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New Work Dr. Ulrich Störk

New Work

Wie die Corona-Krise die Digitalisierung und agiles Arbeiten beschleunigt: Das Jahr 2020 wird als „Corona-Jahr“ in die Geschichte eingehen. Ob es für mehr als Covid-19 stehen wird, liegt an uns. Vielleicht wird es auch als das Jahr gelten, in dem wir begonnen haben, anders darüber nachzudenken, wie wir leben und arbeiten wollen. Denn New Work bedeutet mehr als Homeoffice.

Homeoffice statt Firmenbüro, Paare müssen ihren Alltag samt Kinderbetreuung neu organisieren, Video- und

Telefonkonferenzen ersetzen Präsenzmeetings: Die Corona-Pandemie zwingt uns, unser Privat- und Arbeitsleben neu zu organisieren. Radikal. In rasendem Tempo. New Work-Optimisten sehen sich bestätigt: Dank der

Digitalisierung ist ein ortsunabhängiges Arbeiten plötzlich in großem Ausmaß möglich.

Den Sinn der Arbeit nicht aus dem Blick verlieren

Vorerst muss es das vordringliche Ziel sein, die Pandemie schnellstmöglich einzudämmen, in Deutschland und weltweit. Doch sollten wir gleichzeitig im Auge behalten, wie die Menschen sich an die neuen Gegebenheiten an

Dr. Ulrich Störk

Sprecher der Geschäftsführung von PwC Deutschland

„Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern sie dient den Menschen.“

passen. Auch wenn es in der aktuellen Diskussion um Sicherung von Arbeitsplätzen abwegig wirkt, müssen wir uns heute schon fragen: Was können wir daraus für die Zeit „nach Corona“ lernen? Zumal wir uns unter neuen Vorzeichen und mit größerer Dringlichkeit denn je weiterhin drängenden Fragen stellen sollten: Was motiviert uns? Was liegt uns? Was macht uns zufrieden? Diese Fragen stellte in den 1980er Jahren schon der Philosoph Frithjof Bergmann, der den Begriff „New Work“ prägte. Er plädierte, etwas lakonisch ausgedrückt, für mehr Sinnsuche in der Arbeit.

Konstruktive Kritik statt Modebegriff

Bergmann meinte, wenn Unternehmen die Selbstverwirklichung ihrer Mitarbeiter förderten, seien diese zu mehr Leistung bereit. Dabei dachte er aber nicht allein an Effizienzsteigerungen und eine maximale Auslastung der Arbeitskraft.

Ich meine, es steckt viel mehr darin. Denn ich verstehe Bergmanns Idee als Anregung für unsere Arbeitswelt: Statt den Menschen in vorgegebene Prozesse und Strukturen zu zwängen, sollten Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich sein und sich am Faktor Mensch orientieren.

Doch was macht diesen Faktor aus? Was sind die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen? Was ist wirklich wichtig? Gesundheit steht an erster Stelle. Das zeigt die Corona-Krise einmal mehr, wenn auch schmerzlich. Vielerorts beobachten wir jetzt ebenfalls, dass die Menschen mehr auf Gemeinsinn und Solidarität bauen möchten statt auf Spaltung und Egoismus. Das gilt innerhalb Deutschlands, das gilt innerhalb aller anderen betroffenen Länder. Es zeigen sich zudem neue Ansätze grenzüberschreitender Zusammenarbeit, etwa wenn französische Patienten zur Behandlung nach Deutschland kommen dürfen oder kubanische (!) Ärzte die Menschen in Italien unterstützen. Auch das ist New Work. Wir helfen uns mehr.

Erfahrungen bewahren, die Welt verwandeln

Das sind gute Zeichen der internationalen Zusammenarbeit, an die wir uns

Foto: AdobeStock©agenturfotografin

in der Zeit nach „Corona“ erinnern, die wir intensivieren sollten. Wenn jetzt mitunter bereits von einer Re-Regionalisierung der Weltwirtschaft als Folge der Pandemie die Rede ist, so ist dies meines Erachtens eine Tendenz, die wir nicht übertreiben dürfen.

Denn die Welt ist längst vernetzt, die Globalisierung ist über viele Jahrzehnte gewachsen – eine erste Globalisierungswelle vollzog sich bereits im 19. Jahrhundert, wie der Historiker Jürgen Osterhammel in „Die Verwandlung der Welt“ eindrucksvoll gezeigt hat. Und das 20. Jahrhundert hat mit dem Internet und der Digitalisierung einen radikalen Wandel der Arbeitswelt hervorgebracht – die globalen Fäden zwischen den Nationen sind enger gespannt als je zuvor.

Wir sollten uns die Erfahrungen, die wir in diesen turbulenten Zeiten machen, bewahren:

dass mehr möglich ist, als wir denken, wenn es sein muss; dass die Digitalisierung kein Selbstzweck ist, sondern den Menschen dient; dass unser Gemeinsinn stärker ist als unsere Einzelinteressen; dass Entschleunigung in neue Kreativität münden kann; dass die wichtigsten Probleme uns alle betreffen, ohne Ausnahme.

Die Corona-Pandemie bringt aber auch bestehende Probleme zum Vorschein: bei der Gleichberechtigung etwa und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade Familien, bei denen beide Partner berufstätig sind, müssen nach neuen, flexibleren Modellen suchen, wie sie Berufsleben und Kinderbetreuung organisieren – jetzt wo Kindergärten und Schulen auf absehbare Zeit geschlossen sind und Großeltern als Betreuungspersonen ausfallen. Auch Rückstände bei der digitalen Infrastruktur zeigen sich jetzt, insbesondere im ländlichen Raum. Diesen Themen sollten wir uns dringend widmen, noch während das Corona-Virus uns das Leben schwer macht. Denn auch nach der Krise muss New Work mehr sein als lediglich Mobile Office und Videokonferenzen. Dann ist es – dringender als zuvor – an uns, die Welt zu verwandeln. l

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