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Martin Klein . Jens-Martin Mickler
08.05.2009
Martin Klein Jens-Martin Mickler
EINE STADT UND IHR STÜRMER
Lukas Podolski ist ein Phänomen. Wann und wo auch immer der junge Mann mit oder ohne Ball auftaucht – die Menschen lieben ihn. Das gilt für seine polnische Familie, zu der er ein inniges Verhältnis pflegt, und auch für die Lehrer an seiner Schule in Bergheim. Das gilt für seine alten Trainer aus der Jugend und für die aktuellen beim 1. FC Köln und in der Nationalmannschaft. Das gilt für Millionen Fußballfans, nicht nur in Deutschland, und das gilt für Marketingexperten, die ihm als Sportlerpersönlichkeit ein außergewöhnliches Potenzial zuschreiben – eben weil er so ganz und gar normal ist. Ein Kumpeltyp, ein Freund, ein Familienmensch und treusorgender Vater, einer der zwar Millionen verdient, sich das aber nicht anmerken lässt.
POLDI UND KÖLN
Aus was für einem Umfeld kommt Poldi? Wer hat ihn wie geprägt, und was ist seine Vorstellung vom Leben auf und neben dem Rasen? Wir haben uns bemüht, dies herauszufinden, im Frühling 2009, als auch wir mehr wissen wollten – über das Poldi-Phänomen.
ISBN 978-3-89705-657-2
www.emons-verlag.de
D 14,95 € A 15,50 CHF 27,90
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Er ist wieder in der Stadt. Hat das Trikot von Bayern München ausgezogen, das ihm sowieso nie wirklich gut stand, und zieht sich ein viel schöneres an. Eins mit einem Geißbock vorne drauf. Er spielt wieder im RheinEnergie-Stadion. Vor lauter Verrückten. Verrückt nach dem 1. FC Köln, verrückt nach ihm – Lukas Podolski. Kurz: Poldi. Die FC-Heimspiele ziehen jetzt schon mehr Zuschauer an als die des FC Liverpool oder von AS Rom. Mit dem zurück gekehrten Poldi wird das Stadion endgültig eine Nummer zu klein für diese vielen einzigartigen Fans, die immer kommen, egal, wie der Gegner heißt. Sie kommen auch wegen ihm und werden seinen Namen rufen, und er wird zu ihnen gehen und sich bedanken. So wie er es immer gemacht hat. Und alle werden es wieder spüren, da habe sich zwei gefunden: Poldi und Köln – eine Stadt und ihr Stürmer.
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INHALT
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Der Prinz kehrt heim und eine Stadt dreht durch
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Wunderbar gescheitert in Bayern
Die andere Lieblingsmannschaft: Das deutsche Nationalteam
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Die andere Heimat: Polen
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Zuhause ist es am schönsten: Poldis Bergheim
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Epilog: Wenn kölsche Jungs erwachsen werden
... und Poldis Vorgänger: Wie sich die Kölner Publikumslieblinge von Hans Schäfer bis Toni Polster in die Herzen der FC-Fans spielten – und was sie zu Lukas Podolski sagen.
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LIEBLING
DER MASSEN
Vor einigen Jahren noch auf der anderen Seite des Zauns, hat Lukas Podolski nie vergessen, wo er herkommt. Auf solche Begegnungen freuen sich die Fans und ihr Idol.
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GEISSBOCK
IM HERZEN
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ALLIANZ-ARENA
IM RÜCKEN Die drei Jahre beim FC Bayern München verlaufen anders als erwartet – sehr zur Freude Kölns. Jetzt will Poldi im neuen Trikot mit dem 1. FC ganz nach oben, dahin, wo der Club schon lange nicht mehr war.
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EIN LAND
FEIERT
Als die deutsche Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2006 ihr Sommermärchen schreibt, spielt der Stürmer eine ganz große Rolle. Auch bei der EM 2008 zeigt sich seine ganze Unbeschwertheit.
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ERSTE
SCHRITTE Auf den Bergheimer Bolzplätzen lernt der kleine Lukas das ABC des Fußballs. Der Deutsche Fußballbund hofft auf viele junge Poldis und spendiert der Provinz Kunstrasenplätze.
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DER PRINZ KEHRT HEIM UND EINE STADT DREHT DURCH
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Das Flehen der Fans wird erhört, sowohl von den FC-Verantwortlichen als auch vom Hoffnungsträger der Kölner.
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HOHE
GLAUBWÜRDIGKEIT Werbefachleute sehen in Lukas Podolski eine herausragende Marke. »Podolski besitzt hohe Authentizität, ist ein Mann des Volkes, wirkt unverfälscht und angstfrei - ein echtes Alleinstellungsmerkmal mit großem Werbewert.«
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Er verlässt den FC als sehr junger Kapitän – wird Lukas Podolski auch die neue Mannschaft anführen und den Weg in höhere Tabellenregionen weisen?
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EIN KÖLSCHES COMEBACK Die Rückkehr zum 1. FC Köln feiert eine ganze Stadt. Das Projekt ist teuer, auch deshalb muss weitergefeiert werden – um Geld in die Kasse zu bekommen. Poldi-Partys sind ein Teil des Finanzierungskonzepts. Die Ereignisse des 19. Januar 2009 hat der Express minutiös protokolliert. Nacheinander gaben alle Beteiligten Presseerklärungen heraus. Als Erstes ging um 9:12 Uhr das Fax von Lukas Podolski in der Redaktion ein – klares Indiz für die riesige Erleichterung des Prinzen, die Rückkehr nach Köln und zum 1. FC endlich verkünden zu dürfen.
Neben Oberbürgermeister und Ministerpräsident freut sich auch der Karnevalsprinz Hans-Georg I. über die Nachricht, die eine ganze Region verzückt.
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Der Prinz kehrt heim
»Wechsel zum 1. FC Köln!«, stand in der Betreff-Zeile. »Ich habe mich mit dem 1. FC Köln auf einen Vertrag ab dem 1. Juli 2009 geeinigt. Ich bin froh, dass die Entscheidung über meine sportliche Zukunft gefallen ist und die Spekulationen um meine Person ein Ende haben.« Der letzte Satz des Faxes machte dann noch kurz und pflichtschuldig seine professionelle Einstellung deutlich: »Bis zum Sommer gilt meine ganze Konzentration dem FC Bayern.« Um 10:01 Uhr folgte die Bestätigung seitens des 1. FC Köln per Fax, die Bayern ließen sich noch Zeit bis 12:32 Uhr. An diesem Morgen des 19. Januar gab es im Bayern-Office in der Säbener Straße in München gewiss schon wieder ganz andere Dringlichkeiten. In Köln indes freuten sich alle: FC-Trainer Christoph Daum freute sich auf Lukas Podolski und sprach von einem Meilenstein in der FC-Geschichte. Clubchef Wolfgang Overath freute sich, dass der FC als Aufsteiger einen deutschen Nationalspieler wie Lukas Podolski verpflichten konnte. »Das größ-
te Talent der letzten zwanzig Jahre«, wie er mehrfach betonte. Die tieferen und gewissermaßen biologischen Gründe für die Rückkehr kannte Overath auch: »Er ist seinem Herzen gefolgt.« Fritz Schramma als Oberbürgermeister freute sich, weil Poldi zum FC gehöre wie – na klar – »der Dom zu Köln.« Rolf Martin Schmitz als Verwaltungsratsvorsitzender des FC und im Hauptberuf Vorstandsvorsitzender der Rheinenergie freute sich in eigener Sache über das gute Zusammenspiel von Vereinsführung und Verwaltungsrat. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers freute sich über Lukas Podolskis tolles Bekenntnis zur Heimat: »Wo gibt es das noch in der globalisierten Welt des Fußballs?«, fragte der Politiker, der sich in Zeiten der Insolvenzen in seinem Lande wenigstens über Poldis Treue als Steuerzahler freuen darf. Nur einer ist im Rheinland noch wichtiger als der Ministerpräsident, der Karnevalsprinz. Und auch Prinz Hans-Georg I. freute sich, und zwar »riesig«, dass Prinz Poldi zurückkehrt in die Heimat und dem FC den nötigen Auftrieb geben möge. Es freute sich auch der Trainer von Poldis Lieblingsmannschaft, oder besser der Trainer der Mannschaft, in der Poldi am liebsten und am lockersten spielt, der Nationalmannschaft. »Wir stehen hundert Prozent hinter seinem Entschluss«, sprach Jogi Löw für seinen gesamten Trainerstab, »denn
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So weit kann Liebe gehen: Sogar als Poldi für die Bayern beim FC traf, gibt es Jubelschreie in der Südkurve.
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Lukas hatte einfach das Gefühl, dass er in Köln zu Hause ist, dass er sich beim FC wohlfühlt. Er ist eben ein Mensch, der emotional ist.« Die Skepsis vieler Fußballkenner und -freunde, ob der junge Spieler dem Erwartungsdruck standhalten kann, teilt der Bundestrainer nicht, im Gegenteil: »Das wird ihn eher beflügeln«, ist sich Löw gewiss, »Lukas kann großen Druck sehr gut aushalten, wenn er spürt, dass die Menschen hinter ihm stehen.« Das habe er in der Nationalmannschaft oft genug unter Beweis gestellt. In Zeiten, in denen der Profi-Fußball einem Wanderzirkus gleiche und der Lockruf des Geldes lauter sei, als die schönsten Gesänge der Fankurven, gehe von Poldis Rückkehr ein ganz besonderes Signal aus: »Die Fans sehen, dass sich ein Spieler hundert Prozent mit dem Trikot seines Clubs identifiziert, das ist in der heutigen Zeit ein sehr ungewöhnliches und schönes Zeichen.« Am Morgen, als die frohe Kunde von Poldis Rückkehr die Runde machte, wurde die Internetseite www.lukas-podolski.com von einer viertel Million Besucher besichtigt. Gleichzeitig klingelte bei einem Mann das Handy so häufig, dass, sollten Handys am Ende doch gesundheitsgefährdend sein, er als Erster zum Arzt muss: Kon Schramm, Poldis Berater, Beschützer, Chefstratege, Gralshüter.
Seine Handy-Nummer haben die wichtigen Vereinsmanager, die Trainer, die Scouts, die Herren aus der werbetreibenden Wirtschaft – und die Journalisten. So konnten auch recht bald Details aus dem Vertrag bekannt gegeben werden: Er ist auf vier Jahre angelegt und gilt nur für die Erste Liga! Nie mehr Zweite Liga, was die Fans oft gesanglich beschwören, Poldi hat es sich vertraglich zusichern lassen. Die Bayern bekommen für den Spieler, der bei ihnen nie glücklich wurde, exakt das Geld zurück, das sie drei Jahre zuvor für den Stürmer auf den Tisch gelegt hatten, rund zehn Millionen Euro. Ein Betrag, den München ganz lässig aus der Kaffeekasse bezahlen konnte. Kölns Manager Michael Meier muss da schon ganz anders rechnen und die Kohle zusammenkratzen. Es braucht Einfallsreichtum und Geschick, doch daran mangelt es dem Kölner ja traditionell nicht. Und so wurde noch während der Transferverhandlungen ein Freundschaftsspiel gegen die Bayern samt großer Poldi-Party verabredet, dessen kompletter Erlös anschließend im Bayern-Mannschaftsbus mit runter an die Isar genommen werden darf. Neben diesem Projekt der Gattung »Feiern und Trinken für Poldi« ist der größte Coup allerdings
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zweifelsohne der Pixel-Poldi. Um einen Teil der Millionen-Ablöse an den Rekordmeister wieder hereinzuholen, verkauft der 1. FC Köln über seine Homepage unter http://pixel.fc-koeln.de sogenannte »Poldi-Pixel«. 37.500 winzig kleine Quadrate eines Podolski-Porträts können zum Preis von je 25 Euro erworben werden. Wer ein oder mehrere Pixel erwirbt, kann auf dieser Fläche Werbebanner, Grüße oder einen Schriftzug plazieren. Der Verkauf sämtlicher Pixel des Bildes, das Podolskis Konterfei mit dem Kölner Dom und dem Schriftzug »In Kölle zu Hus« zeigt, spült dem FC 937.500 Euro in die Transfer-Kasse. Wer sich in Köln nicht zum FC und Poldis Rückkehr bekennt, den bestraft die Geschichte. Also haben alle flugs Pixel erworben, die sich in Köln auch in Zukunft noch blicken lassen wollen: Versicherungen und Sparkassen, Outdoor-Ausstatter und Sicherheitsdienste, die Fanfreundschaftsfreunde vom FC St. Pauli, Handball-Bundestrainer Heiner Brand und Formel-1-Held Michael Schumacher. »Na Jong«, schreibt Schumacher, »bist du also doch deinem Herzen gefolgt, das ist immer gut. Echter Teamgeist ist durch nichts zu ersetzen. Mir war mein Team auch immer am wichtigsten.« Ganz ähnlich der handballweltmeisterliche Heiner Brand: »Als Trainer kann ich dir zu deiner
Spieler mit Markencharakter gäbe, Podolski sei einer von ihnen. Und eine Fachfrau wie Karen Heumann von der großen Werbeagentur Jung van Matt bestätigt: »Podolski besitzt hohe Authentizität, ist ein Mann des Volkes, wirkt unverfälscht und angstfrei.« Besonders eine einfache Herkunft und der Straßendialekt würden vertrauensbildend wirken. Da könnten sich drittklassige Komiker noch so oft über seine Sprache und Aussprache lustig machen, genau diese Qualitäten seien es, die Lukas Podolski »ein echtes Alleinstellungsmerkmal und einen hohen Werbewert zukommen lassen«, so die Werbefrau. Eine Erkenntnis, zu der Poldi und seine Berater schon vor einiger Zeit gekommen sind. So ist die Bezeichnung »Prinz Poldi« beim Deutschen Patentund Markenamt geschützt. Eingetragen als Rechteinhaber seit 2004: Lukas Podolski. Und seit 2005 gehören Lukas die Rechte an der Marke LP10. Er wird also Interesse haben, dass die 10 auch seine zukünftige Rückennummer sein wird. Die Liste der Produkte, für die er den Rechteschutz an LP10 genießt ist sehr, sehr lang. Ein kleiner Auszug: »Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, Uhren und Zeitmessinstrumente; Anstecknadeln aus Edelmetall; Vereinsabzeichen, Becher
»Na Jong, bist du also doch deinem Herzen gefolgt, das ist immer gut. Echter Teamgeist ist durch nichts zu ersetzen.« Michael Schumacher Entscheidung, deinem Herzen zu folgen, nur gratulieren. Denn nur wer überzeugt ist von dem, was er tut, kann volle Leistung bringen.« Schließlich zitiert Brand noch die Handball-Hymne der Höhner: »Beim FC bist du da, wo du hingehörst. Und: Wenn nicht jetzt, wann dann?« Zu den zehn Millionen Euro, die die Bayern für Poldi bekommen, kommt noch Poldis Gehalt. Drei Millionen Euro erhält der Spieler jährlich, steht in seinem Vierjahresvertrag. Das Unternehmen »Holt den Poldi« kostet also insgesamt 22 Millionen Euro. Anfang März 2009 waren 5.000 der 30.000 Pixel verkauft. Für 130.000 Euro. Es muss noch tüchtig gespart werden für den wahr gewordenen Traum. Gleichwohl wissen die FC-Verantwortlichen, dass Poldi als Marke ganz erheblich zur Refinanzierung beitragen wird. Das Institut Sport und Markt hat festgestellt, dass es in Deutschland nur ganz wenige
und Teller aus Edelmetall; Zigarettenspitzen (aus Edelmetall), Zigarren- und Zigarettenetuis (aus Edelmetall); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, Wimpel, Fähnchen, Flaggen; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln); Bürstenmachermaterial; Putzzeug; Stahlspäne; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Glaswaren, Porzellan und Steingut, Bett- und Tischdecken; Schwimmflossen; Christbaumschmuck.« Von der Kölner Pixel-Aktion profitiert Lukas Podolski finanziell nicht unmittelbar, zeigte sich aber dennoch sehr angetan: »Ich schaue einige Mal in der Woche auf die Seite, verfolge, was sich da Neu-
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Ende 2003 begegnen sich die beiden Stürmer im Trainingslager. Matthias Scherz und Lukas Podolski werden Freunde.
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es getan hat.« Mit noch mehr Interesse aber verfolgt der Star den Kurs, den sein alter und neuer Club auf und jenseits des Spielfelds einschlägt. Als der 1. FC Köln im März nacheinander die Spiele gegen Schalke und Borussia Mönchengladbach verlor, und wenig später mit der Niederlage gegen die Lokalrivalen aus Leverkusen die siebte Heimpleite in Folge hinlegte, wurden die Fans in ihrem ganzen schönen Poldi-Comeback-Rausch schlagartig nüchtern und ernüchtert: Wenn der FC so weitermacht, wird nicht nur der Klassenerhalt gefährdet, sondern auch die Rückkehr des Hoffnungsträgers. Erst mit dem schmucklosen Arbeitssieg gegen Werder Bremen am 30. Spieltag waren die besorgten Gemüter wieder etwas beruhigt und konnten weitere Pixel kaufen gehen. Der zweifelsohne schönste Sieg im Jahr 2009 war der gegen den 1. FC Bayern München. Das freute jeden, dem der 1. FC Köln eine Herzensangelegenheit ist. Also auch Poldi? So oft er auch vorher gefragt wurde, ob dies ein besonderes Spiel sei, ob es ihm schwer fallen würde, gegen seinen zukünftigen Arbeitgeber Tore zu schießen, Poldi antwortete, was ein Profi in so einem Moment so sagt. Er werde alles geben für Bayern München, 90 Mi-
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nuten lang keinen Gedanken verschwenden an Köln, natürlich auch Tore machen und siegen wollen. Bekanntlich kam alles ganz anders. Am 21. Februar um 17:15 Uhr stand auf der Anzeigentafel in der Allianz-Arena 1:2. Köln hatte gewonnen und Poldi nicht nur verloren, sondern auch kein Tor erzielt und war auch noch ausgewechselt worden. Nur wenige Menschen können erahnen, was in Podolskis Kopf vorging, als er in Richtung Ersatzbank – sein zweites Zuhause in München – trabte. Einer, der es kann, ist Poldis alter Kölner Kumpel Matthias Scherz. »Als wir mit dem FC in München waren und gewonnen haben, da wollte Lukas zu uns ins Hotel. Ich habe ihm davon dringend abgeraten, weil es genug Fotografen gab, die genau dieses Bild haben wollten: Noch-Bayer Podolski feiert mit Kölnern die Münchner Niederlage! Lukas wollte dann aber wenigstens zu uns in die Kabine kommen, doch auch davon riet ich ab. Keine unnötigen Provokationen mehr, so kurz vor Schluss, habe ich gesagt, bring das hier anständig zu Ende, ist ja nicht mehr lange. Ihr könnt ja schon mal anfangen, die Koffer zu packen.« Scherz gibt zu, von Poldis Wechsel zu den Bayern begeistert gewesen zu sein, von der Rückkehr ist
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er es nicht: »Es war natürlich der richtige Schritt von Lukas, zu den Bayern zu gehen. Bayern ist nun mal der Top-Verein in Deutschland, mit einer Garantie für internationale Wettbewerbe«, sagt Scherz, dessen Profi-Karriere nach zehn Jahren beim FC ausläuft. »Aber jetzt wechselt er von Bayern zu einem Verein, der ihm diese Garantie gerne geben möchte, aber nicht geben kann.« In Bremen oder Hamburg wäre Poldi besser aufgehoben, meint Scherz, der in Zukunft im Nachwuchsbereich des FC tätig wird. »Gerade Werder, da bekommst du als Stürmer doch einen Ball nach dem anderen!« Das habe er seinem Freund auch gesagt, aber Poldi sei ganz und gar beratungsresistent, wenn es um den FC gehe: »Lukas hat alle Argumente außer Acht gelassen, er hat nur auf sein Herz gehört.« Und das schlägt nun mal laut und deutlich für den 1. FC Köln. Matthias Scherz ist sich sicher, dass Podolski in Köln wieder das Umfeld und die Zuneigung finden will und wird, die er braucht, um sich nicht nur
wohlzufühlen, sondern auch um seine Tore zu machen. Das alles habe er in München nicht bekommen. Scherz, auch ein Publikumsliebling dank seiner langjährigen Treue zum Verein, weiß mehr über Poldis Innenleben, als er sagen will. Poldi und Scherz haben mehrfach telefoniert während der Zeit bei Bayern München. »Von daher weiß ich auch von ein paar Sprüchen Klinsmanns zu Lukas, die gar nicht gehen.« Aber Scherz sagt auch, dass es nicht nur ein Bayern-Trainer war, unter denen Poldi gespielt hat beziehungsweise nicht gespielt hat. »Magath, Hitzfeld, Klinsmann – und keinen konnte Lukas überzeugen!« Erst mit Jupp Heynckes´ Kurzeinsatz als Trainer nach Klinsmanns Entlassung wurde Poldi wenige Spieltage vor Vertragsende in Bayern noch zum Stammspieler.
Hautkontakt am Metallzaun, der Weg vom Spielfeld in die Fankurven ist dem Ausnahmespieler nie zu weit.
Auch wenn er seinem Kumpel nicht zu einer Rückkehr geraten hätte, dem FC jedenfalls hätte Scherz geraten, genau das zu tun, was dann getan wurde.
»Keine unnötigen Provokationen mehr, so kurz vor Schluss, bring das hier anständig zu Ende, ist ja nicht mehr lange. Ihr könnt ja schon mal anfangen, die Koffer zu packen.« Matthias Scherz
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Lagebesprechung im Mittelkreis, auf die Ratschläge des Routiniers muss Poldi zukünftig verzichten – zumindest auf dem Spielfeld. Matthias Scherz wechselt in die Jugendarbeit.
»Alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Poldi zurückzuholen. Egal, zu welchem Preis! Denn der Wert ist unschätzbar: Wir haben wieder einen deutschen Nationalspieler! Das wirkt auch auf andere Spieler, wird andere überzeugen, dass der FC eine sehr gute Adresse ist.« Das sei längst noch nicht alles: »Lukas Podolski ist unter Marketingaspekten ein Volltreffer, und das deutschlandweit. Eine solche Popularität genießt derzeit nur noch Michael Ballack, der aber spielt ja nicht in Deutschland.« Im November 2003 fand die erste Begegnung von Matthias Scherz und Lukas Podolski statt. »Unser damals neuer Trainer Marcel Koller ging gleich mit uns ins Trainingslager nach Hennef. Koller hatte diesen jungen 18-jährigen Burschen aus der eigenen Jugend dorthin mitgenommen, wo wir richtig durch die Mühle gehen mussten. Und das hat dieser Kerl sensationell weggesteckt.« Der Neue sei ihm sofort aufgefallen: »Dieser Zug zum Tor, der überragende linke Fuß, die Fähigkeit zum tödlichen Pass …« In dieser Zeit, Anfang des neuen Jahrtausends, habe es weit und breit ja keine Talente gegeben in Deutschland. »Und dann kam Lukas Podolski!« In der Folge freundeten sich die beiden Stürmer an. Matthias Scherz zeigte dem jüngeren Kollegen, wo man in Köln essen gehen kann, ohne umgehend Fotografen und Autogrammjäger auf dem Tisch sitzen zu haben. Nach Pizza, Pasta und Salaten ging es meistens schnell wieder heim. Auch wenn es noch früh am Abend war. »Lukas ist keiner, der noch
Aber hat sich Lukas Podolski nun am Abend des 21. Februar 2009 im Bayern-Trikot über den Kölner Triumph in München gefreut? Er hat ganz sicher sein Bestes gegeben für einen Sieg der Bayern. Dafür ist er zu sehr Profi. Und gleichzeitig hat er sich ganz sicher gefreut, dass es am Ende nicht gereicht hat. Dafür ist er zu sehr Prinz Poldi. »Ich freue mich auf die Aufgabe beim FC«, diktierte Podolski den Reportern nach Bekanntgabe seiner Rückkehr in die Notebooks, »ich will gemeinsam mit dem Club nach oben kommen.« Der FC sei ein guter Verein mit viel Potenzial nach oben. »Dieses Potenzial soll weiter ausgebaut werden. Und natürlich ist es auch privat eine tolle Sache, wieder in der Heimat zu sein.« Nicht nur für Heiner Brand, Michael Schumacher und viele andere steht fest, dass Poldis Entscheidung in erster Linie eine Herzensentscheidung war, keine Kopfsache. Poldi selbst spricht vom Gefühl: »Ich hatte einfach ein gutes Gefühl«, sagte er dem Express, »der FC hat ein Konzept vorgelegt, das mich überzeugt hat, und ich bin ein Teil dieses Konzepts.« Mit der Verpflichtung international erfahrener Spieler habe der Verein wichtige und richtige Zeichen gesetzt, außerdem finde er es prima, dass junge Spieler mit sehr guten Perspektiven im Kader seien.
Aus knapp 600 Kilometern Entfernung hat Poldi sehr genau verfolgt, was sich in den drei Jahren seiner Abwesenheit in Köln getan hat, wie die ersten Nachrichten von einer möglichen Rückkehr aufgenommen wurden. »Diese ganzen Aktionen, die die Fans auf die Beine gestellt haben, haben mich wirklich berührt, »Der FC hat ein Konzept vorgelegt, das mich so etwas gibt es nirgends woanders, das ist einmalig.« Nicht allen haben alüberzeugt hat, und ich bin ein Teil dieses Konzepts.« le Fan-Aktionen gut gefallen. So machLukas Podolski te im November 2008 eine Fotomontage die Runde im Internet, die Podolski in Anlehnung an die Entführung von um die Blöcke zieht. Man wird ihn auch nicht mit Hanns Martin Schleyer als Geisel des FC Bayern einem Glas Bier oder Wein in der Hand antreffen.« München zeigte. »Seit 733 Tagen Gefangener«, war Auch deshalb sei er in München nie heimisch auf dem Foto zu lesen, das einen unglücklich schaugeworden. »Wenn die Kollegen ins P1 oder eine anenden Poldi und an der Stelle des RAF-Logos das dere Disko gingen, dann fuhr Lukas nach Hause. Bayern-Emblem zeigte. Der weiß gar nicht, wie man P1 schreibt, das ist einfach nicht seine Welt. Er ist viel lieber zu Hause bei Ein echter Fußballfan ist immer zugleich Spinner seiner Monika und bei seinem Sohn.« Freundin und Realist, das gilt für die Kölner hoch drei! Monika sei auch nicht unmaßgeblich an der Rück»Nie mehr Zweite Liga«, wird eingestimmt, sobald kehr zum FC beteiligt. »Sie hat sich in München fast das erste Pünktchen eingefahren wird, aber auch: noch unwohler gefühlt als Lukas.« Die Mentalität »Wir sind nur ein Karnevalsverein«, wenn sich der von Lukas und Monika hätte einfach nicht in diese Erste Fußballclub Köln gerade mal wieder bis auf Schickimicki-Welt gepasst. die Knochen blamiert hat. Und natürlich wollte nicht Am Abend des Vertragsendes, da ist sich Matnur die Südkurve ihren Poldi wiederhaben, kaum thias Scherz sicher, steht ein großer Möbelwagen dass sich angekündigt hatte, dass die Tage in Bayaus südlicher Richtung kommend in Köln. ern gezählt sein könnten. Gleichzeitig machte der
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Nichts qu辰lt einen St端rmer mehr, als wenn der Ball nicht 端ber die Linie rollt. Auch beim FC wird Podolski mit Niederlagen leben m端ssen.
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Die R체ckennummer ist Gold wert. LP 10 ist eine eingetragene Marke und kann vielf채ltig genutzt werden. Die Rechte besitzt der St체rmer.
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Realist im Fan jede Hoffnung umgehend zunichte: Das kann der FC gar nicht stemmen, das Geld hat der FC doch gar nicht und auch nicht die richtigen Perspektiven für einen wie Podolski, war man sich anfangs einig, aber man wird ja wohl noch träumen dürfen! Wie viele haben ernsthaft von Anfang an geglaubt, dass dieser Coup glückt? Den Machern der Podolski-Rückkehr war von Anfang an bewusster als allen anderen, dass eine Rückkehr zum alten Verein für alle Beteiligten ein großer Gewinn sein kann. Denn sowohl FC-Trainer Christoph Daum als auch Manager Michael Meier haben es in ihren Karrieren vorgemacht. Im Dezember 2005 kehrte Meier an den Ursprung seiner Karriere zurück und übernahm erneut den Managerposten beim 1. FC Köln, und Christoph Daum wurde am 27. November 2006 zum zweiten Mal Trainer des 1. FC Köln. Zurückgeholt von jenem Meier, dem die Fans zunächst argwöhnisch entgegentraten, hatte Meier doch seine letzte Station Borussia Dortmund mit einem gewagten Börsengang fast in die Insolvenz getrieben. Ausgerechnet so einer, der offensichtlich Fußball mit Monopoly verwechselt, sollte als Nachfolger des zuletzt glücklosen Andreas Rettig den FC vorwärts
teilte der frühere Präsident den Journalisten mit, »ich fühle mich bestätigt, daraus können Sie Ihre Schlüsse ziehen.« Andere Gerüchte gingen in die Richtung, dass Christoph Daum im Sommer 1990 am Transfer von Thomas Häßler zu Juventus Turin mitverdient habe, vielleicht sogar im Zusammenhang stehe mit den angeblich verschwundenen »Häßler-Millionen«, diesem Bernstein-Zimmer des 1. FC Köln. Diejenigen, die es wissen, werden es wohl nie preisgeben. Denn auch Icke Häßler steht inzwischen zum zweiten Mal in Diensten des FC. Seit Oktober 2006 ist der Weltmeister von 1990 Technik-Trainer der Profis. Lukas Podolski steht also in einer ganz beachtlichen Tradition, die man »Niemals geht man so ganz« oder »FC Köln – es gibt immer ein zweites Mal« betiteln und noch über Pierre Littbarski bis Hennes Weisweiler zurückschreiben kann. Der erste Annäherungsversuch des 1. FC an seinen Ex-Stürmer fand bereits im Januar 2008 statt, kaum 18 Monate nach dem Wechsel. Wolfgang Overath schwebte eine Art Leihgeschäft vor, doch die Bayern ließen den Kölner Präsidenten abblitzen. Vor der Europameisterschaft 2008 in der Schweiz und Österreich deutete Poldi dann an, dass nach dem
Niemals geht man so ganz – die Liste der Köln-Rückkehrer ist lang: Hennes Weisweiler, Littbarski, Häßler, Michael Meier und Christoph Daum nutzten ihre zweite Chance beim FC. bringen. Doch dann schafft genau dieser Meier die erste Sensation: Die Rückholung jenes Mannes, den die FC-Anhänger halb im Scherz – aber eben nur halb im Scherz – den Messias nennen: Christoph Daum. Die Umstände der Rückkehr des Trainers inklusive der denkwürdigen Pressekonferenz im Krankenhaus waren so bizarr wie die Umstände seines unfreiwilligen Abgangs während der Weltmeisterschaft 1990 in Italien. Warum genau Daum damals im WMQuartier der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Erba in einer Nacht- und Nebelaktion vom damaligen Kölner Club-Chef Dietmar Artzinger-Bolten gefeuert wurde, dieser Nebel hat sich nie ganz gelichtet. Als später Daums Kokainkonsum öffentlich wurde, stellte Artzinger-Bolten einen Zusammenhang zwischen der Entlassung Daums und Daums Nase her: »Ich nehme die jetzigen Daum-Berichte mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis«,
Turnier Gespräche über seine Zukunft stattfinden könnten. Anfang Juli 2008 ließ Poldi vorsichtig durchblicken, dass er sich eine Rückkehr zum alten Verein gut vorstellen könnte, und Christoph Daum machte ganz kurz jedem noch einmal klar, warum man ihn einst den »Lautsprecher der Liga« nannte: »Lukas ist heiß auf eine Rückkehr zum FC«, posaunte der Trainer. Am 5. September wusste der Express von einem Geheimtreffen der FC-Verantwortlichen mit Podolski und dessen Beratern zu berichten. Ort der konspirativen Zusammenkunft: Die Klosterfrau-Zentrale in der Kölner Gereonsmühlengasse. Am Tisch saßen an jenem Abend Lukas Podolski, FC-Präsident Wolfgang Overath, sein Vize Jürgen Glowacz, Vorstandsmitglied und Klosterfrau-Chef Friedrich Neukirch. Es sei eine rein private Zusammenkunft in familiärer Atmosphäre gewesen, wurde überliefert. Den anschließenden Herbst und Winter verbrachte Podolski dann immer öfter frierend und
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»Für diesen Deal gibt es Argumente jenseits des Materiellen; er personifiziert Aufbruch und Lebensgefühl zugleich.« Manager Michael Meier
Unter Trainer Christoph Daum ist Lukas Podolski Dreh- und Angelpunkt für die strategische Planung.
frustriert auf der Bayern-Bank. Im November zeigte Karl-Heinz Rummenigge dann erstmals Einsicht und Erbarmen: »Es ist nicht angenehm, ewig zu hören, dass Lukas nach Köln will«, bekannte der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG. Unmittelbar nach Jahreswechsel legte sich dann Michael Meier fest: »Lukas wird das neue Gesicht
des FC werden!« Doch es vergingen noch zähe zwei Wochen, bis der Poldi-Poker im Raum Diana 1 im Münchner Hotel Vierjahreszeiten mit dem Vierjahresvertrag seinen glücklichen Abschluss fand. Die Beteiligten an den »angenehmen Gesprächen in einem guten Klima«, wie Uli Hoeneß später betonte, waren auf Münchner Seite neben Hoeneß Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge und Vorstandsmitglied Karl Hopfner und auf Kölner Seite die FC-Geschäftsführer Michael Meier und Claus Horstmann. Dieser Vertragsabschluss im schicken Hotel Vierjahreszeiten wäre nie zustande gekommen, wenn die Bayern um Uli Hoeneß den Kölnern nicht auf ungewöhnliche Weise entgegengekommen wären. Es wäre überhaupt nicht zu beanstanden gewesen, hätten die Bayern auf die pünktliche Zahlung der zehn Millionen ohne Wenn und Aber bestanden, aber sie ließen sich auf einen Deal ein, wie ihn nur die Kölner ins Spiel bringen konnten. Wahrscheinlich kennen die Bayern die Kölner aber gut genug, um zu wissen, dass das Kernstück dieses Deals quasi bares Geld ist. Der Kölsche Deal geht so: Mer han dat Geld nit, ävver mer könne fiere! Das heißt konkret und auf Hochdeutsch: Einen nicht unbeträchtlichen Teil der Transfersumme bringt der FC durch die Erlöse der gigantischen Poldi-Party im Sommer auf. In deren Mittelpunkt steht kurz vor dem Saisonstart ein Freundschaftsspiel des Kölner FC gegen den aus München. »Es wird ein Abschieds-Rückkehrspiel geben, es soll die ganz große Bühne werden«, erklärte FC-Finanzboss Horstmann die Riesensause, die mehr als nur Spaß machen soll: »Natürlich wollen wir auf diesem Weg möglichst viele Einnahmen erzielen, um den Podolski-Transfer zu refinanzieren. Sämtliche Gelder aus Fonds oder Anleihen musst du irgendwann zurückzahlen,
Goalgetter: In seinen ersten drei Jahren im FC-Trikot schießt Lukas Podolski 22 Tore in der Ersten und 24 in der Zweiten Liga. Wie viele werden es nach der Rückkehr werden?
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doch die Einnahmen aus diesem Spiel gehören uns.« Trinken für den Transfer, diesen kölschen BusinessPlan haben die Bayern als seriöses Finanzierungsmodell akzeptiert. »Nur weil die Bayern da mit uns kreativ waren, konnte das klappen«, erklärte Michael Meier. »Wir haben Dinge angepackt, die man nicht für möglich hielt.« Dass die Bayern so unkonventionell handeln, zeugt einerseits von dem Respekt, den sie Lukas Podolski entgegenbringen, andererseits von einer gewissen Erleichterung, wie Hoeneß auch einräumte: »Ich bin froh, dass die ganzen Transferdinge zu Ende sind. Lukas muss sich jetzt auf seinen Job beim FC Bayern konzentrieren und aufhören, in der Ecke zu jammern, schlecht gelaunt zu sein und über seine so schwierige Situation zu lamentieren«, sagte der Manager gleich nach dem Verkauf. »Denn es gibt schwierigere Schicksale auf der Welt, als beim FC Bayern zu spielen.« Gleich nach Bekanntgabe des Party-Deals meldeten sich die üblichen Verdächtigen, wenn Köln sich selbst feiert: »Wir werden alles dran setzen, um
bei dieser Party dabei zu sein«, versprach HöhnerDrummer Janus Fröhlich, und auch die als Rockband verkleidete Karnevalskapelle Brings gab sofort ein Statement ab: »Ehrensache, dass wir da dabei sind!«
Alle Jungs möchten es, doch an seiner Hand aufs Spielfeld laufen kann am Ende nur einer.
Michael Meier nahm indessen sämtliche Bürger der Stadt in die Pflicht: »Ganz Köln wollte die Rückkehr von Lukas Podolski, jetzt kann ganz Köln auch helfen, dass wir das hinbekommen.« Im Detail: »Das soll ein absoluter Premium-Event werden«, kündigte Meier kurz nach Verkündung der Rückholaktion an. »Alle Sponsoren sollen mitmachen, die Medien, die Fans!« Also legt die Gaffel-Brauerei eine Pipeline ins Stadion, spendiert Sponsor REWE die Verpflegung, und der Poldi-Fan konsumiert, bis der Prinz kütt. »Lukas verkörpert die FC-Familie, die Wärme, die Emotionen, die der Kölner braucht«, analysierte Meier die ganz spezielle Bedeutung der neuen Verschmelzung von Stadt und Stürmer. Da wird der Manager fast schon spirituell: »Für diesen Deal gibt es Argumente jenseits des Materiellen; er personifiziert Aufbruch und Lebensgefühl zugleich.«
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HANS SCHÄFER Kölns erster Superstar »Schäfer nach innen geflankt« – es sind diese vier Worte, die ihm zu einer gewissen Fußball-Berühmtheit verholfen haben, denn sie stammen aus der legendären RadioReportage von Herbert Zimmermann. »Schäfer nach innen geflankt, Kopfball abgewehrt, aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt, TOOOOR, TOOOOR für Deutschland!« Jeder deutsche Fußball-Fan hat Zimmermanns Worte im Ohr, als er das Endspiel der Fußball-WM 1954 kommentierte. Und jeder weiß, dass Hans Schäfer vom 1. FC Köln am spielentscheidenden Tor der deutschen Nationalmannschaft gegen die Ungarn wesentlich beteiligt war. Der Kölner feuerte damals den wichtigsten Schuss seines Lebens ab. Dieser ging nicht aufs Tor, aber er fand den Weg zu Helmut Rahn … Deutschland siegte 3:2. Hans Schäfer war einer der Helden von Bern. Die glorreichen 50er Jahre – es waren natürlich andere Zeiten als heute. Lukas Podolski und Hans Schäfer zu vergleichen, das wäre so, als würde man einen SchwarzWeiß-Fernseher mit einem LCD-Flachbildschirm gleichsetzen. Obwohl ihre Positionen auf dem Spielfeld so unterschiedlich nicht waren. Hans Schäfer vom 1. FC Köln galt als der beste Linksaußen der Weltmeisterschaft 1954. Der »Kölsche Jong« war eine ganz wichtige Säule im Team von Sepp Herberger, gefürchtet beim Gegner wegen seiner maßgeschneiderten Flanken aus vollem Lauf. Hans Schäfer ist neben Ottmar Walter und Horst Eckel noch einer von drei Lebenden der ruhmreichen 54er Mannschaft. In der Öffentlichkeit taucht der heute 82-Jährige aber so gut wie nicht mehr auf. »Der Hans will seine Ruhe haben«, sagen seine engsten Kölner Freunde. Gleichwohl war es eine sehr erfolgreiche Zeit, die der großartige Linksaußen beim 1. FC Köln erlebte, dessen Stil er von 1948 bis 1964 wesentlich prägte. Hans Schäfer
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war der erste Superstar des 1. FC Köln. Für viele Kicker der nachfolgenden Generation war er das Vorbild schlechthin, wobei der als geschäftstüchtig geltende Schäfer mal rückblickend auf seine Karriere sinnierte: »Leider bin ich einige Jahre zu früh geboren. In der heutigen Zeit hätte ich mit meiner 17-jährigen Karriere wohl so rund 20 Millionen Mark verdient. Aber«, fügte er hinzu, »ich neide den Jungs das Geld nicht.« Schäfer begann seine Laufbahn 1937 beim Stadtteilclub Rot-Weiß Zollstock. Nach dem Krieg wollte er unbedingt zum 1. FC Köln wechseln, der sich gerade aus den Vereinen Kölner BC 01 und Sülz 07 gegründet hatte. »Für den Wechsel musste ich als Junge einen Trick anwenden«, blickt Schäfer auf die Anfänge seiner Karriere zurück. Zu damaliger Zeit war es nicht möglich, ohne einjährige Sperre innerhalb der Besatzungszonen den Club zu wechseln. Schäfer verließ seine Zollstocker und »wanderte aus«, in die amerikanische Besatzungszone zum VfL Volkmarsen nahe Kassel. Nach seiner Rückkehr aus Hessen war Schäfer endlich frei für den FC und konnte als Vertragsspieler für 230 Mark netto im Monat seinen Job als Friseurgehilfe im elterlichen Salon beenden. Vollprofi war Schäfer aber auch beim FC anfangs nicht. Bis 14 Uhr arbeitete er wochentags in der Parfümerie-Abteilung beim Kaufhof. Erst dann setzte er sich in die Straßenbahn und fuhr nach Müngersdorf zum Training. 1954 gewann der 1. FC Köln mit dem großartigen Hans Schäfer erstmals die Meisterschaft der Oberliga West, damals die höchste deutsche Spielklasse. Vier weitere Oberliga-Titel folgten von 1960 bis 1963. Dazu die Deutsche Meisterschaft 1962, der erste ganz große Triumph des FC. Die Domstädter mit Hans Schäfer gehörten in dieser Zeit zum Besten, was Fußball-Deutschland zu bieten hatte. Köln besaß damals eine kom-
plett rheinische Mannschaft, und wie es sich für Kölner gehörte, hatte jeder seinen Spitznamen: So war Karl-Heinz Schnellinger der Fuss, Leo Wilden der Lei, Karl-Heinz Thielen der Qualles, Ernst Günter Habig de Bumms, und Schäfer war eben de Knoll. »Knoll wurde ich gerufen und werde das auch heute noch, weil ich ein Dickkopf sein konnte und es manchmal auch wollte«, sagt Schäfer schmunzelnd. 1963 gründete sich die Bundesliga. Prompt hieß der erste Bundesliga-Champion wieder 1. FC Köln mit Hans Schäfer als Spielführer. Die Rheinländer beherrschten souverän die übrige Konkurrenz und sicherten sich mit sechs Punkten Vorsprung den Titel 1964. Großen Anteil hatte der mittlerweile 37-jährige Schäfer, der in 22 Spielen zwölf Tore erzielte. Relativ spät, im Alter von 25 Jahren, debütierte Schäfer 1952 in der deutschen Nationalmannschaft. Beim 5:1-Sieg gegen die Schweiz in Augsburg steuerte er gleich zwei Tore bei, doch einen Stammplatz hatte er noch nicht. Erst als sein kongenialer Partner Jupp Röhrig zum FC stieß, blühte auch Schäfer weiter auf, und Bundestrainer Sepp Herberger kam nun an dem Kölner nicht mehr vorbei. Schäfer/ Röhrig – das war der schwer zu stoppende Zwillingsflügel aus Köln. »Wir verstanden uns blind. Da bedurfte es keiner Zurufe, ein Kopfnicken genügte«, sagt Schäfer rückblickend. Schon zwei Jahre später feierte »de Knoll« mit dem Finalsieg von Bern den größten Erfolg seiner Karriere. Zwei weitere WM-Teilnahmen folgten 1958 und 1962. Schäfer beendete seine Karriere nach der Saison 1964/1965 und verabschiedete sich mit der Vizemeisterschaft. Im jungen Wolfgang Overath hatte der Weltmeister von 1954 inzwischen seinen Nachfolger gefunden. Overath meinte später über Schäfer: »Sein Kommando galt, sein Wort wurde anerkannt. Ich habe unendlich viel von ihm gelernt.«
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HANS SCHÄFER geboren am 19. Oktober 1927, spielte von 1948 bis 1965 beim 1. FC Köln. In 422 Meisterschaftsspielen schoss er 261 Tore. Für die Nationalelf lief er 39-mal auf und erzielte 15 Treffer. Seine größten Erfolge: Weltmeister 1954, Deutscher Meister 1962 und 1964, Fußballer des Jahres 1963. Träger Silbernes Lorbeerblatt.
