"embodying colour"

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Joachim Bandau M端ller Emil Michael Post Ann Reder Gert Riel Eduard Tauss Heiner Thiel Jeremy Thomas Bill Thompson Roy Thurston Matthew Tyson



embodying colour Kunsthalle Wiesbaden

Edition PT



Grußwort der Kulturdezernentin der Landeshauptstadt Wiesbaden Rose-Lore Scholz Greeting by the Cultural Affairs Director of the state capital Wiesbaden Rose-Lore Scholz Translation Sabine Reul

Es ist mir eine Freude, zehn international arbeitende Künstler und eine Künstlerin im Kunsthaus zu Gast zu haben, die sich undogmatisch der klassischen und zugleich stets wandelbaren konkreten Kunst verschrieben haben. Ideengeber für diese Ausstellung, in der der Dialog von Körper und Farbe und die Gleichberechtigung ihrer Erscheinungsformen die zentrale Rolle spielen, sind der Maler-Bildhauer Michael Post und der Bildhauer-Maler Heiner Thiel, die seit vielen Jahren zusammen arbeiten und erfolgreich Projekte entwickeln. Aus der Einladung des Kulturamtes, eine Zwei-Mann-Schau in der Kunsthalle auszurichten, machten Post und Thiel eine 11-Mann-Frau-Schau, die einen Einblick in die unterschiedlichen Entwicklungsrichtungen und zeitgenössischen Ausformungen dieser Kunst zu geben vermag. Sie vereint elf Positionen, die ohne die Kennerschaft der beiden Kuratoren nie und nimmer bei uns zusammen gekommen wären. Sie rückt eine Kunstrichtung in den Blick, die zur Zeit wieder in Deutschland, Europa und in den USA diskutiert wird. Sie ist geistig anspruchsvoll und in ihrer Qualität und Ästhetik auf höchstem Niveau, womit ihre Rezeption durchaus zu einem großem Vergnügen werden kann. Der zur Ausstellung entstandene Katalog hilft uns dabei mit klugen Texten über die Kunst und die Künstler sowie Abbildungen, die die Universalität und Aktualität dieser künstlerischen Sprache und Positionen reflektieren. Diese Ausstellung mit Werken von Joachim Bandau, müller-emil (CH), Michael Post, Ann Reder, Gert Riel, Eduard Tauss (A), Heiner Thiel, Jeremy Thomas (USA), Bill Thompson (USA), Roy Thurston (USA) und Matthew Tyson (F) wird weit über Wiesbadens Grenzen hinaus wahrgenommen werden. Hier ist der Nukleus, von dem aus der aktuelle künstlerische Diskurs in weitere Ausstellungshäuser in Europa und den USA getragen wird – dafür bin ich den beiden Kuratoren und den Künstlern sehr dankbar. Ich danke Allen, die beim Zustandekommen von Ausstellung und Katalog geholfen haben und die Ausstellungstournee unterstützen. Ich wünsche der Ausstellung Aufmerksamkeit, Erfolg, und fruchtbare Diskussionen. It is with great pleasure that we welcome eleven international artists as guests to the Kunsthalle Wiesbaden. This group of artists have committed themselves, without dogma, to concrete art, a genre that, whilst classical, is still in continuous transformation. Painter-sculptor Michael Post and sculptor-painter Heiner Thiel have worked together and have collaborated in many successful projects for many years. They are the initiators of this exhibition, devoted to the dialogue between body and colour and the equal value of their various forms of presentation. Following an invitation from the Office of Cultural Affairs to present a two-man show in the Kunsthalle Wiesbaden, Michael Post and Heiner Thiel decided to propose an 11 person show, which would provide an insight into the different developmental strands and contemporary manifestations of concrete art. The exhibition thus presents eleven different positions, which would not have been assembled here without the expertise of these two curators. The exhibition draws attention to a direction in art, which is once again being discussed in Germany, Europe and the United States. This project is intellectually ambitious and is of both the highest quality and aesthetics. It is therefore with great pleasure that the Kunsthalle Wiesbaden presents this work. The catalogue for the exhibition with its informed texts about art and the artists along with reproductions helps us reflect on the universality and contemporary importance of this form of artistic language and its varied positions. This exhibition with works by Joachim Bandau, müller-emil (CH), Michael Post, Ann Reder, Gert Riel, Eduard Tauss, Heiner Thiel, Jeremy Thomas (USA), Bill Thompson (USA), Roy Thurston (USA) und Matthew Tyson (F) will be appreciated far beyond Wiesbaden. Here is the nucleus from which this current artistic discourse will be carried to several other art spaces in Europe and America – for which I am very grateful to the two curators and the artists. I thank everyone who assisted in the development of the exhibition and catalogue and supports the consequent tour of this exhibition. I wish that this exhibition attracts much attention, success and leads to many fruitful discussions. 5


Vorwort der Kuratoren Foreword by the curators Heiner Thiel und Michael Post Translation Sabine Reul

Vor etwa zwei Jahren lud uns das Kulturamt Wiesbaden ein, in der Kunsthalle Wiesbaden eine Ausstellung zu realisieren. Geplant war zunächst die Präsentation eigener neuer Arbeiten, doch, angeregt durch diese erfreuliche Perspektive, wurde in uns der Gedanke wach, der Stadt vorzuschlagen, dieses Vorhaben zu erweitern. Unser Wunsch war es, eine Ausstellung zu kuratieren, in der wir mit weiteren Kollegen farbige, plastische Arbeiten zeigen würden, in deren Werken der Dialog zwischen Form und Farbe eine zentrale Rolle spielt. Die Stadt stimmte dieser Idee zu und so konnten wir im Herbst letzten Jahres mit den Ausstellungsvorbereitungen für embodying colour beginnen. Zusammen mit dem Kulturamt haben wir neun weitere, international agierende Kollegen eingeladen, in deren Arbeiten, ähnlich den unsrigen, die Gleichberechtigung und die Wechselwirkung skulpturaler wie malerischer Erscheinungsformen ihren Ausdruck finden. In der aktuellen Auseinandersetzung dieser Künstler wird das Zusammenspiel von zwei- und dreidimensionaler Präsenz durch die jeweilige Wirkung des Materials und der Farben, welche in unterschiedlichsten Techniken angewendet werden, bestimmt. Die Exponate stehen stellvertretend für ein Generationen übergreifendes und immer wieder neu formuliertes Phänomen unserer Perzeption farbiger Plastik: Die Existenz flächiger Eigenschaften eines Bildes, die hier im realen Raum latent in den Objekten enthalten sind, wird zum Teil unserer Wahrnehmung der jeweiligen Gesamterscheinung dieser Objekte. Hinweise auf überkulturelle und historische Bezüge, in deren Folge diese Werke zu verstehen sind, lassen sich in der konkreten Kunst Europas, genauso wie in der abbildfreien und minimalistischen Kunst der USA, wiederfinden. Die Künstler und ihre Arbeiten haben wir im Kontext unserer Reisen und eigener Ausstellungen im In- und Ausland kennen und schätzen gelernt. Wir haben diese Auswahl getroffen, um Übereinkünfte eines gemeinsamen Denkens im Rahmen dieser Ausstellung genauso sichtbar werden zu lassen wie die, auf den sehr persönlichen Arbeitsweisen aufbauenden, individuellen künstlerischen Findungen. Uns ist bewusst, dass sich mit den ausgewählten Exponaten nur begrenzt die gegenwärtig facettenreiche Weiterentwicklung dieser Positionen aufzeigen lässt. Wir haben die Chance für dieses Projekt genutzt, um im Dialog mit unseren Kollegen unsere Erkenntnisse und die damit verbundenen ästhetischen Vorlieben zum Gegenstand der Betrachtung zu machen. Die Oberflächen der Werke reichen von der klassischen Bemalung bis hin zu heutiger, industrieller Farbveredelung, wie sie auch im Design Verwendung findet. Die durch das Licht aktivierte Wirkung farbiger Wirklichkeit lässt sich hier an den vielfältigen, materiell geschaffenen Voraussetzungen ablesen, von Licht absorbierender, opaker Bemalung bis hin zu Hightech-Glanzlackierungen mit reflektierender Spiegelwirkung. Innerhalb unserer thematischen Festlegung haben wir uns bei der Werkauswahl von der Schönheit ihrer Erscheinung und ihrer Fähigkeit zur visuellen Bereicherung von embodying colour leiten lassen. Wir verstehen diese Ausstellung auch als eine Hommage an das mittlere und das kleine Format, weil wir feststellen konnten, dass gerade solche Kunstwerke oftmals präsenter sind als großformatige Objekte. Wir möchten uns sehr herzlich bei unseren Kollegen für ihre Bereitschaft bedanken, dass sie unser Projekt unterstützt haben! Bei unseren Atelierbesuchen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, in Frankreich und den USA haben wir alte Freunde wiedergetroffen und neue hinzugewonnen. Wir sind den Kollegen außerordentlich dankbar dafür, ihnen in ihren jeweils extrem unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen begegnet sein zu dürfen. Die Gespräche mit ihnen haben uns beflügelt, mit großer Begeisterung embodying colour zu realisieren. Ein großer Dank geht an Wiesbadens Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz, die uns das Vertrauen entgegengebracht hat, die Ausstellung und den Katalog zu realisieren. Unser Dank gilt insbesondere Isolde Schmidt, Christine Wagner-Hübinger und Heidi Bastian vom Kulturamt Wiesbaden, die unseren Vorschlag, Wiesbaden zum impulsgebenden Ort für embodying colour zu machen, aufgenommen, uns in jeder Phase der Realisierung umfassend und detailliert geholfen und uns in dem Vorhaben, die Ausstellung in weiteren Städten zu zeigen, unterstützt haben. Wir bedanken uns beim Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz, insbesondere bei Kulturstaatssekretär Walter Schumacher, für die finanzielle Unterstützung des Kataloges. Unser Dank gilt weiterhin den Galeristinnen Charlotte Jackson, Santa Fe / New Mexico, und Renate Bender, München, für ihre Beratung und freundliche Unterstützung bei der logistischen Abwicklung von Transporten. Wir danken dem Galeristen Peter Lindner, Wien, sowie der Galeristin Mariette Haas, Ingolstadt, für ihre Unterstützung, die Ausstellung in weiteren Städten zu zeigen und für die Nutzbarmachung ihrer Kontakte. 6


Wir bedanken uns sehr herzlich bei Matthias Bleyl für seinen einleitenden Textbeitrag, der ganz wesentlich zur Erhellung der Thematik beiträgt. Wir danken allen Autoren, die dem persönlichen Wunsch „ihrer“ Künstler nachgekommen sind und mit ihren Textbeiträgen einem besseren Verständnis der ausgestellten Werke und der Korrelation von Theorie und Werk dienen. Last but not least bedanken wir uns sehr herzlich bei Sabine Reul und Irmgard Hölscher für die kongenialen Übersetzungen der Texte, sowohl vom Englischen ins Deutsche als auch vom Deutschen ins Englische.

Approximately two years ago, the Cultural Affairs Office of the City of Wiesbaden invited us to arrange an exhibition in the Kunsthalle Wiesbaden. A presentation of new works of our own was initially planned, but – inspired by this fortunate perspective – the idea of proposing an expansion of this project to the city began to occur to us. Our aim was to curate an exhibition in which we would present a group of coloured works together with other colleagues in whose pieces the dialogue between form and colour plays a key role. The city agreed to this idea, and so we were able to begin preparing the exhibition embodying colour in the autumn of last year. In cooperation with the Cultural Affairs Office, we invited nine other international artists in whose works, comparable to our own, the interaction between the sculptural and painterly elements find expression. The current work of these artists is defined by the interplay of a two- and three-dimensional presence caused by the respective effect of the material and the colours, which are applied to it, using the most diverse techniques. This exhibit is a phenomenon in respect of our perception of coloured visual art, an oeuvre, which has existed for many generations and keeps being reformulated anew. The ambiguity between the two dimensional and the three dimensional, which is latent in these objects, is their real space and thus becomes, in part, our perception of their overall appearance. References to both universal and historical relationships in whose context these works are to be understood are found in European concrete art as well as the non-representational and minimalist art of the USA. We have come to know and appreciate these artists and their works during our travels and through our own exhibitions in Germany and abroad. Our selection for this exhibition aimed to render visible both the correspondences of a shared approach and the individual artistic discoveries arrived at through the very personal work practice of the different artists. We know that the exhibits selected can demonstrate the current diverse developments of these and similar positions only to limited extent. We have used the opportunity of this project to make our insights and the associated aesthetic preferences an object of contemplation in dialogue with our colleagues. The surfaces of the works extend from classic painting to contemporary industrial colour finishes such as those applied in design. The effect of colour activated by light can be attributed to the many various materials employed and how they are used: from, light-absorbing opaque paint to high-tech glossy lacquer with its reflective mirror effect. Our thematic focus was guided by a selection of works whose appearance made them best suited to enrich embodying colour visually. We regard this exhibition as homage to the mid-sized and small format. We found that it is precisely these objects that more often than not have greater presence than large-format pieces. We would cordially like to thank our colleagues for being prepared to support us in this project! During our studio visits in Germany, Austria, Switzerland, France and the USA, we met old friends and gained new ones. We are exceptionally grateful to our colleagues for allowing us to meet them in their own very different living and working environments. The discussions with them inspired us to implement embodying colour with even greater enthusiasm. A big thank you goes to the Director of the Cultural Affairs Office of Wiesbaden, Rose-Lore Scholz, who entrusted us with the implementation of the exhibition and catalogue. Our special thanks are due also to Isolde Schmidt, Christine Wagner-Hübinger and Heidi Bastian at the Cultural Affairs Office who took up our proposal to make Wiesbaden the catalysing location for embodying colour. They assisted us comprehensively at every stage and in so many details. They also supported us with our plan to go on and present this exhibition in other cities. We thank the Ministry of Education, Science, Further Education and Culture of the state of Rhineland-Palatinate, and, in particular, Secretary of State for Culture, Walter Schumacher, for financial support for the publication of the catalogue. We also thank the gallery owners Charlotte Jackson, Santa Fe / New Mexico, and Renate Bender, Munich, for their advice and friendly support in the logistical organisation and transport of works. We thank the gallery owners Peter Lindner, Vienna, and Mariette Haas, Ingolstadt, for their support for our plan to present the exhibition in other cities and for making their contacts available to us. Our very cordial thanks are due to Matthias Bleyl for his introductory catalogue essay which elucidates and explains the theme of this exhibition. We thank all authors who fulfilled the wish of “their” artists and wrote texts that ensure a better understanding of the works presented and the correlation between the theory and the work of art. Last but not least, we thank Sabine Reul very cordially for the congenial translations of the texts, both from German into English and vice versa. 7


Farbe folgt Form Heutige Konsequenzen einer alten Problemstellung Matthias Bleyl Es hat in letzter Zeit gelegentlich durchaus gelungene Versuche gegeben, Positionen und Entwicklungen der Malerei, also von der Flächenfarbe ausgehend, zum Körper und zum Raum hin darzustellen, die sich besonders seit den 1960er Jahren bis in die Gegenwart hinein finden.1 Das gestalterische Problem der bildhauerischen Form, der die Farbe folgt, wird dagegen in Ausstellungen derzeit nur selten thematisiert, falls überhaupt. Um massives Interesse dafür dokumentiert zu finden, muss man schon gut 30 Jahre zurückschauen.2 Es handelt sich bei dieser Problematik sozusagen um den umgekehrten Weg des erstgenannten Ansatzes. Erobert sich dabei die Farbe die dritte Dimension, so gewinnt diese hier die Farbe. Es geht um dreidimensionale Objekte, die von ihren Schöpfern von vornherein farbig gedacht und entsprechend hergestellt werden, unabhängig von den farbgebenden Verfahren. Zu unterscheiden hiervon sind Installationen farbiger Objekte, wobei häufig vorgefundene, eigenfarbige Gegenstände meist industrieller Produktion verwendet werden. Wenn sich die Malerei die dritte Dimension erobert, liegt eine von ihrer historischen Gebundenheit an die Fläche abweichende, neuartige mediale Erweiterung vor, die noch nicht lange zu beobachten ist. Dagegen ist das Phänomen und Problem der Farbe in der Skulptur ein sehr altes. Auch wenn es durch farbige Kunststoffe und entsprechende Gußverfahren mittlerweile auch in der Substanz farbige Objekte gibt, gilt doch im Allgemeinen, dass die Farbe der Form appliziert wird: Farbe folgt Form. Dennoch lässt sich die Form schon in Hinsicht auf die notwendig hinzutretende Farbe entwerfen, indem ihre Wirkung von vornherein beabsichtigt und mitgedacht wird. Es ist dabei kein wesentlicher Unterschied, ob eine spätgotische Holzfigur in langwieriger Handarbeit eine farbige Fassung erhält, oder ob industriell hergestellte Objekte ebenfalls industriellen Verfahren wie Eloxieren oder Emaillieren unterzogen werden. Farbe tritt zur Form hinzu, doch hat dies erhebliche Rückwirkungen auf diese. Dreidimensionale Kunst wurde zu fast allen Zeiten farbig gefasst. Heute wissen wir, dass auch die lange Zeit lediglich als ausschließlich steinsichtig eingeschätzten Skulpturen und Reliefs der Antike keineswegs nur den blendend weißen Marmor sehen ließen, sondern oft eine durchaus nicht immer nur zurückhaltende Buntfarbigkeit zeigten. Wie einschneidend die Applikation von Farbe ein dreidimensionales Objekt verändert, zeigen sehr anschaulich die Farbrekonstruktionen antiker Bildwerke auf der Basis neuester naturwissenschaftlicher Erkenntnisse3, die mit unserer lange eingeübten Seherfahrung nur steinsichtiger Skulpturen kollidieren. Ebensolches Staunen ergibt sich, wenn der an witterungsbedingt ausgewaschene und übermäßig gereinigte Portalskulpturen des Mittelalters gewöhnte Betrachter z.B. vor die durch eine Turmvorhalle geschützte, mittlerweile restaurierte „Goldene Pforte“ des Freiburger Münsters tritt und die Figuren in Farbrhythmen sieht, die der parataktischen Anordnung ihrer dreidimensionalen Träger zu widersprechen scheinen. Den Skulpturen und Reliefs mittelalterlicher Kirchenportale würde sich heute kein Verantwortungsträger mehr mit groben Reinigungsmethoden nähern, um Schmutz samt Farbresten zugunsten des noch im 19. Jahrhundert gängigen Ideals vermeintlicher Steinsichtigkeit zu beseitigen, weil wir inzwischen um deren ursprünglich teilweise lebhafte Farbfassung wissen und die spärlichen Reste zu konservieren trachten. Dem Mittelalter, dem Barock und dem Rokoko war die farbige Skulptur eine Selbstverständlichkeit, und selbst die der Antike nachstrebende Renaissance pflegte sie. Porträtbüsten waren mehr oder weniger farbig gefasst, wie übrigens auch ihre Vorbilder der römischen Antike, und auch Holzfiguren, wie die von Donatello, waren farbig, worauf man nur bei Marmor und Bronze weitgehend verzichtete, von Teilvergoldungen abgesehen. Selbst die holzsichtigen Figuren Tilman Riemenschneiders lassen bei genauer Betrachtung eine zurückhaltende Akzentuierung durch monochrome Tönungen erkennen. Nur während des überzogen Rekurs auf die Antike nehmenden Klassizismus ist die Bevorzugung farbloser Bildwerke festzustellen, wohingegen sonst farbig gefasste und ungefasse Skulpturen gleichberechtigt nebeneinander existierten, wobei auch der Aspekt der Materialfarbigkeit, etwa in den Monumenten Gian Lorenzo Berninis im 17. Jahrhundert, eine Rolle spielte. Der Grund für die zeitweise Bevorzugung der unfarbigen Bildwerke dürfte in dem ideologisch postulierten Grundgegensatz von Idea und Imitatio, also von der Unterscheidung in ideale Kunst und banale Natur zu finden sein4, oder generell, im Gegensatz von Sein und Schein. Galten nämlich ungefasste Figuren als Träger einer verallgemeinerbaren Wahrheit, so mussten farbige, besonders naturalistische Figuren geradezu als Konkurrenten zur Natur und damit als überflüssig und banal eingeschätzt werden, im Extrem allenfalls gut für die kurzzeitige Verblüffung im populären Wachsfigurenkabinett. Die grundsätzliche Voraussetzung dafür war einerseits eine gegenständliche Darstellung, wie sie über Jahrhunderte unhinterfragt praktiziert wurde und wie es sie selbstverständlich auch heute noch gibt, und andererseits eine möglichst vollplastische Darstellung, die mit dem Betrachter den gleichen Existenzraum teilt. In der Moderne gilt nicht mehr die alte Arbeitsteilung in den Bildschnitzer und den das Werk vollendenden Fass- oder Staffiermaler, sondern die Künstler des 20. Jahrhunderts waren normalerweise beides in einer Person, unabhängig davon, ob ein Bildhauer die Farbe einsetzte oder ein Maler in die dritte Dimension vordrang. Es lässt sich beobachten, dass einige Künstler eine farbige Wirkung sehr oft, jedoch keineswegs ausschließlich, durch gezielten Einsatz der Materialfarbigkeit erreichten, und zwar sowohl Maler als auch Bildhauer. Hier geht es dagegen in erster Linie um den Einsatz von zusätzlich applizierten Buntfarben, doch zeigt sich dabei, dass auch genuine Maler, wenn sie plastisch gestaltet haben, deswegen keineswegs 1 Aufbruch – Malerei und realer Raum. Ausst.-Kat. Bochum, Kaiserslautern, Berlin, Würzburg, Rostock 2011/13; Nur was nicht ist ist möglich: Malerei im Raum. Museum Folkwang, Essen 2013; Farbe – Raum – Farbe: Farbe und Raum in der zeitgenössischen Kunst. Georg-Kolbe-Museum, Berlin 2013. 2 Im Jahr 1980 zeigte das Westfälische Landesmuseum Münster sowie das Kunsthaus Zürich die von Ernst-Gerhard Güse konzipierte Ausstellung „Reliefs – Formprobleme zwischen Malerei und Skulptur im 20. Jahrhun-dert“ mit zahlreichen Beispielen farbiger Werke, 1982 publizierte Andreas Franzke das Buch „Skulpturen und Objekte von Malern des 20. Jahrhunderts“ und 1983 erschienen im April und Juni Bd. 60 und 62 des Kunstfo-rum International unter dem Titel „Skulptur und Farbe“ I und II, im August des selben Jahres folgte die 4. Bre-mer Skulpturenausstellung in der Weserburg sowie im öffentlichen Raum unter dem gleichen Titel. Für die bei-den letztgenannten lieferte Bernhard Kerber grundlegende Einführungstexte. 3 Vinzenz Brinkmann, Andreas Scholl (Hrsg.): Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skulptur. München 2010 4 Karina Türr, Farbe und Naturalismus in der Skulptur des 19. und 20. Jahrhunderts, Mainz 1994, S. 8ff.

