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Wachstumstreiber Internet Chancen für Bürger und Unternehmen in Deutschland
Herausgeber: Wirtschaftsrat der CDU e.V. Luisenstraße 44, 10117 Berlin Telefon: 030 / 240 87 – 200 Telefax: 030 / 240 87 – 205 E-Mail: info@wirtschaftsrat.de Verantwortlich: Wolfgang Steiger, Generalsekretär Dr. Rainer Gerding, Bundesgeschäftsführer Bearbeitung: RA Tobias Koppitz, Fachgebietsleiter Sven Harraß, Referent
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Stand: März 2012
DIE STIMME DER SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT
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Vorwort Immer mehr entwickelt sich das Internet zum wichtigsten Wachstumstreiber für die Wirtschaft. Die Digitalisierung betrifft alle Branchen und sie wird alle Geschäftsprozesse verändern. Die deutsche Wirtschaft nutzt diese Chancen. Doch wie der internationale Vergleich zeigt, sind wir nicht so gut, wie wir sein könnten. Um das volle Potential des Internets als Wachstumsmotor auszuschöpfen, muss es zur Chefsache werden – in den Unternehmen, aber auch in den Ministerien. Der Wirtschaftsrat hat deshalb die vorliegenden Empfehlungen zusammengestellt, um Deutschland zum Gewinner in Sachen Internet zu machen. Denn Netzpolitik ist nicht nur für Technik-Fans interessant. Netzpolitik muss ins Zentrum wirtschaftlichen Handelns und Denkens rücken. Netzpolitik ist Wirtschaftspolitik. Das Internet ist kein deutsches Medium, es ist global. Umso wichtiger ist es, dass ein hoher Urheberrechts- und Patentschutz sichergestellt wird und auch durchgesetzt werden kann. Das ist entscheidend für die Innovationskraft der Wirtschaft. Dem Datenschutz kommt eine zentrale Rolle zu, damit das Internet seine Rolle als Wachstumstreiber vollständig ausfüllen kann. Die föderale Struktur Deutschlands ist hierbei nicht hilfreich. Der Datenschutz muss europaweit einheitlich geregelt sein. Dabei brauchen wir europaweit gesetzliche Mindestanforderungen, deren Einhaltung konsequent verfolgt wird. Wir danken den Mitgliedern der Bundesarbeitsgruppe Netzund Medienpolitik im Wirtschaftsrat für ihre freundliche Unterstützung.
Prof. Dr. Kurt J. Lauk
Dorothee Belz
Präsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.
Vorsitzende der Bundesarbeitsgruppe
Berlin, im März 2012 2
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I. Immer online: Warum Deutschland nicht so gut ist, wie wir sein könnten – und was nun getan werden muss Wer träumt nicht von solchen Wachstumsquoten: Von 2010 bis 2016 wird sich die Internet-Wirtschaft der G-20-Staaten nahezu verdoppeln. Die weltweite Zahl der Nutzer wird in diesen sechs Jahren um rund eine weitere Milliarde auf dann drei Milliarden Menschen steigen. Nutzen allerdings werden wir das Internet dann ganz anders als noch heute. Statt auf dem herkömmlichen PC gehen wir mobil über unsere Smartphones in das Netz. Wer gestern passiv im Netz surfte, wird sich übermorgen aktiv einbringen. Das Datenvolumen wird explodieren: Allein für das Jahr 2015 wird es dreißig Mal so groß sein wie im Jahr 2005. Deutschland und die hier ansässigen Unternehmen sind bei dieser Entwicklung dabei. Doch wir sind nicht so gut, wie wir sein könnten. Und wir nutzen das Potential des Internets