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HEINZ FLOHE Triumph und Tragik eines Genies Ende der 70er Jahre – die größte Zeit des 1. FC Köln. Hennes Weisweiler war im Sommer 1976 vom FC Barcelona nach Köln zurückgekehrt. Schon stellten sich die Erfolge ein: 1977 gewann der FC den DFB-Pokal. 1978 folgte die Saison, die alles in den Schatten stellte. Die große Kölner Mannschaft errang das »Double« mit dem Gewinn der Meisterschaft und des DFB-Pokals. Im Team standen FC-Legenden wie Torwart Toni Schumacher, Abwehrstrategen wie Bernd Cullmann, Herbert Zimmermann und Gerd Strack. Und im Sturm sorgte Dieter Müller dafür, dass der FC mit 86 Bundesliga-Toren einen neuen Vereinsrekord aufstellte. Der Denker und Lenker und Kapitän dieser Mannschaft aber war Heinz Flohe, ein genialer Techniker und dazu – was höchst selten ist – ein gefährlicher Torschütze. In den 70er Jahren zählte der gebürtige Euskirchener zu den besten Spielmachern Deutschlands. »Flocke«, wie sie ihn rund um das Geißbockheim nannten, konnte wie kein Zweiter den Spielrhythmus bestimmen, den Ball halten, das Spiel schnell machen. Der Linksfuß war in der Lage, weite Pässe zu schlagen, den Gegner auf engstem Raum mit seinen Täuschungsmanövern stehen zu lassen. Viele Jahre machte er das an der Seite von Wolfgang Overath, den großen Erfolg feierte er aber ohne den exzentrischen Nebenmann, der im Jahr zuvor von der aktiven Fußball-Bühne abgetreten war. »Die Saison 1978/79 war die schönste meiner Karriere«, sagte Heinz Flohe später. »Pokalsieger, Meister und eine herrliche Mannschaft, die vom besten Trainer betreut wurde, den ich je kennengelernt habe.«
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Es war aber eine Karriere mit viel Licht und Schatten. So blieb Heinz Flohe der ganz große internationale Durchbruch verwehrt. Er trug zwar 39-mal das Nationaltrikot und spielte auch zwei Weltmeisterschaften (1974 und 1978), trat aber nie aus dem Schatten eines Günter Netzer oder Wolfgang Overath heraus. Das lag auch an seiner Art. Flohe galt immer als eigensinnig und ein wenig menschenscheu. Die Schulterklopfer der Branche hatte er satt. Er war manchmal launisch, wenig selbstbewusst, labil und unbeständig. Einer großen internationalen Karriere stand zudem ein nicht gerade gutes Verhältnis zum damaligen Bundestrainer Helmut Schön im Wege. Auch der bis dahin gute Draht zu seinem großen Förderer Weisweiler riss nach der »Double«-Saison. Der Ur-Kölner verließ sogar den FC und wechselte zu 1860 München – ein folgenschwerer Entschluss. Ein halbes Jahr später beendete nämlich ein böser Tritt des damaligen Duisburgers (und späteren Kölners) Paul Steiner seine Karriere. Flohe zog sich einen komplizierten Schien- und Wadenbeinbruch zu, Nervenstränge wurden in Mitleidenschaft gezogen. Es war das sportliche Ende des großen Spielmachers, der mit nur 31 Jahren Frührentner und Sportinvalide wurde. Flohe zog vor Gericht, scheiterte jedoch. Steiner konnte kein Vorsatz nachgewiesen werden. Er musste lediglich 5.000 Mark Geldstrafe zahlen.
Heinz Flohe kehrte später noch einmal zum 1. FC Köln zurück. Als sein Freund Stephan Engels im September zum Cheftrainer aufstieg, folgte ihm Heinz Flohe als Co-Trainer. Die Entscheidung sorgte damals für einiges Aufsehen, da Flohe unter einem Herzfehler litt und drei Jahre zuvor eine künstliche Herzklappe erhalten hatte. Nach der Ablösung Engels’ durch Peter Neururer im März 1996 endete auch die Tätigkeit Flohes als Co-Trainer in der Bundesliga. Heute hat sich Heinz Flohe weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Er war sowieso nie der Glanz- und Glamourtyp. Interviews gibt er nur sehr selten, wobei er dem Kölner Express Anfang des Jahres erzählte, dass er die Rückkehr von Lukas Podolski sehr begrüßte. »Ich freue mich, ihn in Köln wiederzusehen. Der Junge passt zu hundert Prozent in den Club. Er identifiziert sich mit dem Verein, das finde ich wunderbar.« Das Geschehen rund um den FC beobachtet er weiter aus seinem Heimatort Euskirchen, wo er mit seiner Frau Ulla ein nach eigenen Angaben »bescheidendes Leben« führt.
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HEINZ FLOHE spielte von 1966 bis 1979 beim 1. FC Köln. In 329 Bundesligaspielen gelangen ihm 77 Tore. Heinz Flohe absolvierte 39 A-Länderspiele, war WM-Teilnehmer 1974 und 1978. Mit dem 1. FC Köln feierte er 1978 das »Double«. Den DFBPokal holte Flohe mit dem FC außerdem 1968 und 1977.
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OHNE
WORTE
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FORMVOLLENDETE
TECHNIK
Kaum einer hat einen besseren Schuss mit links, der aber kommt in M端nchen viel zu selten zur Geltung.
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ERSTER
GROSSER TITEL 2008 wird Lukas Podolski mit den Bayern Deutscher Meister. Es kann dauern, bis er diesen Moment mit dem 1. FC Kรถln wiederholt.
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KONZENTRATION
AUFS WESENTLICHE Trotz aller Bem체hungen gelingt es Lukas Podolski nicht, sich gegen die starke Konkurrenz im Sturm der Bayern durchzusetzen. Einsatz- und Torbilanz sind entt채uschend.
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DAS MÜNCHNER
MISSVERSTÄNDNIS Magath, Hitzfeld, Klinsmann – drei Trainer schaffen es nicht, Poldis Potential beim Rekordmeister abzurufen. Zu oft wird die Ersatzbank sein Stammplatz. Enttäuscht sind beide – Spieler und Trainer. Die Fußballfrage des Jahres 2009 lautet: Ist Lukas Podolski in München gescheitert oder nicht? Die Antwort: Ja – und das ist gut so! Kein anderes Scheitern könnte für die Kölner Fußballfans schöner sein, und das ganz und gar nicht aus Schadenfreude, sondern weil nur dieses Scheitern die Rückkehr zum 1. FC Köln erlaubte. Wäre es Podolski auch nur einigermaßen gelungen, häufiger das zu zeigen, was er kann, wäre er entweder beim FC Bayern München geblieben oder es wären ganz andere Clubs an ihn heran getreten, gegen die die Macher im Geißbockheim ohne jede Chance gewesen wären.
Die Schale lässt er zurück, die Farben bleiben auch nach dem Wechsel.
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Doch zuletzt unter Jürgen Klinsmann konnte Poldi zu oft nur zeigen, dass er in der Lage ist, auf einer Bank zu sitzen. Wenn er denn nicht ganz aus dem Kader gestrichen war und sich die Bayern-Partien vor dem Fernseher anschauen konnte. Dabei war es doch gerade Klinsmann, der beim Confederation Cup 2005 und der Weltmeisterschaft 2006 nicht müde wurde, die Qualitäten und die Zukunft des jungen Ausnahmestürmers zu preisen. Dynamisch wie kein Zweiter sei Podolski, lobte der Neu-Trainer, und vor allem robust. Was also lief falsch an der Isar? Die üblichen Experten waren sich schnell einig: Podolski sei eben nicht dynamisch und robust genug gewesen, sich gegen die Mitbewerber um die Plätze in der Spitze durchzusetzen. Weder
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Luca Toni noch Miroslav Klose mussten zu irgendeinem Zeitpunkt ernsthaft fürchten, von Podolski verdrängt zu werden. Im Frühjahr 2006 sah das alles noch ganz anders aus. Bayern bekundete großes Interesse an dem Youngster, der kein weiteres Mal mit Köln in die Zweite Liga gehen wollte, und Poldi erwiderte die Zuneigung, war geschmeichelt vom Werben des Spitzenclubs um seine Person. Weder Uli Hoeneß noch Poldi werden zu diesem Zeitpunkt Zweifel am Erfolg des Wechsels gehabt haben. Poldi traut man ohnehin keine Zweifel zu, er trifft seine Entscheidungen so, wie er seine Tore macht: »Vor dem Tor musst du eine Idee haben und die auch durchbringen, dann ist der Ball meistens drin.« Auch Werder Bremen und der Hamburger SV bemühten sich 2006 um Poldi, doch der war gedanklich schon bei Deutschlands erster Fußballadresse. Bereits 2005 hatte er über Bayern gesagt, was man traditionell als wechselwilliger Profi so sagt: »Der größte Club in Deutschland und für alle ein interessanter Verein.« Ein Vereinswechsel kam für ihn übrigens nie in Frage, das kann man ihm gar nicht hoch genug anrechnen. Der zu Bayer 04 Leverkusen: »Das verbietet
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Jubel der anderen Art – nach seinem Treffer gegen Köln im September 2008 weiß der Torschütze zum 3:0 für die Bayern nicht recht, ob und wie er sich freuen soll.
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sich als Kölner«, sprach Poldi, »das wäre eine Todsünde.« Dass er sich für Bayern entschied, hatte auch mit seinen Erfahrungen in der Nationalmannschaft zu tun: »Hier sind die besten Spieler Deutschlands zusammen – und hier muss ich mich genauso durchsetzen wie in München.« Als Podolski in München ankam, war Felix Magath Trainer. Seine Mitstreiter – und Konkurrenten – im Angriff waren Roy Makaay und Claudio Pizarro. Doch mehr Chancen und Einsätze bekam Poldi erst, als Felix Magath von Ottmar Hitzfeld abgelöst wurde. Im April 2007 wurden alle Ambitionen durch eine Knochenabsplitterung im linken Knie samt anschließender OP zunichte gemacht. »Mein Ziel ist es, zu spielen, und dafür werde ich kämpfen«, gab sich Podolski trotzig, der zu diesem Punkt kaum noch etwas von der Lockerheit und Leichtigkeit hatte, die er, gern mit seinem Kumpel Bastian Schweinsteiger, beim sogenannten »Sommermärchen« im Jahr zuvor versprühte. Die kluge Neue Zürcher Zeitung stellte irgendwann nüchtern fest, Lukas Podolski sei ein guter Stürmer – im falschen Club: »Podolski in München«, schrieben die Schweizer, »das ist ein großes Missverständnis.« Lukas Podolski hielt und hält sich – logisch – nicht für gescheitert. »Das sehe ich überhaupt nicht so«, beteuerte der Ausgemusterte bei einem Auftritt im Aktuellen Sportstudio, zu dem er sich demonstrativ den Trainingsanzug der Bayern angelegt hat-
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te. »Ich bin deutscher Meister und Pokalsieger geworden; für meine Entwicklung war es eine große Erfahrung, beim FC Bayern zu spielen.« Dass Jürgen Klinsmann, der als Trainer auf Hitzfeld folgte, Poldis Ausmusterung damit begründet hat, dass der Angreifer seine Chancen bei den Bayern nicht genutzt hätte, ließ der Stürmer so nicht gelten: Er habe immer alles gegeben bei seinen Einsätzen und auch im Training hart gearbeitet. Wie viele BayernFans wird sich Poldi über Klinsmanns Entlassung am 27. April gefreut haben – nur etwas leiser und weniger öffentlich. Es mag verwundern, dass Poldi von Bayern nicht wenigstens zu einem anderen deutschen PremiumClub mit internationalem Spielplan oder gleich ins Ausland wechselt. Doch er hatte seine Gründe für die Absagen an Dortmund, Turin etc. Bei seinen Überlegungen halten sich die rationalen und die emotionalen die Waage, der FC sei einerseits Herzensangelegenheit, andererseits sieht Poldi überzeugende sportliche Argumente. »Christoph Daum und Manager Michael Meier wollen den Verein wieder nach vorne bringen«, ist er sich sicher. »Das passt, denn auch ich will in meiner Karriere weiterkommen.« All denen, die im FC einen Absteiger sehen, verspricht er: »Es werden sich einige noch wundern.« Zunächst noch ein Kritiker des Wechsels von Bayern zurück ins Rheinland, kippte Günter Netzer, Deutschlands zweite Lichtgestalt nach dem Kaiser,
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so plötzlich um, wie man es sonst nur von Deutschlands erster Lichtgestalt kennt: Die Rückkehr zum FC sei die richtige Entscheidung für alle Parteien, besonders für Poldi. »Denn«, so Netzer in einem Anflug von Poesie, »Poldi holt sich sein Glück und seine Zufriedenheit zurück.« Am 1. November 2008 lief Podolski noch einmal auf, bevor er längere Zeit nur noch Zuschauer war. Ausgerechnet beim Heimspiel im Februar 2009 gegen seinen alten und neuen FC Köln setzte Klinsmann den Stürmer erstmalig im neuen Jahr wieder ein. Ein schöner Tag für alle Kölner, man freute sich auf das Wiedersehen mit dem verloren gegangenen Prinzen und noch mehr über den 2:1-Erfolg nach 90 Minuten, deren zweite Hälfte Poldi schon nicht mehr mitgestalten durfte. Klinsmann hatte ihn zur Pause nach einer wenig inspirierten ersten Halbzeit ausgewechselt. Poldis schwache Leistung gegen Köln gibt für Verschwörungstheorien keinen Anlass, selbstverständlich hätte er Köln abgeschossen, wenn er die Chancen gehabt hätte. Der Mann ist schließlich Profi. Vielleicht hätte er bei einem Treffer nur ein wenig reduzierter gejubelt, so wie man es sonst nach Toren gegen Polen erleben durfte.
Lukas Podolski und der FC Bayern, das ist im Rückblick die kurze Geschichte eines großen Missverständnisses. Wolfgang Overath, Präsident der Kölner, Weltmeister von 1974 und einer der entscheidenden Väter der Rückholaktion, sah, was in München nicht stimmte: »Der Junge hat kein Selbstvertrauen. Das hat man beim Spiel gegen den FC gesehen. Aber den Bayern kann man deshalb keinen Vorwurf machen. Die haben 15 Poldis und können bei all der Klasse im Kader auf Einzelschicksale kaum Rücksicht nehmen. Lukas ist aber ein Spieler, der die Unterstützung von Verein und Umfeld extrem braucht. Bei uns wird er sie bekommen.« Overath legt sich fest: »Es wäre schon 2006 für ihn besser gewesen, er wäre geblieben und zu einem echten Leader in Köln geworden.« Overath kann sich sehr gut in Podolskis Lage versetzen, er kennt solche Phasen aus seiner eigenen aktiven Zeit. »Wenn du Techniker bist«, erklärt der Weltmeister, »dann bist du noch viel sensibler, als wenn du nur über die Kraft kommst. Wenn du dann aber kein Selbstvertrauen hast, kannst du einpacken. Denn zu 80 Prozent macht bei einem Fußballer das Selbstvertrauen die Leistung aus. Und mir selbst mangelte es daran öfter, als viele
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Der Sieg im DFB-Pokalfinale gegen Dortmund macht 2008 das Münchner Double perfekt. Wenige Tage nach dem Gewinn der Meisterschaft darf Poldi auch die zweite große Trophäe in den Händen halten. In der Champions League lassen große Erfolge auf sich warten.
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glauben.« So sei es ihm zum Beispiel ausgerechnet kurz vor der Weltmeisterschaft 1974 im eigenen Land gegangen. »Ich lieferte im Verein grottenschlechte Leistungen ab und hatte überhaupt keine Lust mehr zu spielen«, erinnert er sich an seine schwarzen Momente. »Dann ging es ins Trainingslager nach Malente. Und dort schwor ich mir eines: Jetzt ist mir alles scheißegal, jetzt packe ich’s an und halte dagegen. Ich las keine Zeitung mehr, gab keine Interviews. Ich konzentrierte mich nur noch aufs Training und lernte wieder zu beißen, zu spucken.« Es hat funktioniert, bei einem Testspiel platzte der Knoten. »Wir siegten 12:0, die Pässe kamen wieder an, ich hatte die Lust wiedergefunden.
Und schwups war ich in der Mannschaft gesetzt.« Auf Lukas Podolski gemünzt heiße das: »Es gibt Phasen, in denen kannst du dich hängen lassen. Aber dann muss der Punkt kommen, an dem du dich selbst wieder rausreißt. Und dann bist du wieder der Alte. Es liegt allein an einem selbst.« Ähnlich äußerte sich auch Overaths Amtskollege in München: »Podolski hat vielleicht zu früh bei den Bayern aufgegeben, vielleicht hätte er sich doch noch durchgesetzt, denn das nötige Talent dazu hat er. Ich bedaure, dass er uns verlässt«, sprach der Kaiser. Doch Franz Beckenbauer wusste auch, warum der Prinz den Kaiser verließ: »Er wollte halt unbedingt zurück nach Köln.« Podolski war nie Münchner. Er lebte nicht einmal dort. Als er für den FC Bayern München spielte, wohnte er vor den Toren der bayerischen Metropole in Hechendorf am Pilsensee. Es hätte Podolskis Rückkehr nie gegeben, wenn er nicht weggegangen wäre, und weggegangen ist er nur, weil der 1. FC Köln diesen fatalen Hang zum Fahrstuhl-Fußball hat. Es gab keinen einzigen echten Fan, der es Poldi damals übel genommen hat, dass er nicht schon wieder mit seinem Riesentalent in die Zweite Liga gehen wollte. In der Südkurve bereitete man sich innerlich wieder auf die Fahrten ins Erzgebirge und nach Ostwestfalen vor. Man war bereit, diesen Bußgang durch die Hölle der Provinz anzutreten, in primitive Stadien mit Aschenbahnen und doofen Fans und lauwarmem Bier einzuziehen. Das alles aber sollte ihr bester Mann, dieser gute Junge, nicht erleiden müssen. Es war wie in einem Western, wenn die Angeschossenen sagen: »Nimm das Pferd, lass mich hier mit einer Handvoll Patronen zurück, und zieh weiter, der Sonne entgegen!« Jeder, der Poldi liebte, und das waren alle, zeigte das, indem er losließ. Podolski wusste Bescheid. »Es war eine super Zeit beim FC«, sagte er, »super Fans, super Stadion – aber noch ein Jahr Zweite Liga wäre nicht okay gewesen für mich.« So gesehen hat seinerzeit nicht Poldi den FC verlassen, es war der FC, der Poldi im Stich ließ; er hatte keine andere Wahl als zu gehen. Ohne diesen Abstieg wäre alles anders gekommen, vielleicht besser, vielleicht auch nicht. Der Konjunktiv ist der Feind des Fußballs, jedenfalls streifte sich Poldi das Bayern-Trikot über, obwohl unter denen, die ihm zu einem Verbleib beim 1. FC Köln geraten hatten, ausgerechnet auch noch Ottmar Hitzfeld war. Doch Hitzfeld war gerade mal nicht Bayern-Trainer, sondern Felix Magath. Und der setzte Podolski nur sporadisch ein, gab sich aber überzeugt, dass da noch mehr käme. Auch Poldi war noch zuversichtlich, sich bei den Bayern behaupten
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Auseinandergelebt: Bei der WM 2006 schreiben sie eine Erfolgsgeschichte, drei Jahre sp채ter l채sst sich diese Story in der Bundesliga nicht wiederholen.
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So möchte keiner abgelichtet werden, der viel lieber mit dem Ball über den Rasen läuft.
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zu können. Das änderte sich im Herbst 2006, als Poldi erstmals Unzufriedenheit mit seiner Situation artikulierte: »Es ist momentan nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe.« Im Oktober zwang ihn eine Sprunggelenksverletzung zu einer sechswöchigen Auszeit. Im Dezember löste Ottmar Hitzfeld Felix Magath ab, und Uli Hoeneß äußerte sich deutlich zum Problemfall Podolski: »Lukas muss jetzt beißen, Ansprüche auf einen Stammplatz anmelden«, sagte der Manager, die Lehrlingsphase sei vorbei. Nach einem Jahr bei den Bayern stellten ihm die Bundesliga-Kollegen ein hässliches Zeugnis aus. Sie wählten ihn zum »Absteiger der Saison«. Hintergrund der schlechten Benotung war die Ausbeute
Auch das Jahr 2008 fing nicht so an, wie von Poldi erhofft. Bereits im Januar kamen ihm erstmals Gedanken an einen Abschied von den Bayern: »Wenn die Rückrunde für mich so verlaufen sollte wie die Hinrunde, dann muss ich intensiv nachdenken, wie und wo es für mich weitergeht.« Nur elfmal war er in der Hinrunde eingesetzt worden, Torbilanz: Null. Seine Statements wurden immer deutlicher: »Ich habe die Nase voll von der Bayern-Bank«, klagte Podolski, der sich im Mai 2008 immerhin Deutscher Meister und Pokalsieger nennen durfte. Fünf Treffer waren sein Beitrag zum Gewinn der Meisterschale. Die anschließende Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz wird ihm wie ein Urlaub vorgekommen sein, mit drei Toren war er bester deutscher Schütze in einem deutschen Team, das nicht recht überzeugte und kein zweites Sommermärchen schreiben konnte. Im Oktober 2008 wurde Jürgen Klinsmann Bayern-Trainer und wollte unbedingt an Poldi festhalten: »Er wird beim FC Bayern bleiben, er liegt mir auch persönlich am Herzen«, beteuerte Klinsmann. Doch auch dieses Herzensbekenntnis ändert nichts an einem Sachverhalt, der im Juli 2008 öffentlich wurde. In Podolskis Vertrag, so wird bekannt, ist eine Klausel festgeschrieben, nach der die Bayern den 1. FC Köln über jedes Podolski betreffende Angebot unterrichten müssen. Und sollte der FC in der Lage sein, bei diesem finanziellen Angebot mithalten zu können, dann erhält der FC automatisch den Vorzug. Tatsächlich gehen in der Säbener Straße in München diverse Angebote ein, Marseille und Dortmund, der HSV und Rom – alles, was im europäischen Fußball einen schönen Namen hat, signalisiert Interesse an der Perle Poldi. Obwohl damit klar wurde, dass eine Rückholaktion ein teurer Spaß wird, steigt am Rhein das Rückholfieber auf Temperaturen, die man eher am Nil vermuten würde. Im Dezember dann endlich scheinen die Bayern von Poldis Drängen und Kölns Ziehen zermürbt zu sein. Resigniert geben sie auf. »Er vermittelt seit Monaten den Eindruck, als drehe es sich bei ihm nur noch um die Rückkehr zum 1. FC Köln«, fasste Rummenigge unwidersprochen zusammen. Es vergingen aber noch ein paar bange Tage und Wochen, bis am 19. Januar 2009 nicht nur am Geißbockheim mit etlichen Kölschstangen auf die frohe Botschaft, auf die definitive Bekanntgabe des definitiven Wechsels, auf das Ende der Leidenszeit in München und auf eine hoffentlich glorreiche Fußballzukunft – für den FC, für alle Fans und für Lukas Podolski – angestoßen wurde.
