Betriebsstätte indien

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Das BETRIEBSSTÄTTEN-Risiko in Indien

DAS BETRIEBSSTÄTTEN-RISIKO IN INDIEN – EIN HÄUFIG UNTERSCHÄTZTES PROBLEM  Wie eine Betriebsstätte in Indien entsteht  Rechtliche und steuerliche Folgen  Wie Sie eine Betriebsstätte vermeiden

Vertreter | Berater | Montage | Entsendung Etwa 500 österreichische Unternehmen sind auf dem indischen Markt aktiv. Die meisten agieren dort aber nicht mit einer eigenen Tochtergesellschaft, sondern über Vertriebspartner oder mit der Hilfe eines indischen Handelsvertreters. Es gibt zahlreiche Konstellationen, wie dieses Modell in der Praxis umgesetzt wird: Das Spektrum reicht hier von Einzelpersonen, welche als Repräsentanten eine Reihe von MarketingAufgaben übernehmen, bis hin zu gewerblichen Händlern, Distributoren oder Importeuren mit umfangreichen Aufgaben und Vollmachten. Dieses Modell hat zahlreiche Vorteile gegenüber der Gründung einer eigenen Firma in Indien. Für viele Nischenplayer ist der zu Beginn erreichbare Teil des indischen Marktes einfach zu klein, um den Aufbau einer eigenen Struktur vor Ort zu rechtfertigen.

Wie eine Betriebsstätte in Indien entsteht Neben den Vorteilen derartiger Kooperationen, ergeben sich daraus jedoch auch erhebliche Risiken. Viele in der Praxis verwendete Vertriebs-Modelle für Indien führen nämlich zur (ungewollten!) Gründung einer steuerpflichtigen Betriebsstätte – ohne dass sich das europäische Stammhaus dessen bewusst wäre. Die „Betriebsstätte“ wird im Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (kurz Doppelbesteuerungsabkommen oder DBA aus dem Jahr 2001, Artikel 5) klar und umfassend definiert: „Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck Betriebstätte eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.“ Im österreichisch-indischen Doppelbesteuerungsabkommen werden folgende Einrichtungen als Betriebsstätte bezeichnet: Ort der Leitung, Zweigniederlassung, Geschäftsstelle, Fabrikationsstätte, Werkstätte, Bergwerk, Öl- oder Gasvorkommen oder ein Steinbruch. Aber auch eine Verkaufseinrichtung, das Lagerhaus einer Person, die Dritten Lager-Einrichtungen zur Verfügung stellt, eine Bauausführung oder Montage oder eine damit im Zusammenhang stehende Aufsichtstätigkeit von über sechs Monaten Dauer verursacht eine Betriebsstätte in Indien.

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Das BETRIEBSSTÄTTEN-Risiko in Indien

Typische Beispiele für ungewollt gegründete Betriebsstätten in der vertrieblichen Praxis: 

Exklusiver (abhängiger) Vertreter: Arbeitet ein lokaler Agent (Unternehmen oder Einzelperson) ausschließlich oder fast ausschließlich für nur einen ausländischen Auftraggeber, gilt er in Indien als „abhängiger Vertreter“, was unmittelbar eine so genannte Vertreterbetriebsstätte zur Folge hat. Dazu muss dieser Vertreter noch nicht einmal Abschlussvollmachten haben oder ein Auslieferungslager betreiben. Es reicht bereits, wenn er „regelmäßig“ und nicht nur gelegentlich für die ausländische Firma „tätig“ wird.