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ungehemmten Gebrauch von der ihnen sonst virtuos zu Gebote stehenden Farbe gemacht haben.5 Gerade sehr farbbezogene Maler wie Henri Matisse, Max Beckmann, Jean Fautrier, Willem de Kooning oder Barnett Newman haben im Ausnahmefall – keineswegs ausnahmslos geglückte – formbetonende Modelle für klassische Bronzefiguren geschaffen, und Surrealisten wie Joan Mirò und Max Ernst, aber auch Pablo Picasso, haben sogar durch den vereinheitlichenden Bronzeguss die materielle Heterogenität ihrer neuartigen Objektfindungen bewusst aufgehoben. Keine Scheu vor Farbe hatten dagegen Maler, die sich grundsätzlich für die narrativen Farbqualitäten vorgefundener Materialien aus der Konsumwelt interessierten oder diese uneingeschränkt hinnahmen, wie etwa Künstler der Pop Art oder deren unmittelbare Vorläufer, z.B. Robert Rauschenberg. Seit der Aufgabe der figürlichen Darstellung hat die Kunst, gerade auch die dreidimensionale, keine Berührungsangst vor der Farbe. Seit dem zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts finden sich sowohl in West- als auch in Osteuropa deutlich geometrisch geprägte plastische Werke, für die bereits die teilweise erst später geprägten Begriffe konkret und konstruktiv Gültigkeit haben. Abgesehen von der Materialfarbigkeit wurde, sowohl in West- wie in Osteuropa, bereits mit farbigen bzw. farbig gefassten Elementen komponiert, wie etwa von Georges Vantongerloo, Giacomo Balla, Konstantin Medunetski oder Katarzyna Kobro. So wie etwa skulpturale Werke Vantongerloos oder die Möbelentwürfe Gerrit Rietvelds farbig gefasst wurden, berühren oder durchdringen sich freie Kunst und Design auch in der späteren konkreten Kunst Zürcher Prägung, besonders im Werk von Max Bill, womit das ausschließlich ästhetisch fungierende Kunstwerk in die Lebenswelt integriert werden konnte. Das Erscheinungsbild konkreter Kunst hat sich jedoch – nicht nur, aber gerade auch im Bereich dreidimensionaler Gestaltung – seit den 60er Jahren, besonders durch die Erfahrungen der amerikanischen Minimal Art, erheblich erweitert. Die Minimal Art bediente sich einiger bildnerischer Strategien, die denen der konkreten Kunst6 in Europa durchaus ähneln, z.B. präzise, meist geometrische Formen, einfache mathematische Operationen und a-kompositionelle Strukturbildungen sowie Farbgebungen ohne erkennbare Spuren manueller Tätigkeit. Die dabei entstandenen, neuartigen Werke wurden bald als Specific Objects bezeichnet7. Erst das Bemühen um die Aufweichung der harten minimalistischen Strukturen, etwa durch Verwendung organischer Materialien, Thematisierung des künstlerischen Handelns sowie neuartige Ordnungskriterien im Zuge der in der zweiten Hälfte der 60er Jahre besonders von Robert Morris propagierten Post-Minimal Art8 bedeutete eine ungeahnte Bereicherung der bisherigen Möglichkeiten. Dabei intendierten und leisteten Minimal und Post-Minimal Art eine kategoriale Betrachteraktivierung, die traditionelle konkrete Kunst in diesem Maß nicht ermöglicht und auch nicht anstrebt. Ihr kam es auf das Ausschöpfen bildnerischer Möglichkeiten, jenseits der Abbildung oder Abstraktion, rein mittels der konkreten Gestaltungsmittel (Fläche, Farbe, Raum), sowie deren zerebralen Nachvollzug an, so dass Max Bill folgerichtig von den Werken behaupten konnte: „sie werden zu gegenständen, zu optischen und geistigen gebrauchsgegenständen.“9 Der Minimal Art und den aus ihr ableitbaren Strömungen ging es dagegen eher darum, dem Betrachter „paradigmatische Erfahrungsmöglichkeiten zu eröffnen.“10 Es lassen sich tatsächlich in der konkreten dreidimensionalen Gestaltung nach den 60er Jahren11 zahlreiche neue bildnerische Strategien finden, von denen der Verzicht auf den traditionellen Sockel zwar keine Erfindung dieser Zeit, wohl aber eine fast uneingeschränkt gültige Konstante sein dürfte.12 Weiterhin zählt hierzu – neben der Weiterverwendung „klassischer“ Bildhauermaterialien, wie Stein, Holz und Metalle, z.B. Eisen und Stahl – die Verwendung neuartiger Materialien. Zu nennen wären verschiedene Kunststoffe, die erstmals in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – etwa im Werk Naum Gabos – Eingang in die Bildhauerei fanden und sich seither fast grenzenlos vervielfacht haben, aber auch Gläser und Spiegel. Bei vielen Ausgangsmaterialien, etwa den Metallen, werden industriell vorgefertigte Halbzeuge (Bleche, Stangen oder Rohre) weiterverarbeitet, was von bewusster Verformung bis zur bloßen Akkumulation reichen kann. Hinzu kommen beispielsweise Schnüre oder Seile, Papiere und vielfach auch vorgefundene, neue oder auch abgenutzte Gebrauchsgegenstände. Statt der herkömmlichen subtraktiven oder additiven Bildhauerverfahren werden oft nur geringfügige Eingriffe vorgenommen, bei denen Material in kaum nennenswerten Mengen weggenommen oder zugefügt wird, was besonders bei Brüchen, Bohrungen oder Schnitten der Fall ist. Auch das Biegen, Knicken und Falten des Materials gehört zu den bildhauerischen Verfahren, die praktisch keine Materie verschleißen. Bei solchen grundsätzlichen Gestaltungsverfahren können auch die einem bestimmten Material inhärenten Qualitäten, etwa Flexibilität und Eigengewicht, formbildend eingesetzt werden. Auch heute findet sich noch vielfach eine gewisse Bevorzugung minimaler geometrischer Ordnungen für Werke der konkreten Kunst, doch kommen auch Verfahren der Werkfindung zur Anwendung, die dem Zufall größeren Raum lassen und deren Form dadurch kaum genau vorkalkuliert werden kann. Dies gilt etwa für solche Extreme wie das Absaugen der Luft aus stählernen Hohlkörpern, die sich unter Vakuum durch den bloßen Luftdruck verformen, oder im Gegenteil erst durch Druckluft gebläht werden. Mit der Aufgabe des menschlichen Körpers, sogar noch der abstrahierten Figur, als Darstellungsgegenstand der Bildhauerei und der bloßen Gestaltung der grundlegenden Elemente im Sinne konkreter Kunst ergibt sich bei der Anwendung der Farbe an der Skulptur ein Farbkörper. Was die Farbe gegenüber der reinen Form des Körpers zu leisten vermag, verdeutlicht das Gedankenexperiment, sich die nur einheitlich neutralfarbige Form vorzustellen, ohne jede buntfarbige Akzentuierung, wobei sich die Erscheinung im Wesentlichen auf raumbildendes Helldunkel reduziert.13 Je nach Sättigungsgrad der hinzutretenden Farbe, 5 Andreas Franzke, Skulpturen und Objekte von Malern des 20. Jahrhunderts, Köln 1982. 6 Im Folgenden wird bei Verwendung des feststehenden Begriffs Konkrete Kunst, gekennzeichnet durch die Verwendung des Großbuchstabens, das historisch abgeschlossene Phänomen gemeint – ungeach tet, dass seit dem Bauhäusler Herbert Bayer von Künstlern dieser Richtung, wie besonders Max Bill, die durchgehende Klein-schreibung obligatorisch wurde –, wohingegen bei Kleinschreibung, konkrete Kunst, das Adjektiv die allgemei-nen und damit auch heute noch gültigen Grundzüge dieser Richtung kennzeichnet. 7 Donald Judd. Spezifische Objekte, in: Gregor Stemmrich (Hrsg.), Minimal Art: Eine kritische Retrospektive. Dresden u. Basel 1995, S. 59-73. 8 Robert Pincus-Witten. Postminimalism. New York 1977. 9 Max Bill:, zitiert nach Margit Weinberg Staber (Hg.), Konkrete Kunst. Manifeste und Künstlertexte (= Stu-dienbuch 1, Stiftung für konstruktive und konkrete Kunst Zürich). Zürich 2001, S. 29-32, hier S. 29. 10 Max Imdahl, „Konkrete Plastik“, in: Max Imdahl, Zur Kunst der Moderne (Gesammelte Schriften, Band I), hg. von Angeli Janhsen-Vukićević, S. 312-315, hier S. 315. 11 Dies gilt unabhängig davon, ob sich ein Künstler als konkreter Künstler versteht oder nicht und bezieht sich ausdrücklich nicht auf die als historisches Phänomen abgeschlossene Konkrete Kunst unter der Deutungshoheit Max Bills. 12 S. Bernhard Kerber, „Zum Realitätsgrad der Plastik ohne Sockel“, in: Jahresring 24, 1977-78, S. 23-37.

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glänzender, transparenter oder absorbierender Oberflächen, Teil- oder Vollfärbung, Ein- oder Mehrfarbigkeit und andere Faktoren können sehr verschiedene Wirkungen erzeugt werden. Besonders deutlich wird dies auch, wenn eine Form sowohl mit einer bestimmten, als auch, in einer anderen Version, mit einer anderen Farbe gefasst ist. Bernhard Kerber hat treffende Möglichkeiten der Wirksamkeit von Farbe an der Form zusammengestellt: „Farbe kann das Volumen bestätigen oder ihm widersprechen, sie kann die expressiven Momente steigern, eine virtuelle Kinetik suggerieren, als Signal auftreten, Kontinuität oder Diskontinuität artikulieren, Farbräume erzeugen, ja sogar selbst als formbestimmende Komponente auftreten. Sie kann die Skulpturen aus den Bedingungen der Empirie, aus ihrer Abhängigkeit von Betrachterstandpunkt und Beleuchtung lösen. Vor allem aber kann Farbe – und das ist sicher ihre nobelste Fähigkeit – die Frage nach der Realität der Skulptur aufwerfen, von der Augentäuschung zur Geistestäuschung hinüberführen und Reflexion stimulieren.“14 Von diesen vor 30 Jahren formulierten Grundsätzen ausgehend bleibt zu fragen, was sich seither an den inzwischen entstandenen farbigen Objekten geändert hat. Bei Durchsicht der damaligen Publikationen lässt sich tendenziell feststellen, dass das Interesse damals auf weit überwiegend „grobförmigen“ und „grobfarbigen“ Werken lag, d.h. dass bildhauerische Lösungen ohne ausgeprägte Glättung des Werkprozesses mit einer oft nur teilweisen Farbfassung ebenfalls ohne säuberliche Ausführung festzustellen sind. Die zwar bereits am Computer entworfenen, aber handwerklich ausgeführten Arbeiten Isa Genzkens oder die lackierten Metallplastiken Bodo Baumgartens oder Michael Bolus‘ bildeten mit ihrer fast schon dem Design nahestehenden formalen wie farbigen Glätte eine Ausnahme. Eine mögliche Erklärung mag darin zu finden sein, dass die frühen 1980er Jahre die Zeit der sog. „Neuen Wilden“ in der Malerei war, also einer vorübergehend vom Kunstmarkt aufgeblähten Bevorzugung neo-expressiver Malerei, vor deren medialer Dominanz das Bewusstsein des Weiterbestehens anderer malerischer Ansätze geradezu verschüttet wurde.15 Entsprechend expressiv erscheint damals vielfach die Farbgebung bildhauerischer Objekte. Ähnliche Charakteristika mag es auch heute noch geben, doch würde eine heutige Anthologie sicher ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten zeigen. Daher setzt auch die vorliegende Ausstellung eindeutig einen anderen Akzent. Die hier gezeigten Werke zeichnen sich mehrheitlich gerade durch eine formale Glättung und eine analoge, auf wenige oder auch nur einen einzigen Ton beschränkte Farbgebung aus. Damit ergibt sich ein Erscheinungsbild, das tatsächlich Gemeinsamkeiten mit der Minimal Art und dem Design aufzuweisen scheint – Ausnahmen wie der Bezug auf eine komplexe Geometrie oder die gelegentliche (Zer-) Störung glatter Formen mögen diese Regel bestätigend durchbrechen. Galt eine solche Nähe vor einigen Jahrzehnten noch als verpönt, so hat sich dies mittlerweile geändert. Künstler wie z.B. Gerwald Rockenschaub oder Gerold Miller, die gezielt an der Schnittstelle von minimalistischer Kunst und Design operieren, waren damals kaum zu finden und wären wohl auch durchaus noch nicht allgemein positiv rezipiert worden. Es sei auch daran erinnert, dass einer der Hauptprotagonisten der Minimal Art selbst, Donald Judd, bereits 1973 auch Möbel entwarf und seine späten Design-Stücke sich kaum von seinen künstlerischen Arbeiten unterscheiden lassen. Inzwischen ist zudem ein Bewusstseinswandel eingetreten, der die bis zur gelegentlichen Ununterscheidbarkeit gehende Nähe von Kunst und Design – möglicherweise in Folge postmoderner Pluralität – akzeptabel erscheinen lässt. Die von den meisten Objekten gezeigte Farb-Form-Identität, gekennzeichnet durch eine der geglätteten Form analoge, homogene Farbigkeit, die das Objekt weniger als ein gefärbtes denn ein in der Substanz farbiges erscheinen lässt – eben einen Farbkörper –, ist vielfach auch Minimal-Art- wie auch Design-Objekten zu eigen. Allerdings muss hier genauer differenziert werden. Farbe stellt immer einen Bezug zur Welt, also zur Natur her, weshalb der idealistische Klassizismus sie zugunsten rein weißer Skulpturen verbannte und im Extremfall dem Wachsfigurenkabinett überließ. Mit der Beschränkung auf die Farblosigkeit sollte die reine Form betont werden. Aber selbst die ebenfalls stark idealistisch geprägte konkrete Kunst, die in der Kunst objektive Werte anstrebte, fand in der Farbe die durchaus gewollte Verbindung mit dem Leben. Bezeichnenderweise zog einer ihrer markantesten Vertreter, Max Bill, keine Gattungsgrenzen in seiner Kunst und Design übergreifenden Gestaltung. Design wurde von der Kunst lediglich durch seine Zweckgebundenheit unterschieden. Genauer gesagt haben sowohl Design als auch Kunst eine zweckgebundene Gebrauchsfunktion, nur eine jeweils verschiedene: Objekte des Design haben sie im praktischen Gebrauch, Objekte der Kunst im ästhetischen Gebrauch oder, nochmals mit Max Bills Worten: „sie werden zu gegenständen, zu optischen und geistigen gebrauchsgegenständen.“16 Die schöne Form kann also als Design-Objekt benutzt werden und zugleich erfreuen, d.h. praktisch und ästhetisch dienlich sein. Beim Kunstwerk ist die Benutzung auf den ideellen Bereich begrenzt, was einer ästhetischen wie geistigen Bereicherung entspricht. Legt man an Kunstwerke einige der Maximen an, die es gemäß der barocken Kunsttheorie erfüllen sollte, so gehört dazu, außer der Fähigkeit, ästhetisch zu erbauen (delectare), auch die zu belehren (docere). Bezog sich das im Barock auf eine auf ethische Inhaltlichkeit zielende Ikonografie, so kann sich dies in einer Kunst, die auf ikonografische Inhalte verzichtet, allein schon auf die Farbe beziehen. Bewusst eingesetzte Farbe lehrt Wahrnehmung, und das ist eine Fähigkeit, die ein Objekt des Design weder anstrebt noch besitzt. Diese Lehre aus der Betrachtung von Farbkörpern zu ziehen setzt voraus, dass der Betrachter sie daraufhin befragt. Ihm obliegt es daher, das von den Künstlern formulierte Angebot immer wieder dahin gehend zu verifizieren.

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Sehr deutlich lässt sich dies an einer dokumentierten Arbeit Eduardo Paolozzis nachvollziehen, die Kerber, Kunstforum, S. 52f u. 69, in zwei farbigen und einem endgültigen, ungefaßten Zustand zeigt. Kerber, Kunstforum, S. 28. Wolfgang Max Faust u. Gerd de Vries. Hunger nach Bildern: Deutsche Malerei der Gegenwart. Köln 1982. Wie Anm. 9.