„Ich habe nie eine Chance bekommen über sieben, acht, neun Spiele hinweg.“ Lukas Podolski von vier Toren in 22 Liga-Spielen, bei denen er elfmal eingewechselt worden war. Im August 2007 feierte Poldi nach seiner Knieverletzung, die ihn vier Monate außer Gefecht gesetzt hatte, sein Comeback – bei den Bayern-Amateuren in der Regionalliga! Wenig später meldete sich Uli Hoeneß wieder zu Wort, verlangte eine gravierende Änderung der Einstellung seines Stürmers und legte nach: »Sonst wird er es hier nicht schaffen!« Poldi wehrte sich: »Ich habe nie eine Chance bekommen über sieben, acht, neun Spiele hinweg!« Diese Äußerung rief wiederum Karl-Heinz Rummenigge auf den Plan: »Wir sind doch kein Experimentierfeld hier beim FC Bayern!«
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Servus Bayern! Auch in München wird er ein paar neue Fans – große und kleine – gewonnen haben. Seine Nichte Julie hält ohnehin immer zu ihm, egal bei welchem Verein.
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TONI SCHUMACHER Das Tier im Tor
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»Wenn ich keine Schmerzen mehr habe, bin ich tot«, pflegte Schumacher gerne zu sagen und verdeutlichte so geradezu prosaisch, was ihn ausmachte: Bedingungsloser Einsatz, auch gegen sich selbst, Hauptsache, das verdammte Ding geht nicht rein. Der Torwart, den die Fußballwelt Toni nennt, der Kölner Tünn, der auf Harald gar nicht reagiert, hat mit gebrochenen Fingern, mit gebrochenem Nasenbein, Nierenquetschungen, gebrochenen Rippen gespielt. Er hatte Kreuzbandrisse wie andere Leute Schluckauf, mehrere Meniskus-OPs und eine schwere Arthrose. Seine Finger sehen aus, als könnte er ein Klavier nicht einmal aufklappen. Genau das sind die Zutaten, aus denen Publikumslieblinge gemacht sind. Nicht nur in Köln. Auch auf Schalke, wo er nach seinem Rausschmiss beim 1. FC Köln für ein Jahr anheuerte, und danach in der Türkei. In Istanbul kam Schumacher bereits als Publikumsliebling an: »Ich bin bei meiner Ankunft am Flughafen von 5.000 begeisterten Türken empfangen worden, die haben mich auf den Schultern durch die Halle getragen, wie den Majestix bei Asterix«, erinnert sich Schumacher, der mit Fenerbahce umgehend die Meisterschaft gewann. Auch bei Niederlagen ist es von Vorteil, Liebling der Fans zu sein, speziell der besonders fanatischen türkischen Fans: »Wenn wir mit Fenerbahce ˛ verloren hatten, stürmten unsere Anhänger manchmal das Feld und hatten kleine Stöckchen dabei, um uns zu versohlen. Ich wurde immer verschont. Du gut! , wurde mir erklärt.« 1972 war Schumacher als 18-Jähriger nach Beendigung seiner KupferschmiedLehre nach Köln zum 1. FC gekommen. Er konnte gar nicht anders als Liebling der FC-Anhänger werden, denn er war einer von ihnen. »Ich komme von der Straße, aus ganz armen Verhältnissen,
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und das habe ich nicht vergessen.« Wie diese Verhältnisse waren, das beschreibt er eindringlich in seiner Autobiographie »Anpfiff«: »Wir wohnten in einer ArmeLeute-Siedlung, unsere Nachbarn waren die Asozialen. Ich konnte den Niedergang vieler Familien verfolgen; viele Väter waren Alkoholiker, viele Mütter eine Mischung aus Schlampe und Kneifzange«. Sein Vater sei abends müde vom Bau nach Hause gekommen und habe sich schweigend vor den Ofen gesetzt. »Vater – lange Jahre bedeutete das für mich: ein paar Beine vor dem Feuer.« Seine Mutter war Hausfrau und prägte den Bub sehr: »Lass nur, Junge«, pflegte sie zu sagen, »Armut schändet nicht. Ehrlich bleiben und fleißig. Dass man sich nicht schämen muss.« In diesem Bewusstsein zog es den dann gut verdienenden Profi-Fußballer Schumacher, der seiner Familie vom ersten Geld eine größere Wohnung kaufte, nach Siegen und auch nach den finstersten Niederlagen immer in die Südkurve. »Das war ein festes Ritual bei den Fans und mir; ich wurde gefordert – und dann hab ich mich gezeigt. Das ist das Geheimnis meiner Beliebtheit – auch heute noch.« Als Schumacher selbst noch als kleiner Fan in der Südkurve stand, da waren seine FC-Helden Wolfgang Overath, KarlHeinz Thielen, der ewige Verteidiger Matthias Hemmersbach und natürlich der Torwart Toni Schumacher, der von 1960 bis 1968 Kölner Schlussmann und eben auch der Namensgeber war und aus Harald einen »Toni« Schumacher werden ließ. Als der wohl weltbeste Torhüter seiner Zeit 1987 mit seiner Autobiographie »Anpfiff« die Funktionäre verprellte und nach 76 Spielen sowohl das Tor der Nationalmannschaft als auch nach 16 Jahren und 422 Spielen das des FC räumen
musste, standen die Kölner Fans im Süden des Müngersdorfer Stadions noch hinter ihm. »Ich sollte bleiben und der Vorstand gehen, stand auf den Transparenten.« So einer bestreitet am Ende seiner Karriere dann auch nicht ein, sondern gleich drei Abschiedsspiele. Im Juni 1991 wurde Toni, der nach Istanbul noch in den Diensten des FC Bayern München und Borussia Dortmund stand, von Fenerbahce ˛ verabschiedet. Dass er den Erlös des Spiels gegen Atletico Madrid für den Bau eines Kinderkrankenhauses spendete, machte in der Türkei aus dem Publikumsliebling einen Volkshelden. In einem zweiten Spiel trafen Fenerbahce ˛ und Bayern München aufeinander. In seinem letzten Abschiedsspiel traf der »Rekord-Abschiedsspieler«, wie die Süddeutsche Zeitung schrieb, im April 1992 mit »Tonis Top-Team« auf die Nationalmannschaft, und das in seinem alten Stadion in Köln, denn Schumacher hatte sich mittlerweile sowohl mit dem DFB als auch mit dem FC ausgesöhnt. Bis heute hat niemand mehr Spiele im Geißbock-Trikot bestritten als der einst verstoßene Sohn. Toni Schumacher ist heute als Teilhaber und Geschäftsführer einer Sport-Marketing-Agentur mit Sitz in Köln tätig und verfolgt nicht nur aus alter Verbundenheit sehr genau, was mit und um Lukas Podolski passiert. Den Wechsel vom FC Köln zum FC Bayern habe er seinerzeit nicht verstanden, sagt Toni. »Da war Poldi nicht gut beraten«. Er hätte Poldi zunächst einen Wechsel nach Hamburg oder Bremen nahegelegt. »Dann wäre er reif für Bayern München gewesen, aber so war er noch nicht weit genug, um sich in einem Kader von dieser Qualität durchzusetzen.« Und die Rückkehr nach Köln? Da wird der Tünn zum Orakel: »Die wird mit sehr großem Druck für ihn verbunden sein.«
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TONI SCHUMACHER stand von 1973 bis 1987 im Tor des 1. FC Köln, kam auf 422 Einsätze, in der Nationalmannschaft stand er 74-mal auf der Torlinie. 1996 beendete der zweimalige Fußballer des Jahres seine aktive Laufbahn bei Borussia Dortmund.
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PIERRE LITTBARSKI Der sagenhafte O-Bein-Dribbler Sie trugen beide das Trikot mit der Nummer 10, beide kamen als Jugendspieler zum FC, ihre Nachnamen enden zufällig auf der gleichen Silbe -ski. Beide hatten Probleme mit ihren Trainern. Beide suchten ihr Glück für eine gewisse Zeit bei anderen Clubs, sie fanden es dort aber nicht und kehrten zurück. Die Gemeinsamkeiten von Lukas Podolski und Pierre Littbarski sind verblüffend groß. PL und LP – sogar die Initialen ihrer Namen sind fast identisch. Und beide lieben die Stadt genauso wie die Menschen, die in ihr leben. Von Starallüren und Berührungsängsten ist nichts zu spüren. »Mir machte es damals nichts aus, auf die Kölner zuzugehen. Ich habe das sogar gemocht. Das ist beim Lukas mit seiner natürlichen Art ähnlich. Er tut nicht so gekünstelt wie so viele andere in der Branche. Das ist sehr wohltuend. Die Fans haben ein feines Gespür dafür, ob etwas echt ist oder nicht«, sagt Pierre Littbarski. Der kleine Dribbelkönig, der sich mit seiner unnachahmlichen Art in die Herzen der FC-Fans spielte, spricht aus Erfahrung. Er war der große Publikumsliebling und die Identifikationsfigur des 1. FC Köln in den 80er Jahren. Seine unverwechselbaren Säbelbeine und sein O-beiniger Gang sind Legende und bescherten dem FC so manchen großen Erfolg, wie den Gewinn des DFB-Pokals im Jahr 1983, als dem gebürtigen Berliner der 1:0-Siegtreffer gelang. Noch heute klopfen sie beim FC dem ehemaligen Manager Karl-Heinz Thielen auf die Schulter, dass er den kleinen Fummel-König für 25.000 Mark aus der A-Jugend von Hertha Zehlendorf loseiste. Littbarski und der FC – das passte von Anfang an. Zunächst nahm sich der große Hennes Weisweiler des kleinen, nur 1,68 m großen Pierre Littbarskis an. »Don Hennes« verordnete, so wird überliefert, erst einmal Hanteltraining, um den schwächlichen Jungen aus Berlin muskulär aufzupäppeln. Die Erfolge stellten sich alsbald ein. Schon in seiner zweiten Saison, 1979/1980, war der
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19-Jährige Stammspieler unter Weisweiler beim 1. FC Köln. Sprachlich hatte der Zugezogene gleichwohl anfangs seine Probleme: »Ich habe ja gar nicht verstanden, was die Bläck Fööss, die Höhner oder die Botterblömche gesungen haben.« Noch heute ist Littbarski deshalb Heinz Flohe dankbar, dem Meisterstürmer von 1978, der für den jungen Teamkameraden aus der fremden Stadt die kölschen Liedtexte ins Hochdeutsche übersetzte. Littbarski war ein Star zum Anfassen. Er liebte die Kölner, und die Kölner liebten ihn. »Köln ist ja ein übersichtliches Fleckchen, ganz anders als Berlin oder München, gar nicht so anonym. Beim Einkaufen habe ich immer dieselben Leute getroffen. Sie haben mir dann ihr Herz ausgeschüttet, ob es nun gut oder schlecht bei uns lief.« Littbarski mochte das, er mochte die Art der »Kölschen«, die er so viel freudiger erlebte als die Menschen anderswo. »Die Kölner sind nicht so negativ wie die Münchner«, stellt er fest und denkt noch heute gerne an die Begegnungen mit BAP, den Bläck Fööss oder Jürgen Zeltinger. Littbarski: »Die kamen immer raus zu uns zum Training. Aber von denen fühlte sich keiner als etwas Besonderes. Dieses freundschaftliche Verhältnis, das macht Köln aus.« Gleichwohl erlebte auch Littbarski sportlich schwere Stunden. Unter Weisweiler-Nachfolger Rinus Michels schlitterte »Litti« in eine harte Formkrise und durchlebte nach eigenen Worten in der Saison 1983/84 »eine schlimme Zeit«. Parallele zu Podolski: Auch der kam gut 20 Jahre später mit Trainer Uwe Rapolder und dessen Systemfußball eine Weile nicht zurecht. Littbarski zog 1986 die Konsequenzen und probierte sein Glück in Paris. Er wechselte zum aufstrebenden Racing Club, doch es blieb beim Versuch. Nach 14 Monaten Frust, in denen er sportlich und menschlich nicht vorankam, nahm der damals 26-Jährige so-
gar eigenes Geld in die Hand (angeblich 500.000 Mark), um sich bei der RückholAktion aus Paris zum FC zu beteiligen. »Du kommst in die Kabine und siehst bei der Mannschaftsbesprechung endlich wieder deinen Namen an der Tafel, das hat mir nach der schweren Zeit in Frankreich einen echten Schub gegeben«, berichtete Littbarski später dem Express. Zurück in Köln hatte er sie nun wieder, seine kleinen Anlaufstellen, die ihm so wichtig waren und die allesamt an den Kölner Ringen lagen: das Steakhaus, das dem Mannschaftskoch des FC gehörte, oder das Bekleidungsgeschäft »Young men«, bei dem sich Littbarski und Co. modisch eindeckten. »Die Inhaber haben uns Spielern immer etwas geschenkt, dafür haben wir ihnen Eintrittskarten mitgebracht«, weiß Litti noch genau. »Aber es sind eben diese kleinen Orte, die ein Spieler braucht, um sich wohl und heimisch zu fühlen«, meint Littbarski, »und die hatte der Lukas in München offenbar nicht. So abgezockt ist er auch nicht, dass er sagt, ich gehe jetzt mal mit den anderen mit – dorthin, wo die Schickimicki-Szene ist. Er gibt sich halt mit weniger zufrieden«, meint Littbarski. Dass Podolski noch ein halbes Jahr auf seine Rückkehr nach Köln warten musste, sieht Littbarski mit einem lachenden und einem weinenden Auge. »Sportlich ist es sicher etwas kompliziert, aber menschlich kann ein bisschen Wartezeit durchaus von Vorteil sein.« Et hätt noch immer joot jejange – Littbarskis zweite Kölner Episode war jedenfalls wieder von Erfolg gekrönt. Unter Trainer Christoph Daum holte er mit der GeißbockElf 1990 die Vizemeisterschaft und wurde wenige Wochen später – als Krönung seiner großen Karriere – in Italien Weltmeister. Fehlt nur noch, dass Lukas Podolski eine ähnlich erfolgreiche »zweite Halbzeit« in Köln erlebt – dann wären die vielen Gemeinsamkeiten vollkommen.
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PIERRE LITTBARSKI geboren am 16. April 1960 in Berlin, war bei drei Weltmeisterschaften am Ball, krönte seine Karriere mit dem WMTitel 1990. Littbarski spielte 73-mal für Deutschland und – zwischen 1978 und 1993 – 406-mal für den 1. FC Köln in der Bundesliga. 1983 gewann er mit den Kölnern den DFBPokal, sein einziger Vereinstitel. Seine aktive Karriere beendete er in Japan, wo er für JEF United Furukawa und Brumel Sendai spielte. Seit November 2008 trainiert er den FC Vaduz (Liechtenstein). Seine Trainierstationen führten ihn zuvor zu Bayer Leverkusen, MSV Duisburg, FC Sydney, Avispa Fukuoka und Saipa Teheran. Littbarski ist mit der Japanerin Hitomi Koizumi verheiratet. Die beiden haben zwei Söhne, Joel (11) und Lucien (5).
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THOMAS HÄSSLER Kleiner Icke, großes Herz
Es war irgendwann Mitte Mai 1990. Dem 1. FC Köln gelang zwar nicht der ganz große Coup am Ende der Bundesliga-Saison, aber immerhin sprang nach einer aufregenden Serie die Vizemeisterschaft heraus. Der FC wird deutscher Vize-Meister. Was viele FC-Fans damals noch nicht ahnen konnten: Es sollte bis heute der letzte große Erfolg einer Kölner Fußballmannschaft bleiben. Und vielleicht wussten sie es doch, als sie einen ihrer ganz großen Lieblinge in die weite Fußballwelt hinausschickten. Wenige Wochen zuvor hatte Thomas Häßler nämlich seinen Wechsel zu Juventus Turin verkündet. Das Kölner Publikum jedenfalls feierte den nur 1,66 Meter großen Mittelfeldspieler mit stehenden Ovationen, Thomas Häßler heulte hemmungslos. Es sei, so schrieb der Kölner Stadt-Anzeiger, ein Abschied gewesen, »wie ihn das Müngersdorfer Stadion noch nicht erlebt hat – selbst damals nicht, als Wolfgang Overath seine Karriere beendete.« Mit Thomas Häßler ging in jenen Maitagen 1990 nicht nur ein großer Spieler aus Köln fort, es ging auch der große Erfolg. Wie sein Spitzname unschwer erraten lässt, ist Thomas Häßler ein Berliner Junge. Auf den Bolzplätzen in West-Berlin soll er als kleiner Bub seinen Mitspielern immer »Icke, Icke« zugerufen haben, wenn er den Ball haben wollte. Wenn er ihn dann bekam, wusste er damit mehr anzufangen als die
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meisten seiner Kumpels. Das sah man sofort. Auch Christoph Daum, dem damaligen Nachwuchstrainer des FC, war Häßler aufgefallen, als dieser mit den Reinickendorfer Füchsen bei einem DFB-Jugendlager in Duisburg weilte. Christoph Daum lotste den blonden Berliner 1983 nach Köln, wo er zunächst noch ein Jahr in der A-Jugend spielte. Mit 18 Jahren erhielt das hoffnungsvolle Talent ein Jahr später einen Profivertrag. Große Aufmerksamkeit erregte Häßler wiederum ein gutes Jahr später. Am 11. Dezember 1985 traf der FC im UEFA-Cup auf Hammarby IF. Die Kölner, trainiert von Hannes Löhr, hatten das Hinspiel in Schweden mit 1:2 verloren. Als im Rückspiel in der 65. Minute Thomas Häßler eingewechselt wurde, stand es 1:1. Am Ende siegte der FC mit 3:1, und der Kölner Stadt-Anzeiger jubelte: »Häßler wirbelte, Häßler gab die Vorlagen zu zwei Toren, und Häßler zeigte auf, dass er der künftige Spielmacher des 1. FC Köln werden kann.« Doch es folgten neue Rückschläge und Leistungstiefs, bis Häßler 1988 endlich den Durchbruch schaffte. Zunächst half der damals 22-Jährige mit, bei den Olympischen Spielen in Seoul die Bronzemedaille zu holen, dann folgte kurz darauf die erste Berufung in die A-Nationalmannschaft. Bei seinem Debüt im August 1988 gegen Finnland spielte er, so der Teamchef Franz Beckenbauer, »als hätte er schon 100 Länderspiele hinter sich.« Eine große Karriere in der Nationalmannschaft nahm seinen Anfang. Denkwürdig: Häßlers erster Länderspieltreffer. Im November 1989 sicherte er mit seinem Tor zum 2:1 gegen Wales der deutschen Mannschaft überhaupt erst das Ticket zur WM 1990, die mit Häßlers größtem sportlichen Triumph enden sollte. Noch mehr im Rampenlicht stand der kleine Berliner allerdings bei der EM zwei Jahre später in Schweden. Häßler befand sich nun auf dem Zenit seines Könnens
(»Das war der beste Fußball, den ich je geboten habe.«). Zwar scheiterte Deutschland im Endspiel gegen Dänemark, doch Häßler war der überragende Spieler des Turniers und wurde auch von den Fachjournalisten zum besten EM-Spieler gewählt. Seine Karriere verlief auch nach diesem grandiosen EM-Turnier wechselhaft. Nach nur einem Jahr bei Juventus Turin heuerte er bei AS Rom an und blieb dort drei Spielzeiten. 1994 kehrte er für sieben Millionen Mark Ablösesumme zum Karlsruher SC zurück. Borussia Dortmund und 1860 München lauteten seine weiteren Stationen, ehe er im hohen Fußballalter von 38 Jahren seine aktive Laufbahn beim österreichischen Erstligisten SV Austria Salzburg ausklingen ließ. Seine internationale Karriere nahm ein fast tragisches Ende. Bei der völlig verkorksten EM 2000 wechselte ihn Trainer Erich Ribbeck in der 59. Minute für Mehmet Scholl ein. Deutschland verlor 0:3 gegen Portugal. Es war Häßlers 101. und letztes Länderspiel. Mit dem Abschied aus Köln zehn Jahre zuvor war dieser Abtritt wahrlich nicht mehr zu vergleichen.
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THOMAS HÄSSLER geboren am 30. Mai 1966 in Berlin, absolvierte von 1984 bis 1990 149 BundesligaSpiele für den 1. FC Köln, in denen er 17 Tore erzielte. Seine größten Erfolge: Weltmeister 1990, Europameister 1996, Vize-Europameister 1992, Fußballer des Jahres 1989, 1992. Bester Spieler der EM 1992, BundesligaVizemeister 1989, 1990. UEFA-Cup-Finalist 1986, 1994. 400 Bundesligaspiele insgesamt (68 Tore), 120 Spiele Serie A (12 Tore), 64 Europapokalspiele (9 Tore). Heute arbeitet Thomas Häßler als TechnikTrainer beim 1. FC Köln.
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DIE ANDERE LIEBLINGSMANNSCHAFT:
DAS DEUTSCHE NATIONALTEAM
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FUSSBALLVERRÜCKTE
UNTER SICH
Bei der EM in Österreich und der Schweiz hat Poldi so viel Spaß wie die Fans. In Bayern gibt es für ihn weniger Anlässe zum Jubeln.
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FARBEN Vergeblich bemüht sich Polens Fußballverband um Lukas Podolski. Bei aller Liebe zur Heimat – der Umworbene trägt bereits als B-Jugendspieler das Trikot mit dem Adler.
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Im Juni 2004 beruft Rudi Völler, damaliger Teamchef der deutschen Elf, Lukas Podolski erstmals in den Kader. Ein Jahr später ist Jürgen Klinsmann Trainer und zeigt beim Confed-Cup ein ganz neues Gesicht der Mannschaft.
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Beim 3:0-Erfolg des deutschen Teams 체ber Tunesien gl채nzt Podolski auch ohne Torerfolg.
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GOLDENE
ZWANZIGER Inzwischen prangt die ruhmreiche 10, die vor ihm bereits Legenden wie G체nther Netzer und Lothar Matth채us trugen, auf seinem Nationalmannschaftstrikot.
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TRAUMPAAR DER
WELTMEISTERSCHAFT Schweini und Poldi zeigen der Welt mit ihrer unbek端mmerten und frechen Art, dass es in Deutschland durchaus auch lustig zugehen kann.