nicht so, wie wir es könnten. Allein durch den Fachkräftemangel gehen der deutschen Wirtschaft jährlich mehr als eine Milliarde Euro an Umsatz verloren. Wie Firmen ihre IT-Infrastruktur nutzen, wird sich grundlegend verändern. Das ermöglicht deutliche Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen. Keine Branche ist davon ausgenommen. Die Zusammenarbeit mit Zulieferern und Kunden muss neu überdacht werden, neue Geschäftsmodelle werden sich entwickeln. Das alles ist eine gewaltige Chance für Deutschland. Doch wie kann es sein, dass Länder wie Südkorea und Großbritannien in der Internetdurchdringung deutlich vor uns liegen? Um den Entwicklungsstand eines Landes hinsichtlich der Nutzung und Durchdringung des Internets zu messen, hat die Boston Consulting Group den e-Intensity IndexTM entwickelt: Er misst entscheidende Faktoren wie die Verfügbarkeit und Nutzung des Internets und die zugehörigen privaten und gewerblichen Ausgaben1. Deutschland spielt hier allenfalls im oberen Mittelfeld. Zwar liegen wir bei den Ausgaben im und für das Internet an dritter Stelle der 3
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G-20-Länder, doch sowohl bei der Verfügbarkeit als auch bei der Nutzung fallen wir deutlich ab. Das hat Konsequenzen: So liegt der Anteil der Internetökonomie am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland mit drei Prozent deute-Intensity IndexTM Südkorea Dänemark Schweden Großbritannien Island Niederlande Japan Norwegen Finnland USA Luxemburg Hongkong Deutschland Schweiz Frankreich Australien Singapur Kanada Belgien Neuseeland Östereich Irland Spanien Slowenien Tschechien Ver. Arab. Emirate Estland Israel Portugal Polen Italien Ungarn Griechenland Slowakei Russland Brasilien Türkei Malaysia Saudi-Arabien Argentinien Chile Kolumbien China Venezuela Mexiko Südafrika Marokko Indien Ägypten Indonesien
0
50
100 150 200 Punktwert, geometrisches Mittel = 100
Quelle: The Boston Consulting Group 1
Der Index setzt sich aus 31 Einzelindikatoren aus den folgenden Kategorien zu-
sammen: Verfügbarkeit des Internets mit einer Gewichtung von 50 Prozent, private und gewerbliche Ausgaben für und über das Internet mit einer Gewichtung von 25 Prozent und dem Grad, in dem die Wirtschaft, der öffentliche Sektor und die Konsumenten das Internet nutzen (Gewichtung 25 Prozent).
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lich unter dem Anteil in den G-20-Staaten mit 4,1 Prozent. Und auch die 27 Länder der EU liegen im Schnitt mit einem InternetAnteil von 3,8 Prozent weit über Deutschland. Um die volle Wachstumskraft des Internets zu realisieren, muss es zur Chefsache werden. Für die Bundesregierung muss gelten, dass Netzpolitik Wirtschaftspolitik ist. Und um international mithalten zu können, brauchen wir einheitliche Regeln in Europa im Umgang mit dem Netz.
Wussten Sie, dass 35 Millionen Deutsche jeden Tag mehr als drei Milliarden Seiten im Internet aufrufen? Wussten Sie, dass 38 Millionen Deutsche online einkaufen – und dafür schon jetzt 24 Milliarden Euro im Jahr ausgeben? Wussten Sie, dass über 50 Prozent der Deutschen bereits Mitglied in einem sozialen Netzwerk sind? Wussten Sie, dass das Internet das Fernsehen und die Zeitung als Informationsquelle Nummer Eins überholt hat?