Colour follows Form Present Outcomes of an Old Problem Matthias Bleyl Translation Sabine Reul

In recent times, in particular from the 1960s until today, we have seen occasionally successful attempts of a development in painting from traditional, surface painting, to a more three dimensional objectivity, including that of both body and space.1 The opposite, where sculptural form is followed by colour, is rarely a theme in exhibitions these days, if at all. One has to look back more than 30 years to find a period in which this later issue attracted strong interest.2 It is, as it were, the opposite of the process that I referred to first: in that instance; colour conquers the third dimension, whereas, in the second, colour is taken over by form. We are speaking of three-dimensional objects that are conceived by their creators, as coloured ones, from the start and therefore produced accordingly, regardless of the colouring procedure. Installations of coloured objects, which often use ready-made objects that have innate colour and are often industrially produced, are a different matter. When painting conquers the third dimension, what occurs is an extension of colour, a medium that has historically been bound to a flat surface. This is a fairly recent phenomenon, whereas colour in sculpture has a long history. Although coloured plastics and corresponding casting processes have yielded objects whose substance has its own innate colour, it is generally the case that colour is consequently applied to the form: Colour follows form. The form can, of course, already be designed with a view to the colour that is to be added later and part of the overall concept from the beginning. It makes no essential difference whether a late Gothic wooden figure is coloured, in an extended physical painting process, or whether industrial objects are subjected to equally industrial processes such as anodizing or enamelling. Colour is thus added to the form, but affects it profoundly. Three-dimensional art was coloured in almost all epochs. We now know that even the sculptures and reliefs of antiquity, which were long considered to have been uniformly stone-faced, were by no means gleaming white marble, but were often unrestrainedly colourful. The colour reconstructions of antique sculptures, based on the latest scientific techniques, show how decisively the application of colour changes a three-dimensional object.3 These results contradict our long held belief that these works were only stone-faced. Similar astonishment results when an observer, accustomed to mediaeval portal sculptures that have been washed out by the elements and/or excessively cleaned, suddenly stands before the now restored “Golden Portal” of Freiburg Cathedral and sees the multi-coloured rhythms, which seem to conflict with the paratactic arrangement of their three-dimensional structure. Today, nobody in charge of restoration would apply coarse cleaning methods to sculptures and reliefs on mediaeval church portals to remove both dirt and colour residues in order to achieve the conventional 19th century stone-face ideal. This is because we are now aware of their original, often lively, colouration and seek to conserve what little has remained of it. Coloured sculpture was the prevailing convention of the Middle Ages, Baroque and Rococo. Even in the Renaissance, which sought to emulate antiquity, it was common practice. Portrait busts were more or less coloured, as indeed their antique Roman precursors had been. Wooden figures, such as those by Donatello, were coloured. Colour was largely forsaken, apart from partial gilding, only when working with marble and bronze. Even the wood-faced figures by Tilman Riemenschneider, when inspected more closely, show a restrained accentuation using monochrome tinting. It was only during the excessive revisiting of antiquity during classicism can we see a preference for colourless works. Elsewhere coloured and uncoloured sculptures coexisted in equal rank. Material colouration played an important role, for example in the 17th century monuments of Gian Lorenzo Bernini. The temporary preference for uncoloured three dimensional works could have been caused by the ideological postulating during the fundamentalist conflict between idea and imitatio. In other words between ideal art and ordinary nature,4 or, more broadly, the contrast between true being and mere appearance. Whereas undecorated figures were regarded as bearers of a general truth, coloured and especially naturalistic objects were seen as veritable competitors of nature and hence as superfluous and banal, good at best for short-term bafflement in popular waxworks. The principal premise of this perception was, on the one hand, representational art, as it had been practiced, unquestioned for centuries and still in existence today, and, on the other, a sculptural representation, which shares the same existential space as the viewer. In modernity, the old division of labour between the carver and the painter of sculptural works or ornaments, who brought these pieces to fruition, no longer applies. The artists of the 20th century were often both at once, regardless of whether a sculptor used colour or a painter entered the third dimension. Some artists often, but not exclusively, achieved a colour effect by specific use of the material’s own colouration. This applies to both painters and sculptors. Here, we are concerned with the use of additional applied colour. However, we find that even genuine painters, when creating sculptural works, by no means made unrestricted use of the colours available and kept themselves to a fairly restricted palette.5 Especially very colour-oriented pain-

1 Aufbruch – Malerei und realer Raum. Exhib. cat. Bochum, Kaiserslautern, Berlin, Würzburg, Rostock 2011/13; Nur was nicht ist ist möglich: Malerei im Raum. Museum Folkwang, Essen 2013; Farbe – Raum – Farbe: Farbe und Raum in der zeitgenössischen Kunst. Georg-Kolbe-Museum, Berlin 2013. 2 In 1980 the Westfälisches Landesmuseum Münster and Kunsthaus Zürich presented the exhibition conceived by Ernst-Gerhard Güse “Reliefs – Formprobleme zwischen Malerei und Skulptur im 20. Jahr hundert” with many exemplars of coloured works. In 1982 Andreas Franzke published the book “Skulpturen und Objekte von Malern des 20. Jahrhunderts” and in April and June of 1983 vol. 60 and 62 of the magazine Kunstforum International appeared under the title “Skulptur und Farbe” I and II, followed in August of the same year by the 4th Bremen 3 Vinzenz Brinkmann, Andreas Scholl (Eds.): Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skulptur. Munich 2010 4 Karina Türr, Farbe und Naturalismus in der Skulptur des 19. und 20. Jahrhunderts, Mainz 1994, pp. 8ff. 5 Andreas Franzke, Skulpturen und Objekte von Malern des 20. Jahrhunderts, Cologne 1982.

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ters like Henri Matisse, Max Beckmann, Jean Fautrier, Willem de Kooning or Barnett Newman occasionally created – not always successfully–classic bronze figures by emphasising their form. Surrealists like Joan Mirò and Max Ernst, but also Pablo Picasso, deliberately erased the qualities of various materials which once cast in bronze became homogenised. On the other hand, painters who were principally interested in the narrative colour qualities of ready-made materials obtained from the consumer world, showed no fear of colour and accepted them without reservation. Good examples of this were the Pop artists and their direct predecessors, e.g. Robert Rauschenberg. Since figurative representation was abandoned, art and especially three-dimensional art no longer displays any reticence towards colour. Since the second decade of the 20th century, geometrically defined three dimensional works were created in both eastern and western Europe, to which the terms concrete and constructive, which were in fact coined later on, already apply. Other than the materials own innate colour, coloured compositions were made with painted elements, for example by Georges Vantongerloo, Giacomo Balla, Konstantin Medunetsky or Katarzyna Kobro. Colour was applied to sculptural works by Vantongerloo as it was to furniture by Gerrit Rietvelds, free art and design often became commingled in the subsequent ouevres of the Züricher Konkrete, especially in the work of Max Bill, whereby exclusively aesthetic works of art became integrated into the everyday world. The appearance of concrete art, especially (but not exclusively) in the field of three dimensional work, has broadened substantially since the 1960s. Specifically when looking at American Minimalism. This American Minimal Art employed some sculptural elements, which are similar to those of Concrete Art 6 in Europe, for example precise, usually geometric forms, simple mathematical operations and non-compositional structural formations and colour applications which have no discernible trace of manual intervention. These innovative works soon came to be called Specific Objects.7 It was only when artists attempted to dissolve the harsh minimalist structures, for instance, using organic materials, or by making the artistic process itself a theme of the work, or through the application of a new criteria of order did Post-Minimal Art 8 establish itself, especially artists like Robert Morris in the second half of the 1960s. A previously unexpected enrichment of potential manifested itself. Minimal and Post-Minimal Art activated the viewer, which had not necessarily been the role of traditional concrete art. Its aim was to utilise pictorial possibilities beyond representation or abstraction, purely by means of its concrete media (surface, colour, space) and their cerebral perception. Max Bill said about these works: “they become objects, optical and mental objects of use.” 9 Minimal Art, and the movements that evolved from it, were concerned with creating “paradigmatic experience possibilities” for the viewer.10 In concrete three-dimensional art after the 1960s11 we see many new artistic ideas. For example, the abandonment of the traditional pedestal, although not an invention of this period, a common standard which applied virtually without restriction.12 The use of new materials, alongside the “classic” metals, stone and wood, like iron and steel – became yet another characteristic. They included glass and mirrors, and a whole range of plastics, which were first used in sculpture in the early part of the 20th century – as seen in the work of Naum Gabo. For example, works made of prefabricated, semi-finished, metal goods (sheet metal, bars or pipes) were used and subjected to various procedures, ranging from deliberate deformation to mere accumulation. There were also string, rope, paper, and often new and used ready-made objects. These replaced the conventional subtractive or additive sculpting processes, limited interventions are more often the norm here, that is to say that material is removed or added in only negligible quantity, this is especially case when implementing breakage, drilling or cutting. Bending, flexing and folding of material are other sculptural procedures, with little or no abrasion involved. Here, the inherent qualities of a particular material, for example flexibility and weight, can be applied to create form. Today, we still see a certain preference for minimal geometric structures in concrete art. But at the same time we see the application of techniques which leave more room for coincidence, so that the form of the work is difficult to predict accurately in advance. This applies, in particular, to extreme processes like the extraction of air from hollow steel bodies, which deform under the vacuum of air pressure or the opposite where bodies are swelled by compressed air. Once the human body, and even the abstracted figure, has been abandoned as the central subject of sculpture, only basic elements are left, as in concrete art, the use of colour on the sculpture results in a coloured form. What colour is able to achieve in contrast to the form on its own can be understood by imagining the form in a uniform, neutral-colour, without the accentuation of colour. The phenomenon is thus reduced substantially to a space-defining light and dark.13 Depending on the saturation of the colour used and its glossy, transparent or absorbing nature, partial or complete colouration, mono- or multi-coloured, or other similar factors, different effects can be generated. This becomes especially clear if a form is given a certain colour in one version and a different one in another. Bernhard Kerber has described the options for the effect of colour on form very well: “Colour can confirm the volume or contradict it, it can enhance the expressive moments, suggest a virtual kinetics, present itself as a signal, articulate continuity or discontinuity, create colour spaces and even itself appear as a form-defining component. It can release sculptures from their empirically given conditions and from their dependence on viewer perspective and illumination. Above all, colour can – and this

6 When we use the term Concrete Art capitalised below, we refer to the historical phenomenon – regardless of the fact that, since Bauhaus artist Herbert Bayer, artists of this direction, especially Max Bill for example, have regarded non-use of capitals as obligatory. The uncapitalised term concrete art as an adjective, on the other hand, denotes the general and hence still valid principal features of this artistic position. 7 Donald Judd. Spezifische Objekte, in: Gregor Stemmrich (Ed.), Minimal Art: Eine kritische Retrospektive. Dresden and Basel 1995, pp. 59-73. 8 Robert Pincus-Witten. Postminimalism. New York 1977. 9 Max Bill, cit. cf. Margit Weinberg Staber (Ed.), konkrete Kunst. Manifeste und Künstlertexte (= Studienbuch 1, Foundation for Constructive and Concrete Art Zurich). Zurich 2001, pp. 29-32, here p. 29. 10 Max Imdahl, “Konkrete Plastik“, in: Max Imdahl, Zur Kunst der Moderne (Collected Works, vol. I) ed. by Angeli Janhsen-Vukićević, pp. 312-315, here p. 315. 11 This applies regardless whether an artist regards him- or herself as a concrete artist or not and certainly does not apply only to the historical phenomenon of Concrete Art as defined by Max Bill. 12 Viz. Bernhard Kerber, “Zum Realitätsgrad der Plastik ohne Sockel”, in: Jahresring 24, 1977-78, pp. 23-37. 13 This is very evident in a documented work by Eduardo Paolozzi, presented by Kerber in Kunstforum, pp. 52f and 69 in two coloured and a final uncoloured state.

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is certainly its most noble faculty – raise the question about the reality of the sculpture, lead from optical delusion to mental misperception and stimulate reflection.”14 Based on these principles, which were formulated 30 years ago, the question remains, in which way have the coloured objects created in the intervening period changed? When looking at the publications from that earlier period, it is possible to determine that interest then focused predominantly on “coarse-grained” and “coarsely coloured” works. In other words, sculptural solutions without a definitive ordering of the artistic process, and often only partial application of colour, performed without much attention to detail. Works by Isa Genzken, already designed on the computer, but executed by hand, or the varnished metal sculptures by Bodo Baumgarten or Michael Bolus, with their formal smoothness of colour, already had a design-type quality, were the exception. One explanation may be that the early 1980s were the period of the so-called “nouveaux sauvages” in painting, in other words a temporary preference of the art market for neo-expressive painting whose dominance in the media virtually buried the awareness that other painterly approaches had survived.15 The colouring of three dimensional objects often appeared expressive at that time. Similar characteristics may still exist today, but a contemporary anthology would certainly present a broader spectrum of options. The present exhibition clearly presents a different perspective. The majority of the works shown are characterised by formal smoothing and analogous colouring limited to a few or even only one tone. This creates an appearance, which does appear to display similarities with Minimal Art and design. Exceptions, like the reference to a complex geometry or the occasional destruction or disruption of smooth forms may confirm this rule by breaking it. Such proximity was frowned upon several decades ago, but this has changed. Artists like Gerwald Rockenschaub or Gerold Miller who work deliberately on the interface between minimalist art and design were barely to be found at the time and would presumably not have had a generally positive reception. It should also be remembered that one of the main protagonists of Minimal Art, Donald Judd, already designed furniture in 1973 and that his later design pieces are barely distinguishable from his art works. In the meantime change in awareness has occurred, which allows for the proximity of art and design, they sometimes become indistinguishable and appear acceptable. This is possibly a result of postmodern pluralism. The colour-form identity of most of these works is also a characteristic seen in of Minimal Art and designed objects. It is defined by a homogenous colouration analogous to the smoothed form, which makes the object appear less colour-coated than coloured in substance – in other words as a body of colour. However, at this juncture we need to distinguish more clearly. Colour always represents a relationship to the world, to nature, this is why idealist classicism banished it in favour of pure white sculptures and, in extreme cases, relegated it to the waxworks. The restriction to colourlessness was to emphasise pure form. But even Concrete Art, which was also highly idealist and aimed to represent objective values in art, found in colour, a much desired, connection with life. It is notable that one of its most eminent representatives, Max Bill, drew no genre boundaries in his work, which encompassed both design and art. Design was distinguished from art merely by its intended use. To put it more accurately, design and art do have a function, but one that differs respectively: design objects realise it in practical use, art objects in aesthetic use, or as Max Bill said: “they become objects, optical and mental objects of use.”16 The beautiful form can be used as a design object and please at the same time, i.e. be of both practical and aesthetic utility. In the work of art, use is limited to the sphere of ideas, bringing aesthetic and intellectual enrichment. If we apply to works of art some of the maxims they were to fulfil according to Baroque art theory, they include not only the capacity to please aesthetically (delectare), but also to teach (docere). During the Baroque period, this referred to an iconography aiming at ethical content. In art, which does not aim for iconographic content, it may refer to colour alone. Consciously used colour teaches perception, and this is a capability, which a design object neither strives for nor possesses. Drawing this lesson from the observation of coloured forms presumes that the viewer interrogates them in this regard. It is also the task of the viewer to keep verifying the offer formulated by artists.

14 Kerber, Kunstforum, p. 28. 15 Wolfgang Max Faust and Gerd de Vries. Hunger nach Bildern: Deutsche Malerei der Gegenwart. Cologne 1982. 16 As in footnote 9 above.

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Joachim Bandau


Arbeit an der Wahrnehmung Die Bagan Lacquer Objekte im plastischen Schaffen von Joachim Bandau. Invar-Torre Hollaus

Ausgehend von seiner bisher neuesten Bagan Lacquer bezeichneten Werkgruppe — mit burmesischem Baumharz lackierte und als Wandobjekte konzipierte Holzarbeiten — sollen sowohl verschiedene Aspekte der Wahrnehmung als auch der physischen wie visuellen Materialisierung der Skulpturen erläutert werden, die sich hier zwar besonders prägnant, grundsätzlich aber als ein stringentes und charakteristisches Entwicklungsmuster im gesamten Schaffen des Künstlers manifestieren. Wechselseitiges Verhältnis von Objekt und Raum Gerade bei den neuen Bagan Lacquer-Arbeiten — aber auch schon bei den früher entstandenen, oftmals kleinen Bunkern oder den Bonsai-Wandskulpturen — wird deutlich, wie relativ die eigentliche Größe oder der Maßstab der Objekte im Verhältnis zu ihrer Wirkungsweise im Raum sind. Trotz ihrer geringen Größe entfalten gerade die Wandskulpturen eine starke Ausstrahlung und wirken weitaus größer, mitunter fast monumental, als sie von ihrer eigentlichen Dimension her sind. Als ein zentraler Wahrnehmungsfaktor der Bagan Lacquer-Arbeiten erweist sich der Umstand, dass diese nicht an, sondern in den meisten Fällen deutlich vor der Wand hängen, wodurch der Eindruck von Körperlichkeit und Dinglichkeit der zumeist flachen Objekte verstärkt wird. Das ist ein neuer Aspekt im künstlerischen Schaffen Joachim Bandaus, denn bisher wurden die Objekte, auch wenn diese mitunter deutlich in den Raum hineinragten, stets direkt an der Wand montiert. Mit dem Anbringen der Skulpturen vor der Wand erreicht der Künstler, dass ein wichtiges Wahrnehmungsphänomen, welches sein plastisches Werk durchzieht, intensiviert und präzisiert wird: nämlich der changierende Eindruck von Leichtigkeit und Schwere, der den Skulpturen ihre charakteristische Lebendigkeit und Dynamik verleiht und der im Folgenden genauer erörtert werden soll. Zwischen Leichtigkeit und Schwere Vollkommen gegensätzlich anmutende Wahrnehmungsphänomene sind ein zentraler Bestandteil in Joachim Bandaus skulpturalem Schaffen. Dem Aspekt der Leichtigkeit und Schwere kommt dabei nahezu durch alle Schaffensphasen eine besondere Gewichtung zu. Elementar für diesen Eindruck ist nicht nur die filigrane Ausbalancierung massiger Körper sowie das subtile Zusammenspiel zwischen den Einzelteilen und der kompakten Gesamtform einer Skulptur, sondern auch die jeweilige Oberflächenbeschaffenheit der verschiedenen Materialien. Das gilt nun in hohem Maße vor allem für die in Schwarz oder Rot und in bis zu zehn Schichten lackierten Bagan Lacquer-Arbeiten. Während die roten Objekte grundsätzlich leichter wirken, erscheinen die tief schwarzen gerade aus einer gewissen Entfernung gewichtig und suggerieren ein kompaktes, schweres Trägermaterial. Erst aus der Nähe offenbaren sich der vielmehr fragile Charakter und die geschmeidige Eleganz der oftmals flächigen Formen. Der Holzkern wird durch die Lackierung allerdings vollkommen zugedeckt und ist für den Betrachter nicht mehr als Basismaterial erkennbar. Unmittelbar vor den Objekten zeigt sich, dass diese lediglich mit dünnen Stahlstiften an der Wand fixiert sind, wodurch der Eindruck einer physischen Leichtigkeit des Materials, den man direkt vor den Objekten erfährt, bestätigt wird. An diesen Arbeiten lässt sich eine Erfahrung vollziehen, die sich bereits vor älteren Skulpturen in etwas modifizierter Weise eröffnet. Das gilt insbesondere für die massiven Stahl- und Eisenskulpturen, die vorwiegend zwischen Mitte der 1980er bis Ende der I990er Jahre entstanden sind. Sowohl aus der Distanz als auch aus der Nähe werden die immense Dichte und das Gewicht des Materials dieser Arbeiten deutlich vor Augen geführt. Erst bei längerer Betrachtung setzt gewissermaßen eine Umkehrung dieses Wahrnehmungsprozesses ein, von schwer und massiv zu leicht und dynamisch. Denn werden erst einmal die Nahtlinien an der Oberfläche der Objekte zur Kenntnis genommen, erkennt man, dass zahlreiche, nahtlos ineinander übergehende Einzelteile einen massiven Block bilden und so die Skulptur spielerisch beschwingt rhythmisieren. Überrascht stellt man immer wieder fest, wie virtuos massive Teile in einer Balance gehalten werden, ihr Gewicht dadurch nahezu aufheben und schwebend erscheinen lassen. So lassen sich die Skulpturen von Joachim Bandau stets über ein doppeltes sinnliches Moment erschließen: Sowohl über ein sensorisches, real an der Oberfläche des jeweiligen Objekts erfahr- und greifbares Moment, als auch über einen rein sinnlich stimulierten Eindruck. Das macht die Auseinandersetzung mit diesem Werk so intensiv und für das eigene Bewusstsein so bereichernd, da die Objekte sich nie in einer endgültigen Betrachtung oder Interpretation erschöpfen, sondern sich immer wieder neu und individuell vor dem Betrachter generieren. Bei den Bagan Lacquer-Arbeiten kommt als ein neuer Wahrnehmungsaspekt hinzu, dass diese eine materielle, dingliche Schwere aus der Distanz noch suggerieren, von ihrem Eigengewicht her aber nicht mehr implizieren. Zusätzlich evozieren diese durch ihre Aufhängung vor der Wand einen ohnehin beschwingteren Eindruck und werden als Wandobjekte grundsätzlich leichter als Bodenplastiken empfunden. Trotz des Anbringens vor der Wand scheinen die Objekte mit dieser eine enge Symbiose einzugehen, um sich auf der Fläche in ihrer Erscheinung förmlich weiter zu konkretisieren. Besonders augenfällig wird dieser Aspekt vor allem bei den flächigen und von ihren Formen her einfach wirkenden Objekten. Das Weiß der Wand umspielt diese subtil, so dass sowohl das Schwarz als auch das facettenreiche Zinnoberrot auf dieser schimmern. Die Schlagschatten, die die einzelnen Flächen an die Wand werfen, erzeugen einerseits einen ambivalenten Eindruck einer konkret wahrnehmbaren Dinglich- und Körperlichkeit der Skulpturen, andererseits scheinen sie die abgrenzende Konturierung zwischen Objekt und Wand aufzuheben und die Skulpturen gewissermaßen in ein nahezu immaterielles Schwingen zu versetzen. So dient der Hintergrund 16


