Union in Deutschland Informationsdienst

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10. FEBRUAR 1966 20. JAHRGANG

INFORMATIONSDIENST der Christlich Demokratischen und Christlich Sozialen Union

Die Positionen abgesteckt „Forum 66" in Wiesbaden - Junge Union und Wirtschaftsrat tagten gemeinsam

Die Junge Union Deutschlands und der Wirtschaftsrat in der CDU veranstalteten in der vergangenen Woche gemeinsam in Wiesbaden das „Forum 66 zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik", eine Tagung, die unter dem Motto stand „Die junge Generation gestaltet ihre Zukunft". Naturgemäß sind die Referate von besonderer Bedeutung, die sich mit aktuellen politischen Fragen beschäftigen. Zu ihnen gehört u.a. die Ansprache von Bundeswirtschaftsminister Schmucker, der den erkrankten Geschäftsführenden Vorsitzenden der CDU, Dufhues, vertrat. Minister Schmücker warb für ein stärkeres politisches Engagement der Unternehmer. Politische Abstinenz habe gerade in der Vergangenheit gezeigt, zu welchen Ergebnissen sie führen könne. Im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Auseinandersetzungen in Lohnund Tariffragen unterstrich der Minister seine Auffassung, daß in diesem Streit das bessere Argument obsiegen solle. Beide Sozialpartner könnten heute nicht mehr unter Mißachtung der öffentlichen Meinung handeln. Gerade sie sei ein Gradmesser für die Vernunft und eine jaremse gegen den reinen Egoismus. Auf Dciden Seiten sollten daher alle Möglichkeiten nur in einem wirtschaftlich vertretbaren Maß genutzt werden. Minister Schmücker machte sich anheischig, ein konjunkturgerechtes Verhalten der Unternehmen notfalls durch das Mittel der Vergabe öffentlicher Aufträge zu erzwingen. Allerdings ließ Schmücker keinen Zweifel daran, daß der Staat — also Bund, Länder und Gemeinden — mit gutem Beispiel voranzugehen habe. Schließlich sei er nicht nur die größte wirtschaftliche Potenz, sondern auch mehr als nur ein einzelnes Wirtschaftsunternehmen. Die Politiker aller Parteien sollten mehr als bisher daran gemessen werden, wie sie ihren öffentlichen Auftrag „in einer fairen Abgewogenheit zu den Möglichkeiten des einzelnen Bürgers" wahrnehmen. Neben einem von gewichtigem Fachwissen getragenen Referat von Prof. Dr. Percy Ernst Schramm von der Universität Göttingen zu der Frage, ob es die junge Generation besser habe als ihre Väter und einer Rede des Ministerpräsi-

denten von Baden-Württemberg, Dr. Kurt Georg Kiesinger, zu der ideologischen Basis der CDU, stand die Ansprache von Dr. Rainer Barzel, dem Fraktionsvorsitzenden der Unionspartei im Bundestag, im Mittelpunkt der Tagung. Dr. Barzel behandelte das Thema der Tagung: „Die junge Generation gestaltet ihre Zukunft". Er führte aus, daß die CDU/CSU es nicht nötig habe, wenn sie von der Zukunft spreche, von ihrer Vergangenheit abzulenken. Diese Manöver könne man getrost den Sozialisten überlassen. In der Weimarer Zeit sei die politische Arbeit häufig nach dem ausgerichtet worden, was als Fazit der Entschlüsse von Links und Rechts im Parlament her-

auskristalliert worden sei. Diese Art Politik zu treiben, sei ein für allemal vorüber. Aber heute entstehe eine neue Gefahr, die mit dem Schlagwort Demoskopie umrissen ist. Es sehe manchmal so aus, als werde die Politik zu einer „demoskopischen Anpassungsartistik" erniedrigt und das freie Urteil der Politiker dadurch assimiliert. Dr. Barzel hatte gute Beispiele auf seiner Seite, als er etwa darauf hinwies, daß solch eine unpopuläre Entscheidung, wie die Einführung der Wehrpflicht nie hätte getroffen werden können, wäre die demoskopische Meinungsumfrage zur Richtlinie des Handelns gemacht worden. Allein daraus ergebe sich schon, daß jeder politische Erfolg durch eine „unpopuläre Durststrecke" erkämpft werden müsse. Stimmt man dem zu, und wer könnte es nicht, dann ist nach den Worten Dr. Barzels klar, daß die CDU Akzente für Fortsetzung Seite 2

„Peinlich und unverständlich" CDU/CSU-Fraktion verurteilt Demonstration in Berlin Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion befaßte sich auf ihrer Sitzung vom 8. 2. 66 zunächst mit den Vorgängen in Berlin. Der Fraktionsvorsitzende Dr. Barzel erklärte dazu: „Gestern sind schon wieder Schüsse an der Mauer gefallen. Die deutsche Wirklichkeit ist unfriedlich. Dieser Zustand ist auf die Dauer für die Deutschen unerträglich. Vor diesem Hintergrund wirken die jüngsten Demonstrationen in Berlin gegen die amerikanische Vietnampolitik geradezu peinlich, gespenstisch und unverständlich. Diese Demonstrationen waren ein schlechter Gebrauch der Freiheitsrechte, die gerade diese Macht sichert. Wir müssen dies mit allem Nachdruck zurückweisen." Dr. Barzel schlug vor, die CDU/CSU solle alle Möglichkeiten nutzen, um in Berlin mit der akademischen Jugend zu diskutieren. In Zusammenarbeit mit der Berliner CDU solle versucht werden, alle möglichen Gesprächskontakte herzustel-

len. Die Berliner Sozialdemokraten forderte Dr. Barzel auf, vor den Berliner Studenten die sozialdemokratische Auffassung zu Berlin und Vietnam darzulegen. Dr. Barzel berichtete anschließend über ein Gespräch, das am 8. 2. unter seiner Leitung zwischen Vertretern der Rektorenkonferenz, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft stattgefunden hat. Das Gespräch sei von beiden Seiten aufgeschlossen geführt worden. Man habe vereinbart, die Gespräche fortzusetzen. Die Vertreter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hätten erneut betont, daß die CDU/CSU Ja zur Priorität der Bildung in ihrer Politik sage, auch wenn dadurch andere Vorhaben zurückgestellt werden müssen.


Aus den Arbeitskreisen In vier Podiumsgesprächen wurden nach Referaten von Persönlichkeiten der Wirtschaft und der Politik aktuelle Fragen diskutiert. Im ersten Podiumsgespräch wurde die „Freiheit in der modernen Gesellschaft" behandelt. Unter Leitung des Bundestagsabgeordneten Dr. Rinsche diskutierten die Vertreter der Wirtschaft Philip Rosenthal und Fritz Dietz über die damit zusammenhängenden Fragen. Rosenthal wandte sich gegen eine anonyme Mitbestimmung durch Funktionäre und sprach sich für eine echte Mitbestimmung aus, die er vor allem in der Eigentumsbildung für Arbeitnehmer sieht. Positiver beurteilte der Redner eine Verbesserung der Aufstiegschancen des Arbeitnehmers in Führungspositionen. Wie später auch der Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt, Dietz, sprach sich Rosenthal gegen ein zu starres Erziehungssystem aus, in dem der Spezialisierung und dem Fachwissen der Vorrang vor Wissenschaft und Integration gegeben werden. Präsident Dietz lehnte den allzu lauten Ruf nach dem Staat ab. Die Tendenz, berufliche Aufstiegschancen von bestimmten Schul- und Hochschulzeugnissen abhängig zu machen, sei bedenklich. Dadurch werde leicht dem Facharbeiter wie dem kleinen Angestellten die Möglichkeit zum Aufstieg durch Leistung verbaut. Aber gerade durch sie bestätige sich die eigene Persönlichkeit, werde die innere Sicherheit gefestigt und eine Stärkung des Selbstbewußtseins erreicht. Unsere Wirtschaft könne zwar die Sicherheit der Beschäftigung gewährleisten, aber nicht die Sicherheit des angestammten Arbeitsplatzes: „Das fordert vom Arbeitnehmer nicht nur die Bereitschaft zur Weiterbildung, sondern auch zum Wechsel des Betriebs, des Berufs und des Wohnorts. Aufstiegschancen durch Leistung fördern diese notwendige innere Bereitschaft, sich dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt anzupassen."