II. Neues zulassen: Wer das Internet in der Firma intensiv nutzt, wächst schneller Die Zahlen sind eindeutig: Je internetaffiner kleine und mittelgroße Unternehmen sind, desto schneller wachsen sie. Wie die Strategieberatung Boston Consulting Group festgestellt hat, konnten Unternehmen mit hoher Internetnutzung ihren Umsatz in den vergangenen drei Jahren um 18 Prozent steigern. Wer das Netz nur durchschnittlich nutzt, konnte im gleichen Zeitraum ein Umsatzplus von nur acht Prozent verzeichnen. Das Problem dabei ist, dass nur 14 Prozent aller hier ansässigen Unternehmen sich selbst als Nutzer mit hoher Intensität bezeich5
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nen. Mit 57 Prozent stuft sich die weit überwiegende Mehrheit in die Klasse der Durchschnittsnutzer ein – und vergibt damit klar Wachstumschancen. Internetnutzung und Umsatzwachstum % Umsatzwachstum in den letzten 3 Jahren
20 18 % 18 16 14 12 10 8% 8 6
5%
4 2 0% 0 Hohe Internetnutzung
Mittlere Internetnutzung
Niedrige Internetnutzung
Keine Internetnutzung
57 %
7%
21 %
% der Befragten
14 %
Quelle: The Boston Consulting Group
So werden im verarbeitenden Gewerbe bei allen Unternehmensgrößen bislang erst 19 Prozent des Umsatzes online gemacht, wie eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft feststellt. Nur ein Viertel der Unternehmen ist bereits stark im Internet aktiv, bei einem weiteren Viertel spielt das Internet noch gar keine Rolle. Und das, obwohl der Bereich mit 7,2 Millionen Beschäftigten und einem Gesamtumsatz von 2.134 Milliarden Euro zu den wichtigsten in Deutschland zählt. Etwas besser sieht es im Kreditwesen und bei den Versicherungen aus. Gut eine Million Beschäftigte erwirtschaften hier 118 Milliarden Euro Umsatz – und immerhin 70 Prozent sprechen einen Großteil ihrer Kunden über das Internet an. Die Hälfte wickelt ihre Beschaffung so ab. Echte Internet-Flaute hingegen herrscht im Baugewerbe mit immerhin 1,5 Millionen Mitarbeitern und einem Gesamtumsatz von 219 Milliarden Euro. Nur bei jedem fünften spielt das Internet eine zentrale Rolle. 6
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Wussten Sie, dass es eher die kleinen Unternehmen sind, die ihre Beschaffung im Internet erledigen? 32 Prozent der kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern beschaffen einen großen Teil ihrer Güter über das Internet, bei den größeren sind es nur 13 Prozent. Auch jüngere Unternehmen (Existenz bis zu fünf Jahre) kaufen ihre zu beschaffenden Güter eher im Internet. Wussten Sie, dass internetaffine Unternehmen deutlich mehr höher qualifizierte Mitarbeiter haben? Dies spricht für eine größere Komplexität in der Geschäftstätigkeit und unterstreicht die Querschnittsfunktion des Internets. In immer mehr Produkten sind internetbasierte Informations- und Kommunikationstechnologien integriert. Die Firmen stehen in Sachen Internetnutzung vor großen Veränderungen. Mit moderner IT-Infrastruktur werden Unternehmen effizienter: Cloud Computing verändert die IT-Landschaft und die unternehmensinternen Prozesse. Dabei werden Daten extern auf den Servern eines Internetproviders gelagert und sind so von jedem Ort der Welt zugänglich. Wenn Rechnerkapazitäten, Speicherplatz und Software über das Internet bezogen werden, so liegt darin nicht nur eine enorme Effizienzsteigerung, da Zeit und Kosten für die Wartung einzelner PCs entfallen. Vor allem werden auch interne Prozesse optimiert: Cloud Computing ermöglicht das zeitgleiche Arbeiten an einem Dokument und den Zugriff auf alle Daten von jedem Endgerät, sei es in der Firma oder am heimischen Arbeitsplatz. Die Kosten für große Hardware- und IT-Infrastrukturen werden tendenziell in dem Maße zurückgehen, wie die IT-Ressourcen nach außen verlagert werden. Bedienbarkeit und Kompatibilität werden bei der Kaufentscheidung im Vordergrund stehen, genauso wie der Service des Anbieters. Auch zeigt sich, dass die Gruppe der Unternehmen mit besonders internetabhängigen Geschäftsmodellen über einen deutlich höheren Umsatzanteil mit neuen Produkten und Dienstleistungen verfügt. Wissen breitet sich deutlich schneller im Unternehmen aus, wenn das Internet gezielt als Rechercheinstrument genutzt wird. Derartige internetaffine Firmen stehen meist auch Servicedienstleistungen wie Cloud Computing positiv gegenüber. 7
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Wussten Sie, dass Unternehmen zwischen 20 und 50 Prozent ihrer Ausgaben für Hard- und Software durch einen Wechsel zum Cloud Computing einsparen könnten? Wussten Sie, dass die Unternehmensberatung Roland Berger die wirtschaftlichen Effekte von Cloud Computing zwischen 2010 und 2015 in den fünf größten europäischen Volkswirtschaften auf bis zu 763 Milliarden Euro schätzt? Wussten Sie, dass dennoch 34 Prozent der Unternehmen glauben, dass das Internet kein sicherer Ort für die Aufbewahrung der Firmendaten oder den Verkauf der eigenen Produkte ist? Damit diese Effizienzgewinne realisiert werden können, muss der Markt transparent werden. Die Qualität der Angebote und der Datensicherung muss auf den ersten Blick erkennbar sein. Der Wirtschaftsrat fordert deshalb europaweit einheitliche Mindeststandards, die in einem europäischen Binnenmarkt für Rechtssicherheit in der Cloud sorgen. Sie müssen so bemessen sein, dass jedes Unternehmen sicher im Internet arbeiten kann und die Wirtschaftlichkeit gewährleistet bleibt. Es wird Unternehmen geben, die ihren Kunden darüber hinaus zusätzliche Sicherheitsleistungen garantieren möchten. Damit sie das tun können, wäre eine Zertifizierung der Angebote wünschenswert, die über die gesetzlichen Regeln hinaus gehen. So können Premium-Angebote für all jene entstehen, die das wünschen. Die Zertifizierung garantiert, dass sie exakt das an Qualität und Leistung bekommen, was ihnen im Angebot versprochen wird. Oder frei nach dem Motto: Drin ist, was drauf steht.
