bei der kassel tourist GmbH bin ich berufsbedingt recht gut über Hessen informiert und als Niederländerin jetzt schon eine echte Hessin geworden. Seit ich in Lohfelden wohne, war ich schon immer viel in Hessen unterwegs, aus Neugier und Interesse, um so viel wie möglich kennenzulernen und zu erleben. Da fällt es mir wirklich schwer, zu sagen, wo es am schönsten war. Der Bergpark Wilhelmshöhe ist zum Beispiel Erholung pur – dort ist es phantastisch. Die Anlage ist so herrlich angelegt, hier geht einem das Herz auf. Ein Spaziergang dort ist wie ein paar Stunden Urlaub, egal zu welcher Jahreszeit. Mindestens einmal im Monat muss ich hierherkommen. Aber ich fahre auch regelmäßig mit der Bahn oder dem Auto ins Umland: zu den jährlichen Genusstagen nach Melsungen, zur Kirschblüte nach Witzenhausen, unternehme Radtouren entlang der Fulda oder besuche die Bad Hersfelder Festspiele. Hessen ist so vielfältig – mir wird es da nie langweilig werden.

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WILMA SCHÄFER, 52 JAHRE, SACHBEARBEITERIN BEI KASSEL TOURIST, KASSEL


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LEBENSQUALITÄT

Hessen Häppchen – Land. Leute. Leibgerichte. Dieses Buch ist allen gewidmet, die Hessen in seiner Vielfalt lieben. Und natürlich auch jenen, die das Bundesland noch nicht so gut kennen. Das opulent ausgestattete Buch ist keine Reisebeschreibung, aber der Leser bekommt eindrucksvolle Einblicke in die landschaftlichen Schönheiten des Landes wie das Lahntal, die romantische Rheinregion oder den Odenwald. Es ist keine Biographie, aber der Prinz von Hessen oder der Spitzenkoch Franz Keller lassen den Blick ins Private zu. Es ist auch kein Kochbuch, obwohl 84 unkonventionelle Rezepte, von Parmesankräckern und der Salsa Verde über „gepiercte“ Lammkeule bis hin zum klassischen Rippchen mit Kraut, zum Ausprobieren anregen. Hessen Häppchen ist eine

ganz besondere Liebeserklärung an Hessen. Auf 264 Seiten lädt das Buch ein, die Vielfalt des Landes Hessen häppchenweise selbst zu entdecken oder – als Geschenk – auf Hessen Appetit zu machen. www.hessen-agentur.de 쑺 Hessen Produkte

Das große Immer einen Besuch wert – in Hessen finden sich mehrere Stätten, die auf der UNESCOListe des Welterbes stehen. Das große HessenQuiz, das jeden Sonntagabend im hrfernsehen des Hessischen Rundfunks ausgestrahlt wird, hat bereits mehrfach Fragen zu diesen ausgezeichneten Stätten gestellt. Drei davon haben wir hier zum Nachspielen abgedruckt.

FRAGE 1: Schon die Römer wussten das schöne Hessenland zu schätzen. Nicht nur der Limes verläuft in dem Bundesland, auch das bekannte Römerkastell Saalburg liegt in Hessen. Nach knapp zwei Jahrtausenden war allerdings nicht mehr viel von der Saalburg übrig. Von 1897 bis 1907 wurde sie rekonstruiert. Wer ließ die Saalburg ab 1897 wieder aufbauen? A: Kaiser Wilhelm II. B: Benito Mussolini C: Otto von Bismarck D: Theodore Roosevelt

Welcher Fossilien-Fund machte die Grube Messel weltberühmt? A: Archäopteryx B: Urpferdchen C: Riesenfaultier D: Nest eines Tyrannosaurus rex

Wer alle Fragen richtig beantwortet, hat die Chance – mit etwas Glück – bei einer Aufzeichnung der Sendung dabei zu sein. Der Hessische Rundfunk hat uns 6 x 2 Freikarten zur Verfügung gestellt, die wir unter allen richtigen Einsendungen verlosen.

FRAGE 2: 764 wurde das Kloster Lorsch gegründet – seit 1991 zählt es zum Weltkulturerbe der UNESCO. Was ist das Wahrzeichen des Lorscher Klosters? A: Raetischer Wehrturm B: Karolingische Königshalle C: Ottonische Bibliothek D: Merowingische Basilika FRAGE 3: In der Nähe von Darmstadt liegt die Grube Messel, seit 1995 das einzige Weltnaturerbe der UNESCO auf deutschem Boden.

Senden Sie uns die richtigen Antworten per Post / per Mail / per Fax an: HA Hessen Agentur GmbH Hessen-Marketing Abraham-Lincoln-Straße 38 – 42 65189 Wiesbaden Fax: + 49 (0) 611 774-8040 info@hessen-agentur.de Einsendeschluss ist der 15. November 2009. Alle Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Infos zum UNESCO-Welterbe: www.hessen-tourismus.de


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