Dem speziellen Thema, ob das kollektive Sicherungssystem Freiheit und Unabhängigkeit des Bürgers unzumutbar einengt, wandte sich in diesem Podiumsgespräch der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Ruf zu. Die Bundesrepublik steht, was das Volumen der öffentlichen Sozialleistungen angeht, an der Spitze aller Länder in der westlichen Welt. Wer das kritisiert, dem ist zwar zuzugeben, daß die öffentliche Hilfe nicht immer in die richtigen Kanäle fließt, andererseits aber entgegenzuhalten, daß der größte Teil der Sozialleistungen auf die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung entfällt. Es war die CDU, die sich erfolgreich gegen die Tendenz zum Versorgungsstaat gewandt hat und damit in offenen Gegensatz zur SPD trat:

Zivilschutz ist nötig Bundesinnenminister Paul Lücke vor der KPV Bundesinnenminister Paul Lücke nahm die Gelegenheit wahr, vor de Hauptausschuß der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und Cs Deutschlands eine „Antrittsrede" zu halten, in deren Mittelpunkt eine sachliche umfassende Behandlung der Zivilschutzgesetze stand. Jeder spüre, daß sich der Mensch in seiner äußeren Existenz heute unmittelbar bedroht fühle. Zwei furchtbare Kriege wirkten nach. Die Sorge um äußere Sicherheit bestimme daher das Denken der Menschen. Sie starrten gebannt auf die Bedrohung durch Kanonen und Atombomben. Dabei werde jedoch, wie Lücke kritisch hervorhob, oft übersehen, daß eine solche äußere Sicherheit ohne die Sicherung unseres menschlichen und staatlichen Lebens nach innen einfach unmöglich sei. „Zu dieser Sicherheit nach innen", sagte der Minister, „gehört auch die Stabilität unseres Staates und die Stabilisierung unserer Demokratie. Dazu brauchen wir eine starke, in der Wirklichkeit von den Bürgern getragene kommunale Selbstverwaltung in unseren Städten und Gemeinden."

Die Positionen abgesteckt Fortsetzung von Seite 1 die Zukunft zu setzen hat, daß sie, mit einem Wort gesagt, auch morgen führen muß. Es ist ein Trugschluß, zu glauben, die Demokratie bedürfe der Führung nicht: „Lassen wir also Sozialisten und anderen getrost die demoskopische Anpassungsartistik; christliche Demokraten müssen mehr können: sachgerecht entscheiden, aus eigener Spontaneität handeln, nach einem Grundbild führen. Da schon die Vergangenheit für uns spricht, dürfen wir so offen über uns selbst sprechen. Unsere Kraft, unser Wissen, unser Ziel reicht noch weiter! Und eben deshalb brauchen wir einen Parteitag, einen politischen Parteitag mit einer Diskussion ohne politische Tabus, wie mit Referaten ohne vergangenheitsbezogene Erfolgsbilanzen."

„Von dem Grundsatz, daß sich die Rente nach der Zahl und der Höhe der geleisteten Beiträge richten soll, werden wir nicht abgehen. Ein System einer allgemeinen Staatsbürgergrundrente für alle aus öffentlichen Mitteln vorzuschlagen, überlassen wir anderen." Das zweite Podiumsgespräch stellte in den Mittelpunkt der Diskussion die Fraqe über Wert oder Unwert des Wettbewerbs in der Wirtschaft. Das Gespräch leitete Dr. Bert Even, MdB, Sachreferate hielten Dr. Otto Schedl, der bayerische Minister für Wirtschaft und Verkehr, Dr. K. G. von Stackeiberg, Leiter der EMNID-Institute, und Dr. Felix A. Prentzel, Vorsitzer des Vorstandes der DEGUSSA. Dr. Schedl fand Zustimmung, als er darauf hinwies, daß die durch Wettbewerb gekennzeichnete Soziale Marktwirtschaft Fortsetzung Seite 4

Dr. Barzel benutzte seine Rede auch zu einer freundlichen Geste gegenüber intellektuellen Künstlern. Zwar dürfe der Staat den Bereich des Geistes nicht reglementieren, aber die Partei müsse ein Klima schaffen, das Raum gebe, für die Diskussion, die Begegnung und zu einer breiteren Basis des Zusammenwirkens als es die Begrenzung der Kulturpolitik auf Schule, Universität oder Planstellen ausmachte. Barzel unterstrich, daß die Bundesrepublik ihre Rolle in der Welt nicht als militärische eigenstaatliche Potenz sehen solle, sondern in besonderer Anstrengung für „Werke des Friedens und Anwalt des Humanen". In diesem Zusammenhang betonte der Fraktionsvorsitzende, daß in Deutschland eine neue Generation heranwachse, der niemand mehr den Stempel der Vergangenheit aufdrücken dürfe.

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Lücke begrüßte es, daß das Verständnis dafür, daß eine Sicherheit nach außen ohne eine Sicherheit nach innen nicht möglich und daß die zivile Verteidigung das humanitäre Gegenstück der militärischen Verteidigung sei, das bei den Bürgern und den Gemeinden ständig wachse. Viele Städte und Gemeinden hätten bereits personelle und sachliche Vorbereitungen getroffen, um die Zivilschutzgesetze durchzuführen, die der Bundestag noch kurz vor den letzten Wahlen verabschiedet hatte. Der Minister hofft, daß der Bundestag den im Haushaltssicherungsgesetz getroffenen Aufschub in der Vollziehung der drei Zivilschutzgesetze dahin korrigiert, daß wenigstens ein Mindestprogramm an Zivilschutz durchgeführt werden kann. Von besonderer Bedeutung ist na Auffassung des Bundesinnenministers di seit Jahren geforderte Finanzreform. Vo allem bereiteten die Finanzen den Qe meinden seit Jahren Kopfschmerzen. Eigentlich könne man hier wegen des Zu. rückbleibens der Grundsteuer und wegen der übermäßigen Bedeutung der Ge. werbesteuer von einem „System" nicht mehr sprechen. Eine Neuordnung der kommunalen Finanzen setze jedoch eine Neuordnung der gesamten finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden voraus. Das bedeutete, daß sje ohne eine umfassende Änderung der Finanzverfassung im Grundgesetz nicht möglich sei, die wiederum eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundesrat und Bundestag voraussetze. Nachdrücklich begrüßte der auch für die Raumordnung und das Kommunalwesen zuständige Innenminister die Einsetzung einer Sachverständigenkommission für die Finanzreform. Lücke teilte mit, daß die Kommission ihr Gutachten jetzt fertiggestellt habe; es werde ani 10. Februar dem Bund und den Ländern übergeben.


Rollkommando in der „Glocke" CDU Hamburg fordert parlamentarischen Untersuchungsausschuß Ein höherer Gefängnisbeamter hat jetzt vor Journalisten zugegeben, daß es im Hamburger Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis „Rollkommandos" gibt. Sie sollen sich mit Vorliebe an Schwächlingen, nervösen Menschen und Intellektuellen auslassen. Eines ihrer Opfer, der amerikanische Staatsbürger Haase, lebt nicht mehr. Er soll von einem Kommando totgeschlagen worden sein. Acht Wochen vor den Bürgerschaftswahlen wird der Hamburger SPD/FDPSenat nun mit diesem Skandal konfrontiert, der in der Öffentlichkeit Empörung und Abscheu ausgelöst hat. Unverständlich ist vor allem, warum dieser Vorfall dem Senator für die Gefängnisbehörde, Kramer (SPD), neunzehn Monate verborgen bleiben konnte. Die CDU will den Skandal bis in alle Einzelheiten und ohne Rücksicht auf Personen aufklären lassen. Sie hat deshalb die Einberufung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses geforjert. Der CDU-Landesvorsitzende Blumen*5eld erklärte dazu, jetzt müsse das Parlament als verfassungsmäßiges Kontrollorgan der Exekutive tätig werden, „denn nunmehr geht es um die Führung und politische Verantwortlichkeit und nicht um den einzelnen Bediensteten". Wie dazu inzwischen bekannt wurde, hat am Wochenende hinter verschlossenen Türen eine Versammlung der Hamburger Strafvollzugsbeamten stattgefunden, auf der es zu einem neuen Skandal kam. Ein Teil der Beamten, offensichtlich von falschen Treuebegriffen geleitet, sorgte dafür, daß es zu schweren Tumulten kam.