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III. Branchen aufmischen: Wie internetbasierte Geschäftsmodelle den technologischen Wandel vorantreiben Keine Lust mehr, im Regen an der Straße zu stehen und ein Taxi nach dem anderen vorbeifahren zu sehen? Seit März 2010 ist das nicht mehr notwendig: Die App von MyTaxi runterladen, Knopf drücken, im Warmen bleiben und auf dem Smartphone verfolgen, wie das gewünschte Taxi angefahren kommt. Über 800.000 Mal wurde die App bereits heruntergeladen, gut 7.000 Taxifahrer beteiligen sich an dem neuen Weg, ein Taxi zu ordern. Für Taxifahrer ist das neue System billiger, für Taxinutzer komfortabler. INDUSTRIE
TECHNOLOGISCHER WANDEL DURCH DAS INTERNET
Energiewirtschaft
Smart Grids ■ Intelligente Stromnetze zur Integration, Produktion, Speicherung, Management und Verbrauch von Energie ■ Hilft, die Anforderungen der Energiewende an Stromnetze zu bewältigen
Gesundheit
Telemedizin ■ Nutzung des Internets, um örtliche und zeitliche Distanzen zwischen Patienten und Ärzten zu überbrücken ■ Hilft, Lebensqualität zu steigern und Kosten im Gesundheitssektor zu reduzieren
Automobil
Telematik ■ Übertragung, Sammlung und Auswertung von Verkehrsdaten, um Transport- und Verkehrsströme effizient zu steuern ■ Hilft, Staus zu vermeiden und die Verkehrssicherheit zu erhöhen
Bildung
Digitale Bücher und eLerning ■ Digitale Schulbücher und eLearning-Konzepte zur Ermöglichung einer interaktiven Auseinandersetzung mit Lerninhalten ■ Hilft, die Bildungsqualität zu erhöhen und gleichzeitig Kosten zu senken
Banken und Versicherungen
Mobile Bezahlsysteme ■ Nutzung von Handys zur bargeldlosen Bezahlung ■ „Es ist einfacher, eine Bezahlung mit dem Handy in Kenia zu machen als in Kansas“
Quelle: Wirtschaftsrat
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MyTaxi ist nur eines von vielen Beispielen, wie internetbasierte Geschäftsmodelle in etablierte Branchen einbrechen und den technologischen Wandel vorantreiben. Im Gesundheitssektor beläuft sich der Markt für internetbasierte Gesundheitsdienstleistungen (eHealth) nach Zahlen der Unternehmensberatung Deloitte bereits auf 6,5 Milliarden Euro. Mit der Telemedizin haben Patienten auch an abgelegenen Orten Zugang zu den besten Spezialisten weltweit. Sie wächst jährlich um rund 20 Prozent und könnte im Jahr 2016 ein Volumen von bis zu vier Milliarden Euro erreichen. Obwohl sich damit die Leistungen entscheidend verbessern, können sie zu niedrigeren Kosten erbracht werden. So gewinnen alle: Patienten, Leistungserbringer und Sozialversicherungsträger. Auch der Bildungssektor wird sich dramatisch verändern: Über das Internet sind die besten Bildungsprogramme weltweit verfügbar. Das gilt für die gesamte Kette der Bildungseinrichtungen von der Grundschule bis hin zur Weiterbildung für Fachkräfte. Viele dieser Geschäftsmodelle sind abhängig von einem schnellen Internet, das überall und vor allem mobil verfügbar ist. Bei dieser so genannten Bandbreite aber hapert es noch in Deutschland. Nur in den Unternehmen werden Daten schon so schnell transportiert, dass Deutschland hier im G-20-Vergleich immerhin den sechsten Platz einnimmt. Schlechter sieht es bei der Breitband-Durchdringung im Haushaltsbereich aus, wo Deutschland nur auf Platz Sieben und im mobilen Bereich noch einen Platz schlechter liegt. Trotz der „Breitbandstrategie der Bundesregierung“ gibt es hier also noch einiges zu tun, um das volle wirtschaftliche Potential des Internets auszuschöpfen. Der Wirtschaftsrat regt deshalb an, den Breitbandausbau technologieneutral voranzutreiben: Es geht nicht darum, Kilometer an Datenkabeln zu legen, sondern möglichst Vielen möglichst schnellen und möglichst mobilen Zugang zum Internet zu verschaffen – egal mit welcher Technik.
