TREND - Magazin für Soziale Marktwirtschaft - Ausgaben 1/2 2022

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AKTUELL Energie- und Klimapolitik

Versorgungssicherheit D er russische Einmarsch in die Ukraine hat Deutschland und Europa auf vielen Ebenen erschüttert. Auch die Auswirkungen auf unsere Energieversorgung sind enorm. Im Jahr 2020 lag der russische Anteil deutscher Gasimporte bei rund 55 Prozent. Das Land war damit unser größter Zulieferer, weit vor dem Königreich Norwegen und den Niederlanden. Sollte der Gasimport aus Russland durch Sanktionierungen Deutschlands oder einen Exportstopp Russlands abrupt enden, wäre dies mit erheblichen Gefahren für Gesellschaft und Wirtschaft verbunden. Neben den massiven Einschränkungen im Industriesektor, wären auch Engpässe in der Ernährungs- und Tierfutterindustrie zu erwarten. Die Krise zeigt uns in aller Deutlichkeit, dass die aktuelle Abhängigkeit Deutschlands und Europas von Energie­ importen kein strategisch richtiger Weg sein kann. Ziel muss es sein, die Importabhängigkeit in den nächsten Jahren zu reduzieren – bei gleichzeitiger Gewährleistung der Versorgungssicherheit und bezahlbarer Energiepreise für Verbraucher und Industrie. Deutschland und Europa müssen jetzt alte Strukturen neu denken. Dabei dürfen gesetzte Ziele auf europäischer und nationaler Ebene, wie die Transformation des Industriesektors im Zuge des Fit-for-55-Agreements der EU, nicht in Frage gestellt werden. Vielmehr gilt es, den Weg, wie die Ziele erreicht werden können, neu zu gestalten und die Unabhängigkeit unserer Energieversorgung voranzutreiben. Mehr denn je müssen die EU-Partner nun geschlossen agieren und ihre Kräfte bündeln. Der Wirtschaftsrat fordert zur Gewährleistung der ­Versorgungssicherheit umgehend diese Maßnahmen:

E Abhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern kurzfristig auf ein Minimum reduzieren

Wertschätzung der strategischen Bedeutung von Flüs­sig­ erdgas (LNG): Der Import von Flüssigerdgas wird künftig eine wichtige Rolle spielen, um die Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa zu garantieren. Der geplante rasche Bau deutscher LNG-Terminals ist ebenso zu unterstützen wie so schnell wie möglich zunächst schwimmende LNG-Terminals einzusetzen. Bis die Wasserstoffwirtschaft das Gas vollständig ersetzen kann, wird eine ­flächendeckende Versorgung der Industrie mit Flüssigerdgas aus diversen Ursprungsländern unabdingbar sein. Ausbau von Erneuerbaren durch Entbürokratisierung ­beschleunigen: Parallel muss der Ausbau erneuerbarer Energien europaweit vorangetrieben werden. Hier liegt das größte Potential, die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von Energieimporten langfristig zu reduzieren. Dafür müssen umgehend regulatorische Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.

Alle Alternativen prüfen: Im Zuge der drohenden Energiekrise sollte kurzfristig das Potenzial jeder mög­ lichen ­Megawattstunde für die Notfallversorgung zur Verfügung stehen. In diesem Kontext sollte eine Verlängerung der Laufzeiten von Kohle- und Kernkraftwerken ohne ideo­ logische Vorbehalte in Betracht gezogen werden.

Mitten in der Transformation der Industrie hin zu Klimaneutralität zwingt der russische Einmarsch in die Ukraine Deutschland und Europa zum Handeln: Die hohe Abhängigkeit insbesondere Deutschlands von ­fossilen Energieimporte aus Russland gilt es auf ein Minimum zu reduzieren.

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TREND 1/2 2022


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