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EINE DEUTSCHE
ERFOLGS-
GESCHICHTE Am 6. Juni 2004 feiert Lukas Podolski sein Debüt in der Nationalmannschaft. Mit zwei Europameisterschaften und einer Weltmeisterschaft hat er bereits drei große Turniere gespielt – Sternstunden einer jungen Karriere. Lukas Podolski und die deutsche Fußball-Nationalmannschaft – das ist eine ganz besondere Erfolgsgeschichte, die so reich an großen und kleinen Kapiteln ist, dass sich allein darüber ein Buch schreiben ließe. Als Vereinsspieler erlebte Lukas Podolski in seiner noch relativ jungen Laufbahn bereits einige Tiefschläge. Die Zeit bei der Nationalmannschaft dagegen ist für ihn fast immer eine »Wellnessoase«. 62 Länderspiele und 32 Tore (Stand vom April 2009) – das ist für einen 23-Jährigen eine geradezu sensationelle Quote, die höchstens Miroslav Klose mit seinen 44 Toren in 88 Länderspielen noch erreicht. »In der Nationalmannschaft fühle ich mich immer wohl. Ich habe das Vertrauen von allen, und nur dann kann ich gute Leistung bringen«, so hat er es selbst einmal beschrieben. Sobald das Umfeld stimmt, sobald er sich angenommen fühlt, zahlt Podolski mit Leistung und Toren zurück.
Jürgen Klinsmann begeistert sich früh für Poldis rasante Entwicklung: »Mit welchem Instinkt er Dinge tut, ist außergewöhnlich.«
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Dabei verlief der Start für ihn in der A-Nationalmannschaft gar nicht so glücklich. Podolskis Karriere im Nationalteam begann ja nicht mit der Ära Jürgen Klinsmann und dem Projekt Weltmeisterschaft 2006, sondern er nahm das verkorkste Ende der Ära Völler noch mit. Rudi Völler war es, der den blutjungen Stürmer vom 1. FC Köln erstmals ins Nationalteam berief: am 6. Juni 2004. Der Neuling hatte zwei Tage zuvor seinen 19. Geburtstag gefeiert und debütierte als drittjüngster A-Nationalspieler der letzten
Die andere Lieblingsmannschaft
50 Jahre. Nur Uwe Seeler und Olaf Thon waren bei ihren ersten Einsätzen noch jünger. Sein erstes Länderspiel ging gründlich in die Hose: Mit 0:2 unterlag Deutschland in Kaiserslautern gegen die von Lothar Matthäus betreuten Ungarn. Es war zwar nur ein Test, aber dennoch eine Schmach. Podolski kam in der 74. Minute für Fredi Bobic aufs Spielfeld. In der deutschen Elf standen damals Namen, die man später mit der tristen Europameisterschaft 2004 in Verbindung bringen sollte: Dietmar Hamann, Christian Wörns oder Thomas Brdaric. Aber noch ein weiterer junger Bursche debütierte gegen die Ungarn, der Lukas Podolski ein wichtiger Wegbegleiter werden sollte: Bastian Schweinsteiger. Ein Treffer gelang den beiden Jünglingen noch nicht, sie waren die Debütanten 25 und 26 und somit die letzten in der Ära Völler. Dennoch durften sie wiederkommen. Es waren überhaupt keine erfreulichen Monate für Podolski und Schweinsteiger im Frühjahr und Sommer 2004 – die Zeit, in die das Nationalmannschaftsdebüt der beiden fiel. Podolski war soeben mit dem 1. FC Köln in seinem ersten Profijahr in die Zweite Liga abgestiegen. Bastian Schweinsteiger verspielte mit dem FC Bayern alle drei möglichen Titel. Obendrein ereilte die beiden auch noch bei der U21-EM frühzeitig das bittere Vorrunden-Aus. Es kam aber noch schlimmer: Deutschland scheiterte bei der EM 2004 in Portugal kläglich. In drei Vorrundenspielen gegen die Niederlande (1:1), Lettland (0:0) und Tsche-
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Achtelfinale der WM 2006: Beim 2:0-Erfolg über Schweden erzielt Lukas Podolski beide Tore und ist der Mann des Tages.
chien (1:2) gab es keinen Sieg. Ausgerechnet gegen die B-Mannschaft der Tschechen gab Podolski sein EM-Debüt. Er spielte die zweite Halbzeit für Torsten Frings. Die trostlose EM schnell vergessen und nach vorne blicken – so lautete nun die Devise. Und es sollte sich viel ändern für Lukas Podolski und die Nationalmannschaft. Völler ging, und Klinsmann kam. Der neue Bundestrainer krempelte das Team gehörig um, sehr zur Freude des damaligen Kölners, der sich auf einmal immer öfter in der Startelf wiederfand. Der erste Länderspiel-Treffer ließ jedoch noch ein wenig auf sich warten. Im achten Länderspiel war es dann soweit. Am 21. Dezember in Bangkok gegen Thailand traf Poldi dafür gleich doppelt. Er besorgte die Treffer zum 3:1 und 5:1-Endstand. Sein erstes Länderspiel-Jahr war für den jungen Bergheimer doch noch mit einem tollen Abschluss zu Ende gegangen. Und nun sollte es erst richtig losgehen. Der erste Höhepunkt für Lukas Podolski im Jahr 2005 war der Confederation Cup vom 15. bis 29. Juni, ein Einla-
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dungsturnier mit acht Mannschaften, das im Jahr vor einer WM im Land des Gastgebers ausgetragen wird. Deutschland musste als WM-Gastgeber keine Qualifikationsspiele bestreiten. Umso wichtiger war diese Mini-WM, bei der es darum ging, das ganze Land langsam auf die Weltmeisterschaft im folgenden Jahr einzustimmen und für die Nationalmannschaft zu begeistern. Es sollte gelingen – auch dank Lukas Podolski, für den dieser sogenannte »ConfedCup« ein einschneidendes Erlebnis war. Mit dem 1. FC Köln hatte der Jungstar souverän den Aufstieg zurück in die Bundesliga geschafft. Der geliebte Stürmer besaß daran mit seinen 24 Saisontreffern großen Anteil. Das gab ihm viel Selbstvertrauen, auch in der Nationalmannschaft, in der er sich mittlerweile einen Stammplatz erkämpft hatte, obwohl nicht alle Teamkollegen so ganz glücklich damit waren. Schließlich hatte Podolski eine ganze Saison in der Zweiten Liga zugebracht. Und ausgerechnet er sollte Stammspieler in der Nationalmannschaft sein, fragte sich Nationaltorhüter Oliver Kahn. »Der Podolski ist für mich ein Talent mit großen Ansätzen«, sagte Torhüter Oliver Kahn, »da kann es nicht sein, dass ein Mann, der Perspektiven für die Weltmeis-
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terschaft 2006 haben soll, beim 1. FC Köln in der Zweiten Liga spielt. Entschuldigung, das ist nicht nachvollziehbar.« Podolski scherte sich indes wenig um die Worte und ließ Leistung sprechen. Im ersten Spiel beim »Confed-Cup« gegen Australien besorgte er den Treffer zum 4:2. Gegen Tunesien führte er in seinem Heim-Stadion in Köln-Müngersdorf die deutsche Elf zum 3:0-Erfolg und auch im mit 4:3 nach Verlängerung gewonnenen Spiel um Platz drei gegen Mexiko besorgte der junge Angreifer die 1:0-Führung. Podolski hatte kein überragendes Turnier gespielt, aber was viel wichtiger war: Das ganz Land strahlte, denn es hatte wieder Freude an dieser Nationalmannschaft gefunden, vor allem an dem neuen Traumpaar: Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger. Diese kecken Burschen gaben der
runderneuerten Mannschaft ein neues Gesicht, und auf einmal keimte Hoffnung auf, dass die Weltmeisterschaft 2006 ein Jahr später doch kein sportlicher Reinfall werden würde. Lukas Podolski ließ nun nicht mehr locker in der Nationalmannschaft. Schon im September 2005 folgte sein nächster großer Gala-Auftritt. Vier Tage nach einer eher peinlichen 0:2-Niederlage gegen die Slowakei sorgte vor allem Strahlemann Podolski dafür, dass keine schlechte Stimmung aufkommen sollte. Beim 4:2 gegen Südafrika in Bremen glänzte der Kölner mit drei blitzsauberen Toren, seinem ersten Dreierpack im Adlertrikot. Jürgen Klinsmann schwärmte über seinen Stürmer: »Wie Lukas explodiert, mit welchem Instinkt er Dinge tut. Das ist außergewöhnlich. Es ist beeindruckend, wie er sich
»Der Podolski ist für mich ein Talent mit großen Ansätzen. Da kann es nicht sein, dass ein Mann, der Perspektiven für die WM 2006 haben soll, beim 1. FC Köln in der Zweiten Liga spielt.« Oliver Kahn
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PERSPEKTIVEN Nach Ende der WM wird Lukas Podolski von der FIFA zum besten jungen Spieler des Turniers gewählt – bei der Abstimmung liegt er vor Portugals Cristiano Ronaldo.
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Auch unter Jürgen Klinsmanns Nachfolger Joachim Löw ändert sich für Podolski wenig – er gehört weiterhin zum festen Stamm der Auswahl.
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in seinem Alter präsentiert, da habe ich gerade mal in der Zweiten Liga gekickt.« Aus dem Lehrling Podolski war ein wichtiger Stützpfeiler im Sturmzentrum der Nationalmannschaft geworden. Podolski kam hervorragend zurecht mit den neuen Methoden des Bundestrainers. Auf der anderen Seite genoss der Spieler das volle Vertrauen Jürgen Klinsmanns. Die WM konnte kommen. Die sensationelle Entwicklung sollte Lukas Podolski bei dem Jahrhundertereignis »Fußball-WM im eigenen Land« bestätigen. Zwar fand der Mann mit der Trikotnummer 20 nur schwer ins Turnier und erntete in den ersten Gruppenspielen gegen Costa Rica und sein Heimatland Polen eher schlechte Kritiken. Im dritten Vorrundenduell gegen Ecuador platzte dann jedoch endlich der Knoten. Podolski erzielte in der 57. Minute das Tor zum 3:0-Endstand. Sein erstes WM-Tor, es war ein herrlicher Treffer. Podolski hatte eine Maß-Flanke von Bernd Schneider mit seinem starken linken Fuß direkt ins lange Tor-Eck gezirkelt, nachdem zuvor Miroslav Klose und Bastian Schweinsteiger einen überragenden Konter gespielt hatten. Der nächste Paukenschlag folgte prompt. Im Achtelfinale gegen Schweden avancierte Lukas Podolski sogar zum »man of the match«. Eiskalt nutzte er die ersten beiden sich bietenden Chancen zu seinen WM-Treffern zwei und drei. Deutschland führte nach 14 Minuten 2:0 gegen die Schweden. Es war gleichzeitig der Endstand. Fußball-Deutschland feierte Lukas Podolski.
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Vorgelegt hatte die beiden Podolski-Tore sein Sturmpartner Miroslav Klose. Spätestens jetzt wusste jeder, warum Jürgen Klinsmann diesem Sturmduo Klose/Podolski das Vertrauen schenkte. Die beiden gebürtigen Polen harmonierten prächtig miteinander. Deutschland stand im Viertelfinale der WM, und wieder sollte Podolski seinen Anteil am Erfolg haben. Die dramatische Partie wurde erst im Elfmeterschießen entschieden. Podolski zeigte keine Nerven und verwandelte eiskalt vom Elfmeterpunkt zum 3:1. Jetzt war das Endspiel ganz nah, doch der ganz große Coup sollte Lukas Podolski und dem deutschen Nationalteam, die mittlerweile von einer riesigen Euphoriewelle getragen wurden, nicht gelingen. Im Halbfinale war nach dem 0:2 gegen Italien Endstation. Bitter auch für Lukas Podolski, der diese WM dennoch als ganz großen Erfolg verbuchen konnte. Podolski stand in jeder Partie in der Startformation, er schoss drei WM-Tore und wurde vom Welt-Fußball-Verband FIFA zum besten jungen Spieler des Turniers gewählt, noch vor einem gewissen Cristiano Ronaldo aus Portugal, dem späteren Weltfußballer des Jahres. Anschließend schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung: »Nach den Kriterien der vom deutschen Trainer Holger Osieck angeführten Technischen Studiengruppe der FIFA konnte es an der Wahl Podolskis keine Zweifel geben. Hier ging es um technische Fähigkeiten in Verbindung mit Effizienz, jugendlicher Frische, Ausstrahlung auf das Publikum, Spielzeit, Anzahl der erzielten Tore und nicht zuletzt Fair Play.« Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus, der die Ehrung vornahm, fasste sich ein wenig kürzer, als er Podolskis WM-Leistung beurteilte. »Er ist noch ein echter Straßenfußballer, dem man die Freude am Spiel ansieht«, lobte Matthäus. Der Fußballhimmel hing nach dieser tollen WM für Lukas Podolski voller Geigen, doch viel Zeit blieb nicht, um sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen. Der gefeierte WM-Star wechselte direkt nach dem Turnier vom 1. FC Köln zu Bayern München. Ein neues Kapitel im Fußballerleben von Podolski begann. Der Wechsel war mit weitreichenden Veränderungen verbunden. Podolski verließ erstmals das geliebte Köln. Er musste sich in einem neuen Umfeld, einer neuen Stadt und in einer neuen Mannschaft mit vielen Stars zurechtfinden. So richtig glücklich wurde er in München nie. Das tat seiner Stellung im Nationalteam jedoch keinen Abbruch. So sehr er sich in München mühte und um einen festen Platz im Team kämpfte: In der Nationalmannschaft unter Klinsmann-Nachfolger Joachim Löw hatte er diesen Platz stets sicher. Dort fühlte er sich immer wohl, dort zog es ihn immer gerne hin. Er genoss die Zeit bei der Nationalmannschaft in vollen
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Zügen: »Ich bin einfach froh, wenn ich hier bin. Weil ich hier die Leute kenne und hier ein super Umfeld ist. Darum bin ich hier immer gut drauf.« Und er zahlte das Vertrauen mit Leistung zurück wie beispielsweise im EM-Qualifikationsspiel am 17. November 2007 gegen Zypern. Podolski war beim 4:0-Sieg der überragende Mann auf dem Platz. Ein Tor erzielte er selbst, zwei weitere bereitete er erstklassig vor. Die FAZ feierte den Münchner Reservisten nach dem gelungenen Auftritt überschwenglich: »Er war kombinationsstark und torgefährlich, wendig und wuchtig, schnell und präzise und zu alldem taktisch auch noch sehr klug. Er war der beste Spieler auf dem Platz, und die Fans riefen seinen Namen.« Es sei, so schrieb das Blatt, das sportliche Podolski-Naturgesetz, dass der damals 22-Jährige seine besten Leistungen immer wieder in der Nationalmannschaft zeigt, und das ist eigentlich ein Phänomen. Es gab im deutschen Fußball schon viele Angreifer, die in ihren Vereinen als Torjäger kräftig abräumten, aber in der Nationalelf nie zurande kamen. In diesem Fall ist es das genaue Gegenteil. Podolski brachte immer Top-Leistungen bei der Nationalmannschaft, auch wenn es beim FC Bayern überhaupt nicht lief.
unter starker Beobachtung der Fans steht. Auch bei uns ist sein Kredit aufgebraucht. Ein weiterer Fehler dieser Art hätte weitreichende Konsequenzen.« Keine zehn Monate zuvor hatte Podolski wesentlich Anteil daran, dass Löws erstes großes Turnier als Bundestrainer ein großer Erfolg wurde: die Europameisterschaft 2008 in der Schweiz und in Österreich. Podolski profitierte bei diesem Turnier von seinen Allround-Qualitäten, denn mit Blick auf die bevorstehende EM baute Löw seine Offensive um. Miroslav Klose war im Nationalteam gesetzt, am starken Stuttgarter Mario Gomez führte in dieser Zeit auch kein Weg vorbei, aber auf seinen Liebling Lukas Podolski wollte Joachim Löw auch nicht verzichten. Also beorderte er ihn etwas zurück und bot ihn als hängende Spitze auf dem linken Flügel auf. Podolski fand sich dort prima zurecht. »Ich spiele sehr gerne auf dem Flügel. Die linke Seite hat nämlich auch Vorteile. Da steht man mit dem Gesicht zum Tor. Wenn ich vorne drin hänge, stehe ich mit dem Rücken zum Tor. Darum sage ich immer wieder, dass ich gerne als hängender Stürmer spiele. Links ist eine gute Alternative«, sagte Podolski im Juni 2008, wenige Tage vor Beginn der EM.
Allerdings schien sich zuletzt doch etwas Frust anDas Offensiv-Konzept ging bei dieser Europameisgestaut zu haben. 1. April 2009, Länderspiel in Waterschaft – es war bereits Podolskis drittes großes les. Deutschland gewinnt ohne zu glänzen mit 2:0, Turnier – voll auf. Gleich im Auftaktspiel gegen Poaber über das nackte Resultat spricht schon einen Tag nach der Begegnung niemand mehr. Das „Er war kombinationsstark und torgefährlich, wendig Einzige, was nur noch zu interesund wuchtig, schnell und präzise, und zu alldem taktisch auch noch sieren scheint, ist die Klatsche von sehr klug. Er war der beste Spieler auf dem Platz.“ Cardiff. In der 67. Minute im MilFrankfurter Allgemeine Zeitung lenium-Stadion der walisischen Metropole geriet Podolski so heftig mit Michael Ballack aneinander, dass er dem Mannschaftsführer eine ordentliche len ragte ein Mann heraus: Lukas Podolski. Dem Ohrfeige verpasste. Ballack hatte sich über die anNoch-Münchner gelangen beide Tore zum 2:0-Ergeblich zu lasche Spielweise des Köln-Rückkehrers folg. Das Fußball-Magazin Kicker schrieb: »Eine bemokiert und ihm lautstark taktische Anweisungen geisternde Vorstellung von Podolski.« Erstmals seit gegeben. Die wollte der Adressat aber so nicht ak1996 hatte eine deutsche Mannschaft wieder ein zeptieren und demonstrierte dem Mitspieler, wie Spiel bei einer Europameisterschaft gewonnen. man solche kleinen Konflikte für gewöhnlich in Gleichwohl jubelte der Doppel-Torschütze sehr verBergheim löst. Podolski langte hin und wurde dahalten, schließlich hatte er ausgerechnet gegen sein für bitter bestraft. Der Blätterwald rauschte nicht geliebtes Heimatland getroffen. Podolski war aber nur, er krachte. Alles drosch auf »Everybody’s Dargleich voll drin im Turnier und legte auch im zweiling« ein, der die Wucht seines Klapses zigfach zuten Spiel gegen Kroatien nach, auch wenn sein Trefrückbekam. Die fällige Entschuldigung (»Es tut mir fer bei der 1:2-Niederlage kein großes Gewicht hatschrecklich leid«) folgte prompt. Der Gescholtene te. Beim großartigen Auftritt der deutschen Mannzahlte 5.000 Euro symbolische Strafe für einen guschaft im Viertelfinale gegen Portugal (3:2) zählte ten Zweck und holte sich auch noch eine deftige Podolski wieder zu den Aktivposten und bereitete Schelte des Bundestrainers ab. Joachim Löw ermahnden Treffer zum 1:0 durch Bastian Schweinsteiger te seinen Lieblingsschüler ausdrücklich: »Er weiß, mustergültig vor. Nach dem Halbfinal-Sieg gegen dass er viele Sympathien verloren hat und künftig die Türkei (3:2) winkte sogar der erste große Titel.
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Poldis Brief an Adolf Katzenmeier: »Adis Massage war mein Glücksritual«
Freunde fürs Leben und Sitznachbarn im Mannschaftsbus – Lukas Podolski und DFB-Masseur Adolf Katzenmeier.
19. November 2008. FußballLänderspiel Deutschland gegen England. An diesem Tag geht bei der Nationalmannschaft eine große Ära zu Ende. Adolf, genannt »Adi« Katzenmeier, 74 Jahre, sitzt zum letzten Mal auf der Bank. 45 Jahre war der Masseur mit den heilenden Händen für den DFB im Einsatz, 34 Jahre davon allein für die Nationalmannschaft. Einen Spieler hat Adolf Katzenmeier besonders ins Herz geschlossen: Lukas Podolski. Trotz des Altersunterschieds von mehr als 50 Jahren verbindet die beiden ein ganz inniges Verhältnis. Für Podolski war der rührige Masseur ein väterlicher Freund, dessen Foto er sogar bis zur Geburt seines Sohnes im Display seines Handys gespeichert hatte. Katzenmeier fand andererseits in dem jungen Fußballer einen »ehrlichen, freundlichen, glücklichen, charaktervollen, lustigen Menschen«, wie er sonst nur sehr, sehr selten kennenlerne. Zum Abschied von Adolf Katzenmeier verfasste Lukas Podolski diesen Brief, den der »Kölner Express« veröffentlichte. Einen Tag vor dem letzten Länderspiel des Jahres passierte mir etwas, das mir schon nahe ging. Es war wie immer vor einem Länderspiel. Ich war bei Adi und habe mich noch einmal durchkneten lassen. Das war mein festes Ritual, mich immer vor den Spielen von Adi massieren zu lassen. Manchmal sagte Adi zu mir, ich massiere dir zwei Tore ins Bein. Ja, wir haben viel Blödsinn gemacht. Nächstes Jahr ist Adi leider nicht mehr dabei. Es ist schon sehr schade. Ich denke auch, dass er ebenfalls traurig ist. Aber irgendwann ist der Zeitpunkt fürs Aufhören gekommen, und mit 74 Jahren hat er, denke ich, viel erlebt. Vom ersten Tag, an dem ich zur Nationalmannschaft gekommen bin, habe ich mich mit Adi toll verstanden. Wir haben viel miteinander gelacht, er hat mir viel aus seiner langen Karriere erzählt. Im Mannschaftsbus war er mein Sitznachbar. Schon komisch, dass wir beide so einen guten Draht zueinander hatten. Schließlich ist er 51 Jahre älter als ich. Lange Zeit hatte ich auch immer ein Foto von Adi und mir als Bildschirm-Hintergrund auf meinem Computer. Jetzt ist dort natürlich mein Sohn Louis zu sehen. Aber dass ich das überhaupt gemacht habe, zeigt, welchen Respekt ich
vor Adi habe. Er ist einfach ein ganz besonderer Mensch für mich. Ich als Kölner sage daher: Tschö, Adi, machet joot.