Abb. Seite 15 ohne Titel, 2013 Baumharz 端ber Holzkern 38 x 39 cm

Wand im Atelier, 2013 17


im Werk von Joachim Bandau einmal mehr nicht einfach als neutrale Folie, sondern der substantiellen Konkretisierung der Skulpturen. Je nach Standort des Betrachters und abhängig vom Licht wird damit ein vielschichtiges und dynamisches Miteinander von Objekt und Raum erzeugt, welches diese flachen Skulpturen deutlich dinglich erleben lässt. Diesem für die Wahrnehmung des skulpturalen Werks wichtigen Aspekt im Schaffen des Künstlers soll nun weiter nachgespürt werden. Dingliche Wahrnehmung: Körper und Fläche — Farbe und Licht Im skulpturalen Werk von Joachim Bandau lässt sich seit einigen Jahren eine sukzessive Tendenz zu einer Reduktion und Verknappung der Formen feststellen, ohne dass dabei aber die inhaltliche Substanz und Dichte verloren ginge. Auf beeindruckende Weise gelingt es dem Künstler mit sensiblem Gespür die zumeist einfach, minimalistisch und geometrisch klar wirkenden Formen über subtile Modifikationen zu dynamisieren, um so deren Formstrenge aufzulösen und sie in eine komplexere Erscheinungsebene zu überführen. Zahlreiche der Bagan Lacquer-Arbeiten bestehen aus einzelnen oder mehreren übereinander gelegten Flächen, die dennoch — paradox erscheinender Effekt — eine deutlich nachvollziehbare voluminöse, dingliche Körperlichkeit entwickeln. Sind Skulpturen aus früheren Werkphasen noch vom intensiven Verhältnis in sich verschachtelter und verdichteter Innen- und Außenräume geprägt, wird der Betrachter bei dieser neuen Werkgruppe mehrheitlich mit schlichten Flächen konfrontiert. Es gibt kaum noch Objekte, die mit sich zurückziehenden Innen- oder versteckten Hohlräumen operieren. Und selbst wenn bei mehrteiligen Objekten Flächen über- und hintereinander liegen und sich dadurch Zwischenräume ergeben, ist das räumliche Verhältnis ein anderes als noch in den vorangegangenen Jahren. Der Innenraum der Skulptur wird nun gewissermaßen in die Fläche und in den architektonischen Raum aufgeklappt. Die Werke öffnen sich und entfalten ihr Innenleben so direkt vor den Augen des Betrachters. Die äußere Erscheinung dieser Objekte scheint demnach einfacher und schneller erfassbar als dies noch bei älteren Skulpturen der Fall gewesen ist. Bei eingehender Betrachtung erweisen sich diese simpel wirkenden flächigen Gebilde jedoch als nicht weniger überraschend und komplex sowohl in ihrer Konkretisierung im Raum als auch in ihrem dialogischen Bezug zum Betrachter. Dass diese Flächen sich nun als etwas Körperliches im Raum gebärden, hat verschiedene Ursachen. Zum einen erreicht der Künstler durch subtile konkave oder konvexe Wölbungen, Krümmungen und Torsionen, die mitunter kaum merklich wahrnehmbar sind, sowie durch raffinierte Überlagerungen einzelner Flächen, dass diesen eine deutlich nachvollziehbare dingliche Körperlichkeit zu eigen wird, die über eine bloße Flächenwirkung hinausgeht. So minimal diese bewusst gesetzten Eingriffe mitunter auch gehandhabt werden, so frappierend schlägt sich das Resultat in der Wahrnehmung der Objekte nieder. Manche der mehrteiligen Objekte geben ihr Wesen nur dann preis, indem der Betrachter seinen Standort bzw. Blickwinkel verändert. Steht man frontal vor diesen, scheinen sie aus nur einer Fläche zu bestehen. Diese Objekte verlangen vom Betrachter folglich eine geradezu lebhafte, dynamische Betrachtung, damit sie in ihrer Gesamtheit erfasst werden können. Zum anderen erweist sich die Lackierung des verwendeten burmesischen Baumharzes als elementares Moment im Prozess der Verdinglichung und Körperlichkeit dieser Skulpturen. Das gilt sowohl für die schwarzen als auch für die zinnoberroten Objekte. Während die schwarzen Arbeiten glänzende Oberflächen entwickeln, konkretisieren sich die zinnoberroten sowohl glänzend als auch matt sowie in unterschiedlich konzentrierter Färbung. Der mehrschichtig aufgetragene Lack bildet eine richtiggehend voluminöse Farbhaut über dem Holzkern und verschmilzt mit diesem zu einer Einheit. Für den Betrachter ist der Kern als Träger nicht mehr sichtbar, sondern nur noch anhand der Ausformung der Skulptur erahnbar. Die schwarzen glänzenden Arbeiten sind zumeist völlig opak, entwickeln aber eine ungemein lebendige Oberfläche mit einer starken Tiefenwirkung. Unterschiedliche Farbverdichtungen wie auch teilweise transparente Stellen lassen sich vorwiegend an den roten Objekten nachvollziehen. Durch diese Semitransparenz erscheinen die Lackschichten als eine lebendige, warme, gleichsam atmende organische Haut, die — je nach Lichteinfall — durch An- und Abschwellen bzw. durch Vor- und Zurücktreten einzelner Schichten zusätzliche Volumen aus der Fläche heraus erzeugt. Damit erzielen diese Werke eine gänzlich andere Wirkung als bspw. die frühen maschinell lackierten Polyester-Skulpturen, die durch ihre extrem glatte, industriell-aseptische und kühle Beschaffenheit reine Oberfläche bleiben. Die glänzenden, sich voluminös wölbenden Flächen halten den Betrachter zunächst auf Distanz, da dieser gewissermaßen an der Reflexion des Raums wie auch an seiner eigenen Spiegelung „hängen“ bleibt. Erst nach und nach zeigen sich die unterschiedliche Dichte und die immens erscheinende Tiefe der verschiedenen Lackschichten. Aber selbst stark reflektierende Oberflächen weisen nun nicht die Eigenschaften eines Spiegels auf. Raum wie Betrachter werden zwar deutlich reflektiert, die Unregelmäßigkeiten der manuellen Lackierung sowie die voluminöse Aushärtung des Lacks bewirken, dass selbst plane Flächen sich wölben und es so zu keiner bloß mimetischen Spiegelung kommt. Das Reflektierte wird so immer – auch ohne Krümmung des Holzkerns – in einem gewissen Maß verzerrt und diffus wiedergegeben. So wird der Betrachter nie vollends aus dem kontemplativen Schauen herausgerissen und damit auf den diesseitigen Raum zurückgeworfen. Die Art der Lackierung fasziniert durch ihre unergründliche Ausstrahlung, die Licht bindet und freigibt, sowie Raum und Betrachter auf immaterielle Weise reflektiert. Steht man länger vor solchen Objekten, gewinnt man den Eindruck, dass etwas im Verborgenen noch darauf wartet, entdeckt zu werden. Es sind „stille“ Arbeiten, die ihr Wesen erst nach und nach preisgeben und sich dem Betrachter langsam in ihrer ganzen Tiefgründigkeit erschließen. Während vor allem die aus einzelnen schwarzen Flächen bestehenden Objekte den Betrachter richtiggehend in die Tiefe hineinzuziehen scheinen — und auch an der Wand ein unübersehbares (schwarzes) „Loch“ evozieren — lässt sich feststellen, dass unter den verschiedenen zinnoberfarbigen Schichten das Schwarz mehr oder weniger stark hindurchschimmert. Brechen die matten Oberflächen das Licht vage und immateriell und behalten es gleichsam eingeschlossen in ihrem Kosmos zurück, geben die glänzenden reflektierenden Flächen das Licht wieder an die Außenwelt zurück. So entwickelt sich ein überaus kontrastreiches Wechselspiel von in der Farbe gebundenem Innen- und an der Oberfläche der Objekte reflektiertem Außenlicht. Durch das reichhaltige ambivalente Wechselspiel von Transparenz und Opazität lässt sich so nie genau feststellen, wo sich die Farbschichten eigentlich entfalten, ob vor oder hinter diesen semitransparenten Farbschichten, oder in einem Bereich des Dazwischen. Diese leeren Flächen erweisen sich letztlich als unerwartet lebendig und dynamisch, als eine Art erfüllte Leere. Die Abwesenheit eines Dargestellten wird kompensiert durch die Anwesenheit der körperlichen Lebendigkeit, die sich aus der Fläche und Beschaffenheit der lackierten Oberfläche ergibt. So potenzieren sich diese Flächen in ihrer dinglichen Wirklichkeit und erlebten Zeitlichkeit als hoch energetische, voluminöse Körper. Die Festigkeit und Klarheit der geordneten 18


Formen, die im gesamten Schaffen des Künstlers erkennbar ist (und in den Schwarz-Aquarellen erstmals gleichsam aufgehoben wird), wird in den Bagan Lacquer-Plastiken durch ihre Oberflächenbeschaffenheit gewissermaßen sublimiert. Obgleich die Formen an und für sich streng geschnitten sind, wirken gerade die flächigen Arbeiten keineswegs rigide begrenzt. Durch die voluminös-körperliche Ausformung der matt oder glänzend schimmernden lackierten Oberflächen sowie durch die leichten Krümmungen und Torsionen werden solche Begrenzungen optisch aufgehoben und greifen auf diese Weise in den Raum über. Diese Objekte sind ein Angebot an den Betrachter: Unaufdringlich, dennoch kraftvoll und bestimmend zeigen sie sich in ihrer Positionierung im Raum. Investiert man die notwendige Zeit, die diese benötigen, um sich in ihrer ganzen Intensität zu entfalten, wird man nicht nur visuell reich belohnt. Der Betrachter erlebt, dass er vor diesen Objekten seine Art zu Sehen immer wieder aufs Neue prüfen und hinterfragen muss, da es sich als schwierig erweist, dieses sich vor ihm manifestierende „Nichts“ der leeren und doch erfüllten und tiefgründigen Flächen visuell gewissermaßen „festzuhalten“. So lassen sich durch die beständige und konsequente Arbeit an der Wahrnehmung gewinnbringende, das Bewusstsein erweiternde Erfahrungen machen.

ohne Titel, zweiteilig, 2010 Baumharz über Holzkern 28,5 x 70 cm 19


Working on Perception the Bagan Lacquer Objects in the sculptural work of Joachim Bandau Invar-Torre Hollaus Translation: Elizabeth Volk Departing from one of his, to date, newest groups of works called Bagan Lacquer — consisting of works in wood lacquered with Burmese resin and conceived as objects for the wall — the intention is to explain both the various aspects of perception, as well as the physical and visual materialization of the sculptures. These manifest themselves here in a particularly concise way, but they are also a logical and characteristic pattern of development in the overall work of the artist. The Interrelationship between Object and Space As a rule, Joachim Bandau‘s sculptures enter into a direct and immediate relationship with the space, or the architecture, surrounding them. This applies equally to the wall objects and to the fully plastic sculpture works placed in exhibition rooms or public spaces. The intensive symbiosis the object and the space enter into is crucial to the perception of the works. Thus, it follows that the relationship between object and space is manifold. Depending on the conditions present and the atmosphere of the exhibition site, one and the same sculpture can express and unfold itself very differently — full of contrast and tension or harmoniously. Sometimes these sculptures can, at first glance, look strange and at odds with the surrounding architecture, as if two opposite worlds would clash, spiritually as well as formally. Gradually, we then come to recognize that because of this initially contrary relationship, both the objects and the architectural environment gain in profile and substance. Architectural and public spaces are never used by artists merely as a neutral backdrop for serving their art. Joachim Bandau always strives to position his objects with great sensitivity so that they stand in a mutual and effect-enhancing relationship to the architecture, resulting in a stimulating and intensive dialogue between both media. In this endeavor, it happens again and again that precisely the small objects on the wall or respectively, in the room, take on an exceptional presence, developing a powerfully dynamic effect. Especially the new Bagan Lacquer works — but also the earlier, often small Bunker or Bonsai wall sculptures — clearly illustrate just how relative the actual size or the scale of the objects are in relationship to the effect they have in the room. Despite their small sizes it is in particular these very wall sculptures that exude a great presence, seeming much larger, sometimes almost monumental, than their actual dimensions. Crucial to the perception of the Bagan Lacquer works is also the factor that these do not hang on the wall, but are in most cases, clearly before it, thereby enhancing the impression of corporeality and concreteness of these mostly flat objects. This is a new aspect in Joachim Bandau‘s artistic work, since up to now the objects had always been mounted directly onto the wall, even in instances where these works sometimes clearly jutted out into the room. By mounting the sculptures in front of the wall, the artist manages to heighten and express more precisely an important perceptual phenomenon pervading his sculptural works; it is namely the phenomenon of the changing impressions between lightness and heaviness, which lends the sculptures their characteristic liveliness and dynamics, to be further explained in what follows here. Between Lightness and Heaviness Perceptual phenomena that seem completely contrary to each other constitute a central component of Joachim Bandau‘s sculptural works. In this, the aspect of lightness and heaviness enjoys particular emphasis throughout almost all of his periods of creation. Elementary to this impression is not only the delicate balancing of massive bodies as well as the subtle collusion between the individual parts and the compact overall form of a sculpture, but also the respective surface properties of the various materials he uses. This applies to a great extent, and above all to the Bagan Lacquer works, painted with up to ten coats of black or red lacquer. While the red objects seem fundamentally lighter, the deep black objects appear weightier, especially from a certain distance, suggesting a compact, heavy, carrier material. 20


ohne Titel, 2010 Baumharz 端ber Holzkern 28 x 26 cm 21


Only from close up do the rather fragile character and the smooth elegance of the often flat forms reveal themselves. The wooden core is completely covered by the layers of lacquering, however and no longer recognizable to the viewer as the base material. When we stand immediately before the objects it becomes clear that they are only fastened to the wall with steel pins, confirming the impression of a physical lightness of material that we experience directly in front of the object. These works allow us to implement an experience already availed to us in a somewhat modified manner with respect to the older sculptures. This applies in particular to the massive steel and iron sculptures, which were mostly created between the mid-198os and the end of the 199os. With these works, both from a distance and from close up we clearly discern the immense density and the weight of the material. Only upon longer contemplation does a certain reversal of this perception process take place, from heavy and massive to light and dynamic. For once the seams along the surface of the objects have been detected, we realize that numerous, individual parts seamlessly blend into a single massive block, thus giving the sculpture a playful and lively rhythm. We are surprised to repeatedly discover the virtuosity with which the massive parts are held in balance, their weight being virtually neutralized so that they seem to be floating. This is how Joachim Bandau‘s sculptures may always be comprehended through a doubly sensual moment: Via a sensory moment, a moment that is tangible and which we actually experience through the surface of the respective object, as well as via a pure, sensually stimulated impression. This makes grappling with this work so intense and so enriching for our own consciousness, since the objects never exhaust themselves in an ultimate viewing or interpretation, but rather generate themselves anew and individually before the viewer over and over again. With the Bagan Lacquer works there is a new, additional perceptual aspect in that they still suggest a material, concrete heaviness from a distance, though this is no longer implied by own their actual weight. In addition, since they have been fixed in a position before the wall, these works anyway evoke a more lively impression, and as wall abjects, they are considered on principle as being lighter than floor sculptures. Despite being fixed in front of the wall the objects nevertheless seem to enter a close symbiosis with it, their appearance becoming veritably more concrete against the surface. We witness this aspect particularly with the rather flat objects that seem so simple because of their forms. The white of the wall subtly plays around the objects so that both the black as well as the various facets of the cinnabar red shimmer against it. The stark shadows cast onto the walls by the individual surfaces, produce on the one hand an ambivalent impression of a concretely perceptible mass and body of sculptures, but on the other hand they appear to dissolve the border contours between the object and the wall, and thus trigger an almost immaterial vacillation of the sculptures. Therefore, the background in the works of Joachim Bandau no longer serves merely as a neutral foil, but rather it helps to bring about a substantial concretization of the sculptures. Depending upon the light and where the viewer is standing, there is thus a multi-layered and dynamic coexistence of object and space, which clearly allows us to experience these flat sculptures as concrete objects. This aspect, which is seminal to the perception of the artist‘s sculptural work, shall now be examined in more detail. Concrete Perception: Body and Surface — Color and Light For the past few years we have been witnessing a successive tendency towards reduction and minimal forms in the sculptural work of Joachim Bandau, though without any loss of substance or density in this process. With great delicacy, the artist impressively manages to instill dynamics into the forms that seem mostly simple, minimalist, and geometrically clear by using subtle modifications in order to alleviate their formal stringency and transfer them to a more complex level of appearance. Many of the Bagan Lacquer works consist of single or multi-layered surfaces, which nevertheless — paradoxically — develop a clearly detectable voluminous and concrete corporeality. Whereas sculptures from earlier periods of work were still marked by their intense relationships of interlocked and condensed interior and exterior spaces, with this new group of works the viewer is confronted for the most part with plain surfaces. There are hardly any objects now that operate with receding interior spaces or hidden, hollow spaces. And even with multi-part objects where the surfaces lie over and behind one another, creating interspaces, the spatial relationship is nevertheless a different one than in the years before. The interior space of the sculpture is now opened up to a certain extent into the surface and the architectural space. The works open themselves and unfold their inner 22


ohne Titel, zweiteilig, 2010 Baumharz 端ber Holzkern 58 x 85 cm 23


ohne Titel, dreiteilig, 2010, im Atelier Baumharz 端ber Holzkern 24


lives directly before the viewer in this way. In accordance, the exterior appearance of these objects seems simpler and easier to be grasped than was the case with the older sculptures. Upon intense contemplation however, these simple-seeming, flat structures prove to be no less surprising and complex, both in their becoming concrete in the relationship to space and in their dialogue with the viewer. The fact that these surfaces now express something corporeal in the room has many reasons. For one thing, by means of subtle concave or convex bulges, bends, and torsions, sometimes scarcely detectible, as weil as through cleverly overlaying the individual surfaces, the artist manages to instill a clearly understandable concrete corporeality, which goes beyond a mere surface effect. As minimally as these consciously placed interventions are employed, the resulting perception of the objects is all the more astonishing. Some of these multi-part objects only reveal their essence when the viewer changes his standpoint or viewpoint. If you face the objects head on, they seem to consist only of surface. These objects therefore demand of the viewer an active, dynamic way of viewing, so that they may be grasped in their entirety. What is more, the lacquering with the Burmese tree resin turns out to be an elementary moment in the process of achieving the concreteness and corporeality of these sculptures. This applies both to the black as well as to the cinnabar red objects. While the black works develop a shiny surface, the cinnabar red turns out both shiny and matte, displaying various concentrations of this color as well. The paint applied in several layers forms a veritably voluminous skin of color over the core of wood, becoming one with it. For the viewer the core is no longer visible as a carrier, but may rather only be surmised by the shape of the sculpture. The black shiny works are for the most part completely opaque, but they develop an unusually lively surface with a considerable depth effect. Mostly on the red objects various condensations of color and partially transparent places may be witnessed. By means of this semi-transparency the lacquered layers appear to be a lively, warm, as it were, breathing organic skin, which — depending on the light — produce additional volume from the surface by the swelling and waning, or protruding and receding of individual layers. In this process, these works attain a wholly different effect than, for example, the earlier machine-painted polyester sculptures, which remain pure surface because of their extremely smooth, industrially-aseptic, and cool character. The shiny, voluminously bulging surfaces initially keep the viewer at a distance, since he gets „caught up“ in the reflection of the room as well as in the mirror reflection of himself. Only gradually do the various densities and the seemingly unfathomable depth of the lacquered layers reveal themselves. But even strongly reflecting surfaces do not feature the same qualities as a mirror, granted, the room and the viewer are clearly reflected, but the irregularities of the (manual) paint job as well as the voluminous hardening of the paint cause even level surfaces to bulge, and thus the result it not a mere mimetic reflection. What is reflected is always — even without the bends or the bulging of the wooden core — to a certain extent distorted or diffusely reproduced. For this reason, the viewer is never completely torn away from his contemplative viewing, and he is thus thrown back to the room on this side. The type of lacquering fascinates us with its unfathomable radiance, at once binding light and setting it free, even as it reflects the room and the viewer in an immaterial way. Lingering before such objects, we gain the impression that something hidden is still waiting to be discovered. These are „still“ works, which only reveal their essence gradually, opening themselves slowly to the viewer in their entire depth. While it is mainly the objects consisting of individual black surfaces that seem to draw the viewer right into the depths — and also evoke an unmistakable (black) „hole“ on the wall — we note that beneath the various cinnabar red layers, the black shines through, more or less darkly. The matte surfaces refract the light vaguely and immaterially, keeping it, so to speak, locked in their own cosmos, whereas the shiny, reflecting surfaces give up the light again to the outside world. In this way a rich contrast comes about in the interplay between the internal light bound in the color and the external light reflected on the surface of the objects. Because of the abundant and ambivalent interplay between transparency and opacity we may never determine exactly where the layers of paint actually unfold, whether before or behind these (semi)transparent layers of paint, or in an area in between. These empty surfaces ultimately turn out to be unexpectedly lively and dynamic, a sort of filled void. The absence of anything portrayed is compensated for by the presence of the corporeal liveliness arising from the surface and the nature of the lacquered surface. Thus these surfaces are intensified in their concrete reality and experienced temporality as highly energized, voluminous bodies. The firmness and clarity of the arranged forms, recognizable throughout all of the artist‘s works (and, as it were, dissolved for the first time in the Schwarz (Black) watercolors) becomes sublimated in the Bagan Lacquer sculptures due to the nature of their surface. Although by and large, the forms have been clearly cut, it is precisely these flat works, which do not give the impression of being rigidly delineated. Because of the voluminous and corporeal forming of the matte or shiny lacquered surfaces as well as the slight bends and torsions, such delineations are optically cancelled and thus, the works extend into the room. These objects pose an offer to the viewer: Unassuming, yet strong and decisive, they reveal themselves in their positioning in the room. If we invest the amount of time they need to unfold in their full intensity, we reap not only rich visual benefits. The viewer experiences that, in the face of such objects, he must test and question his way of looking in ever new ways, since it turns out to be difficult to visually „capture“ this „nothingness“, which has manifested itself before him in the empty and yet full and deep surfaces. By constantly and consistently working on our perception like this, we may make experiences that benefit the broadening of our consciousness.

