4 minute read
Industrie 4.0-Plattformen schaffen Dr. Ulrich Störk
Industrie 4.0Plattformen schaffen
Das Herz der deutschen Wirtschaft, die Industrie, schlägt auch in der Corona-Krise. Doch auf dem Weg in die Wissensgesellschaft muss sie sich verändern. Denn Hardware braucht integrierte Software, und Daten brauchen Regeln und Verantwortung.
Die Corona-Krise und ihre Folgen bringen viele Unternehmen und teils ganze Branchen in Not. Auch den
Maschinenbau trifft die Pandemie hart, wie die Negativrekorde aus dem
PwC-Maschinenbau-Barometer für das zweite Quartal 2020 zeigen: Die
Kapazitätsauslastung der deutschen
Maschinenbau-Unternehmen liegt derzeit durchschnittlich bei unter 75
Prozent. Experten rechnen bis Mitte 2021 mit einem Umsatzrückgang von fast 18 Prozent für die Branche.
Wie dramatisch die Krise noch wird, welche Unternehmen sie letzt-
Dr. Ulrich Störk
Sprecher der Geschäftsführung von PwC Deutschland
lich am härtesten treffen wird, für solche Prognosen ist es noch zu früh.
Umso wichtiger ist es, schon vor der Krise nötig gewordene Veränderungen – allen voran die digitale Transformation – entschlossen voranzubringen.
Das Herz der deutschen Wirtschaft schlägt
Trotz aller Ungewissheit bin ich äußerst hoffnungsvoll. Die Industrie ist mit 25 Prozent der Bruttowertschöpfung nach wie vor das Herz des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Und dieses schlägt auch in der Corona-Krise.
Die Branchenbesten wissen aber auch, dass die Industrie der Zukunft mehr braucht als einzigartige Maschinen, Erfindungsreichtum, globale Vertriebsnetze und exzellenten Kundenservice. Diese traditionellen Stärken gilt es zwar für die Digitalisierung der Industrie zu nutzen. Doch hinter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ steckt mehr als nur „Maschinen plus Daten“.
Konkret geht es zum Beispiel darum, Produktionslinien oder ganze Fabriken mit Sensorik und Automationskomponenten auszustatten und in übergreifenden Wertschöpfungsnetzwerken zu integrieren. Im Wettbewerb wird die Nase vorn behalten, wer die Ressource „Daten“ am intelligentesten nutzt. Oder anders formuliert: Zukunftsorientierte Hardware braucht AI gestützte Software.
Plattform für die vierte industrielle Revolution
Innovative Geschäftsmodelle müssen Maschinen, Prozesse und Daten zusammenbringen. Dafür braucht es regional- und branchenübergreifende Kooperationen sowie Ökosysteme, die Produzenten, Partner, Dienstleister und Lieferanten intelligent vernetzen. Um Fertigung, Lieferketten, operative Prozesse und Organisationen zu verbinden und Synergien für alle Beteiligten zu schaffen, sind diese zu „softwarealisieren“.
Wie gewaltig die Aufgabe der „vierten industriellen Revolution“ ist, wissen wir von PwC aus unseren Kundenprojekten. Damit diese Revolution gelingt, beteiligen wir uns an strategischen Allianzen wie ADAMOS, ein Netzwerk, das Unternehmen aus Industrie, IT und Beratung zusammenbringt. Es bietet Maschinen- und Anlagenbauern einen schnellen Einstieg in die Digitalisierung.
Was darf Künstliche Intelligenz?
Doch um die Daten vernetzter Fabriken zu bündeln, auszuwerten und dadurch Innovationen voranzubringen, braucht es Regeln. Ob Blockchains in der Finanzwirtschaft oder Algorithmen in der Fertigung: Wer setzt die ethischen Standards? Wer kontrolliert die Algorithmen – und nach welchen Werten und Kriterien? Welche Entscheidungen kann, darf und vor allem soll Künstliche Intelligenz eigenständig treffen? All das müssen wir als Gesellschaft dringend beantworten.
„Datenschutz für den Datenschatz“ Die EU-Datenschutzgrundverordnung regelt lediglich den Schutz personenbezogener Daten und kann nur der erste Schritt hin zu einer wirksamen Daten-Governance sein. Wir
Digitalisierung schafft neue Geschäftsmodelle in der Industrie
Welche Bedeutung hat Industrie 4.0 für das Geschäftsmodell ihres Unternehmens?
2020 2019
Wir entwickeln neue Produkte und Dienstleistungen bzw. planen dies
Wir verändern bereits bestehende Produkte und Dienstleistungen, bzw. planen dies Wir nehmen bestimmte Produkte und Dienstleistungen vom Markt, bzw. planen dies
Industrie 4.0 hat keinen Einfluss auf unser Geschäftsmodell
26 % 22 %
28 % 20 %
25 % 32 %
51 % 46 %
Industrie beeinflusst das Geschäftsmodell
0 10 20 30 40 50 60
73 % 65 %
70
Basis: 445 Anwender und Planer von Industrie-4.0-Anwendungen ab 100 Mitarbeitern in Deutschland/Mehrfachnennungen möglich.
brauchen eine international gültige Datenkonvention, ähnlich der Menschenrechtskonvention – mindestens auf europäischer Ebene, besser weltweit. Eine solche Konvention sollte insbesondere das Recht auf Datenzugang, Datenintegrität und Datensicherheit umfassen.
Denn: Wer einen Datenschatz hütet, wird zunehmend zum Angriffsziel. Cyberangriffe nehmen deutlich zu. Das Bundeskriminalamt nennt im „Bundeslagebild Cybercrime“ für 2018 87.100 Fälle im engeren Sinne – und 60,7 Millionen Euro Schaden. Die tatsächliche Summe dürfte weitaus höher sein, weil die Statistiken viele Angriffe und Schäden nicht erfassen.
Für wirkungsvolle Datensicherheit und angemessenen Datenschutz zu sorgen, ist Aufgabe der Politik und Unternehmen gleichermaßen. Dabei gilt es, eine gesunde Balance auszuloten zwischen berechtigten Bedenken sowie Schranken, die Innovationen möglicherweise erschweren, und den sich ergebenden Chancen.
Erfolge „Made in Germany“ für die digitale Zukunft nutzen
Unsere Industriegesellschaft wird zur Wissensgesellschaft, unsere Industrieökonomie wird zur Wissensökonomie. Diese Entwicklungen verändern auch den Arbeitsmarkt.
Technologie wird die Menschen entlasten – ja. Sie wird auch manche Jobs von Menschen übernehmen, andere obsolet machen. Damit zusammenhängende Sorgen sind teils berechtigt, bei Gering- und Hochqualifizierten gleichermaßen. Was wird aus den Menschen? Werden sie Tätigkeiten übernehmen, für die es genuin menschliche Eigenschaften braucht – Empathie, Kreativität und Kommunikation zum Beispiel? Genau damit rechne ich!
Die vielen wertvollen Daten und ihre Chancen ändern nichts daran, dass die Menschen im Mittelpunkt unserer Überlegungen bleiben müssen. Sie müssen die Fähigkeiten erwerben können, die sie im digitalen Zeitalter brauchen. Das ist eine Verantwortung der Führungskräfte in Politik und Wirtschaft. Gemeinsam werden wir es schaffen, die Erfolgsrezepte der Industrie „Made in Germany“ auf unsere digitale Zukunft zu übertragen. l