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Wussten Sie, dass 89 Prozent der Menschen lieber ein Jahr auf Fast Food verzichten würden als auf das Internet? Konsumenten, die eher die jeweilige Kategorie als das Internet aufgeben würden 100 % 89 % 80 %
77 %
77 % 70 %
60 %
55 % 45 %
40 % 23 % 20 %
16 % 10 %
0% Fastfood Navi- Alkohol Schoko- Kaffee gationslade system
Sport
Auto
Sex
Duschen
Quelle: The Boston Consulting Group
Wussten Sie, dass wir das Internet durchschnittlich 20 Stunden in der Woche nutzen? Wussten Sie, dass sich der aggregierte Nutzwert des Internets für jeden von uns bereits auf rund 2.900 Euro pro Jahr beläuft?
Es ist abzusehen, dass ein verbesserter Zugang zu noch schnellerem Internet auch die Nutzung in Deutschland noch einmal deutlich erhöhen würde. Dies wird offensichtlich von der werbetreibenden Wirtschaft erwartet: Deutschland liegt hier bereits auf dem dritten Platz im G-20-Ranking, was den Anteil der Online- an der Gesamtwerbung angeht. Die Präferenzen der Konsumenten ändern sich schnell. 70 Prozent würden bereits lieber für ein Jahr auf die gedruckte Zeitung verzichten als auf das Internet, immerhin noch 63 Prozent auf Kinofilme. Nur Fernsehen und Bücher sind (noch) beliebter als das Internet: Derzeit würden 47 Prozent lieber auf Fernsehen verzichten als aufs Internet und 46 Prozent auf Bücher.
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IV. Gewinner schaffen: Was nun getan werden muss, damit alle profitieren Das Internet wird immer noch zu sehr nach seinen Risiken und zu wenig nach seinen Chancen beurteilt. Die Versessenheit, mit der der deutsche Gesetzgeber jedes kleinste Detail bereits im Voraus regeln will, verhindert viele innovative Ideen in ihrem Frühstadium. Im internationalen Vergleich, insbesondere mit der Herangehensweise angloamerikanischer Unternehmen, fällt dieses strukturelle Problem ins Gewicht. Das Internet ist kein deutsches Medium. Der Mangel an internationalem Denken führt häufig dazu, dass die globalen Möglichkeiten, die sich durch die Vermarktung guter Geschäftsmodelle ergeben könnten, nicht ausgeschöpft werden. Über 30.000 offene Stellen können in den IKT-Branchen nicht besetzt werden. Mit einer Ausbildung an der Internetwirtschaft vorbei werden zahlreiche Anforderungsprofile gar nicht oder nur unzureichend abgedeckt. Es fehlen den Bedürfnissen der Internetwirtschaft entsprechende Ausbildungsangebote. Auch die Einführung neuer Dienste und Technologien wird in Deutschland deutlich kritischer als in anderen europäischen Staaten oder den USA begleitet. Die mangelnde Akzeptanz neuer Medien ist dabei ein übergreifend wirtschaftliches, gesellschaftliches und politisches deutsches Phänomen! Der Wirtschaftsrat fordert: 1. Internet muss zur Chefsache werden 2. Netzpolitik ist Wirtschaftspolitik 3. Neue Ausbildungsangebote für die Internetwirtschaft schaffen Der Breitbandausbau erreicht trotz der „Breitbandstrategie der Bundesregierung“ nicht alle „Weißen Flecken“. Der Breitbandausbau wird noch zu wenig unter technologieneutralen Aspekten vorangetrieben. Deutschland fehlen geeignete Finanzierungsmodelle, um innovativen Start-Ups das weitere Wachstum zu ermöglichen. Inter12