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müller-emil

Arbeiten 1970 - 2003 aus: müller-emil Monographie Urs Bugmann

Mit dem konsequenten Schritt zur geometrischen und konkreten Kunst um das Jahr 1970 beginnt im Schaffen von müller-emil ein kontinuierlicher Prozess der Reduktion. Sind es zu Beginn noch vielfarbige Linien und Farbbalken, die die Bildfläche gliedern, die manchmal sogar plastisch aus der Bildebene hervorgehoben sind, verschreibt sich müller-emil mehr und mehr einer strengen Regelhaftigkeit und einer minimalistischen Bildsprache. Was bleibt, ist eine Tendenz zum räumlichen Bild, zum Farbkörper mit seiner dreidimensionalen Präsenz im Raum. Oft kombiniert der Künstler in seinen Ausstellungsinstallationen Tafelbilder oder Papier-Arbeiten an der Wand mit Objekten im Raum oder Tafeln auf dem Boden. Aus solchen räumlichen Farbinszenierungen ist der Schritt zu integralen Farbgestaltungen in architektonischer Umgebung nur konsequent. Die Reduktion bedeutet keineswegs eine Verarmung. Die Verfeinerung der Nuancen steht vielfachen Farbklängen auf der einen Fläche gegenüber, wie sie müller-emil noch in den siebziger Jahren bevorzugte. Die Reduktion intensiviert die Farbwirkung. Das Anbringen von Farbleisten außerhalb des Tafelbilds gibt ihm einen Rahmen, bewirkt Farbschatten und beeinflusst die Farbe an den Grenzlinien. Oder eine Farbe liegt etwa kaum sichtbar unter dem schmalen Raum, den zwei spaltbreit auseinander liegende Tafeln offen lassen, und der Betrachter sieht nicht diese auf dem Grund liegende Farbe, sondern nur ihre Wirkung auf die Farbflächen. Das ist eine Kunst, die den Betrachter in sein Recht und in sein tätiges Partizipieren einsetzt, die ihn durch ihre minimalistischen Mittel das Werk im Wahrnehmen erst vollenden lässt. Solch emanzipatorische und partizipative Ausrichtung gab müller-emil seinem Schaffen seit je. Als er auf der Kunstmesse Art Basel bemalte Aluminiumstäbe stückweise verkaufte (Abb. S. 28), ging es ihm um eine demokratische, jedem zugängliche Kunst, die nicht länger unerschwinglich sein und die ihren Wert im Gebrauch finden sollte, in der unprätentiösen Einfügung in die alltägliche Lebenswelt. Ganz ähnlich sind die Absichten, die er mit den von ihm edierten Multiples - eigenen wie von anderen Künstlern geschaffenen - verfolgt, Kunst steht für müller-emil in einem gesellschaftlichen Zusammenhang und löst nur dort ihren Anspruch ein, wo sie die abgeschlossene Sphäre verlässt und sich zugänglich macht. Harmonie und Zugänglichkeit sind die Wesensmerkmale des Schaffens von müller-emil. Seine Arbeiten lassen sich intellektuell ergründen und sind in systematischen Überlegungen begründet, aber sie öffnen sich zugleich unmittelbarem Empfinden und Erleben. In ihrer minimalistischen Reduktion liegt nicht das Verweigern und Negieren von Komplexität, sondern ein Angebot, Komplexität auszuhalten. In der Verfeinerung der Wahrnehmung, im Eingehen auf Nuancen und Differenzen, das diese Arbeiten erfordern, liegt das Versprechen nicht von Welt- und Daseinsbemächtigung, sondern einer Existenz, die das Individuelle und Besondere gegen die Tendenz von Vergröberung und Verallgemeinerung setzt, das sich in einem fruchtbaren Austausch mit Welt und Gesellschaft weiß.

3 Entwürfe, 1998 Nr: 2499, 2496, 2495 Acryllack auf mdf verschiedene Maße 27


aus der Serie 7 Multiples f체r die Kunstmessen Basel, 1974 - 82 L채nge je 200 cm 28


Blick in die Ausstellung Multiple-Art und Originale Edition m端ller-emil im Kunstverein Altes Sch端tzenhaus Zofingen, Schweiz, 2006

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Works 1970 - 2003 from: müller-emil Monography Urs Bugmann Translation: Corinne Iten

A consistent move towards geometric and concrete art around 1970 forms the beginning of a continuing process of reduction in the work of müller-emil. Starting with multi-coloured lines and bars of colour that structure the picture area and sometimes jump into relief against the background of the painting, müller-emil commits more and more to a strict regularity and minimalist idiom. What remains is a tendency to spatial painting, to a body of colour with a three-dimensional presence in the room. In his exhibition installations the artist often combines panel paintings or paper works on the wall with objects in the room or panels on the floor. The move from such spatial colour productions to integrated colour design in architecture is only logical. Reduction is by no means impoverishment. The refinement of nuances is juxtaposed with multiple shades of colour on the same surface, in the way preferred by müller-emil as early as the 1970s. The reduction intensifies the colour effect. Placing strips of colour outside the panel painting gives it a frame, creates shadows of colours and affects the colour of the border lines. Or a colour might lie, barely perceptible, underneath the narrow gap between two adjacent panels and the viewer sees not this colour on the floor but only its effect on the colour fields above. This is art that empowers the viewer and demands active participation. Its use of minimalist tools leaves it to the viewer to complete the work by perceiving it. müller-emil has always orientated his work towards emancipation and participation. When he was selling painted aluminium bars by the piece (fig. p. 28) at Art Basel he was concerned with a democratic kind of art that is accessible and affordable to all art that gains its value through use, in the unpretentious absorption into the world of daily life. His intentions are similar when he edits multiples, whether they be his own or those of other artists. For müller-emil art exists in a social context and it can only fulfill its potential where it steps outside its enclosed sphere and becomes accessible. Harmony and accessibility are characteristic of müller-emil‘s work. His pieces can be explored intellectually, and they are founded on systematic considerations, hut at the same time, they are accessible to immediate experience and intuition. Their minimalist reduction is not a denial and negation of complexity but an offer to endure complexity. The refinement of perception, the engagement with nuances and differences that these works demand don‘t promise to conquer the world and human existence. Instead, they promise an existence whose answer to the tendency to coarsen and generalise lies in the individual and the particular that is engaged in a fruitful exchange with the world and society. 30


Wandobjekt Entwurf Nr. 3357, Bild Nr. 1227 Acryl , Leinwand auf mdf 92 x 180 x 3,5 cm 31


Atelier in Coglio, Ti. CH vorne: Turm Vll Acryl auf mdf, 50 x 50 x 50, 5-teilig hinten: Bodenobjekt, Aluminium bemalt, 3-teilig 32



Wandobjekt, 2012 Entwurf Nr. 3610, Bild Nr.1277 Acryl auf mdf 150 x 51 x 4 cm 34


Wandobjekt Entwurf Nr. 3478, Bild Nr. 1243 Acryl , Leinwand auf mdf 45 x 270 x 3,5 cm

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Michael Post


Jenseits der idealen Körper Zu einer Gruppe von Wandobjekten von Michael Post Hans Zitko

Spricht man mit Michael Post über eine Reihe farbiger Wandarbeiten, die in den letzten Jahren entstanden sind, so kommt er unter anderem auf die so genannten platonischen Körper zu sprechen. In seiner Schrift Timaios entwickelte der griechische Philosoph Platon die Vorstellung, dass bei der Schöpfung der Welt durch Gott ideale geometrische Figuren im Spiel gewesen seien.1 Tetraeder, Oktaeder, Ikosaeder und Würfel, die den Elementen Feuer, Luft, Wasser und Erde zugeordnet seien, bildeten die strukturellen Bausteine eines im Kern geordneten, harmonisch gebildeten Kosmos; zusammengesetzt seien diese Bausteine selbst wiederum aus entsprechenden Dreiecksformen. Platons Modell der Weltschöpfung setzt auf eine Logik elementarer, durch die Vernunft einsehbarer Gestalten, die zugleich die höchstmögliche Schönheit der Welt garantierten. In den Überlegungen von Post spielt vor allem der Tetraeder eine Rolle, ein regelmäßiger Körper im euklidischen Raum, dessen Oberfläche sich aus vier jeweils gleichseitigen planen Dreiecken zusammensetzt; man könnte auch von einer pyramidalen Gestalt auf einer dreieckigen Grundfläche sprechen. Betrachtet man die Wandobjekte des Künstlers, so ist von einer derartigen Struktur zunächst kaum etwas zu entdecken. Zwar werden Dreiecksformen unterschiedlicher Gestalt und Proportion verwendet, als Elemente einer platonischen Kosmogonie kommen sie indessen nicht in Frage. Der Rekurs auf die platonischen Körper lässt gleichwohl eine grundsätzliche Entscheidung in der ästhetischen Strategie des Künstlers deutlich werden. Welche Materialien und Produktionsakte spielen bei der Herstellung der Objekte eine Rolle? Der Künstler verwendet dünne, verzinkte, in unterschiedlicher Weise zugeschnittene und gekantete Stahlbleche, die er beidseitig mit einem Glasfasergewebe überzieht. Mit Hilfe einer Schaumstoffrolle wird in der Folge ebenfalls beidseitig Acrylfarbe auf die Flächen aufgetragen; dabei entsteht eine differenzierte monochrome Textur, die an die klassische Farbfeldmalerei erinnert. Unter Verwendung einer magnetischen Vorrichtung werden dann die so behandelten Tafeln in einem gewissen Abstand zur Wand an derselben befestigt, was deren Objektcharakter hervorhebt. Mit der Beschreibung des materiell Vorliegenden und seiner Entstehungsweise ist indessen wenig geleistet. Was sehen wir, wenn wir die Wandobjekte betrachten? Posts Arbeiten platzieren sich in der Tradition konkreter Kunst, auch des Minimalismus, der sich seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte, ist von Bedeutung. Namentlich im Selbstverständnis führender Minimalisten findet sich die Intention, jede externe Referenz, jede Abbildlichkeit und damit zugleich jeden Illusionismus aus dem Werk zu vertreiben. Form bestimmt sich als ein tautologisches Phänomen, das selbstgenügsam in sich verharren soll, um jenem Prinzip blanker Buchstäblichkeit zu sichtbarem Ausdruck zu verhelfen. Dass die Meister dieser Kunst wie etwa Donald Judd oder Sol Lewitt in der Regel elementare geometrische Strukturen präferieren, rückt sie in eine deutliche Nähe zu jenen platonischen Vorstellungen einer idealen Ordnung, aber auch zum Geist des cartesischen Denkens. Regelmäßigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit rangieren hier als Leitmotive einer rational geläuterten Kunst. Früh wurde auf Seiten der Kommentatoren und Künstler allerdings deutlich, dass die intendierte Literalness durch die minimalistischen Artefakte nicht selten selbst dementiert wurde, denn diese Artefakte stellten sich, wie etwa Rosalind Krauss bemerkte, oftmals als sinnlich komplex und doppelbödig dar; auch der zurückgewiesene Illusionismus kehrte vielfach auf den Schauplatz der ästhetischen Erfahrung zurück.2 Die tautologische Präsenz blieb also genau besehen ein theoretisches Postulat, dem sich die sinnlichen Formen im Grund nicht unterwerfen lassen. Michael Post arbeitet im Horizont dieser Einsichten, die den selbst fiktiven Charakter des minimalistischen Purismus auf den Begriff brachten. Auf die Frage, was sich zeigt, wenn wir seine Objekte in der Betrachtung schrittweise erschließen, können differierende Antworten gegeben werden. Wer erwartet, ein Werk mit stabilen, in sämtlichen Wahrnehmungsakten sich durchhaltenden Eigenschaften vorzufinden, muss sich enttäuscht sehen. Die Objekte ändern ihren Charakter in Abhängigkeit von wechselnden Beleuchtungsverhältnissen und Betrachterperspektiven. Platziert man sich den an der Wand befestigten Tafeln genau gegenüber, so zeigt sich bei entsprechendem Licht eine ebene, zweidimensionale Fläche, die sich aus zwei Segmenten unterschiedlicher Farbigkeit zusammensetzt (Abb. S. 38): Einem größeren, mit der Spitze nach oben weisenden Dreieck ist seitlich ein zweites, schmales, spitzwinkliges Dreieck hinzugefügt. Deutlich sind aus dieser Position zwei differierende rote Farbtöne identifizierbar: Das Rot des größeren Segments wird durch das anders geartete Rot des kleineren Segments gleichsam kontrapunktiert. Man hat hier eine asymmetrische, ebene, in einfacher Weise gegliederte Fläche vor sich, die eine gewisse Nähe zur Logik der Shaped Canvas besitzt. Bedingt durch flächeninterne Strukturen entsteht eine Gesamtform, die sich von den klassischen Bildformaten abhebt und in einen Dialog mit jener Wandfläche eintritt, auf der sie selbst platziert ist. Im ersten Zugang bewegt man sich also in einem Wahrnehmungsfeld, in dem sich die Malerei in einer reflexiven Strategie gegen ihre eigenen medialen Grenzen auflehnt.

ohne Titel, WVZ 02/11/272, 2013 Acryl auf Glasfaser über Stahl 55 x 37 x 5 cm 37


WVZ 19/13/348, 2013 Acryl auf Glasfaser über Stahl 73 x 100 x 8 cm

Seitenansicht

Verlässt man diese Betrachterposition gegenüber dem Artefakt und bewegt sich nach links oder rechts parallel zur Wand, so beginnt sich der wahrgenommene Gegenstand deutlich zu verändern. Bereits bei einer leichten Verlagerung des Standpunktes wird deutlich, dass man nicht eine plane Fläche vor sich hat, sondern ein Artefakt, das plastische Eigenschaften besitzt; was zuvor verborgen war, wird nun sichtbar. Während das große Dreieck flächenparallel an der Wand positioniert ist, ragt das kleine, ihm anhängende Dreieck in einem bestimmten Winkel in den Raum des Betrachters hinein. Sein Positionswechsel belehrt ihn also darüber, dass er zuvor einer Täuschung aufgesessen war: Wo er eine ebene Fläche zu sehen glaubte, befand sich in Wahrheit eine dreidimensionale Struktur. Aus der ersten Perspektive betrachtet, kehren Posts Objekte Eigenschaften hervor, die an jene Praxis der Trompe-l’oeil-Malerei erinnern, die im Zeitalter des Barock verbreitet war. Ziel war die Herstellung eines perfekten Abbildes, das vom abgebildeten Realen nicht mehr unterschieden werden konnte. Den Betrachter mit den Mitteln der Malerei zu täuschen, blieb indessen vielfach bloßes Programm, denn kaum ein Betrachter glaubte, im Falle etwa jener minutiös gemalten Stillleben, das Wirkliche selbst vor sich zu haben. Anders verhält es sich mit jenen Interferenzen und Synthesen zwischen unterschiedlichen Medien, die in den Innenräumen der Barockarchitektur zu finden sind. Nicht selten ist für den nach oben blickenden Betrachter kaum zu entscheiden, was in den Übergangszonen zwischen dem Baukörper und den Deckengemälden noch Skulptur oder Relief und was bereits der auf den Putz aufgetragenen Malerei angehört; die differierenden Medien gehen zuweilen ununterscheidbar ineinander über. Auch bei den Postschen Objekten ist die Täuschung perfekt; sie stellt sich auch dann wieder ein, wenn die Illusion bereits durchschaut ist. Man braucht nur die zentrale Position gegenüber dem Artefakt wieder einzunehmen und nimmt einmal mehr jene plane Ebene wahr, obwohl man doch weiß, dass dieselbe eine räumliche Faltung besitzt. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang der Faktor der Farbe. Während in der ersten Position zwei differierende Rotwerte wahrgenommen werden, erkennt man aus jener zweiten Position, dass beide Flächensegmente gleich eingefärbt sind und lediglich durch unterschiedliche Lichteinstrahlung bzw. Verschattung differierende Werte zeigen. Bei einer Bewegung des Betrachters geht eine Wahrnehmung in die andere über und auch hier reproduziert sich in ihm immer wieder der Eindruck, zwei unterschiedliche Farben vor sich zu haben. Der Künstler demonstriert, dass im Idiom einer Kunst, in der jeder Illusionismus geächtet wird, ein perfekter Trompe-l’oeil-Effekt möglich ist, eine visuelle Täuschung, die jede gegenläufige Erfahrung und Einsicht zu überdauern vermag. Betrachtet man das Verhalten der Farbe in diesem Fall allerdings genauer, so stellt sich die Frage nach der Haltbarkeit der zugrunde gelegten Differenz zwischen Wahrheit und Schein. Gestattet ein Blick auf die im Raum vorliegenden geometrischen Verhältnisse mit Recht, Wirklichkeit und Illusion voneinander abzuheben, so sperrt sich die Farbe einer derartigen Grenzziehung. Keine im Gesichtsfeld auftretende Farbe ist durch entsprechende Wellenlängen des Lichts eindeutig bestimmt; Farbe entsteht allererst durch bestimmte Eigenaktivitäten des Wahrnehmungsapparats; hier spielen vor allem Prozesse der Interaktion sämtlicher Töne im Gesichtsfeld eine Rolle. Wenn also gesehene Farbtöne keineswegs als bloße kausale Effekte der vom Auge aufgefangenen Daten zu gelten haben, so kann im Falle des vorliegenden Beispiels auch nicht mit Sinn von einer Täuschung über das Reale gesprochen werden. Dass wir in der genannten Betrachtung des Objekts unter bestimmten Bedingungen zwei unterschiedliche Farben und nicht eine Farbe unter wechselnden Lichtverhältnissen wahrnehmen, ist also recht besehen kein Irrtum des Auges, sondern Produkt seiner konstruktiven Tätigkeit; keiner der beiden differenten Töne steht der Wirklichkeit näher, beide sind im Hinblick auf die Frage nach der Wirklichkeit des Wahrgenommenen äquivalent. Ihre Differenz ist gleichwohl geeignet, die Täuschung im Hinblick auf die geometrische Gestalt des Objekts vollkommen werden zu lassen. Unter bestimmten Lichtverhältnissen und aus einer entsprechenden Position betrachtet, kann die Differenz der Helligkeits- bzw. Farbwerte zwischen den Teilflächen des Objekts jedoch auch verschwinden, so dass lediglich eine übergreifende homogene Farbezone wahrgenommen wird, ohne dass die Kantung der Fläche registriert würde. Man hat in diesem Fall nunmehr eine ebene, monochrome Dreiecksgestalt vor sich, die an einer ihrer Ecken angeschnitten ist. Diese Wahrnehmung ist jedoch nur aus einer ganz bestimmten seitlichen Perspektive möglich; jede kleine Positionsverlagerung des Subjekts kann die zuvor verschwundene Helligkeits- oder Farbdifferenz wieder zur Erscheinung bringen. Mit dieser Rezeptionsvariante ist das Spektrum 38