SPD-Senator Kramer wurde niedergebrüllt und mußte sich Beschimpfungen wie die gefallen lassen, er habe seine Beamten im Stich gelassen und verraten. So berichtete jedenfalls am Wochenende das „Hamburger Abendblatt". Auch ein CDU-Bürgerschaftsabgeordneter wurde niedergeschrien, als er erklärte, die zuständige Deputation wolle nicht das Feigenblatt für eine Behörde sein, die derartige schwerwiegende Vorkommnisse einfach verschweige. In diesem Zusammenhang sind Stellungnahmen der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr und der Deutschen Angestelltengewerkschaft mit Erstaunen zur Kenntnis genommen worden. ÖTV und DAG hatten sich darin gegen die öffentliche Kritik im Zusammenhang mit dem Tod des Amerikaners in der berüchtigten Beruhigungszelle „Glocke" im Hamburger Untersuchungsgefängnis gewandt. Das „Hamburger Abendblatt" stellte zu Recht fest, keine der beiden Gewerkschaftserklärungen enthalte ein Wort des Bedauerns darüber, daß der kranke Häftling Haase auf grausame Weise ums Leben kam.

FDP mit CDU-Federn Eine merkwürdige Manipulation in Schleswig-Holstein Die schleswig-holsteinische FDP-Landtagsabgeordnete Margarethe Weiss £at sich nicht gescheut, sich in der Landespressekonferenz in Kiel mit fremden federn zu schmücken. Sie hat den staunenden Journalisten kurzerhand von der CDU in langwierigen Beratungen ausgearbeitete Einsparungspläne für den Haushalt 1966 als FDP-Vorschläge „verkauft". Was die CDU Schleswig-Holstein am 2. Februar noch als „ungewöhnlich empfundenen Vorgang" zurückhaltend kritisierte, ist in Wirklichkeit ein bedauerlicher Vertrauensbruch. Bereits am 22. Januar hatte Ministerpräsident Dr. Lemke auf einer Kommunalpolitischen Tagung in Kiel erklärt, die Landesregierung werde auch in der Verwaltung für größte Sparsamkeit sorgen und in den nächsten Jahren bei der Besetzung von freiwerdenden Stellen strenge Maßstäbe anlegen. Zwei Tage später beriet das „Streichsextett" der CDU-Fraktion abschließend die Einsparungen für den Personalhaushalt. Der CDU-Fraktionsvorsitzende ließ dem FDP-Abgeordneten Wolgast das Ergebnis der Beratungen als internes Informationsmaterial übergeben. Es war vereinbart worden, die Vorschläge für Einsparungsmaßnahmen gegenseitig auszutauschen.

Die FDP ließ nichts weiter von sich hören, bis am 1. Februar Frau Weiss vor die Landespressekonferenz trat und die CDU-Vorschläge als die eigenen ausgab. Die Kürzungen betragen insgesamt 40 Millionen DM. Betroffen sind davon in erster Linie der Personalhaushalt (rund 16 Millionen DM), Hochbaumaßnahmen sowie Einzelpläne des Wirtschafts- und Verkehrs-, des Landwirtschafts- und des Sozialministeriums. Die Summe für den Milchpfennig wurde diesmal auf 36 Millionen DM begrenzt, auch ungeachtet einer möglichen Steigerung der Milchproduktion. Wie der CDUFraktionsvorsitzende Mentzel dazu erklärte, steht die CDU auf dem Standpunkt, daß die Milchpfennige gegeben werden sollten, um der Landwirtschaft über eine Durststrecke hinwegzuhelfen, nicht aber, um die Milcherzeugung zu erhöhen.

fm-rn Z^Kandi ar. Die Gespräche, die Bundeskanzler Erhard in Paris geführt hat, haben ein gutes Ergebnis gebracht. Die deutsch-tranzösische Freundschalt ist das Kernstück europäischer Wirklichkeit, auch wenn sie immer wieder Bewährungsproben bestehen muß. Optimismus ist in unserer Zeit nur dann ein guter Berater, wenn er auf der Grundlage eines soliden Selbstvertrauens und der realistischen Beurteilung der Tatsachen beruht. Ludwig Erhard hat bewiesen, daß sein Optimismus solcher Art ist. Auch in Frankreich gehen die europäischen Uhren weiter — jedes Land in Europa braucht den Nachbarn, es braucht ihn dringender, als mancher manchmal zugeben möchte. Die Europäer mögen bescheidener geworden sein, wenn sie heute das Ergebnis von Konferenzen werten. Doch sollte man bedenken, daß die entscheidenden Schritte in den fünfziger Jahren getan worden sind, und daß es jetzt in erster Linie gilt, den Rahmen auszufüllen, der damals entworfen worden ist. Die Einzelfragen, um die es jetzt geht, sind kompliziert, ja sie sind sogar teilweise vertrackt. Um so mehr kann man sich freuen, daß solche Fragen angepackt werden — wenn es um Europa geht, sollte der Teufel nicht im Detail stecken. Dieses Gespräch auf Europa zu wird weitergehen, zwischen den einzelnen Partnern, aber insbesondere am gemeinsamen Tisch in Brüssel. Seit Luxemburg weiß man, daß de Gaulle keinen Vorteil mehr darin sieht, draußen vor der Tür zu bleiben. Die herzliche Atmosphäre, mit der das offizielle Frankreich den deutschen Bundeskanzler in Paris umgeben hat, zeigt darüber hinaus, welche bedeutsame Rolle die Bundesrepublik in den politischen Überlegungen de Gaulles spielt. Auch in den Fragen, in denen die Meinungen der Partner unterschiedlich sind, kann keiner ohne den anderen handeln. Vertrauen muß daher die Grundlage sein, wenn die Europäer etwas erreichen wollen. Das weiß auch de Gaulle, wenn er nach Moskau fährt. Wir sollten ihm deshalb nicht voreilig Mißtrauen entgegenbringen, und wir sollten im übrigen unser eigenes politisches Gewicht nicht zu gering einschätzen.

SPD zieht Konsequenzen Wie aus dem Informationsdienst der CDU in der Stadt und dem Kreis Herford zu entnehmen ist, hat die SPD im Amt Ennigloh den von ihr — gegen die Stimmen der CDU — gewählten Amtsdirektor nach einem sehr blamablen Intermezzo von rund acht Monaten Amtszeit wieder zurückziehen müssen. Die CDU erinnert daran, .daß schon vor der Wahl kein Zweifel daran bestand, wie sehr die Sozialdemokraten dem Parteibuch gegenüber der fachlichen Qualität den Vorzug gegeben haben.


Aus den Arbeitskreisen Fortsetzung von Seite 2 sich bewährt habe. Allerdings verlange diese Wirtschaftsordnung eine verantwortungsvolle und konsequente Wettbewerbspolitik. Schließlich werde die Zukunft innerhalb der EWG und in Zusammenarbeit mit dritten Ländern einen verstärkten Wettbewerb mit sich bringen. Dies wiederum verlange als Voraussetzung Rationalisierung, Kooperation und u. U. Konzentration. Die wichtige Rolle der Klein- und Mittelbetriebe für das Funktionieren einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung bleibe allerdings davon unberührt. Dr. von Stackeiberg untermauerte seine Thesen durch neueste Untersuchungsergebnisse. Nach denen befürworteten 76% der erwachsenen Bevölkerung des Bundesgebietes eine Steigerung des Leistungswettbewerbs im Bereich der Fortbildung, 44 % in den Bereichen der Leistungen am Arbeitsplatz und im Beruf, 40 °/o im Leistungswettkampf der Hersteller von Waren untereinander und 34% im Leistungswettkampf des Einzelhandels. Ähnlich hoch wird der Wert des Wettbewerbs im gemeinsamen europäischen Markt eingeschätzt. Dr. Prentzel ging in seinem Referat konkret auf die Situation der Großunternehmen im Wettbewerb ein. Sie sind als Organisationsform nicht hinwegzudenken. Ihre Entwicklung ist nach Ansicht des Redners für die Gesamtwirtschaft ebenso wichtig wie die mittelständischen Unternehmen. Aus dem gesunden Nebeneinander der beiden entwickele sich die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Daß selbst finanzstarke Großunternehmen nidit in der Lage sind, alle Forschungsaufgaben ohne die Hilfe des Staates aus eigenen Mitteln zu erfüllen, ist eine Tatsache, die der Redner mit einem deutlichen Appell an die öffentliche Hand ebenfalls nicht unausgesprochen ließ.