Indischer Berater – ohne Unternehmenspräsenz: Viele österreichische Unternehmen beschäftigen eine indische Einzelperson, die als Ansprechpartner oder Repräsentant vor Ort fungiert, ohne dass weitere Strukturen wie eine Tochtergesellschaft oder irgendein anderes eingetragenes Unternehmen bestehen. Dieser Berater ist entweder beim europäischen Stammhaus angestellt oder er wird durch eine Art „Beratervertrag“ direkt bezahlt. In der Regel handelt es sich dabei um jemanden, der in Vollzeit direkt im Auftrag des europäischen Unternehmens handelt und dabei sogar oft der Weisungsbefugnis eines Mitarbeiters im Stammhaus untersteht. In dieser Konstellation ist der indische Mitarbeiter ebenfalls ein „abhängiger Vertreter“ (siehe oben: Vertreterbetriebsstätte). Wenn der indische Mitarbeiter am Ende des Jahres seine fällige Einkommenssteuer nicht oder nicht in adäquater Höhe abführt, ergibt sich ein weiteres Risiko für den Auftraggeber. Dann erkennen die indischen Steuerbehörden nämlich eine Art „Scheinselbstständigkeit“ und können das österreichische Unternehmen für die entgangenen Steuern haftbar machen.

Montagebetriebsstätte: Wird beispielsweise eine Anlage nach Indien verkauft und das österreichische Unternehmen erbringt für einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten direkt oder indirekt Montageleistungen beim Käufer, führt das zu einer so genannten Montagebetriebsstätte, ganz gleich ob o das Unternehmen die Montageleistungen in Indien mit eigenen Mitarbeitern erbringt, o das Unternehmen ein indisches Subunternehmen mit der Montage beauftragt (ein indisches Unternehmen wird im Auftrag des österreichischen Unternehmens vor Ort tätig), oder o ein österreichischer Mitarbeiter die Aufsichtsfunktion für die Montagearbeiten in Indien übernimmt.

Entsendungen nach Indien: Bei der Einordnung von Entsendungen durch die indische Steuerbehörde besteht besonders große Unsicherheit. Auch wenn der Entsandte Angestellter bei der indischen Firma ist, kann die Frage gestellt werden, wer denn nun der endgültige oder „principal“ Arbeitgeber ist. Außerdem gibt es Gerichte, die in einer klassischen Entsendung (meist ja Führungspersonal) einen versteckten Know How-Transfer an die indische Gesellschaft annehmen und die Gehaltskosten des Entsandten als „fees for technical service“ interpretieren. Dieser Argumentation zu Folge, besteht nach sechs Monaten eine Betriebsstätte, da der Mitarbeiter in Indien technische Dienstleistungen erbringen würde.

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Das BETRIEBSSTÄTTEN-Risiko in Indien

Steuerrechtliches Risiko & Gerichtsbarkeit Die steuerlichen und rechtlichen Folgen einer Betriebsstätte in Indien sind vielen österreichischen Unternehmen oft nicht ausreichend bewusst. o

Das primäre und unmittelbarste Problem ist ein steuerrechtliches Risiko: Die Mutterfirma wird in Indien Körperschafts-steuerpflichtig (Corporate Income Tax). Die Betriebsstätte verursacht also eine indische Steuerpflicht – ohne, dass man von ihr Kenntnis besitzt. Möglicherweise entsteht sogar eine Steuerpflicht für Einkommen, welches bereits vor Jahren in Österreich versteuert wurde. Das bedeutet nicht nur einen ungeplanten zusätzlichen Verwaltungsaufwand, sondern durch die Steuerforderungen (inklusive Zinsen und Zuschläge) einen nicht zu unterschätzenden finanziellen Aufwand.

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Das zweite, nicht zu unterschätzende Risiko ist, dass das österreichische Unternehmen über seine indische Betriebsstätte auch gleichzeitig der indischen Gerichtsbarkeit unterworfen ist. Es liegt natürlich im Interesse der Mutterfirma, die Haftung in Indien auf die indische Entität zu beschränken. Eine Vertretung der österreichischen Gesellschaft vor den indischen Behörden kann sehr schnell enorme Kosten verursachen.