möglicher Lesarten der Objekte allerdings noch nicht erschöpft; ein weiterer Modus ihrer Präsenz ist zu berücksichtigen. Unter bestimmten Bedingungen verwandeln sich die Wandobjekte in schematische Abbilder von plastischen Körpern. Bei dem bereits genannten, mit der Spitze nach oben weisenden Dreieck etwa zeigt sich die perspektivische Darstellung einer Pyramide. Die in den Raum des Betrachters ragende schmale Dreiecksform wird dabei in einer Inversion ihres Richtungssinns als eine in die Tiefe fluchtende Seitenfläche eines pyramidalen Körpers wahrgenommen. Von bestimmender Bedeutung sind dabei die differierenden Helligkeitswerte der Formsegmente, die in diesem Kontext als Licht- und Schattenzonen des von der Seite beleuchteten Raumkörpers gesehen werden. Hier wird deutlich, dass das Bild eines perspektivischen Scheinraums selbst noch von vollplastischen Strukturen geliefert werden kann, deren Vektoren diesem Scheinraum diametral entgegenstehen. Möglich wird eine derartige Täuschung durch das Subjekt, das über die Fähigkeit zur Produktion und Wahrnehmung von Bildräumen verfügt, die über jede materielle Faktizität des sinnlich Gegebenen hinausgreifen. Man hat es hier mit einer imaginierten Bildtiefe zu tun, die den Regeln der projektiven Geometrie verpflichtet ist. An dieser Stelle wird der Hinweis des Künstlers auf die platonischen Körper verständlich. Als getreue Darstellungen des Tetraeders oder anderer Figuren können die in seinen Objekten sich zeigenden Raumbilder jedoch keineswegs begriffen werden. Bereits das genannte Bild zeigt eine Gestalt, die von den Formen der platonischen Körper abweicht. Bei einer hier möglichen dreieckigen Grundfläche gäbe sie einen verzerrten platonischen Tetraeder, bei einer quadratischen Grundfläche hätte man lediglich einen halbierten Oktaeder vor sich. Auch in den weiteren Wandobjekten wird man mit perspektivischen Bildern konfrontiert, die den Tetraeder in mehr oder minder stark verzerrten Varianten darbieten (Abb. S. 40, 42 u. 44). Man fühlt sich an entsprechende Verfahren der so genannten Topologie erinnert. Als Alternative zur klassischen metrischen Geometrie eröffnet die Topologie Möglichkeiten einer Stauchung oder Dehnung räumlicher oder plastischer Verhältnisse. Post verformt bzw. verzerrt den Tetraeder und verletzt auf diese Weise die Normen der Symmetrie, die für die platonischen Körper kennzeichnend sind; er produziert Konstellationen, die aus Sicht der Schöpfungslehre Platons als defizitär und deshalb auch nicht im vollsten Sinne als schön gelten können. Der Künstler bewegt sich also auf Wegen, die von jener normativen Reinheit zeitloser Formen wegführen, die in dieser frühen Ontologie das Denken über die Genese des Seienden bestimmte. Damit platziert er sich in einem Raum von Verhältnissen, den Platon als Welt der endlichen sinnlichen Phänomene charakterisiert hatte, als Sphäre von Trugbildern, die dem Menschen den Blick auf die höchsten, ewigen Wahrheiten verstellten. Die Wandobjekte rollen die Frage nach der Natur des

ohne Titel, WVZ 28/13/357, 2013 Acryl auf Glasfaser über Stahl 20 x 23 x 6,5 cm

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sinnlichen Seins und seines Verhältnisses zur klassischen Geometrie noch einmal auf. Auf den ersten Blick dem Konstruktivismus und Minimalismus zuneigend, bieten sie ästhetische Ereignisse, die jener Klarheit und Bestimmtheit ermangeln, wie sie im Denken reiner intelligibler Formen vorausgesetzt ist. Die Deformation des Tetraeders ist dabei nur die eine Seite einer übergreifenden Strategie der Verweigerung präzise lesbarer formaler Verhältnisse. Entscheidend ist hier die Differenz zwischen dem physischen Gegenstand auf der einen und seiner komplexen, mehrdeutigen, unbestimmt bleibenden ästhetischen Präsenz auf der anderen Seite. Bereits das wechselnde Licht oder eine veränderte Betrachterposition lassen bei ein und demselben Objekt divergente Qualitäten hervortreten. Die Differenzen zwischen den Ton- oder Helligkeitswerten der Farbe auf der Oberfläche der Tafeln können sich unter diesen Bedingungen in anders geartete Differenzen verwandeln oder auch gänzlich verschwinden. Schließlich sind jene variierenden Schatten oder farbigen Reflexe zu berücksichtigen, die sich auf der Wandfläche abzeichnen und diese zu einem Bestandteil der ästhetischen Erfahrung werden lassen. Über die Mehrdeutigkeiten in den geometrischen Verhältnissen hinaus ist es insbesondere die Farbigkeit der Artefakte, die ein mögliches Interesse an eindeutigen, mit definitiver Bestimmtheit auftretenden Präsenzen unterläuft. Aufgrund ihrer inneren Dynamik macht es die Farbe vielfach schwer oder unmöglich, die haptischen Oberflächen der Objekte präzise lokalisieren zu können. Die Farbe besitzt eigene Räume, die sich von den Räumen der metrischen Geometrie und auch von der Welt der Tasterfahrungen deutlich unterscheiden. Selbst dort, wo auf eine dynamische oder expressive Textur verzichtet wird, stellt sich die Farbe als ein diffuses, fluktuierendes Feld dar, in dem die Logik des Maßes unterlaufen bzw. aufgelöst wird. Die Welt chromatischer Phänomene zeigt eine topologische Struktur gänzlich eigener Art, die Synthesen mit der Ordnung mess- oder tastbarer Gestalten eingeht und dabei diese Ordnung in bestimmter Weise verschiebt, transformiert und unbestimmt werden lässt. Mit den Mitteln der klassischen Geometrie sind diese Zusammenhänge nicht zu begreifen. Der Künstler rechnet mit einem aktiven Subjekt der Rezeption, das an der Bildung und Konstruktion der wahrgenommenen Präsenzen in entscheidender Weise beteiligt ist; die leibliche Bewegung desselben durch den Präsentationsraum ist dabei notwendig eingeschlossen. Je nach Position oder wechselndem Licht sehen wir mehr oder minder diffuse Farbflächen bzw. Farbräume, plastische Konstellationen, die unversehens ihren Sinn ändern und dabei perspektivischen Scheinräumen oder auch fiktive Ebenen weichen. Ein beharrendes Substrat, mit wohl definierten stabilen Eigenschaften ist im ästhetischen Raum nirgends auszumachen. Platon sah in der vielgestaltigen, fließenden Sinnenwelt nur eine Sphäre der Täuschung, von der er die höhere Welt der reinen, wahren Gestalten unterschied. Post erinnert an den Philosophen, um die Eigenlogik dieser Wahrnehmung zur Geltung zu bringen. Die vorgeführte Verzerrung des Tetraeders ist ästhetisches Programm; in Verbindung mit der Verwendung der Farbe soll sie verdeutlichen, dass die Geometrie in ihrer reinen Gestalt im sinnlich-ästhetischen Raum zwangsläufig eine mehr oder minder merkliche Deformation und Verunklärung erfährt. Diese Deformation ist kein Mangel, sondern steht für die originären Leistungen und Qualitäten ästhetischer Räume, die mit der traditionellen Geometrie des Maßes nicht auszuloten sind. Gegenüber dieser geometrischen Rationalität ist der Raum der ästhetischen Phänomene gewissermaßen wild, vieldeutig, abgründig, im Kern nicht fassbar, stetig sich verändernd und erneuernd, ein Raum des konstitutiv Unbestimmten. 1 Platon: Timaios, Sämtliche Werke, Bd. 5, Hamburg 1983, S. 175 ff. (53 c ff.). 2 Rosalind Krauss: Allusion und Illusion bei Donald Judd, in: Gregor Stemmrich (Hrsg.), Minimal Art. Eine kritische Retrospektive, Dresden; Basel 1995, S. 228 – 238. Vergl. auch: Martin Engler, Specific Objects. Die Illusion des Faktischen, in: Dietmar Elger (Hrsg.), Donald Judd Farbe, Ostfildern-Ruit 2000, S. 53 – 77.

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Beyond the ideal Bodies On a group of Wall-Pieces of Michael Post Hans Zitko Translation Sabine Reul Speaking with Michael Post about the series of coloured wall works he created over the past few years, he mentions the so-called Platonic bodies. In his work, Timaios, the Greek philosopher Plato developed the notion that ideal geometric figures had played a role in the creation of the world by God.1 Tetrahedra, octahedra, icosahedra and cubes allocated to the elements fire, air, water and earth had, according to Plato, formed the structural components of a harmonically conformed cosmos ordered in its core. These components, in turn, were themselves to have been composed of corresponding triangular bodies. Plato’s model of creation is based on a logic of elementary forms comprehensible to reason which, at the same time, guaranteed the world’s greatest conceivable beauty. In Post’s reflections, the tetrahedron, a regular body in Euclidean space, whose surface is composed of four respectively equilateral planar triangles, plays a particularly important role and can also be described as a pyramidal form on a triangular base. When looking at the artist’s wall objects, barely any aspect of such a structure is visible at first sight. Although triangular forms of various configurations and proportions are employed, they cannot be regarded as elements of a Platonic cosmogony. Nonetheless, the recourse to the Platonic bodies does represent a principal decision in the aesthetic strategy of the artist. Which materials and productive acts play a role in the creation of his objects? Post uses thin, zinc coated steel panels cut and edged in different ways which he covers on both sides with a fibreglass tissue. Using a foamed roller, acrylic paint is then applied on both sides of these panels, creating a subtle monochrome texture which recalls classical post-painterly abstraction. With the aid of a magnetic apparatus, the panels so treated are then mounted on the wall at a certain distance which underscores their character as objects. However, the description of the physical object present and the manner of its origination do not tell us much. What do we see when we observe these wall objects? Post‘s work is positioned in the tradition of Concrete Art, including minimalism which developed since the 1960s. In particular the self-conception of leading minimalists includes the intention to remove every external reference, every figurativeness and hence also every kind of illusionism from the work of art. Form defines itself as a tautological phenomenon which is to rest in itself self-sufficiently to lend visible expression to that principle of sheer literalness. That masters of that art like Donald Judd or Sol Lewitt generally prefer basic geometric structures places them into clear proximity to those Platonic conceptions of an ideal order, but also to the spirit of Cartesian thought. Regularity, uniqueness and clarity here serve as the leitmotifs of a rationally purified art. However, it became evident early on to both commentators and artists alike that the intended literalness was quite often negated by minimalist artefacts themselves because as Rosalind Krauss, for example, noted, they often appeared as sensually complex and ambiguous; the rejected illusionism, too, frequently returned to the locus of the aesthetic experience.2 The tautological presence therefore, in fact, remained a theoretical postulate to which the sensual forms actually cannot submit. Michael Post works within the horizon of these insights which brought the innately fictitious character of minimalist purism to light.

Blick in die Ausstellung „colors of space“ Charlotte Jackson Fine Art Santa Fe, NM, USA

We can answer the question what it is that presents itself when we explore his objects step by step in observation and in different ways. Those who expect to see a work with stable properties that persist in all acts of perception will be disappointed. The objects change their character in different lighting situations and observer perspectives. Standing directly opposite the panels mounted on the wall, under corresponding illumination, a planar two-dimensional surface presents itself, composed of two segments of differing colouration (Fig. p. 38): To a larger triangle whose tip points upwards, a second narrow acute triangle is added laterally. Two different reds can be identified clearly from this vantage point: The red of the larger segment finds its counterpoint, as it were, in the different red of the smaller segment. 41



An asymmetrical, planar and simply structured surface which possesses a certain similarity to the logic of shaped canvas presents itself to the viewer. Due to internal structures in the surfaces, a whole form emerges which differs from classical picture formats and engages in dialogue with the wall surface on which it is placed. In a first approach, the viewer therefore moves in a field of perception in which the painting revolts against its own media boundaries in a reflexive strategy. If one leaves this observer position in relation to the artefact and moves to the left or right in parallel to the wall, the object perceived begins to change markedly. Even if the viewer’s position changes only slightly, it becomes clear that what one sees is not a planar surface, but an artefact that possesses plastic properties; what was previously concealed now becomes visible. Whereas the large triangle is positioned in surface parallelism on the wall, the small triangle attached to it extends into the viewer’s space at a certain angle. His change of position therefore teaches the viewer that he previously succumbed to a deception: Where he believed to have seen a planar surface, in reality there was a three-dimensional structure. Viewed in the first perspective, Post‘s objects present characteristics which recall the practice of trompe-l’oeil painting which was popular during the Baroque era. The aim was to create a perfect image that could no longer be distinguished from the real object depicted. Deceiving the viewer with painterly means, however, often remained a mere programme because barely any viewer believed, for example when viewing those meticulously painted still lifes, to be seeing the real thing itself. The situation is different as regards the interferences and syntheses between different media to be found in the interiors of baroque architecture. Gazing upwards, the viewer can often barely distinguish what is still sculpture or relief in the transition areas between the building corpus and the ceiling paintings, and what already forms part of the painting applied on the plaster; the differing media quite often merge indistinguishably. The deceit is perfect in Post’s objects too; and it recurs even if the illusion has already been recognised. The viewer only has to resume the central position opposite the artefact to again perceive that planar surface, even in the full knowledge that it possesses a spatial fold. The factor colour is of eminent importance in this context. Whereas two different reds are perceived in the first position, in the second we see that both surface segments have the same colour and show differing values only due to differing light irradiation or shading. If the viewer moves, one perception passes over into the other and, here again, the impression of seeing two colours is reproduced in the viewer again and again. The artist demonstrates that a perfect trompe-l’oeil effect is possible in the idiom of an art that renounces every kind of illusionism – a visual deception that can outlast every contrary experience and insight. Looking at the behaviour of the colour in this case more closely, however, the question as to the durability of the presumed difference between truth and appearance presents itself. Although a look at the geometric relationships present in the room rightly permits distinguishing between reality and illusion, the colour resists such demarcation. No colour appearing in the field of vision is uniquely defined by corresponding wavelengths of light; colour only arises through certain autonomous activities of the perceptive apparatus; above all, the processes of interaction of all colour shades in the field of vision play a role in that regard. If the colour hues seen in the above example can therefore not be deemed to be mere causal effects of the data received by the eye, it is impossible to speak meaningfully of a deception about reality. That we perceive the object in two different colours and not as one colour in changing light conditions is, in fact, not an error of the eye, but a product of its constructive activity. Neither of the two shades of red is closer to reality; they are both equivalent as regards the reality of the object perceived. Nonetheless, their difference is suited to render the deception regarding the geometrical conformation of the object complete. The difference of the lightness or colour values between the partial surfaces of the object can, however, also disappear when seen in certain lighting situations and from a corresponding position, so that merely one overall homogeneous colour zone is perceived, without any registration of the surface edging. In this case the viewer now sees a planar monochrome triangular form with a cut in one of its corners. This perception, however, is possible only from one specific lateral perspective; ohne Titel, WVZ 22/13/351, 2013 Acryl auf Glasfaser über Stahl 100 x 8 x 5 cm 43


ohne Titel, WVZ 23/12/327, 2012 Acryl auf Glasfaser 端ber Stahl 89 x 20 x 4 cm 44


every slight shift in the position of the subject can bring the previously vanished difference in lightness or colour back again. This perception variant still does not exhaust the range of possible readings of the objects. Another mode of their presence still requires consideration. Under certain conditions, the wall objects transform into schematic presentations of plastic bodies. In the case of the triangle whose tip points upward mentioned above, for example, the perspectival presentation of a pyramid appears. The narrow triangular form protruding into the viewer’s space is now perceived, in an inversion of its sense of direction, as a lateral surface of a pyramidal body aligned into the depth of the object. Here, the differing lightness values of the form segments, seen in this context as light and shadow zones of the spatial body illuminated from the side, are of decisive importance. It becomes clear here that the image of a perspectival pseudo-space can even be supplied by fully plastic structures whose vectors are diametrically opposed to this pseudo-space. Such a deceit is rendered possible by the subject who possesses the capacity to produce and perceive image spaces that extend beyond every physical facticity of the sensually given object. What we encounter here is an imagined depth of the image governed by the rules of projective geometry. The artist‘s reference to Platonic bodies now becomes comprehensible. The spatial images presenting themselves in his objects can, however, not be understood at all as true presentations of the tetrahedron or other figures. The picture already discussed presents a configuration that diverges from the forms of the Platonic bodies. In the case of a possible triangular base, it would present a distorted Platonic tetrahedron; in the case of a square base, one would see only a halved octahedron. In the other wall objects, too, the viewer is confronted by perspectival images which present the tetrahedron in more or less strongly distorted versions (Fig. pp. 40, 42 and 44). The viewer is reminded of corresponding procedures in topology. As an alternative to classical metric geometry, topology creates options for compressing or dilating spatial or plastic relationships. Post deforms or distorts the tetrahedron, thereby breaching the norms of symmetry which are characteristic of Platonic bodies. He produces constellations which must be regarded deficient from the vantage point of Plato’s cosmogony and can thereby also not be deemed beautiful in the fullest sense of the word. The artist moves along routes that lead away from the normative purity of timeless forms which defined the ideas of the genesis of being in this early ontology. In so doing, he positions himself in a sphere of relationships which Plato defined as the world of finite sensual phenomena, the sphere of phantasms which closed off the view of the highest eternal truths to humans. Post’s wall objects raise the question about the nature of sensual being and its relationship to classical geometry once again. Though inclined towards constructivism and minimalism at first sight, they offer aesthetic events which lack the clarity and determinacy presumed by the ideas of pure intelligible forms. The deformation of the tetrahedron is thereby only one side of an overarching strategy of refusal of precisely decipherable formal relationships. The decisive factor here is the difference between the physical object on the one hand and its complex, ambiguous and indeterminate aesthetic presence on the other. A mere change in illumination or a changed observer position already let diverging qualities appear in the object. Under these conditions, the differences between the shade or lightness values of the colour on the surfaces of the panels can turn into differences of an entirely other kind or disappear completely. And, finally, those varying shadows or coloured reflexes which emerge on the wall surface and make it part of the aesthetic experience also need to be taken into account. Beyond the ambiguities in the geometric relationships, it is especially the colour of the artefacts which subverts any possible interest in clear presences of definitive determinacy. Due to its inner dynamism, the colour often makes it difficult or impossible to locate the haptic surfaces of the objects with accuracy. The colour possesses its own spaces which are very distinct from the spaces of metric geometry and from the world of tactile experience. Even where there is no dynamic or expressive texture, the colour presents itself as a diffuse and fluctuating field in which the logic of the dimension is subverted or dissolved. The world of chromatic phenomena presents a topological structure of a very specific nature which enters into syntheses with the order of measurable or palpable forms and thereby displaces and transforms this order in certain ways, letting it become indeterminate. These relationships cannot be understood with the means of classical geometry. The artist counts on an active subject of perception who participates decisively in the formation and construction of the perceived presences. The viewer’s corporeal movement through the presentation room is thereby necessarily included. Depending on our position or the changing light, we see more or less diffuse colour surfaces or colour spaces, plastic constellations which suddenly change meaning, thereby giving way to perspectival pseudo-spaces or fictitious planes. A persisting substrate with well-defined stable properties is nowhere to be found in this aesthetic space. Plato regarded the multifarious, flowing world of the senses as a sphere of mere deceit, from which he distinguished the higher world of pure true forms. Post refers to the philosopher to spell out the innate logic of this perception. The distortion of the tetrahedron presented is an aesthetic programme; in conjunction with the use of colour, it is to demonstrate that geometry in its pure conformation inevitably undergoes a more or less appreciable deformation and de-clarification in the sensual-aesthetic space. This deformation is no defect. Rather, it stands for the original achievements and qualities of aesthetic spaces which cannot be fathomed with the traditional geometry of dimensions. In contrast to this geometrical rationality, the space of aesthetic phenomena is, as it were, wild, ambiguous, unfathomable, essentially incognisable, continuously changing and self-renewing, a space of the constitutively indeterminate.