Einige Tage später antwortete Adi Katzenmeier und schrieb einen bislang unveröffentlichen Brief an Lukas Podolski. Lieber Lukas, sicherlich wirst du dich erinnern können, an den Konföderationen-Cup 2005, der ja bekanntlich ein Jahr vor der WM 2006 ebenfalls in Deutschland stattfand. An einem Tag kam Jürgen Klinsmann auf mich zu, um mich zu bitten, meinen bisherigen Sitzplatz in der ersten Reihe des Mannschaftsbusses neben Dr. MüllerWohlfahrt abzugeben, da er es gerne sehen würde, wenn auch Oliver Bierhoff in der ersten Reihe sitzen könnte. Selbstverständlich habe ich umgehend meinen Sitzplatz in der ersten Reihe abgegeben, um so den Wunsch von Jürgen Klinsmann zu erfüllen. So musste ich mir einen anderen Platz im Bus suchen. Nachdem ich mich umgesehen hatte, fiel mir auf, dass neben dir ein Sitzplatz frei war. Ich ging auf dich zu, wobei ich dich gleichzeitig nach dem Platz fragte: »Hochwürden, ist es gestattet, an Ihrer Seite Platz zu nehmen?« Wobei du dich sofort vom Platz erhobst und mit den Worten antwortetest: »Selbstverständlich, Eure Eminenz.« Mithin war mein Sitzplatz neben dir an deiner Seite gesichert, was uns beide zu einem unüberhörbaren Lachen im Bus veranlasste. Alle haben geguckt, was da los war. Es gibt Momente im Leben, die man auch als Fügung bezeichnen kann. Vielleicht sollte es so sein. So kam es, dass ich das erste Mal neben dir Platz genommen habe. Nachdem du bei einem der nächsten Spiele zwei Tore geschossen hast, kamst du mit den Worten auf mich zu: »Ab heute bleibst du hier sitzen.« Inzwischen hatte auch Jürgen mit Dr. MüllerWohlfahrt gesprochen und ihn gleichzeitig gefragt, ob er nicht auch seinen Platz am Fenster in der ersten Reihe abgeben könnte, damit Andy Köpke seinen Platz einnehmen könnte, was auch für Müller-Wohlfahrt eine Selbstverständlichkeit war. Er hatte das Glück, dass in der zweiten Reihe ein Platz frei war. So saßen in der ersten Reihe von links angefangen Andy Köpke, Oliver Bierhoff, Jürgen Klinsmann und Jogi Löw. Die Viererkette, so wie ich sie nannte, konnte sich ungestört unterhalten, ohne dass ein Spieler oder ein Betreuer irgendetwas mitbekam. Ich habe mich sehr gefreut über deinen sogenannten Abschiedsbrief, den du mir ja bekanntlich über den Kölner Express zugespielt hast. Allein die Äußerungen vorne in diesem Brief: »Bei Adi zu sein, war für mich ein Glücksritual« möchte ich gerne umdrehen, und zwar folgendermaßen:
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Allein fast vier Jahre neben dir zu sitzen, war für mich ein Glücksritual. Als du am Vorabend vor meinem Ausscheiden zum letzten Mal zur Behandlung zu mir kamst, habe ich gemerkt, dass du dich mit etwas traurigen Augen auf die Massagebank gelegt hast. Meine Beobachtung wurde dahingehend bestärkt, dass wir uns für meine Begriffe merklich ruhig verhielten. Wir haben kaum gesprochen. Keiner wollte an das denken, was am nächsten Tag passieren würde. Ich habe dir noch geraten: Nimm als Ersatz für mich Bastian Schweinsteiger an die Seite. Ich glaube, du wirst es nicht bereuen … Wie geht es deinem Nachwuchs, deinem über alles liebenden Sohn Louis? Desgleichen liebe Grüße an deine Frau. Ich werde die nette Unterhaltung in Ascona mit ihr nicht vergessen. Lukas, bleib so wie du bist. Du wirst deinen Weg gehen. Ich bin überzeugt, du wirst es schaffen. Sicherlich hast du beim FC Bayern viel gelernt und wirst es zukünftig umsetzen können. Bleib charakterlich und menschlich so, wie du mir gegenüber warst. Bleibe vor allem gesund, grüße die Mannschaft von mir ganz herzlich. Viel Erfolg. Wenn du mich einmal brauchst, bin ich jederzeit für dich da. Nicht zu vergessen: liebe Grüße von meiner Frau Silvia und meinem Sohn Marcell. Ein an dich denkender und mit Freude zurückblickender Freund Adi. P.S.: Die Zeit im Bus neben dir war für uns beide eine schöne Zeit, und ich werde sie fürwahr als unvergesslich in Erinnerung behalten. Podolski beließ es aber nicht allein bei dem Brief. Nach der Partie gegen England (Katzenmeier: »Leider haben wir 1:2 verloren. Die deutsche Mannschaft wollte mir doch einen Sieg zum Abschluss schenken.«) zog der Nationalstürmer spontan seine Fußballschuhe aus, nahm einen Stift und schrieb auf den rechten Schuh: »Vielen Dank, lieber Adi, für all die Jahre. Dein Poldi.« Er nahm sodann den linken und schrieb an Katzenmeiers Sohn Marcell, der an einer Immunkrankheit leidet: »Lieber Marcell, werd schnell wieder gesund, dein Poldi.« Katzenmeier freute sich: »Das war eben typisch Poldi.« Zu später Stunde saß die Mannschaft noch beim Mitternachtsbankett zusammen. DFB-Präsident Theo Zwanziger sprach einige »warme Worte«, die Spieler verabschiedeten sich alle von ihrem geliebten Masseur, den sie nur ungern gehen ließen. Bastian Schweinsteiger flachste: »Schade, dass du gehst. Du hast die besten Hände der Welt. Warum bist du nicht Torhüter geworden?« Und Poldi kam ganz nah zu Katzenmeier und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich komme nach Köln«. Katzenmeier stolz: »So war ich einer der Ersten, der wusste, dass Lukas vom FC Bayern zum 1. FC Köln wechseln würde.«
Daraus wurde zwar nichts, Deutschland verlor das EM-Endspiel gegen Spanien 0:1, doch Lukas Podolski verließ das Nationalteam wie schon zwei Jahre zuvor mit dem Gefühl, wieder ein starkes Turnier gespielt zu haben und mit einer fast makellosen Einsatzbilanz. Bis auf seine Auswechslung gegen Österreich acht Minuten vor Schluss absolvierte er alle Partien von Anfang bis Ende. Insgesamt kann sich seine Länderspielbilanz sehen lassen. Das Finale gegen Spanien war seine 54. Partie. Bis dato hatte er 28 Tore erzielt. Gleichwohl wurde nach der EM eine Diskussion losgetreten, Podolski würde nur gegen die sogenannten kleinen Gegner treffen. Die Debatte wurde von BayernManager Uli Hoeneß angezettelt, der das Problem offenlegte, dass achtzig Prozent aller Spiele gegen Liechtenstein, San Marino, Moldawien oder Estland absolviert würden. »Wer gegen Liechtenstein zwei Tore macht, wird hochgejubelt«, sagte Hoeneß. Lukas Podolski ärgerte diese Vorrechnerei, und so konterte er die Statistikdebatte mit Statistik. »Wir können gerne mal die Liste durchgehen«, sagte Podolski in Richtung Uli Hoeneß, »ich habe beim Confed-Cup getroffen, bei der WM und bei der EM, und da waren Gegner wie Brasilien, Mexiko, Schweden und Kroatien dabei.« Im Übrigen heißt es für ihn: »Tor ist Tor, im Sechzehner, außerhalb des Sechzehners, gegen San Marino, gegen Brasilien.«
»Wenn ich vorne drin hänge, stehe ich mit dem Rücken zum Tor. Darum sage ich immer wieder, dass ich gerne als hängender Stürmer spiele. Links ist eine gute Alternative.« Lukas Podolski
Mittlerweile hat Lukas Podolski mit seinen 32 Toren in der ewigen Torschützenliste der FußballNationalmannschaft zu Klaus Fischer auf Platz 12 aufgeschlossen. Fritz Walter (33), Ulf Kirsten (34) und Oliver Bierhoff (37) auf Rang neun kann er in Kürze überrunden. Schon wird aber darüber philosophiert, ob er sogar den Ewig-Rekord des Bombers der Nation, Gerd Müller, angreifen kann. Der hat in seiner einmaligen Karriere 68 Treffer für die DFBAuswahl erzielt. Lukas Podolski müsste dann noch 36 Tore für Deutschland schießen, das ist eine Menge. Andererseits hat Podolski, 23, noch eine Menge Karriere vor sich.
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Lukas Podolski pflegt ein inniges Verhältnis zu seinen Eltern. Vater Waldemar, ein ehemaliger ZweitligaSpieler in Polen, vererbt ihm die FuĂ&#x;baller-Gene.
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HEISST STOLZ Zu den schlesischen Wurzeln bekennt sich Poldi bei jeder Gelegenheit und verfolgt auch das Geschehen in den polnischen FuĂ&#x;ball-Ligen.
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DIE
POLNISCHE SEELE Im Alter von zwei Jahren verlässt Lukas Podolski mit seiner Familie die polnische Heimat. Die Herkunft bedeutet ihm viel, mit den Eltern spricht er polnisch, und wann immer es geht, wird die Verwandtschaft in seiner Geburtsstadt besucht. Lukas Podolski hat keine Erinnerungen an seine ersten beiden Lebensjahre in Polen, an Gliwice in Oberschlesien, das früher mal Gleiwitz hieß, und wo er am 4. Juni 1985 geboren wurde. Trotzdem ist das für ihn auch Heimat. Migrantenkinder werden gerne gefragt, als was sie sich denn jetzt eigentlich fühlen, als Deutscher oder als Pole oder als Türke oder als Marokkaner. Muss man sich da wirklich entscheiden? Muss sich Poldi auch entscheiden, ob er nun ein Bergheimer oder ein Kölner Junge ist? Von allem ist etwas in ihm, weil jeder Ort Spuren hinterlässt, weil er noch Verwandtschaft in Polen hat, Freunde aus der Kindheit und Jugend in Bergheim, Kollegen und Kumpel in Köln. Eines kann man mit Bestimmtheit sagen: Was er nie war, ist Münchner. Zu keinem Zeitpunkt war er ein waschechter Bayer. Auch die Zeit an der Isar wird freilich Spuren hinterlassen haben. Aber eben andere.
Das Stadion von Gornik Zabrze liegt nur zehn Kilometer von seinem Geburtshaus in Gliwice entfernt. Gornik ist der Verein der Bergarbeiter und gilt als Schalke Oberschlesiens.
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Die andere Heimat: Polen
»Im Herzen bin ich Pole«, hat Podolski einmal dem Kicker gestanden, da hatte er bereits mehrfach das Trikot mit dem Bundesadler auf der Brust getragen. Dabei hatte zeitweise auch der polnische Verband heftig und auf einfallsreiche Weise um ihn gebuhlt. Nationaltrainer Pavel Janas hatte dem jungen Riesentalent Trikots der polnischen Nationalmannschaft geschickt. Auf der Rückseite der roten Trikots prangten eine »10« und »Podolski«. Eine Verlockung, der Poldi aber nicht nachgehen konnte,
selbst wenn er gewollt hätte. Aus formalen Gründen: »Es ging nicht, ich hatte schon für die deutsche U21 gespielt.« Damit war es ihm laut Regelwerk verwehrt, das deutsche Trikot aus- und das polnische anzuziehen. Gäbe es diesen Passus nicht, dann wäre er jetzt vielleicht der Liebling der polnischen Mädchen, die seinen Namen auf ihren Fan-Shirts und dazu rot-weiße Schminke im Gesicht tragen würden. »Es wäre eine Überlegung wert gewesen, denn ich habe eine große Familie in Polen. Zwei-, dreimal im Jahr bin ich dort und fühle mich sehr wohl. Meine Oma Zofia in Kattowitz kocht immer toll für mich.« Im Herzen ist Poldi Pole, aber mit den schussstarken Füßen eben Deutscher. Vielleicht auch mit dem Kopf. Tröstlich ist, dass ihn die große Mehrheit der Polen nie als abtrünnigen Sohn, der nur den größten Geldkoffern hinterherläuft, verstoßen hat. Weil er sich immer zu seinen polnischen Wurzeln bekannt hat, weil er nicht jubeln wollte über seine Tore und gewonnenen Spiele gegen Polen, deshalb lieben sie ihn genauso, wie es hier die FC-Fans tun. Deshalb wird auch in polnischen Sportgazetten genau über seinen Werdegang und jeden seiner Schritte berichtet. »Es war wirklich schwierig für mich, das Spiel anzugehen«, sagte der Stürmer nach dem WM-Spiel am 14. Juni 2006 gegen Polen, in dem er nicht traf. Das hätte aber nichts mit dem Gegner zu tun ge-
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Oma Zofia wird regelmäßig mit Devotionalien ihres weltberühmten Enkels versorgt.
Am Geburtshaus weist noch keine Plakette auf den Fußballstar hin.
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habt: »In den Momenten vor dem Tor denkt man da nicht dran, sondern nur noch, dass der Ball ins Tor muss.« Zwei Jahre später bei der EM schoss er den Ball dann ja auch gleich zweimal ins polnische Tor. Als er danach einmal zu oft auf die vermeintliche Schwierigkeit, gegen seine gefühlte Heimat Tore zu schießen und am Ende zu siegen, angesprochen wurde, sagte er beschwichtigend: »Es ist doch nur Fußball, ich werde mit meinen Toren keine politische Krise auslösen.« Eine Krise nicht, aber eine hitzige Debatte in der polnischen Parteienlandschaft gab’s dann doch. Miroslaw Orzechowski, Vorstandsmitglied der national-katholischen Partei Liga Polnischer Familien (LPR), forderte mal wieder, Poldi die polnische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Falls der polni-
sche Staatspräsident seiner Forderung nicht nachkomme, werde er juristische Maßnahmen ergreifen, droht der Politiker auch gern. Poldi reagierte amüsiert auf den Vorschlag von Orzechowski, der damit allerdings auch sehr allein dastand: »Der Witz ist, ich habe gar keinen polnischen Pass.« Und dann erklärte Podolski noch einmal die Fakten: »Der polnische Fußballverband hat sich damals nie um mich gekümmert. Erst als ich in der U21-Nationalmannschaft gespielt habe und in der Öffentlichkeit stand, hat er sich um mich bemüht.« Als der polnische Verband sich dann um den verlorenen Sohn bemühte, war es zu spät: »Da war meine Entscheidung schon für Deutschland gefallen. Und die war richtig. Dennoch schlagen in meiner Brust zwei Herzen.« Einen polnischen Pass hat Poldi zwar nicht, aber er besitzt aufgrund seiner Geburt im polnischen Gliwice automatisch die polnische Staatsangehörigkeit. Man müsse Respekt haben vor dem Land, in dem man geboren sei, so erklärt Poldi sein Verhältnis zu seinem Herkunftsland. Und so werde er weiter nach Polen fahren und dort seine Familie besuchen. Wenn Poldi längere Zeit nicht bei Oma Zofia in Gliwice war, und sich allmählich Heimweh einschleicht, dann hört er polnischen Pop und Hiphop, schaut sich polnische Filme auf DVD an, verfolgt den polnischen Fußball und kocht schlesische Kost. Das bedeutet in der Regel ordentlich Wurst und Fleisch, also das krasse Gegenteil von Sportlerernährung moderner ernährungsphysiologischer Prägung. Dem auf makrobiotische Kost stehenden Fußballlehrer Ewald Lienen würden wahrscheinlich Tränen in die Augen steigen, müsste er Poldi in die Töpfe sehen, der das Kochen von seiner Mutter gelernt hat. »Ich habe früher nach der Schule immer in der Küche auf das Essen gewartet. Erst habe ich meiner Mutter nur zugeschaut, wie sie das alles so kocht. Und dann habe ich mitgeholfen und selbst gekocht. Nicht nach Rezept, sondern so einfach drauflos. Aber es schmeckt gut, meiner Freundin auch.« In Bergheimer Tagen fuhr jeden Samstag ein Verkaufswagen mit schlesischen Spezialitäten durch die Straßen, da wurde gekauft, was das Herz und der Magen begehrten. Seine Leibspeise: Mama Krystynas original polnische Bohnensuppe. Zu Hause wird immer Polnisch gesprochen – zu Hause in Bergheim. Nicht aus Faulheit, die Podolskis sind alles andere als faul, sondern weil es die vertraute Sprache der Familie ist. Und die Familie ist den Polen so heilig wie der Papst. Seine Eltern, Waldemar und Krystyna Podolski waren ebenfalls
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Leistungssportler. In Deutschland arbeitet Waldemar als Schlosser, in Polen spielte er als junger Mann zeitweise in der Ersten Liga, Mutter Krystyna hat es als Handballerin bis in die polnische Nationalmannschaft geschafft. Lukas Podolskis Freundin Monika, eine gelernte Kosmetikerin, die er seit seiner Kindheit kennt, wurde ebenfalls in Polen geboren und wuchs in Bergheim auf. Mit ihr will Poldi eine möglichst große Familie haben. Aus diesem Grund war Poldi am 14. April 2008 sehr glücklich, obwohl es für ihn bei Bayern München unverändert schlecht lief. Der Grund war also ein anderer und heißt Louis. Der Stolz des Vaters ließ ihn gleich aus dem Kreißsaal zum Tätowierer laufen, seither sind der Name und das Geburtsdatum des kleinen Podolski auf seinem rechten Unterarm zu lesen. Ganz in der Nähe des Handgelenks, damit noch Platz ist bis zum Schultergelenk für weitere Kindernamen. Lukas ist jung Vater geworden und hätte sich sogar vorstellen können, schon mit 17 Vater zu werden. Dass es etwas länger dauerte, hatte an der Suche nach der richtigen Frau gelegen, also an der Suche nach Monika. Als 2007 die Schwangerschaft dann feststand, legte Poldi die Ungeduld eines Stürmers an den Tag, der auf den entscheidenden Pass wartet: »Ich konnte kaum erwarten, dass das Baby auf die Welt kam«, bekannte er. Poldi ist der Traum vieler Mädchen, als Vater ist er der Traum vieler junger Mütter: Er wickelt, er füttert, er kümmert sich, er steht nachts auf. Es sei denn, am nächsten Tag ist ein wichtiges Spiel und er in der Aufstellung. In München konnte er also
häufiger in der Nacht für Louis aufstehen. Natürlich war er bei der Geburt dabei und hat das gemacht, was ein richtiger Mann dann tun muss: »Nabelschnur durchgeschnitten, Fotos gemacht, Familie angerufen, geheult.« Der Süddeutschen Zeitung hat Lukas Podolski einmal erzählt, wie er selbst als Vater sein möchte, nämlich wie sein eigener: »Mein Vater war sehr großzügig. Er hat versucht, mir das Beste zu geben. Wir kamen aus Polen nach Deutschland, das war nicht einfach, aber meine Eltern haben mir Fußballschuhe gekauft und mich jeden Tag von Bergheim nach Köln zum Training gefahren, 30 Kilometer hin und zurück. Ich will meinen Sohn nicht verwöhnen, nur weil ich Profifußballer bin und es mir besser geht. Aber er soll seine Freiheiten bekommen. Es ist noch nicht so lang her, dass ich jung war, und ich kann mich an all das erinnern, was ich gern gemacht habe. Das soll er auch machen können.« Als wäre es da noch nötig, folgt in dem Interview noch die Frage, ob seine Eltern seine Vorbilder seien. Poldi antwortet mit einer Gegenfrage: »Wer denn sonst?« Wie weit die Verehrung geht, zeigt auch noch ein Beispiel aus dem Sport. Für den Internetauftritt der FIFA wurde Poldi zur WM 2006 um die Aufstellung seines persönlichen All-StarTeams gebeten. In die Viererkette stellte Poldi – gerahmt von Roberto Carlos, Cafú und Lució niemand anderen als seinen Papa Waldemar Podolski. Die Begründung kann nur von einem liebenden Sohn kommen: Sein Vater sei einer der besten Innenverteidiger seiner Epoche gewesen.
Zwei erfolgreiche Sportler als Eltern: Auf ihre Erfahrung kann Lukas Podolski immer zurückgreifen.
Monika Puchalski – keine Spielerfrau, die sich ins Blitzlichtgewitter drängt.
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POLDIS AHNEN
MUCKI BANACH Die traurige Was-wärewenn-Geschichte
Wenn ein begnadetes Talent jung stirbt, dann ist die Versuchung groß, sich in Spekulationen zu ergehen: Was wäre aus Mucki Banach noch geworden? Wohin wäre sein Weg gegangen? War er einer der besten Stürmer, den der FC je hatte, oder wäre er noch der beste geworden? Sein Weg endete auf tragische und nie ganz geklärte Weise im Morgengrauen des 17. Novembers 1991 auf der A1 bei Remscheid in Höhe der Ausfahrt Schloss Burg tödlich. Sein Wagen prallte mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Brückenpfeiler und ging in Flammen auf. Er war sofort tot. Maurice Banach, den alle nur Mucki nannten, wurde nur 24 Jahre alt. Der Sohn einer Deutschen und eines amerikanischen GIs galt in Deutschland als eine der hoffnungsvollsten Stürmertalente seiner Zeit. Er kam von Preußen Münster zu Borussia Dortmund, wo er mit 17 Jahren seinen ersten Profi-Vertrag bekam. 1988 wechselte er zum Zweitligisten Wattenscheid, wurde zwei Jahre später mit 22 Treffern Torschützenkönig in der Zweiten Liga. Dann ging er zum 1. FC Köln in die höchste Spielklasse und schoss in 49 Bundesliga-Spielen 24 Tore. Als er starb, lag er mit zehn Treffern in der Torjägerliste auf Rang 2, nur ein Tor hinter Chapuisat, und galt als sicherer Kandidat für die Nationalelf. Die einschlägigen Fan-Foren sind voll der Erinnerungen und des Gedenkens an Mucki. Es kursieren liebevolle Zusammenschnitte seiner schönsten Tore, nach denen er meistens sehr verhalten jubelte. Keine Triumphgesten, kein Salto, keine albernen Luca-Toni-Spielereien am Ohr, maximal ein Abklatschen mit dem Flankenlieferanten, mit Littbarski, mit Rudy.