Wie Sie eine Betriebsstätte vermeiden Auf Grund dieser Risiken ist es umso wichtiger, jedes für Indien ins Auge gefasste Vertriebsmodell hinsichtlich des (steuerlichen) Betriebsstätten-Risikos genauestens zu prüfen. Ein paar „Best Practices“ und Anhaltspunkte seien hier exemplarisch genannt. In der Realität ist aber jeder Fall individuell zu prüfen. Zur Vermeidung einer Vertreterbetriebsstätte ist zum Beispiel die Gründung eines „Liaison Office“ der sicherste Weg. Es gibt aber auch Fälle, wo selbst das nicht nötig ist, weil die Unabhängigkeit des Repräsentanten auch anders sichergestellt werden kann. Bei Montageprojekten und Entsendungen ist auf eine äußerst präzise Vertragsgestaltung zu achten, um jede Angriffsfläche zu vermeiden. Anlagenbauern raten wir zu einer vorausschauenden und entsprechend sorgfältigen Vertragsgestaltung bei ihren Indien-Geschäften. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist dabei ein sogenanntes „Contract Splitting“ (Vertragssplitting). Die Warenlieferungen zwischen dem österreichischen Lieferanten und dem indischen Kunden („Offshore“) müssen vertraglich separat von den Montageleistungen geregelt werden. Dies führt dazu, dass jeder Leistungsbestandteil des Projektes eindeutig und für sich mit der korrekten Steuer versehen werden kann. Bei Entsendungen sind ganz klar strukturierte Angestelltenverhältnisse zurzeit sicherlich die beste Wahl zur Risikominimierung. Zur Not müssen Unterbrechungen in der Sozial- und Pensionsversicherung in Österreich privat abgedeckt werden.

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Das BETRIEBSSTÄTTEN-Risiko in Indien

Es ist passiert: Ich habe bereits eine Betriebsstätte wider Willen: Was kann ich tun? Am besten vermeidet man das Betriebsstätten-Risiko natürlich gleich von Anfang an. Und selbst wenn solche Risiken erst seit kurzem bestehen, sind sie doch im Allgemeinen noch „gut kontrollierbar“ und können ohne erheblichen Aufwand bereinigt werden. Außerdem ist im Anfangsstadium die Wahrscheinlichkeit (hoher) Strafen eher gering. Wenn eine Konstellation aber bereits mehrere Jahre besteht, ohne dass sie entdeckt und angezeigt wurde, ist die denkbar schlechteste Strategie, hier einfach in gewohnter Form weiter zu machen. Durch die zunehmende Digitalisierung hat sich das Entdeckungsrisiko deutlich erhöht. Der indische Staat hat großes Interesse an Auslands-Investitionen und ist ein durchaus konstruktiver Gesprächspartner, wenn es darum geht Lösungen für internationale Unternehmen zu finden. Aber natürlich reagieren die indischen Behörden empfindlich, wenn sie das Gefühl haben, dass dem Staat Steuern vorenthalten werden.

Über den Autor DI (FH) Wolfgang Bergthaler ist Österreich-Repräsentant der Indienberatung Dr. Wamser + Batra GmbH. Dr. Wamser + Batra betreut mit 55 Mitarbeitern mittelständische Unternehmen aus Europa bei der Planung, Umsetzung, Kontrolle und Optimierung von Geschäftsaktivitäten und Projekten in Indien. Wolfgang Bergthaler beschäftigt sich seit mehr als 10 Jahren intensiv mit dem indischen Markt und teilt seine Erfahrungen als Berater, Autor und Blogger.

DI (FH) Wolfgang Bergthaler Repräsentant Österreich Strauchergasse 13 · 8020 Graz · Austria T +43 699 10338861 bergthaler@wamser-batra.com · www.wamser-batra.com Dr. Wamser + Batra GmbH Bergstrasse 152 · 44791 Bochum · Germany Rechtsform: GmbH · Sitz: Bochum · Handelsregister: HRB 11225 beim Amtsgericht Bochum USt-IdNr.: DE814852888 · Geschäftsführer: Mike D. Batra · Dr. Johannes Wamser Dr. Wamser + Batra GmbH Dr. Wamser + Batra India Pvt. Ltd. WB Management Consulting Pvt. Ltd. WB&K Iran Consulting

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