Konzertkritik Dachau

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Montag, 29.

April 2013

Barock’n’Roll Dachau - Barockmusik ist immer eine todernste Angelegenheit? Nicht, wenn L’Accademia Giocosa und ihr Flötenvirtuose Maurice Steger dreihundert Jahre alte Unterhaltungsmusik vorführen! Zum Abschluss des Schlosskonzert-Frühjahrs ist den Veranstaltern ein Publikums-Hit gelungen.

L’Accademia Giocosa - die Fröhliche Musikschule - nennen sich frei übersetzt die neun jungen Instrumentalisten, die sich vornehmlich aus den Reihen des


Bayerischen Rundfunk-Symphonieorchesters rekrutiert haben. Ergänzt werden sie durch Solisten wie Maurice Steger. Ihr Spezialgebiet: Die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts auf Originalinstrumenten aufzuführen. Ein Reiz des Abends war also,

den Unterschieden zu den heute gängigen Instrumenten nachzusinnen: Der Ton der Barock-Saitenklangkörper wirkt leichter als der ihrer heutigen Nachfolger, dabei etwas rauer und individueller. Die damaligen Holzblasgeräte, namentlich das Fagott und die beiden Oboen, muten hingegen etwas weicher an. Gemeinsam mit dem Basso-Continuo-Cembalo betonen sie jedoch eine gewisse Distanz der damaligen Epoche zu unserer heutigen.

Umso überraschender, wie gut es den Interpreten gelang, einen Bogen zu ihrem Publikum zu schlagen. Die Ouvertüre Jan Dismas Zelenka (1679-1745), vermutlich geschrieben für den Dresdner Hof, diente der Klanggewöhnung. Interessanter wurde es bei Antonio Vivaldis (1679-1745) Konzert für Blockflöte „Il Gardellino“ (RV 90a). Nicht zuletzt, weil nun Maurice Steger die Bühne betrat und ab da - man muss es sagen - den Renaissance-Saal des Dachauer Schlosses regelrecht beherrschte.

Der 42-jährige Flötist ist ein Entertainer ersten Ranges, ein Bühnentier. Beim „Gardellino“ (Cardellino, ital. Distelfink) drängte sich die Assoziation zu Mozarts Papageno geradezu auf - Steger, ein Schweizer, umgarnte sein Publikum wie die Zauberflöten-Figur seine Papagena.

Spannender Höhepunkt des Abends: Als Steger in Georg Philipp Telemanns Konzert in e-Moll für Block- und Traversflöte (TWV 52: e1) in Henrik Wiese einen gleichwertigen Partner fand. Die beiden jagten sich musikalisch durch den Saal - selten hat

man das populäre Werk mit einem derartigem Verve und Tempo gehört. Das war Barock’n’Roll pur, die Dachauer Zuhörer waren begeistert. Hätte zu diesem Zeitpunkt im Schlossrestaurant eine elektrisch verstärkte Band ihr Wesen getrieben (wie im vergangenen Jahr), deren Publikum hätte wohl vermutlich indigniert zur Decke geblickt und sich anderntags beschwert. Auch nach der Pause ging es

munter weiter: Telemanns Quartett für Flöte, Oboe, Violine und Cembalo (TWV 43: a3) zeichnete sich durch einen lyrischen Zweigesang des großen Holzblasinstruments

(Makiko

Kurabayashi)

und

Stegers

Flautino

aus.

Zelenkas

„Hipocondrie“ - ein elegisches Krönungswerk - machte auf weitere Werke des Zeitgenossen und Kollegen Johann Sebastian Bachs (1685-1750) neugierig; vermutlich kannten sich die beiden recht gut.


Bei Vivaldis Konzert in C-Dur für Blockflöte begann die musikalische Volksseele wieder zu kochen, speziell bei den beiden schnellen Ecksätzen. Eine Zugabe war unvermeidlich. Steger ließ sein Publikum abstimmen: „Wollen Sie lieber ein ruhiges Gute-Nacht-Stück oder eine weitere Zirkusnummer?“ Die Wahl fiel eindeutig, etwa

drei gegen 497, für das Spektakel aus. Anschließend: wieder lauter Jubel, viele heiße Hände. Zum Glück müssen die Schlosskonzert-Freunde nicht bis zum Oktober warten. Schon am 11. Mai wird in dessen „wunderbaren Saal“ (Steger) ein Benefizkonzert

für das israelische Kaplan Medical Center Rehovot aufgeführt. Auf dem Programm des Orchester Jakobsplatz München stehen Werke von Mozart, MendelssohnBartholdy und Dvorák. (kra)


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