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national wurden Geschäftsideen zu Global-Playern der Internetwirtschaft, weil Risikokapitalgeber daran geglaubt und diese langfristig mit Ihrem Know-How und finanziellen Mitteln unterstützt haben. Für innovative Geschäftsfelder z.B. im eHealth-Bereich bilden Forschung und Entwicklung (FuE) die Voraussetzungen für die erfolgreiche Entwicklung. Die im internationalen Vergleich fehlende steuerliche Absetzbarkeit von FuE-Kosten bremsen die Investitionen in dieser dynamischen Branche. Der Wirtschaftsrat fordert: 4. Technologieneutraler Ausbau des Breitbandnetzes 5. Geeignete Finanzierungsmodelle für Start-Ups 6. Forschungs- und Entwicklungskosten müssen steuerlich absetzbar sein Ein hoher Urheberrechts- und Patentschutz muss auch in der Internetwelt sichergestellt werden, um die Innovationskraft zu stärken. Er muss kontinuierlich modernisiert werden, um den sich laufend verändernden Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Das ist auch für eine wirksame Durchsetzung notwendig. Fehlende politische Entscheidungen zu wichtigen Themen wie der Vorratsdatenspeicherung führen zu Planungsdefiziten bei den Unternehmen der Internetwirtschaft. Durch ein Hinauszögern von Entscheidungen beschädigt Deutschland seine Wettbewerbsposition im europäischen und globalen Wettbewerb. Der finanzielle und personelle Aufwand für bürokratische Aufgaben bremst das Wachstumstempo der Internetwirtschaft. Unternehmen der Internetwirtschaft, die ihre Produkte und Leistungen deutschlandweit und international vertreiben und anbieten wollen müssen sich allein in Deutschland mit den Vorschriften und Interpretationen von 16+1 Datenschutzbehörden auseinandersetzen. Die geplante EU-Datenschutzverordnung darf nicht zu einem weiteren Wettbewerbsnachteil für Deutschland führen. Der „Flickenteppich“ aus nationalen Regelungen und eine mangelnde, zumindest europäische Harmonisierung erschweren das Anbieten von 13
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innovativen Geschäftsmodellen, z.B. im Cloud Computing. Wir brauchen europaweite gesetzliche Mindestanforderungen, deren Einhaltung konsequent verfolgt wird. Der Wirtschaftsrat fordert: 7. Wichtige regulatorische Fragen wie die Vorratsdatenspeicherung und die Novellierung des Urheberrechts müssen endlich entschieden werden 8. Die föderale Struktur in Deutschland mit 16+1 Datenschutzbehörden ist insbesondere in der Internetwirtschaft ein struktureller Nachteil. Wir müssen deshalb nach Lösungen suchen, die Entscheidungsstrukturen im Sinne der Nutzer zu vereinfachen, ohne den Datenschutz zu verwässern. 9. Der Datenschutz muss europaweit einheitlich gewährleistet sein.
Quellen: ■ The Boston Consulting Group (2012): The Connected World: The Digital Manifesto – How Companies and Countries Can Win in the Digital Economy ■
Institut der Deutschen Wirtschaft (2011): Wirtschaft digitalisiert. Wie viel Internet steckt in den Geschäftsmodellen deutscher Unternehmen
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Roland Berger Strategy Consultants (2011): Survival of the Fittest. Wie Europa in der Cloud eine führende Rolle übernehmen kann
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Deloitte (2011): Telekommunikationsdienste von morgen – Vertikale Wachstumsstrategien auf dem Prüfstand
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