„Der Staat sind wir" Im Podiumsgespräch III „Staat und Verbände" behandelte der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung, Dr. Gerhard Stoltenberg, MdB, in seinem Vortrag „L'etat c'est nous!" die Problematik von Demokratie und Mitverantwortung. Demokratie bedeutet nach seiner Ansicht nicht nur Rechte und Freiheiten, sondern auch Mitverantwortung und Haftung. Das Programm der Demokratie lasse sich in dem Satz „Der Staat sind wir" zusammenfassen. Ein Rechtsbewußtsein sei jedoch in der Bundesrepublik viel stärker ausgeprägt als das Gefühl für die Pflichten, die die Demokratie jedem Staatsbürger auferlege. Bundesminister Stoltenberg wandte sich besonders gegen die einseitige Betrachtungsweise verschiedener Gruppen, die an den Staat nur Forderungen stellen könnten. Besonders betonte er, daß die Wissenschaft schlecht beraten wäre, wenn sie die schlechten Sitten einiger Verbände in ihren Reihen einführte. Das sachliche Gespräch, wie es der Wissenschaft ihrer ganzen Art nach läge, könne in diesem Raum nur Erfolg haben. Abschließend betonte der Minister, daß jeder Verband, der in der Öffentlichkeit die Spielregeln der Zusammenarbeit ver-

letze, in die Kritik der Öffentlichkeit geraten müsse. Hier habe die Publizistik eine große Aufgabe zu erfüllen. Im zweiten Referat dieses Podiumsgesprächs stellte der frühere Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer, Wolfgang Herion, die Frage: „Warum und wozu Gruppen und Verbände?" Er betonte, es sei ein wesentliches Kennzeichen unserer modernen gesellschaftlichen Ordnung, daß sich Staat und Individuen heute nicht mehr unmittelbar gegenüberstehen. Als neue Verbindungsglieder seien Gruppen und Verbände entstanden, die nicht mehr wegzudenkende Elemente unserer heutigen Gesellschaft darstellten. Die individuelle Meinung des einzelnen forme sich durch die Gruppenbildung zu einer einheitlichen Meinung mehrerer. Auf diese Weise enständen miteinander konkurrierende Gruppen. Diese repräsentierten „organisierte Interessen" gegenüber der öffentlichen Gewalt und versuchten, Einfluß zu nehmen auf die Willensbildung der Gewalt ausübende Organe. Das vierte Podiumsgespräch wandte sich europäischen Fragen zu. Nach Botschafter a. D. Pietro Quaroni, dem Präsidenten der Staatlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt in Italien, der sich sehr zurückhaltend zu dem Ergebnis der Luxemburger Besprechungen geäußert hatte, zeichnete in Vertretung des erkrankten EWG-Präsidenten das Mitglied der Hohen Behörde, von der Groeben, ein optimistischeres Bild der EWG. Er sieht in dem engen Zusammenschluß der sechs Volkswirtschaften zu einer Union das ge-

eignete Mittel, der amerikanischen Wirtschaftskraft begegnen zu können. Unausgesprochen an die Adresse Frankreichs wandte sich von der Groeben gegen Bestrebungen, die Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in ihrer Tätigkeit einzuengen. Sie hätten von Anfang an Vertrauen erweckt und damit eine Basis geschaffen, die es der Wirtschaft erlaube, ihre Investitionen auf den großen Binnenmarkt auszurichten. Mit der wirtschaftlichen Einigung ist eS nicht genug. Von der Groeben sagte dazu oi. a.: „Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft reicht daher über den rein wirtschaftlichen Bereich weit hinaus, denn Wirtschaftspolitik ist und bleibt Politik. Die Zusammenfassung der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist mithin nur ein Teilvorgang der politischen Einigung Europas." Dr. Dietrich-Wilhelm von Menges, Mitglied des Vorstands der Gutehoffnungshütte, richtete seinen Blick von Europa aus nach Osten. Er ist der Ansicht, daß die deutsche Wirtschaft stark genug sei< um ohne Prestigeverlust die allzu engenj Bindungen hinnehmen zu können, dir' manche unserer westlichen Partner m> dem Ostblock eingegangen sind. Diö Wirtschaft sei sich darüber klar, daß die Frage der Beziehungen zu östlichen Staaten stets von politischen Aspekten auszugehen habe. Andererseits aber sei es das Verdienst der Wirtschaft, Wegbereiter der Politik geworden zu sein: „Unsere Stärke ist die freiheitliche europäische Gesellschafts- und SozialOrdnung. Auch weiterhin können wH* auf sie vertrauen."

Hochschulreform angestrebt

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CDU Rheinland-Pfalz will „alle an einen Tisch" Die CDU-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag, die das Schwergewich' ihrer kulturpolitischen Arbeit auf die Schulen legt, will auch der Hochschul' reform einen kräftigen Anstoß geben. Die Fraktion möchte einen gemeinsamen Ausschuß bilden, in dem Universität, Hochschulverwaltung, Studenten und Parlament vereinigt sind. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDUFraktion, Hilf, teilte mit, daß sich zur Zeit ein „Arbeitskreis Hochschulreform", seiner Fraktion um praktische Vorschläge

CDU fällt nicht um In dem Streit über den Charakter der öffentlichen Schulen in Hessen hat sich dem Vernehmen nach ein Kompromiß zwischen der SPD, den Landtagsfraktionen und den Kirchen abgezeichnet. Nach einer Kabinettssitzung veröffentlichte die Staatskanzlei eine Entschließung, in der von „Gemeinschaftsschulen auf christlicher Grundlage" gesprochen wurde. Demgegenüber erklärte die CDU, daß sie zunächst an der Änderung des umstrittenen Schulartikels in der hessischen Verfassung festhalten werde. Danach sollten die öffentlichen Schulen „in der Regel" als „Gemeinschaftsschulen auf christlicher Grundlage" in der Verfassung verankert werden.

für dieses Vorhaben bemühe. Die CDU sieht nach seinen Worten in der NeM gründung von Universitäten in der Bu&_i desrepublik eine große Chance für ein?] zeitgemäße Reform des Studiums und für ein gesundes Konkurrenzverhältnis untef den bereits bestehenden Universitätenbei denen dadurch die Gefahr vermieden werde, daß sie im Stadium rein theoretischer Überlegungen verharrten. Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion machte den durchaus inter essanten Vorschlag, die Studiengänge aP den Universitäten, insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fakultäten, nad> Berufszielen zu trennen. Da sich der Lehrermangel gerade auf dem Gebiet de* höheren Schuldienstes besonders bemerk' bar mache, solle man versuchen, die AuS' bildung zwischen jenen zu trennen, dtf den höheren Schuldienst suchten und den anderen, die ein Diplom und eine nach' folgende Beschäftigung in der Wirtschaf1 anstrebten. Landtagsabgeoridneter Hilf et' klärte für die Fraktion, durch diese Tren' nung könne nicht nur der Sachstoff fü* die künftigen Philologen möglicherweise gekürzt, sondern auch gleichzeitig eine bessere pädagogisch didaktische Ausbü' dung erreicht werden.


Ungekonnte Vorschläge Buh-Rufe sind keine Argumente - SPD inszenierte Tumult Die schwankende Haltung der SPD-Opposition im nordrhein-westfälischen Landtag hat zu scharfen Auseinandersetzungen bei der dritten Lesung des Haushalts 1966 geführt. Wie bereits gemeldet, hatte die SPD zunächst dem Haushaltsentwurf der CDlj/FDP-Regierung, der zehn Prozent Steigerung vorsah, zugestimmt. Als nach den Empfehlungen des Gutachterausschusses zur wirtschaftlichen Lage in der Bundesrepublik die Notwendigkeit offenkundig wurde, die öffentlichen Ausgaben 2 u beschränken, stimmte die SPD trotzdem gegen die entsprechenden Kürzungsv orschläge der CDU/FDP. Eigene Kürzungsvorschläge machte sie zunächst nicht. Wenige Tage vor der dritten Lesung, offensichtlich unter dem Druck der öffentlichen Meinung und aus propagandistischen Gründen, kam die SPD endlich mit Kürzungsvorschlägen heraus. Doch zielten diese gegen das Schwerpunkt-Programm 7(,r Regierung und die Vorhaben zur •'lukturverbesserung des Landes, also ?egen die wichtigsten Zukunfts aufgaben überhaupt. Es ist verständlich, daß die Landesregierung nicht zustimmen konnte, s olche Kürzungen hätten den Aufbau direr ganzen, in die Zukunft weisenden Politik bedroht. Außerdem: ein Teil der Streichungsvorschläge der SPD betraf befits begonnene Neubauten. Sollten diese an gefangenen Arbeiten stillgelegt und die "austeilen eingemottet werden? Dabei bleibt die Frage offen, wie teuer das Einmotten würde, von den herausgeworfenen Geldern der ersten Bauabschnitte, die schließlich auch mit der Billigung der SPD-Opposition begonnen wurden, ganz zu schweigen. Einiges sah die SPD schon yor der Debatte ein und zog einen Teil ihrer Vorschläge zurück. Aber dann in der Debatte inszenierte sie einen in Düsseldorf selten erlebten Tumult und ließ Ministerpräsident Dr. Meyers kaum zu Wort kommen. Die SPD-Abgeordneten v ersuchten ihn mit Buh-Rufen und höhnischem Gelächter niederzuschreien. Beyers legte einen umfassenden Rechen' Iwiftsbericht über die Tätigkeit seiner Regierung vor und wies nach, daß die Kürzungsvorschläge der Opposition an "den Nerv der Landespolitik" gehen. Meyers betonte weiter, der staatlich geförderte Wohnungsbau werde auch in den sogenannten weißen Kreisen fortgesetzt. Für die Wirtschaftskraft des Ruhrgebiets solle alles nur Mögliche getan Werden. Der gleiche Sprecher der SPD, der noch or vier Monaten den Haushaltsentwurf der Regierung besonders gelobt hatte,