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Seine letzten beiden Tore erzielte Banach am 9. November 1991 im heimischen Müngersdorfer Stadion beim 4:1-Sieg gegen Fortuna Düsseldorf, eine Woche später bestritt er das letzte Spiel in seiner Profikarriere gegen Schalke 04. Das Unglück geschah am Morgen nach diesem Spiel auf dem Weg zum sonntäglichen Training. »Ich bin heute Mittag wieder hier«, hatte er zu seiner Frau Claudia und den kleinen Söhnen Danny und Zico gesagt. Seine Witwe Claudia lebt weiterhin in Münster, mit den beiden Jungs Danny und Zico, und einer Tochter, die sie mit einem neuen Partner hat. »Ich werde Mucki niemals vergessen«, sagt Claudia Banach, die 25 Jahre alt war, als ihr Maurice starb. »Ich weiß noch, als wäre es heute gewesen, wie ich an diesem Sonntagmorgen drei Anrufe bekommen habe«, erzählt sie. »Die ersten Anrufer haben gefragt, ob ich wüsste, wo Mucki sei. Ich antwortete: Auf dem Weg zum Training! Erst der dritte Anrufer hatte den Mut, mir zu sagen, was passiert war.« Die Polizei vermutete einen geplatzten Reifen an Muckis Opel Omega Kombi als Unfallursache, genau feststellen ließ sich das nicht mehr, weil der Wagen vollständig ausgebrannt war. Muckis Söhne haben vom Vater die Liebe zum Ball geerbt. Danny Banach, der für Münster 08 stürmte, für die Zweite von Preußen Münster und jetzt für BSV Roxel in der Landesliga trifft, durfte auch mal bei Kölns A-Jugend vorspielen. »Natürlich habe ich dabei daran gedacht, dass mein Papa früher hier gespielt hat«, sagt Danny. »Wenn ich alte Videos von ihm sehe, fällt mir auf, dass er stets am richtigen Ort vorm Tor war. Er hat die Bälle angezogen wie ein
Magnet. Er hat mich manchmal zum Kölner Training mitgenommen. Ab und zu durfte ich mitspielen. Als ich hörte, dass mein Vater tot ist, habe ich laut nach Papa geschrien. Der Schmerz über den Verlust ist größer als der Stolz auf meinen Vater.« Danny, sagt seine Mutter, sei wie ein Abziehbild von Mucki: »Die Augen, die Mimik …« Der jüngere Sohn Zico, benannt nach dem gleichnamigen brasilianischen Fußballkünstler, kennt seinen Vater nur von Fotos und Erzählungen: »Ich habe immer gehört, dass er ein ruhiger und lieber Mensch gewesen sein muss«, meint Zico. Auch der kleine Banach ist Stürmer. »Wenn wir heute an der Unfallstelle vorbeifahren, packt mich immer noch die Wut. Warum wurde die Brücke an der Ausfahrt Wermelskirchen, gegen die Mucki gekracht war, nicht viel früher weggemacht?« Sie wurde später abgerissen. »Nach dem Tod bin ich oft zum Unfallort gefahren«, sagt sie. »Ich habe Mucki irgendwie immer gesucht. Das Einzige, was damals gefunden wurde, war seine Kette.« Die bekam dann Danny.
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MUCKI BANACH In kaum zwei Jahren spielte Mucki Banach 49-mal für den 1. FC Köln und schoss 24 Tore, bevor er am 17. November 1991 24-jährig bei einem Autounfall ums Leben kam.
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TONI POLSTER Der beste Standfußballer aller Zeiten
Als Anton Polster in Köln ankam, wunderte er sich erst einmal über die spießige deutsche Gründlichkeit. »Da ließ ich mich nach einem Training mal massieren und bekam prompt eine Strafe. Warum? Weil ich mich nicht abgemeldet hatte vom anstehenden Kaffeetrinken mit der Mannschaft!« Da wundert er sich heute noch in breitestem Wienerisch: »I mein, i woh ja do!« Er meinte, er hätte sich ja nicht unerlaubt von der Truppe entfernt. So was kannte der Lockenkopf nicht aus Spanien, wo er zuvor sechs Jahre gespielt hatte. »Die hatten ein anderes Verständnis von Pünktlichkeit, dort fuhr der Mannschaftsbus erst ab, wenn der letzte Spieler drin saß. In Deutschland fuhr der Bus nach Zeitplan.« Viel schlimmer noch: Bier wurde auch nie getrunken, wenn die Mannschaft zusammensaß. Das musste der Polster ändern, der neben Humor ein großes Selbstbewusstsein für sich in Anspruch nahm. Also sprach er Trainer Morten Olsen an: In Köln solle es doch so gutes Bier geben, das müsste man doch mal probieren! Olsen hatte keine Einwände. Also bestellte Toni ein Kölsch zum Abendessen – zur großen Begeisterung seiner Mitspieler, ein Dutzend weitere Bestellungen folgte. »Da war der Knoten geplatzt«, erinnert sich Polster, »aber so etwas geht auch nur, wenn deine Leistung stimmt.« Genau das sei sein Erfolgsgeheimnis bis heute: Leistung und dann immer mal wieder ein lockerer Spruch. In 150 Spielen für den 1. FC erzielte er 79 Tore; mal keines, mal zwei – was ihm irgendwann den Namen Toni Doppelpack einbrachte. »Wer wann mit diesem Namen ankam, weiß ich gar nicht mehr. Jedenfalls hatte ich ein Auto mit dem Kennzeichen K-DD … Daraus wurde zuerst Doppelter Donnerschlag , und daraus wurde Toni Doppelpack.« Zu guter
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Letzt sogar der Titel seiner Autobiographie: »Doppelpack – Fußball mit Herz und Schmäh«. Polster hat in zehn Vereinen in vier Ländern gespielt, überall sei er mit seiner Art gut angekommen. »Doch zum Kölner Publikum in Köln hatte ich ein spezielles Verhältnis, weil es Gemeinsamkeiten gibt bei den Mentalitäten. Der Wiener ist zwar bösartiger als der Kölner, aber beiden ist eine gewisse Lockerheit so wichtig wie gute Leistungen. Die Balance muss stimmen, sonst geht der Schuss nach hinten los.« Toni Polster ist Österreichs Boris Becker, jeder Österreicher kennt seine Legende. Polsters Wimbledon fand am 15. November 1989 statt, als er im entscheidenden WMQualifikationsspiel gegen die DDR in Wien vom eigenen Publikum zunächst ausgepfiffen wurde. Dann besorgte er mit allen drei Toren Österreichs Teilnahme an der WM in Italien im Alleingang und wurde am Ende des Spieles frenetisch gefeiert. Da war er aber schon weg, die Pfiffe gegen seine Person hatte er nach 90 Minuten noch nicht verziehen. Wie Boris Becker hat auch Polster seinen Unterhaltungsmarktwert seither immer wieder getestet. Auch als Sänger: »Früher hat’ ich in der Hüfte eine Prellung, heute hab ich in der Hose eine Schwellung«, singt er in einem seiner Lieder, das dann auch heißt: »Seit i auf di steh, tut mir nix mehr weh«. Inzwischen hat er mehrere Alben aufgenommen, mit denen er Gold und Platin abräumen konnte – in Österreich. Schon in seligen FC-Tagen konnte Toni das Singen nicht lassen. Nach einer Pokalpleite in Ulm hatte Toni Polster beim Kölner Ringfest 1997 einen zehnminütigen Auftritt mit der Sze-
neband »Die Fabulösen Thekenschlampen« (»Toni, lass es polstern!«), woraufhin ihm sein Club mit Geldstrafe und Abmahnung gedroht hatte. Allerdings musste der damalige Sportdirektor dann leider einräumen, dass er Privatauftritte in der Öffentlichkeit nicht verbieten kann, solange technische und organisatorische Abläufe des Clubs nicht gestört werden. 2005 tanzte sich Polster in der ORF-Showreihe »Dancing Stars« bis ins Finale, was ihn selbst überraschte, da nach eigenen Angaben seine Lieblingstänze für immer Polonaise und Sirtaki bleiben. Polster moderierte als Fußballexperte bei einem Bezahlsender und war während der Europameisterschaft 2008 Co-Kommentator bei dem Schweizer Sender SRG. Er hat eine eigene Kolumne bei einer Tageszeitung und war im deutschen Fernsehen als Kandidat bei »Entern oder Kentern« und bei »Extreme Activity« zu sehen. Im Juni 2008 gewann er das »Perfekte Promi Dinner« auf VOX und spendete den Gewinn an ein Kinderhilfswerk. Auch wenn er mal mit gebrochenen Knochen von einem V.I.P.-Skirennen heimkehrt, ein Polster-Toni weiß, was er kann: »Alles. Ich habe gerade den Trainerschein gemacht, als Bester überhaupt. Ich kann also als Trainer arbeiten, aber auch als Manager, als Sportdirektor, im Marketing, als Berater.« Lukas Podolski zu beraten wäre sicherlich kein einfacher Job, gibt sich Polster für Polster-Verhältnisse überraschend ratlos. »Es wird auf jeden Fall angesichts der Kölner Erwartungshaltung sehr, sehr schwer für ihn!« Polster wird weiter verfolgen, was in Köln mit dem Prinzen passiert. Wie es sportlich läuft und auch so. Da wechselt er dann plötzlich von Wienerisch zu Kölsch: »Ob alles joot es!«
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TONI POLSTER stand von 1993 bis 1998 in den Diensten des 1. FC Köln. In 150 Spielen für den FC erzielte er 79 Tore. Nach dem Abstieg Kölns 1998 spielte er in der Ersten und in der Zweiten Liga für Borussia Mönchengladbach, bevor er Anfang 2000 auf Leihbasis zu Austria Salzburg wechselte, um dort seine Karriere zu beenden.
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ZUHAUSE IST ES AM SCHÖNSTEN: POLDIS BERGHEIM
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IM KINDER-
ZIMMER
Im Trikot seines geliebten FC Barcelona präsentiert Poldi das schönste Spielzeug eines angehenden Fußballstars.
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BOHNENSUPPE
A LA KRYSTYNA Schlesische Hausmannskost gehört in der Regel nicht auf den Speiseplan eines Spitzensportlers – Lukas Podolski hat sie nicht geschadet.
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DAS PATENKIND
ENTDECKT
Jerzy Gregorczyk l채sst sich kein Spiel entgehen, auch wenn er Poldi lieber im polnischen Trikot sehen w체rde.
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EINE
BERGHEIMER JUGEND Auf den Asche- und Gummiplätzen der Kleinstadt vor den Toren Kölns zeigt Poldi schon früh sein außergewöhnliches Talent. Jeder, der ihn sieht, ahnt seine große Zukunft. Die Menschen dort sind auch ein Grund, warum er zurückkommt. Vom Elternhaus in der Magdeburger Straße ist es nur ein Katzensprung zu den Bolzplätzen, wo Lukas Podolskis Fußballkarriere begann. Lukas ist diesen Weg hunderte, wenn nicht tausende Mal gefahren. Schon als kleiner Junge, meist mit dem Fahrrad, seinen Fußball hinten auf dem Gepäckträger. Die Straße ging es hinunter bis zum Ende der Siedlung mit den vielen Eigenheimen aus den 70er, 80er Jahren, weiter über die kleine Brücke, die über das Flüsschen Erft führt, zu den Sportplätzen, die lieblich in den Auen gelegen sind. Fünf, sechs Minuten mit dem Rad, schon war Podolski dort, wo er sich in ganz Bergheim am allerwohlsten fühlte. »FC Bergheim 2000« steht in großen blauen Lettern am Eingangstor des kleinen Stadions. Einen weitläufigen Rasenplatz gibt es dort, zwei Ascheplätze und vor allem einen sogenannten Gummiplatz. Heute stehen auf dem Gelände aus Hartgummi zwei kleine, schon ziemlich ramponierte Tore, auf die schon der kleine Lukas mit seinem phänomenalen linken Schuss gedroschen hat.
Bergheimer Jungs wollen nur das eine: so werden wie Poldi. Der Gummiplatz ist ihre Fußballschule.
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Podolski liebte diesen Platz. Jeden Tag trafen sich die Bergheimer Jungs hier zum Bolzen. Im Grunde ist es dieser Gummiplatz gewesen, auf dem Podolski die Grundlagen für seine große Karriere legte. Hier lernte er das Tricksen, hier feilte er an seinem Schuss. Im Sommer durfte er bis halb neun Uhr abends bleiben, in dunkleren Jahreszeiten bis halb
Zuhause ist es am schönsten
acht. Lukas war damals schließlich erst elf, zwölf Jahre alt und musste sich an die Abmachung mit den Eltern halten. Aber das tat er auch. Wenn seine Eltern sagten, zu der und der Uhrzeit solle er zu Hause sein, dann war er es auch. »Bei Podolskis daheim herrschte immer ein harter, aber herzlicher Ton«, weiß Willi Breuer zu berichten. Breuer ist ein waschechter Bergheimer, der die Podolskis bestens kennt. Mit Podolskis Vater Waldemar, pikanterweise früher ein harter Verteidiger, kickte er in den 80er Jahren oft zusammen. Früh nahm sich Breuer des jungen Podolskis an, auch weil der ausgebildete Diplom-Sportlehrer früh die phänomenalen Anlagen erkannte. »Lukas war ein Riesentalent, das konnte man schon in jungen Jahren sehen. Er war gradlinig und unbekümmert und spielte immer mit dem Schalk im Nacken.« Zugute sei ihm schon als junger Fußballer gekommen, sagt Willi Breuer, dass sein Elternhaus immer voll hinter ihm stand. »Sie haben ihn immer mit positiver Kritik begleitet. Wenn er mal nicht spurte, gab es auch mal etwas zwischen die Hörner. Da musste er dann stramm stehen, aber das hat dem Lukas gut getan«, sagt Willi Breuer. Der Vater war Fußballprofi in Polen, die Mutter Handball-Nationalspielerin: Podolskis Eltern wussten nur zu gut, wie sie ihren Sohnemann sportlich zu erziehen hatten. Und Lukas wusste das zu schätzen, das Elternhaus war immer sein Fixpunkt.
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Das ist es bis heute. Der FC Bayern machte Podolski das Angebot, die Eltern doch mit nach München zu nehmen. Waldemar Podolski entschied sich dagegen, weil er – bodenständig wie er ist – Bergheim nicht verlassen wollte: »Wir bleiben lieber hier. Wer weiß, wann Lukas wiederkommt«, soll Vater Podolski damals argumentiert haben. Möglich, dass alles anders gelaufen wäre, hätte Podolski auch in München seine wichtigsten Bezugspersonen bei sich gehabt.
»Die Eltern haben ihn mit positiver Kritik begleitet. Wenn er nicht spurte, gab es auch mal was zwischen die Hörner.« Willi Breuer
Untere Reihe, Dritter von links: Der zukünftige Nationalstürmer in der Mannschaft der Erich-Kästner-Hauptschule. Jugendtrainer Willi Breuer sieht das Potential früh.
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Willi Breuer und Lukas Podolski sollten sich jedenfalls nach den ersten Bergheimer Jahren schon bald wieder treffen: beim 1. FC Köln. Breuer heuerte dort als Jugendtrainer an. In der C-Jugend betreute er auch zwei Jahre lang den hoffnungsvollen Nachwuchsstürmer Lukas Podolski. Aber auch nach diesen gemeinsamen Jahren riss die enge Bergheimer Bande nicht ab. Willi Breuer, später deutscher Nationaltrainer der Fußballer mit geistiger Behinderung, stand Podolski immer als väterlicher Berater zur Seite und führte die ersten Vertragsverhandlungen. So waren schon zu B-Jugend-Zeiten die Späher von Borussia Dortmund auf den jungen Kölner aufmerksam geworden und lockten bereits mit stattlichen Beträgen. Breuer, selbst Vater von vier Kindern, riet aber von einem frühen Wechsel ab. Dafür
Zuhause ist es am schönsten
sind ihm die FCer immer noch dankbar. »Wir haben auch heute ein sehr freundschaftliches Verhältnis«, sagt Willi Breuer, und sein »Ziehsohn« schätzt seine Meinung. Da kann er es sogar verknusen, wenn er mal die Leviten gelesen bekommt. Als Lukas nämlich als frischgebackener Nationalspieler vor Jahren mit seiner dicken Limousine bei Breuers aufkreuzte und vor den Söhnen prahlen wollte, ließ Vater Breuer den Jüngling strammstehen: »So nicht, Freundchen«, sagte er dem Emporkömmling von nebenan. Lukas verstand und fuhr schnell wieder vom Hof. Lukas wusste aber immer, wo er herkommt. Dazu steht er bis heute. Starallüren sind ihm nach wie vor fremd. Viele der Jungs, mit denen sich Podolski damals traf und gegen die er auf dem legendären Bergheimer Gummiplatz kickte, stammten aus Marokko. Mohammad Faouzi, Podolskis früherer Weggefährte und auch heute noch ein guter Kumpel, ist einer von ihnen und ein Musterbeispiel dafür, wie gut Integration in Deutschland manchmal funktionieren kann. Faouzi arbeitet mittlerweile als Honorarkraft an der Erich-Kästner-Schule, jener Hauptschule, die auch Lukas Podolski von 1995 bis 2001 besuchte. »Fauzi«, wie ihn alle rufen, ist dort so etwas wie der kleine Schulpolizist. Der 35-Jährige betreut vor allem die Migrantenkinder und ist die Verbindungsstelle zwischen den Lehrern der Schule und den Eltern, die es oft nicht wagen, zur Schule zu kommen, wenn es mal wieder ihre Kinder zu doll getrieben haben. Faouzi klingelt dann nachmittags an den Haustüren und berichtet von den großen und kleinen Fehltaten ihrer Zöglinge.
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Horst Brüschke trainiert den ganz jungen Podolski.
Früher war Faouzi bei Fritz Kukuck angestellt, dem Spediteur, der einst beim 1. FC Köln im Aufsichtsrat saß. Fast wäre auch Lukas Podolski in diesem Unternehmen gelandet. Vater Waldemar Podolski war schließlich viel daran gelegen, dass sein Sohn nicht nur auf die Karte Fußball setzen, sondern einen soliden Beruf ergreifen sollte. So hätte sich Lukas fast zur Fachkraft für Lagerlogistik ausbilden lassen. Das Bewerbungsgespräch für eine Lehrstelle hatten Vater und Sohn in Kerpen im Jahr 2002 jedenfalls schon geführt. Es sollte anders kommen. Kurz nach dem Gespräch lag der erste Profi-Vertrag vom 1. FC Köln bei der Familie auf dem Tisch. Dass es einmal so weit kommen würde, hatte Horst Brüschke schon früher geahnt. Brüschke ist Jugendtrainer beim FC Bergheim 2000, jenem Club, der aus der Fusion von Jugend Bergheim 07 und VfB Kenten hervorgegangen ist. Horst Brüschke trainiert die Nachwuchskicker des Clubs schon mehr als 30 Jahre. Nur einmal hat der Kleinunternehmer mit der rauen Stimme ein oder zwei Jahre ausgesetzt, weil er viel Zeit für seine Firma in Köln benötigte. Seither steht er wieder Woche für Woche auf dem Trainingsplatz des FC und fördert die Fußball-Jugend. So ziemlich jeden Bergheimer Jungen unter 20 Jahren hat Horst Brüschke schon trainiert. Wenn es um Lukas Podolski geht, reagiert er mittlerweile ziemlich cool. Dazu habe er doch schon alles gesagt, meint er. Vor allem vor der WM 2006, als die Reporter und Kamerateams in Bergheim Schlange standen und wissen wollten, wie damals alles anfing. Damals, als Lukas Podolski seine ersten Gehversuche im Fußballclub machte. Dabei, stellt Horst Brüschke klar, war er ja gar nicht der allererste Trainer von Lukas Podolski. Das erste halbe Jahr habe ihn Heinz Hillmann betreut. Brüschke erinnert sich aber noch gut daran, wie der kleine Steppke Lukas im Frühjahr 1991 erstmals vor ihm stand. Deutschland war vor etwas mehr als einem halben Jahr Weltmeister geworden, und viele Altersgenossen wollten einmal Jürgen Klinsmann oder Rudi Völler werden. Lukas Podolski wollte das nicht, er hatte keine Idole, keine Poster von den Stars über dem Bett hängen. Lukas war immer nur er selbst. »Schreiben Sie aber bloß nicht, ich hätte ihn entdeckt. Lukas war ein Naturtalent. Ihm musste man nicht viel beibringen. Der konnte es einfach«, sagt Horst Brüschke bescheiden. Immerhin war er der erste Trainer, der ihn prägte. Als Lukas zum Club kam, spielte er schnell eine Klasse höher. Er war einer von den Kleinen und dennoch dank seiner guten Anlagen oft unterfordert.
Die D-Jugend des FC Bergheim 2000 war Mitte der 90er Jahre insgesamt eine überdurchschnittliche Mannschaft, die neben Lukas Podolski viele gute Spieler besaß. Podolski war dabei nur ein kleiner Juwel in Brüschkes Team. »Es gab in der damaligen Mannschaft sogar Spieler, die waren technisch besser als Lukas«, sagt der Jugendtrainer, dafür hatte Podolski eine Antrittsschnelligkeit und eine Schusstechnik, die damals schon erkennen ließen, dass aus dem kleinen, schmächtigen, aber ungemein zähen Bergheimer Burschen mal ein ganz großer Fußballer werden könnte. Horst Brüschke erinnert sich vor allem an den unglaublich harten Schuss seines Schützlings. Oft rief der Trainer ihm von der Seitenlinie zu: Lukas, ab 30 Metern Torentfernung Feuer frei, aber pass auf den Torwart auf. Einmal, weiß Brüschke noch genau, hat der kleine Lukas bei einem Hallenturnier so fürchterlich abgezogen, dass sich das Tornetz aus der Verankerung löste. Brüschke taten die gegnerischen Keeper oft ein bisschen Leid. »Weil ich wusste, wenn Lukas aus 30 Metern abzieht, dann war der Ball drin.« In Bergheim geht auch die Geschichte um, dass sich Brüschke schon abwendete und einen Treffer auf seinem Zettel notierte, sofern Podolski 30 Meter vor dem gegnerischen Tor überhaupt erst den Ball hatte.
Hier zieht sich auch Lukas Podolski einige hundert Mal die Stutzen an: die Umkleide des FC Bergheim 2000.
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beim FC Bergheim 2000 übernommen hat. Marino trainiert mit großem Einsatz die B-Jugend des Clubs. »Dem Lukas ging es nur um Fußball. Wir haben viel über internationale Clubs gesprochen. Er schwärmte für den FC Barcelona«, erinnert er sich. Ein bisschen traurig ist er mittlerweile schon, dass er seinen einstigen Stammgast so lange nicht gesehen hat. »Seit Lukas nach München gewechselt ist, habe ich ihn nicht mehr gesehen. Die Entfernung ist wohl zu weit. Ich hoffe, das ändert sich, wenn er nun wieder zurückkommt«, sagt Domenico, während er in seinem Lokal sitzt. Türkis sind die Wände, und über den bunten Sitzecken hängen Bilder von venezianischen Masken. Der Italiener nimmt es Lukas Podolski nicht übel, dass er sich hier lange nicht mehr hat blicken lassen.«Ich kann über den Lukas nichts Schlechtes sagen. Er war immer in Ordnung.«
Poldis Klassenzimmer: Hier träumt er während der Matheund Deutschstunden von 30-Meter-Schüssen in den Winkel.