1 Platon: Timaios, Sämtliche Werke, Bd. 5, Hamburg 1983, S. 175 ff. (53 c ff.). 2 Rosalind Krauss: Allusion und Illusion bei Donald Judd, in: Gregor Stemmrich (Hrsg.), Minimal Art. Eine kritische Retrospektive, Dresden; Basel 1995, S. 228 – 238. Vergl. auch: Martin Engler, Specific Objects. Die Illusion des Faktischen, in: Dietmar Elger (Hrsg.), Donald Judd Farbe, Ostfildern-Ruit 2000, S. 53 – 77.

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Ann Reder


Zu den Arbeiten von Ann Reder Annmarie Taeger

Bei meiner ersten Begegnung mit Ann Reders Objekten verblüffte mich deren pure Schönheit. Eine Schönheit, die mich lockte und mir zugleich rätselhaft schien in ihrem Für-sich-sein, nur Sich-selbst-bedeuten, nicht auf anderes verweisen. Ich hatte den Eindruck, dass Schönheit hier nicht eine Eigenschaft ist, sondern die Essenz. Und dass das Objekt als Träger dieser Essenz mit seiner Bedeutung ganz in der Funktion, das Schöne sichtbar zu machen, aufgeht. Es war mir, als hätte sich der Entwurf vom höchsten Ideal der Kunst – dem des in sich Vollendeten – der sich utopisch gegen jede Verwertbarkeit aufbäumt, aus dem Ende des 18. Jahrhunderts unmittelbar in unsere Gegenwart gerettet. Damals war Schönheit noch ein Signum der Wahrheit. Heute jedoch ist nicht nur diese Gleichsetzung zerbrochen, auch die Idee der Wahrheit wurde als Illusion verabschiedet, und eine neue Allianz bestimmt unser Wahrnehmen und Denken: Nur im Nicht-mehr-Schönen wollen wir Wahrhaftigkeit erkennen, und Wahrhaftigkeit meint die ungeschminkte Erkenntnis unserer desolaten Welt. Die Gewöhnung an eine Ästhetik des Hässlichen – und dieser Ästhetik wird per se ein kritischer Impetus zugetraut – impliziert ein Misstrauen gegenüber der Schönheit: Sie dient nun der Identifizierung des Obsoleten. Indem die Schönheit eines Kunstwerks generell einem Verdacht ausgesetzt wird (und der Kitschverdacht ist nur eine Spielart), wird sie zugleich aus unserem Begehren ausgeschlossen. Dies zeigt, wie schwer es heute ist Schönheit zu erfahren, aber auch ihr standzuhalten. Ann Reders Plastiken leben, so scheint es, ganz allein aus der Form und der Farbe. Die Materialität, die sonst den Reiz einer Plastik mitbestimmt oder sogar dominiert, ist durch die Farbe zum Verschwinden gebracht. Dieser Entmaterialisierung des Materials Sperrholz korrespondiert die konkave Form. Und so stehen wir vor Körpern – denn die Objekte sind ja raumgreifend dreidimensional, auch wenn sie sich oft als Wandreliefs präsentieren – die in eigentümlicher Weise zugleich körperlos sind. Die Sprödigkeit ihrer Werke (und das beste Antidot gegen jegliche Süßigkeit) entspringt aus einer Form, die sich als Hohlform im selben Moment zurücknimmt. Sie schließt etwas ein oder spart etwas aus, was eigentlich der Körper wäre. Wir sehen nun etwas, was unseren Augen letztlich unsichtbar ist: einen umgebenden Raum materialisiert als ein Segment, als Abdruck eines nicht mehr Anwesenden. Dieser Tausch von positiver und negativer Form hat zur Folge, dass wir sehen und nicht sehen und zwar in doppelter Weise, denn unser Auge kann ergänzen, was nicht ist, ohne darüber zu vergessen, dass es nicht ist. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Farbe. Sie ist quasi die Verbindung zwischen der konkaven und der eingeschriebenen konvexen Form. So erscheint sie mir wie ein Überbleibsel des verschwundenen Körpers, wie eine Haut, die er zurückgelassen hat. Der zum Körper gewordene Raum hingegen - da, wo er sich vom Hintergrund der Wand abstößt - lässt die Farbe als eine Reflexion aufscheinen, sich erneut auflösend. So ist die Schönheit, die ich probehalber der Form und der Farbe zuschrieb, zugleich einer Evokation geschuldet, die das, was sichtbar ist, in das Unsichtbare hinein verlängert; das heißt aber, im Sichtbaren allein nicht aufgeht.

Tid, 1988 Sperrholz, Acrylfarbe 100 x 87 x 73 cm 47


Damit habe ich nur Ann Reders Spiel mit der Hohlform als übergreifender Form angedeutet und das, was diese strukturiert, noch unerwähnt gelassen. Wir finden vertraute Proportionen wie die Verdoppelung, die Reihung, diagonale Teilung, aber auch andere, deren Harmonie sich zwar unmittelbar erschließt, doch die in ihrer Logik zunächst fremd bleiben. Die Arbeiten: Das blaue Wandrelief 8-5-3-2, das schmale gelbe Lys 6 und die Bodenplastik „Aus der Wachstumsspirale einer Schneckenmuschel“ gehorchen dem selben Prinzip, obwohl ihre Gestalt so verschiedenartig ist. Am augenscheinlichsten äußert es sich in der Bodenplastik, und auch ohne den Titel identifizieren wir sofort die Spirale als ein Segment einer Schneckenmuschel, ohne aber gleich den Bogen schlagen zu können zu der Arbeit 8-5-3-2, oder Lys 6. Das, was sie verbindet, ist ein Strukturprinzip, das den Erscheinungen der Natur zugrunde liegt. Und Ann Reder bringt in ihrer Kunst (unter anderem) das zur Erscheinung und damit zur Anschauung, was als Unsichtbares, Formgebendes, der Natur inhärent ist. So ist das Unsichtbare selbst Thema ihres Werkes, ja, ich könnte behaupten, ihr eigentliches Material; und mit dem Schnitt durch ein Schneckengehäuse, das als Form überdauert, während der Schneckenkörper verschwunden ist, doch als Raum überlebt, verbindet sie das Vexierspiel von positiver und negativer Form, das auf der Ebene der Erscheinungen, d. h. der konkreten Körper angesiedelt ist, mit dem verborgenen Code der Wachstumsprozesse. Ich habe damit vorausgegriffen. Der unverhoffte Rekurs auf ein Organisationsprinzip der Natur mag für Sie bei der „Wachstumsspirale“ zwar plausibel sein, hat er aber sonst Gültigkeit? Lassen sich die Formen nicht aus einer anderen Art der Abstraktion erklären, die sich an den äußeren Naturerscheinungen orientieren, oder sich von abstrahierenden Begriffen herleiten? Das gewiss auch, aber hier sind wir vor allem in der Welt ihrer Collagen. Darauf komme ich gleich noch. Ich habe bisher den Hinweis, dass sich eine Vielzahl von Ann Reders Objekten in ihrer Konstruktion einer Proportionslehre bedienen, ausgedrückt in einer Zahlenreihe, zurückgehalten, nicht um etwas zu mystifizieren, sondern um schnelle Zuordnungen zu umgehen. Die mathematische Formel für die Wachstumsprozesse des Organischen z. B. eben einer Schneckenmuschel oder eines Baumes, aber auch des Anorganischen, wie heute wohl nachgewiesen werden kann, hat ein genialer Mathematiker des Mittelalters, Fibonacci, wenn nicht herausgefunden, so doch für das Abendland fruchtbar gemacht. Er lebte von 1170 bis ungefähr 1250 und seine Kenntnisse 48


Ausstellung im KĂźnstlerhaus GĂśttingen, 2007 49


Med Ett III, 2003 Sperrholz, テ僕farbe 28 x 87 x 30 cm 50


verdankte er dem Kontakt mit arabischen Mathematikern. Seine wohl folgenreichste Leistung für den Westen liegt in der Übermittlung des indisch-arabischen Zahlensystems. Für uns interessant ist jedoch seine nach ihm benannte Zahlenreihe: Von eins ausgehend, wird das jeweilige Ergebnis der Addition, die Summe, zu der letzten Zahl der Reihe hinzuaddiert. So ergibt sich folgende, bis ins Unendliche laufende Reihe: 1 (da noch nichts anderes vorhanden ist, kann 1 nur mit 1 addiert werden), 2, 8, 5, 8, 13, 21, 34 etc. Etliche unserer zeitgenössischen Künstler haben sich von dieser Zahlenreihe inspirieren lassen, z. B. Mario Merz, der die Zahlen auf seinen gläsernen Iglus in Neonschrift wie Rätselzeichen hat aufleuchten lassen; oder Lienhard v. Monkiewitsch, der die Zahlen als Maße auf seine Leinwände übertragen und so Farbfelder proportioniert hat und auch Ann Reder, die aber, anders als die beiden eben genannten Künstler, die Zahlenreihe nicht äußerlich ihren Werken hinzufügt, sondern sie als Konstruktionsprinzip ihren Arbeiten zugrundelegt und somit analog zur Natur ein Kunstwerk schafft. Und damit scheint mir begründet, weshalb die Form - aufgefasst als naturkonstituierende Proportion, zugleich abstrakt und konkret, sinnlich und doch den Sinnen allein verschlossen - das evoziert, was ich als Schönheit erfahren habe. Ann Reders Objekte lösen für mich das ein, was als Anforderung an die Kunst im Sturm und Drang formuliert, aber doch wohl nie verwirklicht werden konnte: Nicht die Natur nachahmen, sondern der Natur nachahmen. Auf einer anderen Ebene begegnen wir dem selben Ansatz in Ann Reders Collagen. In deren Zweidimensionalität erfahren wir eine äußerste Reduktion. In diesem Prozess wird gleichsam alles Überflüssige verdampft und es bleibt nur die reine Essenz zurück. In chiffrenhafter Einfachheit wiederholt sich hier das Wechselspiel von Negativ und Positiv, doch in der Weise, dass das Auge, die geometrisierende Form zuerst überspringend, Konkretes identifiziert. Eine Horizontlinie, ein Segel, einen Berg, eine Welle. Poetische Titel geben der Phantasie Flügel: Sermiligaq, das heißt: der Ort, an dem die Gletscher kalben. Oder Goaskinviellja: Adlerbruder. Das Konkrete ist jedoch entindividualisiert und fällt so mit einem Allgemeinen in eins. Und schon sind wir in einer Gegenbewegung wieder im Bereich der Abstraktion; und so wie bei einigen Collagen helle und dunkle Fläche sich komplementär durchdringen, läuft der Prozess der Verortung von einem Pol zum andern. Satz und Gegensatz stellen sich zugleich auf, bedingen sich gegenseitig. Die Spannung wird nicht aufgehoben. Jede Collage lässt ein Dingliches aufscheinen und nimmt es im gleichen Atemzug zurück ins Zeichen. Ähnlich wie Worte zeigen die Linien und Flächen eine ganze Welt und zugleich, dass es sich um Glyphen handelt. Die kleinen Bodenplastiken, so scheint mir, sind aus dieser Welt entstanden. Sie bewahren ihre Zeichenhaftigkeit trotz ihres Volumens. Als wären sie aus Rahmen und Fläche herausgetreten, führen sie nun ein Eigenleben und bilden einen Übergang zu den vorher besprochenen Plastiken. Obwohl die plastischen Arbeiten und die Collagen jeweils in sich abgeschlossene Werkgruppen darstellen, stehen sie doch miteinander in Korrespondenz, nicht zuletzt durch die Farbigkeit. Denn das Spiel der Farbe mit der Imagination des Betrachters wiederholt das Changieren zwischen reiner Farblichkeit, die nur für sich steht und tradierten Verweisungen. Ich kann die Farbe als Chiffre auffassen, die auf das Lichte und das Nächtliche deutet. Besonders die gelben Arbeiten, die häufig das Licht (Lys) schon im Titel tragen, geben dazu Anlass. Doch entzieht sich die Farbe in ihrer Schattierung, die von cadmiumgelb über neapelgelb zu indischgelb reicht (freilich immer mit Weiß gemischt) jeglichem Gegenstandsbezug. Bei den blauen gibt es ein ähnlich interessantes Oszillieren zwischen Identifikation und Ablösung, auch hier oft durch Titel provoziert, die z. B. Meeresassoziationen hervorlocken und die, nicht zuletzt durch den Farbauftrag und seine Abstufungen, wieder zurückgenommen werden. Die Farbe blau, (ultramarin, indigo, kobalt, mit weiß und schwarz gemischt), eröffnet ein weites Feld von Bedeutungen. Doch so wie die Bläue des Meeres sich der Reflexion des Himmels verdankt und dessen Bläue sich wiederum dem Licht, sind wir schnell darauf verwiesen, dass das, was wir sehen, was wir zu sehen vermeinen – Verbindungen zur Gegenständlichkeit und ihre Negation – unseren Interpretationen geschuldet ist.

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Strom, 2010 Sperrholz, テ僕farbe 68 x 92 x 9 cm 52


On the Works of Ann Reder Annmarie Taeger Translation Sabine Reul

When I first encountered objects by Ann Reder, I was astounded by their pure beauty. A beauty I found both enticing and mysterious as being-in-itself, meaning only itself, not referring to anything else. My impression was that beauty here was not a characteristic, but the essence. And that the object as the bearer of that essence and its meaning is devoted fully to the function of rendering beauty visible. It seemed to me as though the supreme ideal of art ­– the work that is fulfilled entirely within itself and rejects any kind of instrumentalism – had been rescued from the late 18th century directly into our time. Beauty was then still regarded as a manifestation of truth. Not only does this equation no longer hold today. The very idea of truth has been discarded as an illusion, and a new combination dominates our perception and thinking: We see truth only in the no longer beautiful, and truthfulness now means the unadorned recognition of our desolate world. Habituation to an aesthetics of ugliness – an aesthetics that is generally viewed as per se critical – implies distrust in beauty which now serves only as a hallmark of obsolescence. And once the beauty of a work of art is exposed to general suspicion (of which the charge of kitsch is only one variant), it is also excluded from our desire. That shows how hard it is today to experience beauty, but also to withstand it. Ann Reder’s sculptures appear to live by form and colour alone. The materiality which otherwise constitutes a part of or even dominates the charm of a sculpture has been silenced by colour here. The concave form corresponds to this dematerialisation of the material plywood. And so, we stand before bodies – because the objects are capaciously three-dimensional, even though they present the form of wall reliefs – which are peculiarly bodiless at the same time. The starkness of her works (and the best antidote against the saccharine) derives from a form which instantaneously withdraws into itself as a hollow. It incorporates something or omits the thing that would actually be the body. We now see a thing that is ultimately invisible to our eyes: an ambient space materialised as a segment, an imprint of something no longer present. This change between positive and negative form means that we see and do not see, and this doubly because our eyes can supplement what isn’t there without forgetting that it isn’t. The colour amplifies this impression. It forms the connection, as it were, between the concave and the inscribed convex form. It therefore appears to me like a residue of the vanished body, a skin it left behind. The space which has become body, on the other hand, lets the colour light up like a reflection as it moves outwards from the background of the wall, again dissolving itself. So the beauty which I ascribed provisionally to the form and colour is, in fact, also the product of an evocation which extends the visible into the invisible and is therefore not in the visible alone. So far, I have only addressed Ann Reder’s play with the hollow as an overarching form without mentioning what structures it. We see familiar proportions like doubling, series, diagonal partition, but also others whose harmony is immediately apparent, but whose logic remains strange at first sight. The works “das blaue Wandrelief 8-5-3-2”, “das schmale gelbe Lys 6” and the floor sculpture “Aus der Wachstumsspirale einer Schneckenmuschel” obey the same principle, although their conformation is so different. The principle is most evident in the floor sculpture: even without knowing the title, we immediately identify the spiral as a segment of a conch, but without being able to see a parallel in the works ‘8-5-3-2’ or ‘Lys 6’. What they share is a structural principle that underlies natural phenomena. In her art, Ann Reder lends visible expression (among other things) to the invisible form-giving principle of nature. So the invisible itself is a theme of her work, and I would say: its real material. With the cut through a snail house, which remains as form while the snail body has disappeared but survives as space, she connects the interplay between positive and negative form situated on the level of appearances, i.e. real bodies, with the hidden code of growth processes. I’ve jumped ahead here. You may find the unexpected recourse to an organising principle of nature plausible in the case of the “growth spiral”. But does it apply elsewhere too? Can the forms of Ann Reder’s objects not be explained by a different type of abstraction that is guided by natural phenomena or derives from abstract concepts? That certainly is the case, but applies mainly to her collages. I’ll return to that.

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So far, I have not mentioned that the construction of many of Reder’s objects is based on a theory of proportion, expressed in a number sequence, not because I wanted to mystify, but to avoid rash categorisations. The mathematical formula for the growth processes of organic life, for example of a conch or a tree, but even for inorganic matter, as science can now apparently prove, was, if not discovered, then at least made fertile for the occident by the medieval mathematician Leonardo Fibonacci. He lived from 1170 until after 1250 and acquired his knowledge from his contact with Arab mathematicians. His probably most important achievement for the West was the transfer of the Hindu-Arabic number system. What is most interesting for our purposes, however, is the number series named after Fibonacci: starting from 1, the respective result of addition, i.e. the sum, is added to the last number in the sequence. From that, we get the following infinite series: 0, 1 (since nothing else exists yet, 1 can only be added to 1) 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34 etc. Many contemporary artists were inspired by this number sequence, for example Mario Merz who had the numbers light up in neon characters on his glass igloos, or Lienhard v. Monkiewitsch, who transferred the numbers as measures to his canvases to proportion his colour fields. Unlike these two artists, Ann Reder does not add the number series to her works, but uses it as their construction principle, thereby creating art by a method analogous to nature. To me, this appears to explain why the form, understood as nature-constituting proportion, both abstract and concrete, sensual and yet not open to the senses alone, evokes what I experienced as beauty. Ann Reder‘s objects, to my mind, fulfil the requirement placed on art during the Sturm und Drang period, but so far never realised: not to imitate nature, but to imitate nature’s method. We encounter the same approach, but at a different level, in Ann Reder’s collages. Their two-dimensional character permits extreme reduction. This process, as it were, vaporises all that is unnecessary; what remains is pure essence. The interplay between positive and negative is repeated here in cipher-type simplicity, but in such a way that the eye, jumping across the geometric form, identifies concrete things: a horizon line, a sail, a mountain, a wave. Poetic titles stir our imagination: Sermiligaq, which means the place where glaciers calve. Or Goaskinviellja: Eagle Brother. But the concrete is de-individualised, becoming one with generality. And this takes us by an obverse movement directly into the field of abstraction. And just like light and dark surfaces permeate each other as complements in some collages, the process of localisation moves from one pole to the other. Thesis and antithesis appear simultaneously and condition each other. The tension is not brought to an end. Every collage lets a concrete thing appear and takes it back into the cipher in the same breath. Similar to words, the lines and surfaces present an entire world and, at the same time, what we see are mere glyphs.