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Seminar gegründet Die christlich-soziale Kollegenschaft in kerlin hat mit Vertretern anderer christhch-sozialer Organisationen ein ständi9es Bildungsseminar für politische und gewerkschaftliche Fragen gegründet. Die Teilnehmer der ersten Konferenz forderen, den 17. Juni als arbeitsfreien Nationalfeiertag beizubehalten und an diesem Tage, und nicht am 1. Mai, die große Freiheitskundgebung stattfinden zu lassen.

meinte nun, die Regierung hätte bei der Etataufstellung mehr Zurückhaltung üben müssen. Die Hilflosigkeit seiner Fraktion bei dieser letzten Haushaltsberatung vor den Wahlen wurde auch dadurch deutlich, daß die SPD-Sprecher die Regierung mit fast beleidigenden Äußerungen angriffen, die ein Eingreifen des Parlamentspräsidenten notwendig machten, was im Düsseldorfer Landtag bisher noch kaum erfolgt ist. Finanzminister Pütz stellte fest, daß die SPD „ungekonnte Kürzungs vorschlage" gemacht habe, nachdem es populär geworden sei, an öffentlichen Haushalten zu sparen.

Eine CDU-Initiative Die CDU-Landtagsfraktion leitete dem Saarparlament eine Entschließung zu, die den Vorschlag beinhaltet, die Voraussetzungen für den Erlaß einer neuen Laufbahnverordnung für Sozialarbeiter im gehobenen Dienst zu schaffen. Die normale Ausbildungszeit dauert aufgrund der bestehenden Bestimmungen in den übrigen Bundesländern sechs Jahre, dagegen an der Saar noch immer acht Jahre, was viele Fachkräfte veranlaßte, sich andernorts zu bewerben. An der Saar sind augenblicklich fast 20 Stellen in dieser wichtigen Berufssparte unbesetzt, u. a. beim Landesjugendamt, in den verschiedenen Gefängnisanstalten, in der Sozialfürsorge und bei den Gesundheitsämtern. Gegenwärtig beschäftigen die saarländischen Landes-, Kreis- und Kommunalbehörden etwa 150 Sozialarbeiter. An der Höheren Fachschule für diese Sparte in Saarbrücken befinden sich zur Zeit 51 Kandidaten in der Ausbildung.

Fernsehen und Hörfunk

Klarheit und Wahrheit Die Staatliche Pressestelle Hamburg hat sich selbst durch eine sonderbare Pressemeldung in ein merkwürdiges Zwielicht gebracht. Paul O. Vogel, der Leiter der Pressestelle, gab in der vergangenen Woche die folgende lapidare Dreipunkte-Erklärung heraus: 0 „Von Rücktrittsabsichten des Intendanten Gerhard Schröder ist nichts bekannt. 0 Senator Kramer, Hamburg, bewirbt sich nicht um diesen Posten. £ Die Hamburger SPD hat ihn hierfür nicht vorgeschlagen." Gerade die Kürze dieser Erklärung macht sie so gefährlich. Schon der erste Punkt ist höchst problematisch. Von Rücktrittsabsichten ist nichts bekannt? Allenfalls hätte man die Formulierung akzeptiert, der Staatlichen Pressestelle Hamburg sei davon nichts bekannt. Man muß sich fragen, ob die Staatliche Pressestelle Hamburg hier als ein Hilfsorgan der NDR-Pressestelle fungiert, denn auch dort ist angeblich nichts bekannt. Aber eine Pressestelle, vor allen Dingen eine staatliche, hat nicht die Aufgabe, sich dumm zu stellen und Nebel abzulassen. Für alle Eingeweihten ist die Diskussion um den Intendanten des NDR ein offenes Geheimnis. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, daß es bereits ein Angebot an einen anderen ARD-Intendanten gegeben hat, den Hamburger Sender zu übernehmen. Und das sicher just aus den Gründen, die die Diskussion um den amtierenden Hamburger Intendanten immer wieder anheizen. Ist es unfair, von diesen Dingen offen zu sprechen, wo doch Herr Schröder krank ist? Aber in der vergangenen Woche sah man den Patienten recht munter in Deutschlands aufsehenerregender neuer Opernpremiere von Boris Blacher „Zwischenfälle bei der Notlandung". Wenn man sich also im NDR nicht erst seit gestern fragt, was ist Wahrheit, so kann man hier fragen, „was ist Krank-

heit"? Oder ist es vielleicht eine politische Krankheit? Die SPD belaßt sich nicht nur in Hamburg, sondern auch in Bonn und Berlin mit dem Fall Schröder. Dem stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Wehner wird die Äußerung zugeschrieben, dieses mit dem Daumen zugehaltene Geschwür könne zur Unzeit (für die SPD) neuen Eiter verspritzen. Auch der NDRVerwaltungsratsvorsitzende Blachstein, Bundestagsabgeordneter der SPD, hält die Vertrauensbasis zwischen Schröder und seinen leitenden Mitarbeitern, die sich beim Verwaltungsrat beschwert haben, lür völlig zerstört. Hier hilft kein künstlicher Nebel mehr. Sieben leitende Mitarbeiter des NDRFernsehens haben sich erneut über ihren Intendanten beschwert, weil er sie alle belogen habe. Sie sehen keine Möglichkeit mehr, mit ihm vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Muß also unbedingt die Hamburger Bürg er schal tswahl abgewartet werden, bevor man klare Entscheidungen trifft? Fast will es so scheinen. Die SPD sollte aber um wahltaktischer Überlegungen willen ihre Verantwortung lür diesen traditionsreichen Sender nicht vergessen, in dem die Atmosphäre vergütet ist. Schon am 31. Januar sind die Verträge leitender Mitarbeiter abgelaufen. Aber niemand weiß, wann der Intendant sein Vorschlagsrecht ausüben wird, denn bis Anfang April ist er nach einer Mitteilung der NDR-Pressestelle krank. Wenn man ihn aber in Hamburgs Straßen trifft, fragt man sich doch, wie krank er nun eigentlich ist. All das müßte geklärt werden. Und zwar vor dem 27. März, vor den Hamburger Bürgerschaftswahlen. Für alle freien Positionen sind hervorragende und hochqualifizierte Fachleute vorgeschlagen worden. Auch ihnen gegenüber wäre es unfair, noch länger zu warten. Seit über einem Jahr sind die Entscheidungen bekannt, die getroffen werden müssen. Sie müssen jetzt fallen, denn nichts braucht das Hamburger Haus mehr als Klarheit und Wahrheit. ohg.