Poldis Schule: Die Erich-KästnerSchule in der Gutenbergstraße gilt als sozialer Brennpunkt.
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»Aber er war nie eigensinnig«, sagt Brüschke. »Er hat jedem den Ball abgespielt, der besser stand. Wenn er wollte, konnte er die anderen reihenweise vernaschen und ein Spiel allein entscheiden. Er wird ja nie ein Professor, aber im Spiel war er ein ganz Schlauer.« Immer mit dem Ball unterm Arm habe er Lukas durch Bergheim flitzen sehen. Seine Freunde gingen ins Schwimmbad oder ins Eiscafé, Lukas ging bolzen. Bei jedem Wetter. Jeder konnte sehen, was für einen Spaß er dabei hatte. Obwohl: Ins Eiscafé hat es Lukas Podolski dann doch öfter mal geschafft. Sein Lieblingslokal war das »Marino« in der Hauptstraße. Es war der Treffpunkt schlechthin für den Jugendlichen und seine Kumpels, eine Stammkneipe gab es für die Fußballbuben ja noch nicht. Meist bestellte sich Lukas einen Saft oder einen Kakao. Er kam auch deswegen so gerne, weil er mit dem Besitzer so herrlich über Fußball quatschen konnte. Domenico Marino ist ein kleiner Mann in den Vierzigern, der mittlerweile auch ein Jugendamt
Zuhause ist es am schönsten
Später, als junger Nationalspieler, besuchte Podolski seinen italienischen Freund auch deshalb immer wieder, weil der die neuesten Storys über ihn aus der Gazzetta dello Sport übersetzen konnte. Die große italienische Sportzeitung liegt täglich in der Eisdiele von Domenico bereit, wenn sie nicht gerade von seinen Landsleuten ausgeschlachtet wird. Und die italienischen Sportjournalisten berichteten nicht selten über den populären deutschen Jungstar aus Köln. »An den Meldungen aus Italien war er besonders interessiert«, erzählt Domenico. Eine Zeit lang wunderten sich die Reporter aus dem Land des Weltmeisters, warum Podolski so wenig Spielanteile bei den Bayern erhielt, gibt Domenico den Tenor der Berichte wieder, die er Podolski vorlas. Der bedankte sich übrigens mit einem Trikot oder einem Schal, die er Domenicos Sohn schenkte. Der Bergheimer Eismann ist einer, dem man in Sachen Fußball nicht so schnell etwas vormacht. Für den eingefleischten »Juve«-Fan war der Wechsel nach München ein Fehler, noch heute. »Ich habe ihm damals geraten, nicht zu den Bayern zu gehen. Lukas ist nicht der Typ, der die Ellenbogen herausfährt, um für seinen Platz zu kämpfen. Das können andere besser«, sagt er und denkt vor allem an seinen Landsmann Luca Toni. Den einen oder anderen Kaffee hat der Eismann auch schon verloren, weil er wettete, dass der verlorene Sohn bereits im Winter zurück an den Rhein wechseln würde. Nun muss sich auch der kleine Italiener, der aus dem 1.200-Seelen-Dorf Cropalati in Kalabrien stammt, bis zum Sommer gedulden. Spätestens dann, so hofft er, wird Podolski vielleicht auf einen Saft oder einen Kakao vorbeischauen. Die Gazzetta wird auf jeden Fall zum Übersetzen bereit liegen.
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»Dem Lukas ging es nur um Fußball. Wir haben viel über internationale Clubs gesprochen, er schwärmte für den FC Barcelona.« Domenico Marino
Es waren unbeschwerte Zeiten, die Lukas Podolski auf den Bolzplätzen in und um Bergheim verbrachte. Nicht ganz so unbeschwert lief es in der Schule. Lukas besuchte die Erich-Kästner-Hauptschule in Bergheim von 1995 bis 2001. War er ein guter Schüler, war er ein schlechter Schüler? »Weder noch«, sagt Bärbel Hilbricht-Gey, seit 2004 Schulleiterin. Sie selbst hat ihn nie unterrichtet, aber sie hat sich bei seinem Klassenlehrer erkundigt, der heute nicht mehr an der Schule tätig ist. »Lukas war wohl ein unauffälliger Schüler«, merkt sie an. Natürlich habe der Junge aus der Magdeburger Straße im Sportunterricht geglänzt. Aber sonst? Sie weiß es nicht oder will es zumindest nicht sagen. Eine Leuchte war Lukas Podolski im Klassenzimmer wohl nicht. In den Archiven haben die Lehrer an der Schule noch einmal gekramt, um vielleicht doch noch das eine oder andere Notenbüchlein zu finden, aber ans Tageslicht gekommen ist nichts mehr. Vielleicht wollten sie es aber auch gar nicht mehr finden …
Der Stolz auf den berühmten Schüler lässt sich auch im Zimmer der Schulleiterin ablesen. An der Wand hängt ein großes Foto mit der Schulmannschaft von 1998/99, die, angeführt von Lukas Podolski, die Kreismeisterschaft im Rhein-Erft-Kreis holte. Betreut hat das siegreiche Team damals Friedrich Krämer, einer der Sportlehrer der Erich-KästnerSchule. Krämer ist ein hochgewachsener Mann mit einem grauen Vollbart und einer tiefen Stimme. Einer, der einem Schüler mit seiner rauen Art ganz schön Respekt einflößen kann, auch wenn er in Wirklichkeit ein lieber, netter Mensch ist. Im Gegensatz zu Lukas’ einstigem Klassenlehrer unterrichtet Krämer immer noch an der Schule und hat sogar noch gute Erinnerungen an den Schüler Podolski, der vor nunmehr 14 Jahren erstmals die
Pflichtlektüre im Eiscafé: Domenico Marino liest Podolski aus der Gazzetta dello Sport vor.
Der schlesische Wurstwagen versorgt Bergheim mit Spezialitäten aus der Heimat.
Die Erich-Kästner-Schule ist eine von zwei Hauptschulen in Bergheim und das, was man einen sozialen Brennpunkt nennt. Der Anteil der ausländischen Schüler ist hoch. 65 Prozent haben einen Migrationshintergrund, 45 Prozent besitzen einen ausländischen Pass. Für Lukas Podolski bedeutete dies, sich früh in diesem nicht gerade leichten Umfeld zu behaupten. Es gab Konflikte und Raufereien auf dem Schulhof, vor allem mit den Marokkanern, mit denen auch gekickt wurde. Der große Raudi war Lukas Podolski aber nie. Schließlich wollte er nur schnell auf den Fußballplatz, sobald der Gong die letzte Schulstunde beendet hatte. Den Kontakt zu seiner alten Schule hat Lukas Podolski ziemlich schnell verloren, nachdem er sie verlassen hatte. Bärbel Hilbricht-Gey hat es später noch das eine oder andere Mal versucht, ihn zum Sporttag einzuladen, damit er die Schulbesten bei den Bundesjugendspielen ehrt. Meist ist es bei der Anfrage geblieben, ohne dass eine Antwort kam. »Er hat wohl mit seiner Schulzeit schnell abgeschlossen«, meint Hilbricht-Gey heute. Nach dem Wechsel nach München vor drei Jahren sei es noch schwieriger geworden, ihn zu erreichen. Mittlerweile hat die Schulleiterin das Gefühl, dass er nicht mehr so richtig zu seiner Schule steht. Umgekehrt ist es anders. Während der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland hat Bärbel Hilbricht-Gey Fußbälle in die Schulfenster geklebt. Für jedes Tor, das Podolski bei der WM schoss, einen Ball-Aufkleber. Dafür ist sie sogar in den Ferien eigens ins Schulgebäude gefahren, um wieder einen Ball anzukleben. So waren die Bergheimer in Sachen Podolskis persönlicher WM-Statistik immer auf dem neuesten Stand.
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AUS DER
ASCHE
Vom Hartplatz des FC Bergheim 2000 in die Hochglanz-Arenen ist es ein weiter Weg.
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Zur WM 2006 lässt sich der Bergheimer Friseur Jürgen Dederichs für seinen berühmten Stammkunden etwas Besonderes einfallen: den eigens von ihm entworfenen Bambi-Look mit blonden Strähnchen.
Einrichtung an der Gutenbergstraße besuchte. »Das Fußballspielen hat er bei mir gelernt«, verkündet Krämer mit einem Augenzwinkern. Er hat selbst zwei Söhne, die begeistert kicken. Friedrich Krämer begleitete die Schülermannschaft oft zu Kreismeisterschaften und weiß noch, wie er mal, vorne im Bus stehend, in die Sitzreihen schaute und nur »schwarze Köpfe« sah, wie er sagt. Er meinte die Schüler mit dunklen Haaren und stellte dann mit dem Mikrophon in der Hand fest: »Oh, heute haben wir ja nur einen Deutschen dabei, den Lukas!« Prompt verbesserte Podolski seinen Lehrer und erwiderte schlagfertig: »Herr Lehrer, ich bin Pole!« Nicht nur dies ist Friedrich Krämer in Erinnerung geblieben, sondern auch die vorbildliche Einstellung des außergewöhnlichen Fußballtalents. Es gab zu Podolskis Zeiten mehrere gute und sehr gute Kicker an der Erich-Kästner-Schule. Junge Spieler, die nicht nur beim 1. FC Köln spielten, sondern auch bei Bayer Leverkusen, Borussia Mönchengladbach oder dem Bonner SC. Oft war es so, dass die Vereinsspieler darum baten, doch bitte in den Partien mit der Schulmannschaft geschont zu werden und möglichst nur eine Halbzeit aufzulaufen, um Verletzungen aus dem Weg zu gehen. »Bei Lukas war das anders«, sagt Friedrich Krämer, »den interessierte in diesem Moment sein FC nur wenig, der wollte auch bei uns immer so lange durchspielen, wie es ging.« Krämer hat ihn natürlich gelassen und zeigt nun gerne die große Glasvitrine im Foyer des Schulgebäudes mit den vielen Pokalen, die die ErichKästner-Schule errang und an denen auch Lukas Podolski beteiligt war. Mittlerweile hat Podolskis alte Schule auf Ganztagsunterricht umgestellt, die Schüler sind nun bis 16 Uhr am Nachmittag anwesend. Im Sommer 2009 wird ein neuer Nebentrakt mit Mensa und Aula fertig sein. Bärbel Hilbricht-Gey will es dann noch einmal versuchen, den Ehemaligen zu seiner alten Schule zu locken und den Festakt zu gestalten. Die Schülerinnen und Schüler der Erich-KästnerSchule wären begeistert. Die Treue gehalten hat Lukas Podolski dagegen seinem Friseur in Bergheim oder besser gesagt: seiner Friseurin. Lydia Dederichs führt gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen den alteingesessenen »Damen- und Herrensalon Dederichs«. Es ist das älteste Friseurgeschäft am Ort und liegt etwas versteckt in der kleinen »Erftpassage« in der Fußgängerzone. Der Vater von Jürgen Dederichs gründete den Salon 1952, den der Sohn dann 1980 übernahm. Wer den Weg hierher gefunden hat, der erkennt
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Zuhause ist es am schönsten
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Bürgermeisterin Maria Pfordt ist stolz auf den Eintrag des weltweit populärsten Bergheimers ins Goldene Buch der Stadt.
schon von weitem den prominentesten Kunden. Im Schaufenster hängen große Foto-Collagen von Lukas’ letztem Besuch bei Dederichs im Dezember 2008. Selbst in seiner Zeit beim FC Bayern bevorzugte Podolski nicht einen Starcoiffeur aus der bayerischen Metropole, sondern schwor nach wie vor auf die Haarkunst aus Bergheim. »Lukas hat selten irgendwelche Sonderwünsche, meist möchte er seine Haare schön kurz geschnitten haben«, sagt die Chefin, die 17 Euro für einen Trockenschnitt verlangt. 2005 sei Lukas das erste Mal bei ihnen gewesen, berichtet Jürgen Dederichs nach einem Blick in seinen Computer. Das hat sich in der Bergheimer Szene natürlich schnell herumgesprochen. Seitdem kommen immer mehr junge Kunden und verlangen nach der Poldi-Frisur. Erst recht nach der WM 2006. Zum großen Turnier im eigenen Land sollte es nämlich doch mal etwas Besonderes sein, und so ließ sich der Nationalspieler, diesmal von Jürgen Dederichs, Strähnchen ins Haar färben. Prompt machte die neue Poldi-Frisur bundesweit Schlagzeilen und ging als von Jürgen Dederichs kreierter »BambiLook« in die lange Geschichte der deutschen Kickerfrisuren ein. Weil die WM so gut für Lukas Podolski lief, wiederholte der Nationalstürmer das Strähnchen-Ritual übrigens noch einmal zur Europameisterschaft 2008. Der Besuch beim Poldi-Friseur lohnt sich mittlerweile auch aus einem anderen Grund für die junge Kundschaft: Denn jedem kleinen Podolski-Anhänger schenkt Jürgen Dederichs eine Autogrammkarte dazu. Verewigt hat sich Lukas Podolski auch im Rathaus seiner Heimatstadt – und das gleich doppelt. Im Foyer des modernen Verwaltungsgebäudes, das ebenfalls an der Fußgängerzone liegt, hängt ein Glaskasten mit einem Nationaltrikot von ihm. Und einem kleinen Etikett, auf dem geschrieben steht: Als Dank an meine Heimatstadt – 19.3.2007, Lukas Podolski. »Das hat mir seine Großmutter geschenkt«, berichtet Maria Pfordt, die Bürgermeisterin von Bergheim. Wie so viele Bürger ihrer Stadt ist auch sie längst vom Fußball-Bazillus befallen. »Wir sind
fußballerisch sehr nach Köln orientiert.« Es gibt zwar auch einige vereinzelte Anhänger von Borussia Mönchengladbach oder Bayer Leverkusen, aber die große Mehrheit hänge am 1. FC Köln und zwar so sehr, sagt Maria Pfordt, dass ihr beim Abspielen der Vereinshymne beim letzten Karneval die Tränen gekommen seien. Den berühmtesten Sohn der Stadt hat sie nach der Weltmeisterschaft zu sich ins Rathaus eingeladen. Seitdem ist Lukas Podolski im Goldenen Buch von Bergheim verewigt. Auch die Bürgermeisterin, die früher an Podolskis Schule unterrichtete, ist stolz auf den berühmtesten Sohn. »Ich habe ihn als sehr herzlichen Menschen kennengelernt, der eher zurückhaltend ist und gar nicht so prominent sein möchte«, berichtet sie. Öfter schon habe sie den jungen Familienvater mit seiner Frau und seinem Kind von ihrem Rathausfenster aus durch die Fußgängerzone Bergheims schlendern sehen. »Für unsere Jugendlichen ist er auf jeden Fall ein Vorbild.« Wobei der Bürgermeisterin auch die Stimmungsschwankungen während der Münchner Zeit nicht verborgen blieben. »Als es bei den Bayern vor der Winterpause nicht so gut lief, habe ich gemerkt, dass er längst nicht so fröhlich war, wie ich ihn kenne«, sagt Maria Pfordt.
Unscheinbarer geht’s nicht: das Elternhaus in Bergheim-Kenten.
Über den Weltruhm des Bergheimer Bürgers konnte sich die Bürgermeisterin vor gar nicht allzu langer Zeit selbst ein Bild machen. Als es um die Ansiedlung eines chinesischen Unternehmens in Bergheim ging, wollte es der Firmenvertreter aus Fernost gar nicht glauben, dass er sein Unternehmen genau in der Stadt aufbauen sollte, aus der der deutsche Fußballstar stammt. »Das war ein richtiger Trumpf für uns«, sagt Maria Pfordt. Nun freut sich die erste Frau der Stadt auf die Rückkehr der jungen Familie von München nach Köln und hat schon einen ganz besonderen Wunsch: »Vielleicht kann ich den Lukas und seine Monika ja schon bald hier bei uns im Standesamt trauen.« Auch wenn Podolski mit seiner kleinen Familie demnächst in den Kölner Westen ziehen wird: Sein eigentliches Zuhause wird immer Bergheim bleiben.
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GEMEINE
VERGLEICHE Im Internet macht eine Fotomontage die Runde, die auf die Schleyer-Entf端hrung durch die RAF anspielt und Podolski als Gefangenen des FC Bayern zeigt.
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IMMER IM
ZENTRUM Schรถne Erinnerungen an vergangene FC-Erfolge, in Zukunft wird Podolski mit anderen Mitstreitern jubeln.
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EIN LETZTES MAL Nach dem Bundesliga-Spiel der Bayern in Köln lässt sich Poldi von den FC-Fans feiern – ein letztes Mal im falschen Trikot.
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EPILOG
Am Nachmittag des 18. April sprach Kölns Trainer Christoph Daum einen beängstigenden Satz aus, wenige Minuten nachdem sein 1. FC Köln gerade mit 0:3 gegen Stuttgart ein weiteres Heimspiel verloren hatte. »Wir können nicht mehr«, sagte Daum über den FC, »wir können es nicht besser.« Ein absoluter Offenbarungseid also, und zu genau dem so beschriebenen Club kehrt Lukas Podolski zurück. Der Weltklassestürmer hätte von Bayern nicht nach Köln wechseln müssen. Ein äußerst lukrativer Vertrag von Manchester City lag bereits unterschriftsreif auf seinem Tisch. Mit diesem Kontrakt bei einem legendären Club, der milliardenschweren Scheichs aus Abu Dhabi gehört, hätte er für immer ausgesorgt gehabt. Podolski hätte auch zum Hamburger SV wechseln können und wäre bei einem deutschen Top-Club mit internationalem Spielplan gelandet. Er hätte zudem ein leichteres Umfeld vorgefunden als bei den Bayern. Doch Podolski nahm keines dieser attraktiven Angebote an. Er entschied sich für einen Wechsel zurück zum 1. FC Köln. Podolski setzt mit diesem Wechsel seine internationale Karriere aufs Spiel. Nicht mehr und nicht weniger. Dass er in den nächsten Jahren auf Europacup-Ebene zum Einsatz kommt, kann ihm niemand garantieren. Stattdessen wird er auf eine immense Erwartungshaltung treffen. Der Druck, der auf ihm in Köln lasten wird, wird höher sein als das in Manchester oder Hamburg der Fall gewesen wäre. Podolski wird Verantwortung übernehmen müssen, vielmehr als zu den Anfängen seiner Profi-Laufbahn. Als er Köln im Sommer 2006 verließ, ging er als »kölscher Jung«, als unbeschwerter Strahlemann. Nach seinem Comeback muss er Führungsqualitäten zeigen, auch Härten, um den 1. FC Köln dahin zu bringen, wo beide hin wollen.
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Doch auch der FC ist ein großes Risiko eingegangen. Mit dem 10-Millionen Transfer stößt der 1. FC Köln an seine finanziellen Grenzen. Viel Spielraum für weitere Top-Verpflichtungen bleibt nicht. Doch die sind unerlässlich, denn ohne geeignete Mitspieler wird die Verpflichtung Podolskis ins Leere laufen. FC und Poldi haben sich also entschieden – für volles Risiko. Und darüber kann man sich gar nicht laut genug freuen. Das ist mutig, das ist das Gegenteil von ängstlicher defensiver Taktiererei, das ist quasi Offensivfußball, angetrieben von unbedingtem Willen zum Erfolg. Es ist also genau das, was alle Fußballfans so lieben an ihrem Sport. Und ganz egal, wie dieses Experiment enden wird: Man muss dem FC hoch anrechnen, dass er diesen Transfer gewollt und gestemmt hat, so wie man sich über Poldis Entscheidung für Köln einfach nur ausgiebig freuen kann. Genau das wollten wir mit diesem Buch tun. Wir hoffen, es ist uns geglückt.
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Druck und Weiterverarbeitung: Grafisches Centrum Cuno, Calbe Printed in Germany 2009 ISBN-13: 978-3-89705-657-2 Unser Newsletter informiert Sie regelmäßig über Neues von emons: Kostenlos bestellen unter www.emons-verlag.de
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Martin Klein Jahrgang 1965, hat in Köln Germanistik und Philosophie studiert und arbeitet seit 1999 im Team der WDR-Sendung »Zimmer frei«. Zuletzt erschien von ihm das Buch »Köln – Wo Fußball gelebt wird.«
Jens-Martin Mickler Jahrgang 1969, stammt aus Halle/Westfalen. Nach einem Publizistik-Studium in Göttingen arbeitete er als Sportredakteur beim Westfalen-Blatt und beim Kölner Express. Heute ist er tätig als freier Journalist, unter anderem für die Internet-Redaktion Sport der ARD und den Deutschlandfunk.
Jörg Weusthoff Jahrgang 1969, ist in Köln geboren und begann 1992 als Grafikdesigner beim NevenDumont-Verlag (Kölner Illustrierte). Zum ersten Wiederaufstieg des Clubs entwickelte er, neben vielen weiteren Büchern für den Emons Verlag, »Die Helden des 1. FC Köln«. Seit 1993 ist er Geschäftsführer der Design-Agentur Weusthoff Noël mit Sitz in Köln und Hamburg.
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Martin Klein Jens-Martin Mickler
EINE STADT UND IHR STÜRMER
Lukas Podolski ist ein Phänomen. Wann und wo auch immer der junge Mann mit oder ohne Ball auftaucht – die Menschen lieben ihn. Das gilt für seine polnische Familie, zu der er ein inniges Verhältnis pflegt, und auch für die Lehrer an seiner Schule in Bergheim. Das gilt für seine alten Trainer aus der Jugend und für die aktuellen beim 1. FC Köln und in der Nationalmannschaft. Das gilt für Millionen Fußballfans, nicht nur in Deutschland, und das gilt für Marketingexperten, die ihm als Sportlerpersönlichkeit ein außergewöhnliches Potenzial zuschreiben – eben weil er so ganz und gar normal ist. Ein Kumpeltyp, ein Freund, ein Familienmensch und treusorgender Vater, einer der zwar Millionen verdient, sich das aber nicht anmerken lässt.
POLDI UND KÖLN
Aus was für einem Umfeld kommt Poldi? Wer hat ihn wie geprägt, und was ist seine Vorstellung vom Leben auf und neben dem Rasen? Wir haben uns bemüht, dies herauszufinden, im Frühling 2009, als auch wir mehr wissen wollten – über das Poldi-Phänomen.
ISBN 978-3-89705-657-2
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