Das Ergebnis des Kongresses Zum Abschluß des „Forum 66 zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik' in Wiesbaden wurde folgende Schlußerklärung verabschiedet: Wir sehen mit Sorge, daß heute über den Auseinandersetzungen mit Tagesfragen und dem Ringen um Gruppenvorteile die Sicherung einer beständigen Entwicklung der Zukunft vernachlässigt und unsere in christlicher Ethik wurzelnde Geisteshaltung, die Grundlage unserer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung, allzu oft verwässert oder gar aufgegeben wird. Zu dieser Geisteshaltung gehört auch die Überzeugung, daß sich die Würde des Menschen in einem möglichst großen Maß an individueller Freiheit und eigener Verantwortung verkörpert. Individuelle Freiheit setzt die Freiheit voraus. Initiative zu entfalten, Ideen zu haben, sie zu verwirklichen, und für die meisten Menschen bedeutet dies nicht zuletzt Freiheit in ihrer wirtschaftlichen Betätigung. Deshalb brauchen wir eine Wirtschaftsordnung, die jedem die Möglichkeit gibt, durch mehr Leistung mehr zu erreichen, die allen die Chance gibt, Eigentum zu bilden und die all denen den Weg in die wirtschaftliche Selbständigkeit offen hält, die bereit sind, unternehmerisches Risiko zu tragen und sich dem Wettbewerb zu stellen. Dieser Ordnung entspricht eine Sozialpolitik, die im Rahmen der Verpflichtungen des Gemeinwesens Voraussetzungen schafft und Hilfen gibt, dem einzelnen die Verantwortung für sich und seine Familie weitgehend zu belassen. Es gibt kein besseres Steuerungssystem für die Wirtschaft und keine wirksamere Kontrolle wirtschaftlicher Macht als einen unverfälschten, leistungsbezogenen Wettbewerb. Deshalb lehnen wir staatliche Lenkung und Planung der Wirtschaft ebenso ab, wie es notwendig ist, Mißbrauch von Marktmacht zu verhindern. Wettbewerb ist aber nur möglich, wo die Unternehmungsleitungen dem wirtschaftlichen Erfolg verpflichtet sind. Allen Bestrebungen, die unternehmerischen Entscheidungen von anderen als den Eigentümern bestimmen zu lassen, muß entschieden entgegen getreten -werden. Die sozialen Verpflichtungen können nur erfüllt werden, wenn die Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich arbeiten. Alle sollen mitarbeiten Wir wollen einen Staat, der von seinen Bürgern getragen wird; das aber erfordert die persönliche Mitarbeit des einzelnen in den für die politische Entscheidung berufenen Gremien, in den Parteien und den Parlamenten in Bund, Ländern und Gemeinden. Diese Mitarbeit kann nicht auf Interessenverbände delegiert werden, denn die politische Entscheidung verlangt den Bürger. Die notwendige Mitwirkung von Gruppen und Verbänden in Staat und Wirtschaft darf das Gleichgewicht der Kräfte nicht beeinträchtigen. Unser Blick ist heute auf Europa gerichtet. Wir sollten verstehen, daß die Überwindung nationaler Vorbehalte, die in Jahrhunderten gewachsen sind, Zeit

braucht. Aber mit Geduld und Takt, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren, werden wir es in unserer Generation erreichen: Die politische Einigung Europas. Dies erfordert aber auch, eine Verständigung mit den Völkern Osteuropas zu suchen, ohne die politischen Gegensätze verdecken zu wollen. Wir begrüßen die Überwindung der Krise der EWG und erwarten, daß die Gemeinsame Handels-, Konjunktur- und Währungspolitik rasch verwirklicht wird. Als Ergebnis des Forums 66 bitten wir alle Bürger unseres Staates, über den Problemen der Gegenwart nicht die Vorsorge für die kommenden Jahre und Jahrzehnte zu vergessen und sich auf die Grundlagen zu besinnen, auf denen unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung ruht. Insbesondere aber bitten wir die für den Staat verantwortlichen Politiker und Beamten, das Wohl des ganzen Volkes im Auge zu behalten und nicht zu glauben, daß dieses Wohl durch eine Summierung der Forderunqen aller Gruppen und Verbände erreicht werde; die öffentlichen Haushalte zu einem Beispiel verantwortungsbewußter Finanzgebarung zu machen und so zur Sicherung der Stabilität lund des Geldwertes beizutragen; die Verbesserung der Ausbildung der heranwachsenden Generation und die Förderung von Wissenschaft und Forschung als die wichtigsten Aufgaben zur Sicherung der Zukunft unseres Volkes anzusehen;

die Gruppen und Verbände, ihren Mitgliedern bei der Anpassung an die ver-: änderten Anforderungen, die Gegenwart und Zukunft stellen, zu helfen, nicht aber zu versuchen, sich zu Lasten anderer Gruppen oder der Gesamtheit Sondervorteile zu verschaffen; die Sozialpartner, Vereinbarungen in den Tarifverträgen, vor allem die Lohn-3 findung und die Arbeitszeitregelung, in dem Rahmen zu halten, der die Geldwertstabilität und die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft nicht gefährdet; die Unternehmer, sich konsequent dem Wettbewerb des immer größer werdenden Weltmarktes zu stellen, durch Rationalisierung ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen und nicht zu versuchen, sich durch staatlichen Schutz oder andere Einschränkungen dem Wettbewerb zu entziehen; sich dem Sparwillen und damit der Vermögensbildung aller Schichten aufgeschlossen zu zeigen und dafür neue Wege auch im Hinblick auf die notwendige Kapitalbildung zu suchen; die Gewerkschaften, im Einklang mit unserer staatlichen und gesellschaftlichem. Ordnung anzuerkennen, daß in polit»«' sehen Fragen nicht sie, sondern die Ab-H geordneten im Bundestag das Mandat des ganzen Volkes, auch der Gewerkschaftsmitglieder, haben; jedem Bürger, die Gestaltung der eigenen Zukunft und die ihrer Kinder mehr als bisher "in die Hand zu nehmen, sich um die eigene Bildung und die ihrer Kinder auch unter Opfern zu bemühen, sich über die Grenzen ihres Lebensbereiches hinaus den vielfältigen Aufgaben des Gemeinwesens zu stellen, und bereit zu sein, in Parlamenten und Parteien politische Verantwortung zu übernehmen.

Wechsel in der Spitze

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Ein neuer Landtagspräsident an der Saar

An die Spitze des Saarparlaments trat ein neuer Mann. Anstelle des Abgeordneten Josef Schmitt, Lockweiler, der als 7. Präsident dem Hohen Haus, fünfeinhalb Jahre lang vorstand, hat die CDU als 8. Repräsentanten d€r Volksvertretung Dr. med. Hans Maurer aus St. Wendel nominiert. Er wurde einstimmig gewählt. Josef Schmitt wurde im September 1965 über den Wahlkreis Saarlouis-Merzig in den Bundestag gewählt. Er ist Mitglied des Wirtschaftspolitischen Ausschusses und wirkt im Arbeitskreis II (Wirtschaft und Ernährung) der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit in der soeben neu gebildeten Sektion Kohle. Ob er neben seinen Funktionen am Rhein auch weiterhin den Landtagssitz in Saarbrücken beibehält, ist noch nicht entschieden. Aufgrund eines vor Jahren bereits gefaßten Beschlusses des Landesvorstandes der CDUSaar sind Doppelmandate unerwünscht. Der praktische Arzt Dr. Hans Maurer, St. Wendel, Jahrgang 1913, gehört zu den Mitbegründern der CDU im Saarland. Seit 1956 steht er dem Kreisverband der Union seines Heimatbezirks vor. Seit dem 4. Dezember 1960 gehört er dem Saarlandtag an. In seiner Antrittsrede wandte sich der neue Landtagspräsident gegen die zu-

nehmende Repräsentationssucht, die Würde und Autorität herabmindere und obendrein Anforderungen stelle, denen der einzelne Politiker bei Berücksichtigung der eigenen familiären und beruflichen Bindungen und Verpflichtungen physisch einfach nicht mehr gewachsen sei. Mit bemerkenswertem Freimut rührte Dr. Maurer an ein Problem, das vielen Volksvertretern echte Sorge bereitet. „Es ist sicherlich etwas Wahres daran," sagte er, „daß das Gewicht zwischen Parlament und Verwaltung sich zugunsten der Verwaltung und zum Nachteil des Parlaments verlagert hat, ein Zustand, der als Gefährdung oder Schwäche der demokratischen Verfassung beklagt wurde. Diese Verlagerung mag teils eine Folge des zunehmend erforderlichen speziellen Wissens, teils auch Folge einer Strukturveränderung unserer Gesellschaft sein, wie sie sich in den letzten Jahren vollzogen hat."


VERTRIEBENE und FLÜCHTLINGE In Prag empfangen Wie der vom Presserat katholischer Vertriebenenorganisationen herausgegebene Informationsdienst „West-Ost" mitteilte, ist der leitende Redakteur der Osteuropa-Redaktion der „Deutschen Welle", Dr. Manfred Müller-Witte, in Prag vom stellvertretenden Außenminister Klicka empfangen worden. Er hatte anläßlich des Sudetendeutschen Tages 1964 gegen den Sprecher der Sudetendeutschen, Bundesverkehrsminister Seebohm, einen Kommentar verfaßt, der von der „Deutschen Welle" u. a. auch in die Tschechoslowakei ausgestrahlt worden war. Matzel ausgezeichnet Der Bund der Danziger hat den Vorsitzenden des nordrhein-westfälischen Landesbeirats für Vertriebenen- und Flüchtlingsfragen, Wilhelm Matzel, für sein verdienstvolles Wirken mit der silbernen Ehrennadel ausgezeichnet. Matzel ist auch verantwortlich für die regelmäßige Vertriebenensendung im Westdeutschen Rundfunk. Bedauern der Pommern Eine Mitarbeitertagung des nordrheinwestfälischen Landesverbandes der Pommerschen Landsmannschaft hat ihr Bedauern darüber ausgesprochen, daß der Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands nach wie vor vollinhaltlich hinter der Denkschrift zur Ostpolitik steht, obwohl in vielen Diskussionen wesentliche Irrtümer festgestellt worden seien. Die Pommern haben die Erwartung ausgesprochen, daß sich der Rat der EKD künftig vor der Veröffentlichung ostnplitischer Grundsatzerklärungen mit den ngelischen Christen aus Ostdeutschland abstimmt. Gegensätze aufgezeigt Auf einer Tagung des Hilfskomitees für die ev.-luth. Slowakendeutschen in Freilassing hat der CSU-Bundestagsabgeordnete Dr. Hudak zur Denkschrift der EKD erklärt, die Kirche habe politische Aussagen ersten Ranges gemacht, die im Gegensatz zur Politik der Bundesregierung stehen. Er hat den Autoren vorgeworfen, ideologische Gegensätze zwischen Ost und West verharmlost zu haben. Kritik an Mischnick Der CDU/CSU-Landesverband Oder/ Neiße hat die Forderungen von Vizekanzler Mende und des früheren Bundesvertriebenenministers Mischnick (beide FDP) zurückgewiesen, volle diplomatische Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten aufzunehmen. Dadurch komme man der Wiedervereinigung Deutschlands nicht näher, außerdem bedeute dieser Schritt die Preisgabe der deutschen Ostgebiete.

Unglaubwürdige SPD Protestwelle gegen Kürzungsvorschläge in Nordrhein-Westfalen

Wie glaubwürdig ist die in Nordrhein-Westfalen zur Macht drängende SPD bei den Vertriebenen und Flüchtlingen? Muß man nicht befürchten, daß sie eine Liquidation der Vertriebenenpolitik schlechthin anstrebt? Diese Frage stellte der CDU-Landtagsabgeordnete Christoph Schulze-Stapen im Zusammenhang mit radikalen Kürzungsforderungen der SPD an den Etat für den Vertriebenen- und Flüchtlingssektor. Wie Schulze-Stapen im CDU-Informationsdienst „Der Heimatvertriebene — der Flüchtling" ausführte, hat die SPD die Streichung von 6 Millionen DM aus dem Etat des für die Vertriebenen und Flüchtlinge zuständigen Sozialministers Konrad Grundmann verlangt. Wäre das verwirklicht worden, wären alle Bemühungen um die kulturelle sowie die Staats- und gesellschaftpolitische Förderung der Eingliederung praktisch zum Erliegen gebracht worden. Dadurch wären vor allem die mit großem Erfolg angelaufenen Gesamtdeutschen Wochen, die Arbeit des Landeskuratoriums Unteilbares Deutschland, die gesamte Jugendarbeit im Bereich der Vertriebenen und Flüchtlinge und der ost- und mitteldeutsche Schülerwettbewerb gefährdet worden, dessen gesamtdeutsche Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden könne. Außerdem hätten die Patenschaften für die Sachsen, Thüringer, Oberschlesier und Siebenbürger Sachsen nicht weiter wirksam werden können. Auch die Förderungsmaßnahmen für die mittelständische Wirt-

schaft der Vertriebenen und Flüchtlinge wären gefährdet gewesen. Ebenso ruinös waren die Kürzungsvorschläge der SPD bei der Eingliederung der Ostbauern. Hier sollten 28 Millionen DM gestrichen werden, was zur Folge gehabt hätte, daß weitere 28 Millionen DM Bundesmittel für denselben Zweck nicht nach Nordrhein-Westfalen geflossen wären. Der gerade von der SPD lautstark geforderte Fünf-Jahres-Plan für die Eingliederung der Bauern aus Ost- und Mitteldeutschland wäre zusammengebrochen. Schulze-Stapen stellte zu den Kürzungsvorschlägen, die eine Protestwelle der Vertriebenen und Flüchtlingen auslösten, fest: „Die in der Regierungsverantwortung stehenden Fraktionen der CDU und FDP haben nicht zugestimmt. Sie wollen im Gegensatz dafür sorgen, daß die jahrelangen, im ganzen Bundesgebiet vorbildlichen und bisher überaus erfolgreichen Bemühungen um die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen unter Konrad Grundmanns Führung verstärkt fortgesetzt werden können".

Gutachten im April Bundesvertriebenen min ister Dr. Gradl: Im Mai 19. Novelle

Für April erwartet Bundesvertriebenenminister Dr. Johann Baptist Gradl das Gutachten eines Unabhängigen-Gremiums über die Reserven des Lastenausgleichsfonds. Sie bilden eine wichtige Grundlage für die 19. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz, die dem Bundestag voraussichtlich noch im Mai vorgelegt werden soll. Wie der Bundesvertriebenenminister anläßlich eines Informationsgesprächs mit der Vertriebenenpresse in Bonn erklärte, werden neben sozialen Verbesserungen die Anhebung der Hauptentschädigung und die Verbesserung der Unterhaltshilfe Kernpunkte der Novelle sein. Für Sowjetzonenflüchtlinge werde man vorsehen, die Vermögensabgabe für ihr im freien Teil Deutschlands vorhandenes Vermögen zu stunden. Da der Lastenausgleichsfonds nicht über liquide Mittel in Höhe der in ihm enthaltenen Reserven verfüge, dürfe mit Barleistungen für weitere Hauptentschädigungsberechtigte nicht gerechnet werden. Gradl setzte sich bei dem Gespräch dafür ein, den Wohnungsbau für Aussiedler und Flüchtlinge aus der Zone im benötigten Umfang fortzusetzen. Der Minister bezeichnete es als eine wichtige Aufgabe, der „Verzichtswelle" in der Bundesrepublik entgegenzuwirken, die aus einer Neigung zur Resignation erwachsen sei. Der Erfüllung dieser Pflicht

diene alles, was er getan habe, was er tue und was er in Zukunft tun werde, betonte Dr. Gradl. Er nannte die Verständigung als den einzigen Weg, der zu einer Versöhnung mit unseren östlichen Nachbarn führe. Einem Diktat werde man sich nicht beugen. Der Bundesvertriebenenminister bezeichnete Ostdeutschland ausdrücklich als eine „Sache, die alle angeht".

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Der Senat hat versagt Das Ansehen Berlins in unverantwortlicher Weise gefährdet In Berlin sind jetzt Konsequenzen fällig. Die beschämenden Demonstrationen gegen die USA haben nachdrücklich bewiesen, daß die Führung der ehemaligen Reichshauptstadt in einem geradezu gefährlichen Ausmaß die Zügel schleifen läßt. Daß ausgerechnet in Berlin Kommunisten und politisch infantile Halbstarke sozusagen mit behördlicher Genehmigung „Johnson ist ein Mörder" brüllen dürfen, daran trägt der Senat ein gerüttelt Maß Schuld. Der Skandal von Berlin hat nicht nur sehr hoch sei, schweren Schaden erlitten

in der Bundesrepublik Bestürzung ausgelöst, er hat als drohende Warnung den Berlinern vor Augen geführt, daß sie nicht länger schweigen dürfen, wenn die ohnehin schwierige Lage der Stadt nicht noch weiter verschlechtert werden soll. Obwohl es schon vorher zu antiamerikanischen Plakataktionen in Berlin gekommen war, gestattete die Westberliner Polizei eine Studentendemonstration gegen die US-Vietnampolitik. Ungefähr 1500 Studenten, jene Kreise, die zielsicher die Freie Universität in Verruf bringen, zogen über den Kurfürstendamm und trugen Transparente und Spruchbänder, mit denen der Einsatz amerikanischer Truppen in Südostasien geschmäht wurde. Sprechchöre brüllten „JohnsonMörder". Kommunisten und ihr Anhang versuchten dabei, die Zuschauer in politische Diskussionen und Auseinandersetzungen zu verwickeln. Nach Abschluß des Protestmarsches glitt den Veranstaltern — Liberaler Studentenbund, Sozialdemokratischer Hochschulbund, Sozialistischer Deutscher Studentenbund, Humanistische Studenten-Union und ArgumentKlub — die Aktion aus den Händen. Mehrere hundert Studenten, angefeuert von SED- und FDJ-Funktionären zogen weiter zum Amerika-Haus. Sie bewarfen das Gebäude mit Eiern und setzten die US-Flagge auf halbmast. Erst danach griff Polizei ein und zerstreute die Randalierer. Während der unverantwortliche Krawall von der gesamten Bevölkerung sofort bedauert wurde, schwieg der Senat, über 24 Stunden ließ der Senat nichts verlauten, weder ein Wort der Entschuldigung noch des Bedauerns. Nach dem Anruf eines Journalisten rafften sich die Verantwortlichen auf und ließen durch einen untergeordneten Beamten eine Deutung der Demonstration verlauten, ein Wort der Entschuldigung fand man nicht. Als Brandt und seine Mitarbeiter feststellen mußten, daß die Empörung der Berliner Bevölkerung ständig wuchs, sah er sich zwei Tage später genötigt, die Ausschreitungen zu verurteilen. Gleichzeitig betonte er das Recht der Studenten, ihre politische Meinung zu vertreten. Der Sonderbeauftragte des Bundeskanzlers in Berlin, Ernst Lemmer, erklärte sofort, als Berliner Bürger und CDUPolitiker wende er sich gegen jede Bagatellisierung der Vorgänge, wenn es sich auch nur um einen kleinen Klüngel gehandelt habe, dessen Tun nicht mit der Meinung der Berliner Bevölkerung identisch sei. „Ich bin der Meinung, es ist höchste Zeit, daß sich die verantwortlichen Organe der Stadt mit der Frage befassen, wie solche Vorgänge in der Zukunft verhindert werden sollen", sagte Lemmer. Er fürchte, daß das Ansehen des freien Berlins, das gerade in den USA

habe. Die Berliner CDU erklärte ihr Befremden darüber, daß sich der Senat bis Sonntagmittag weder von den Vorfällen distanziert noch bei den Amerikanern den Angriff auf die US-Flagge bedauert habe. In einem Telegramm an den amerikanischen Stadtkommandanten, Generalmajor John F. Franklin, sprach die Berliner CDU ihr Bedauern über die Ausschreitungen aus. Die CDU hat angekündigt, daß die Zwischenfälle noch ein parlamentarisches Nachspiel haben werden. Sie will eine Anfrage im Abgeordnetenhaus einbringen, die sich auf das verantwortungslose Verhalten des für die Polizei zuständigen Innensenators Albertz bezieht. Seinen Rücktritt hat der Ring Christlich Demokratischer Studenten verlangt. Dieser letzte Skandal hat die Berliner Bevölkerung in dem Gefühl bestärkt, von Kräften geführt zu werden, die zwar Opportunismus, aber keine politische und wirtschaftliche Konzeption besitzen. Ge-

nauso wie jetzt ist das Schweigen Brandts zu den letzten Morden an der Mauer als Zeichen gewertet worden, daß der SPD/FDP-Spitze längst das Gesetz des Handelns entglitten ist. Nicht vergessen ist, daß der Sonderbeauftragte Lemmer, der zu Weihnachten mit scharfen Worten den Mond verurteilte, von Brandt zurechtgewiesen wurde. Nicht vergessen ist auch die beschämende Kabarettveranstaltung, an der sich mit amtlicher Billigung SEDKünstler beteiligen durften, die die Mauer verherrlichen. Presselenkung, verschwommene Vorstellung über den Osthandel, Brüskierung der alliierten Schutzmacht, das ist die Politik des Berliner Senats. „Wandlung durch Annäherung", dieses törichte SPDSchlagwort hat dazu geführt, daß der rote Bazillus ausgerechnet in Berlin am besten zu gedeihen scheint. Kein Wunder, daß die Berliner leicht entsetzt feststellen, offenbar' den falschen Mann an der Spitze zu haben. In diesem Zusammenhang ist auch an die SPD ein ernstes Wort zu richten. Wieder einmal hat sich eine Sozialdemokratische Studentenvereinigung politisch in einer Weise exponiert, die sofortige Konsequenzen der Parteispitze verlang] Es ist bestürzend, feststellen zu müssen, daß nach den Querelen mit dem SDS nun auch der SHB ständig die Gesamtpartei kompromittiert. Es ist das Recht der anderen demokratischen Parteien, von der SPD zu verlangen, daß sie sich von den unter ihrer Flagge segelnden Schwarmgeistern, die immerhin, wie Berlin beweist, schweren politischen Schaden anrichten, sofort trennt.

Zuviel gepaukt Neuss aus der SPD ausgeschlossen Zu den törichten Agitatoren gegen die USA-Verpflichtungen in Vietnam zählt das bisher von der SPD verhätschelte Kabarett-Kellerkind Wolfgang Neuss. Am 7. Februar wurde er endlich aus den sozialdemokratischen Reihen ausgeschlossen. Aber nicht wegen seiner Beteiligung an der Demonstration am 5. Februar, sondern weil er vor der Bundestagswahl aufgefordert hatte, die Zweitstimme der DFU zu geben. Wolfgang Neuss gehörte zu den von der SPD gern vorgezeigten und geförderten Künstlern, weil sich sein Unbehagen über den „Mief der Bundesrepublik" überaus günstig zu Angriffen gegen die CDU/CSU ummünzen ließ. Der zweifellos nur gelegentlich witzige Neuss wurde als Beweis für das künstlerisch hohe Niveau einer von der SPD geführten Stadt von Sozialdemokraten gern herumgereicht. Man nahm ihn mit Freuden in die Partei auf und lobte ihn in der Berliner Stimme, dem SPD-Organ, über den grünen Klee. „Die Politik als Kunst des Möglichen", schrieb die Berliner Stimme in einem Artikel, „disgualifiziert Neuss als eine Entschuldigung für mangelnde Initiative. Er lehnt diese Definition ab. Neuss findet jeden Schritt im Kennedy-Stil begrüßenswert. Ein Vorwärtskommen also, das sich nicht an die starren Formen hält, sondern neue Wege sucht und geht. Darum gefällt ihm auch der Willy Brandt der Passierscheingespräche am besten." Neuss konnte es sich leisten, vor der Bundestagswahl die Genossen aufzurufen, ihre Zweitstimme der DFU zu geben. Es schadete nicht seinem Renomme in der Partei, als er an einer den Tatbestand der 0

Gotteslästerung erfüllenden Ausstellung dem Gag-Festival, mitwirkte. Er haflü auch keine Nachteile zu befürchten, als er in zynischer Weise Westberliner Verleger schmähen konnte, die eine Nachbildung der Freiheitsglocke den Hinterbliebenen der in Vietnam gefallenen USSoldaten schenkten. Die SPD schwieg dazu und vielleicht dadurch ermuntert, benutzte ein anderer „Nonkonformist", der Kabarettist Hildebrandt, eine Fernseh-Sylvestersendung zu unzulässiger Werbung für das Polit-Theater des ehemaligen Schlächtergesellen Neuss. Als freilich Mitarbeiter von Neuss vor einigen Tagen dabei ertappt wurden, wie sie Plakate gegen die USA in Berlin klebten und als Neuss sich sogar an der Demonstration beteiligte, dämmerte es bei der SPD, daß man sich mit Neuss eine rote Laus in den Pelz gesetzt hatte. Man schloß ihn aus. Und zwar auf Grund eines Paragraphen, der schnelles Handeln erfordert, um Schaden von der Partei abzuwenden. Der Ausschlußgrund liegt allerdings fast ein halbes Jahr zurück. Hatte die SPD keinen Mut, Neuss wegen seiner antiamerikanischen Haltung zu verurteilen?


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