Aus der Wachstumsspirale einer Schneckenmuschel V, 2007 Sperrholz, Acrylfarbe 32 x 48 x 10 cm

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Lys, 2011 Sperrholz, Ölfarbe 61 x 61 x 8,5 cm

The small floor sculptures to me appear to derive from that world. Despite their volume, they retain their emblematic nature. As though they had stepped out of the frame and the planar dimension, they now lead a life of their own and form a transition to the sculptures discussed earlier. Although the sculptures and collages present distinct work groups, they do correspond with each other, not least through their colouration. The play of the colour with the viewer’s imagination repeats the interchange between pure colour that stands only for itself and traditional references. I can regard the colour as a cipher that refers to light and the nocturnal. Especially the yellow works which often already bear light (Lys) in the title, suggest that. But the colour evades every representational reference due to its tonality which shifts from cadmium yellow through Naples yellow to Indian yellow (naturally always mixed with white). In the blue ones, there is a similar interesting oscillation between identification and detachment, here also often provoked by titles which trigger e.g. ocean associations which are then withdrawn again not least due to the colour application and its gradations. The colour blue (ultramarine, indigo, cobalt, mixed with white and black) opens a wide field of meanings. But just like the blue of the ocean is caused by the reflection of the sky and the sky’s blueness in turn by light, we are quickly reminded that what we see, what we believe to see – references to representation and their negation – is the product of our interpretation. 55


Gert Riel


METALL : WERKE Auszug aus Katalogtext Museum Biedermann 2010 Bettina Schönfelder

Der Stahlbildhauer Gert Riel wendet sich seit 2006 verstärkt einer farbigen Fassung von Metallkörpern zu. Die Farbe und das damit zum Einsatz gebrachte Material Aluminium erweitern die plastische Sprache von Gert Riel um die Dimension des Malerischen. Aluminium ist in seiner Formbarkeit dem Stahl verwandt und bietet sich als stimmiges Trägermaterial für handelsübliche Lacke an. Die Lackarbeiten Gert Riels sind stets wandbezogen und stellen in ihrer Ähnlichkeit mit Tafelbildern deutliche Bezüge zur monochromen Farbfeldmalerei her. Kamen anfangs nur Grau- und Weißtöne zum Einsatz, so umfasst das Spektrum heute eine Vielzahl von Gelb-, Rot-, Grün- und Blautönen. Neuerdings verwendet Riel auch Leuchtfarben und interferierende Lackierungen. Während er die Hochglanzfarben in Autowerkstätten lackieren lässt, bemalt oder besprüht er die matt lackierten Objekte im Atelier selbst. Die für die Plastiken gültigen Vorgaben der konkreten Kunst – strenge Rationalität, der Verzicht auf eine persönliche Handschrift, die Orientierung an industriellen Fertigungstechniken und der damit verbundenen Präzision – wendet Gert Riel auch beim Einsatz der Farben an. Vom Plastischen her gedacht betont oder dämpft die Farbe des Metalls das vorhandene Volumen. Gert Riels Wandobjekte verbinden materielle Körperlichkeit mit der Leuchtfähigkeit und der Reflexionssensibilität unterschiedlicher Lacke und dehnen die aus Flächen entwickelten Körper in den Raum aus. Auf den hochglanzlackierten, gewölbten Oberflächen entstehen lebhafte Spiegelungen, die gleichermaßen den umgebenden Raum sowie den vor der Arbeit stehenden Betrachter verzerrt wiedergeben. Zusätzliche optische Irritationen sind der Effekt von rhythmisch gesetzten Knicken in der gewölbten Aluminiumfläche. Die Kombination von hochglänzenden und matten Partien strukturiert die farbigen Körper. Im direkten Nebeneinander wird der unterschiedliche Einfluss von Oberflächenqualitäten auf die körperliche und räumliche Wirkung des Objekts nur um so deutlicher. Durch schräge Abkantungen gegeneinander verschobener Flächenformen öffnen sich die glatten, perfekt anmutenden Farbflächen, ebenso wie durch präzis gesetzte Schnitte und winklige Aussparungen. Sie schaffen Zwischenräume, in die der Blick eindringen und sich verhaken kann. Bei den zwei- und dreiteiligen Arbeiten bekommen selbst die Abstände zwischen den Bildteilen formale Bedeutung. Sie bilden Spalten, die die Dreidimensionalität der Farbflächen signifikant unterstreicht. Bohrungen, die mit Aluminiumrohren ausgekleidet sind, lenken auf vergleichbare Art die Aufmerksamkeit in das Innere der Farbkörper und damit auf die räumliche Ausdehnung der Objekte. Gert Riel erweitert und verändert fortlaufend das Vokabular seiner plastischen Untersuchungen in Metall. Seine Werke könnte man als Versuchsanordnungen bezeichnen, deren Vorgaben die Konsequenz aus den jeweils zuvor gewonnenen Erkenntnissen sind. Der aktuelle Stand dieser künstlerischen Forschung verbindet das Material Metall mit Form, Raum, Licht und Farbe zu plastischen Modulationen, die sich zwischen Materialität und Immaterialität bewegen. Ihr energetisches Potential – aus einer bestimmten Perspektive könnte man auch von Transzendenz sprechen – beziehen sie aus der genauen Beachtung ihrer materiellen Bedingungen.

ohne Titel, 2011 Lack auf Aluminium, 2-teilig 54 x 102 x 8 cm 57


ohne Titel, 2011 Aluminium, 2-teilig 54 x 98 x 11 cm 58


METALL : WERKE Excerpt from the exhibition catalogue Museum Biedermann 2010 Bettina Schönfelder Translation Carola Kleinstück-Schulman

Beginning 2006, the steel sculptor Gert Riel has intensified his use of colour on metal forms. Colour, paint and the concomitant use of aluminium broaden the artist’s hitherto purely sculptural language. In its malleability aluminium is related to steel and offers itself as a fitting support for a wide range of commercially available paints and enamels. Gert Riel’s painted works are invariably wall-mounted, and their similarity to panel paintings brings to mind monochrome Color Field painting. Having at first limited himself to shades of grey and white, Gert Riel has since expanded his spectrum to include a great many yellows, reds, greens and blues. Of late he has also begun to use fluorescent paints and enamels enriched with interference pigments. While he delegates the high gloss enamels to a garage, he sprays or paints the matte finish himself. The principles of Concrete Art that apply to his sculptures – rigorous rationality, the renunciation of the personal touch of the artist’s hand, orientation towards industrial production techniques and industrial precision – also apply to his use of colour. The colour Gert Riel uses on his wall objects either emphasizes or extenuates the given volume. Expanded from twodimensional planes, the reliefs combine a three-dimensional physical materiality with the luminosity and reflectivity of different paints and enamels. The curved high-gloss surfaces reflect and distort the surrounding space and the viewer. Rhythmically positioned kinks in the curved aluminium surface provide additional optical effects. The juxtaposition of glossy and matte sections structures the painted wall pieces and underlines the influence of different surface qualities on the material and spatial effect of the works. The artist opens and articulates the perfectly smooth painted planes by staggering them and by means of precise incisions and angular cut-outs. These create interstitial spaces which the eye can penetrate and where the gaze can linger. In the two- and three-part works even the gaps between the parts attain formal importance. They form clefts that underline the three-dimensionality of the painted parts. Similarly, aluminium-clad bore holes direct attention into the interior of the work and thus to the spatial dimension of the objects. Gert Riel continuously expands and adjusts the vocabulary of his plastic research into the properties of metal. His works could be described as test arrangements whose problem specifications are the results of the previous set of tests. The current state of this artistic investigation combines metal with form, space, light and color to form plastic modulations that oscillate between materiality and immateriality. Their energetic potential – one might even describe it as transcendence – derives from the exacting observation of their material conditions. 59


ohne Titel, 2011 Lack auf Aluminium 54 x 54 x 8 cm 60



ohne Titel, 2012 Lack auf Aluminium 90 x 90 x 14 cm 62


ohne Titel, 2012 Lack auf Aluminium 90 x 90 x 15 cm 63


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ohne Titel, 2011 Lack auf Aluminium 54 x 54 x 7 cm 65


Eduard Tauss


Zu den Farbkörpern von Eduard Tauss Michael Post / Heiner Thiel

Im Rohzustand nehmen wir Farben als Körper wahr, seien es Anhäufungen reiner Pigmente, oder deren Einbindungen in diversen flüssigen bis zähflüssigen Medien. Dies ist deswegen so bemerkenswert, weil sie in einem Zustand der Weiterverarbeitung nicht nur ihr Volumen zu Gunsten einer eher flächigen Erscheinungsform ausdehnen sollen, sondern auch fast ausschließlich für den Zweck einer solchen Weiterverarbeitung hergestellt werden. Mit den Graden ihrer Verflüssigung wird ihre funktionale Bestimmung festgelegt und es ergibt sich eine erhebliche Bandbreite von Ausdehnungsmöglichkeiten, um Oberflächen einzufärben und deren Körper in einem anderen Lichte erscheinen zu lassen. Die grenzenlose Vielfalt von Farben, die in unterschiedlichen Konsistenzen zum Einsatz gebracht werden können, lässt sich allerdings in ihrer visuellen Wirkung am besten an Hand der Malerei und der farbigen Skulptur in allen Epochen der Kunstgeschichte ablesen. Unsere Wahrnehmung von Bildinhalten, im Kontext der verschiedenen künstlerischen Absichten, wird maßgeblich durch deren farbmalerische Komponenten bestimmt. Diese verändern reale Körper, unterstützen die Vortäuschung dreidimensionaler Gegebenheiten im Tafelbild, definieren aber auch den konkreten Farbraum unserer Tage im Ausdruck einer dezidierten Flächigkeit. In allen Ausprägungen dieser Phänomene ist es den jeweiligen Konsistenzen von Farbsubstanzen zu verdanken, in den unterschiedlichsten Bezügen von Malerei flexibel eingesetzt werden zu können, seien diese gegenständlicher, abstrakter, oder konkreter Natur. Die materielle Existenz der Farbe ist an der Wirkung eines Gemäldes genauso beteiligt, wie umgekehrt der Farbe das Bildhafte immanent zu sein scheint. Hier knüpft Eduard Tauss mit seinen skulpturalen Farbsubstanzen an: „Die Arbeiten von Eduard Tauss relativieren die tradierten Vorstellungen von Malerei, besonders die Erwartungen des Betrachters von einem Bild. Tauss sieht sich, wie er betont, dennoch als Maler und nicht als Produzent von Objekten. Ihm geht es allerdings weniger um die höchst komplexe Realität der Farbe, sondern um den Prozess der Herstellung, um die Substanz des Materials, um die Beziehung zwischen Farbe und Stoff. Damit thematisiert er auf innovative Weise ein bisher kaum beachtetes, ontologisch aber elementares Problem. Der Unterschied zwischen der vom Licht bedingten Präsenz der Farbe und der kompakten Masse des Kunstharzes ist für Tauss Quelle der Inspiration.“ (Heinz Gappmayr) Die Autonomie der Farbe, ein Begriff der im Kontext der gegenstandsfreien Malerei entstanden ist, erfährt hier seinen Fortgang: Die Farbe hat sich sogar von ihrem Bildträger befreit, und macht sich mittels ihrer eigenen plastischen Substanz zum Ausdruck ihrer selbst und zum Gegenstand ihrer Betrachtung im Raum. Während des Herstellungsprozesses seiner Arbeiten, kommen die für Tauss idealen Materialeigenschaften der in Kunstharz gebundenen Farben entgegen, um die geeigneten skulpturalen Formen zu finden: „Die Farbe wird nicht gemalt, sondern gegossen, sie ist zunächst eine dynamische Masse, die schließlich erstarrt. Das Gießen selbst ist ein Teil des

Hanging, 2012 Polyurethan, Pigment ca. 130 x 46 x 14 cm 67


Hanging, 2011 Polyurethan, Pigment ca. 84 x 52 x 9 cm 68


Rundform, 2013 Polyurethan, Pigment ca. 82 x 83 x 15 cm

Formalaktes. Die Transformation der anfänglich flachen Gussform in die plastische Form erfolgt im unmittelbaren Dialog mit dem Material.“ In der Phase der Aushärtung ergeben sich Stadien, welche die Formgebung mittels Biegen, Falten, Drücken, Pressen oder Zwängen ermöglichen. Die Gestaltung muss materialbedingt zügig verlaufen und verlangt schnelles Reagieren. Die spontane Einflussnahme auf die formbare Masse durch persönliche Kraftausübung, bezieht hierbei den handelnden Körper mit ein. Den jeweiligen psychischen und physischen Vorraussetzungen der Aktion schreibt Tauss einen performativen Charakter zu. Im fertigen Zustand lassen sich bei seinen skulpturalen Wandstücken und vollplastischen Arbeiten Spuren der Einflussnahmen auf das spezifisch reagierende Material nicht nur deutlich nachvollziehen, sie sind vielmehr auch der Ausdruck eines in Erstarrung geratenen, ehemals zeitlich limitierten Handlungsablaufs. Den Gesetzen der Schwerkraft folgend, haben die Arbeiten, während sie noch weich sind, die Tendenz nach unten zu fließen, was bei Betrachtung der ausgehärteten Formen, vor allem wenn sie an der Wand hängen, Vorstellungen des Herunterlassens oder Fallens auslösen. Was wir wirklich sehen ist dreidimensional, auch die eingangs beschriebene Farbe in ihrem Rohzustand. Die Transformation dieses Materials in den beschriebenen Kontext der Kunst setzt die Erkenntnis voraus, dass das für unsere Wahrnehmung prägende Phänomen der Malerei, nämlich sich gewöhnlich auf zweidimensionalen Flächen zu entfalten, auf paradoxe Weise in seine plastischen Arbeiten Einzug hält und mit ihnen verschmilzt.

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Forming, 2013 Polyurethan, Pigment ca. 158 x 107 x 17 cm 70



On the Colour Bodies by Eduard Tauss Michael Post / Heiner Thiel Translation Sabine Reul

In their raw state, we perceive colours as bodies, in the form of mere pigment accumulations or of pigments bound in a range of liquid to viscous media. This is quite remarkable because colours are actually meant to expand their volume when processed to acquire a more planar appearance and – moreover – are also produced almost exclusively for the purpose of that type of processing. The extent of their liquefaction defines the future function of colours, and a considerable range of expansion options are available for colouring surfaces to let their bodies appear in a new light. The visual effects of the unlimited variety of colours which can be applied in differing consistencies can best be appreciated in the paintings and coloured sculptures of all epochs in the history of art. Our perception of pictorial contents in their context of differing artistic intentions is shaped decisively by their colour-painted components. Colour changes real bodies, supports the feint of three-dimensional facts in panel paintings – and it also defines the real colour spaces of our time in their decidely planar manifestations. In all the different types of these phenomena, the respective consistencies of the colour substances is what permits using them flexibly in the most diverse painterly genres, be they representational, abstract or concrete. The physical presence of colour participates in the effect of a painting just as, in turn, the pictorial appears to be immanent in colour. This is the starting point of Eduard Tauss’ sculptural colour substances: “The works by Eduard Tauss relativise traditional conceptions of painting and, in particular, viewers’ expectations as to what constitutes a picture. Tauss nonetheless stresses that he regards himself as a painter, not a creator of objects. But he is less concerned with the highly complex reality of colour than with the process of its production, the substance of its material and the relationship between colour and materials. In an innovative form, Tauss addresses a problem that has so far found little attention, but in fact presents an elementary ontological problem. The difference between the presence of a colour conditioned by light and the compact mass of the synthtic resin is a source of inspiration for Tauss.” (Heinz Gappmayr). The autonomy of colour, a concept that emerged in the context of nonrepresentational painting, is taken one step further here: Colour has even emancipated itself from its picture substrate, turning itself into an expression of itself and an object for perception in space through its own plastic substance. In creating his works, Tauss is supported in finding the appropriate sculptural forms by what he regards as the ideal physical properties of colours bound in synthetic resin: “The colour is not painted, but cast. It is at first a dynamic mass, which ultimately solidifies. Casting is itself part of the act of forming. The transformation of the initially flat cast form into the plastic form takes place in direct dialogue with the material.” During the phase of hardening, there are stages which permit forming by bending, folding, pushing, pressing or forcing. The nature of the material requires fast conformation and swift reactions. The spontaneous influence on the formable mass by exertion of personal force involves the acting body in the process. Tauss ascribes a performative character to the respective psychical and physical preconditions of the creative act. In their finished state, his sculptural wall objects and fully plastic works not only render traces of the actions on the material and its specific reactions clearly apparent. They are themselves the expression of a past temporary course of action that has solidified. Based on the laws of gravity, the works tend to flow downward while still soft, which evokes notions of lowering or falling when viewing the hardened forms, especially if they hang on a wall. What we really see is three-dimensional, like colour in its raw state described at the start. The transformation of this material in the described artistic context presumes the recognition that the phenomenon of painting which appears constitutive for our perception, i.e. that it usually unfolds on two-dimensional surfac es, enters into Tauss‘ works in a paradoxical manner and coalesces with them. 72


Rundform, 2013 Polyurethan, Pigment ca. 102 x 100 x 10 cm

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Blick ins Atelier, Wien 2013 75


Heiner Thiel


Die Auflösung der Maße Zu den farbigen Wandobjekten von Heiner Thiel Hans Zitko

Wer das künstlerische Denken von Heiner Thiel beschreiben will, muss seine Fähigkeit berücksichtigen, die von ihm ins Auge gefassten Motive oder Probleme der Form über lange Zeiträume mit Geduld zu verfolgen. Seine Arbeiten sind nicht Produkte beschleunigter Innovationen oder provozierender Stilwechsel, sondern das Resultat gradueller Variationen und minimaler Perspektivverschiebungen; je weiter seine Entwicklung voranschreitet, desto deutlicher tritt diese Strategie der Entschleunigung ästhetischer Entwicklungsprozesse hervor. Von Beginn an steht dabei das Material des Metalls im Zentrum seines Interesses. Zunächst verwendet er Eisen oder Stahl, Werkstoffe, die das Subjekt in ganz bestimmter Weise herausfordern, denn sie sind nicht leicht zu bearbeiten, besitzen ein hohes Maß an innerer Stabilität, Widerständigkeit und Härte; ihre Formung erfordert entschiedenes Operieren, Beharrungsvermögen und körperliche Kraft. Im Frühwerk finden sich eiserne Schädelformen, die an archaische Helme erinnern, sowie spitz zulaufende, messer- oder keilförmige Artefakte; man könnte in diesen Plastiken einen impliziten Hinweis auf die bereits in alten Kulturen einsetzende Verwendung des Metalls für Zwecke des Angriffs und der Verteidigung erkennen. Im Übrigen gehören seine Arbeiten der gegenstandslosen Kunst an; mit fortschreitender Entwicklung nähern sie sich den Traditionen des Konstruktivismus und Minimalismus. Beispielgebend sind hier die streng und nüchtern anmutenden Bodenplastiken und Reliefs aus den späten achtziger und frühen neunziger Jahren (Abb. S. 78). Wie in den bis dahin entstandenen Arbeiten legt der Künstler in diesen aus Stahlblechen angefertigten Artefakten immer auch Rechenschaft von den physischen Eigenschaften des Metalls ab; das mit Schelllack, Eisenoxyd und Graphit eingeriebene Metall präsentiert eine innere Solidität und Festigkeit, es indiziert seine Fähigkeit abzuschirmen, zu verschließen und unangreifbar zu machen. In den neunziger Jahren tritt in der Entwicklung des Künstlers eine gewisse Veränderung ein. An die Stelle des Eisens oder Stahls tritt das geschmeidigere und leichtere Aluminium. Es ist nicht einfach nur der Wechsel des Werkstoffs, der hier entscheidend ist, die nun folgenden Arbeiten geben andere Antworten auf die Frage nach der Rolle des Materials im ästhetischen Prozess. In der Folge entstehen sphärisch gekrümmte, an der Wand präsentierte Aluminiumtafeln, die mit ihrer konkaven, homogen gefärbten Seite dem Raum des Betrachters zugekehrt sind. Weil die Herstellung dieser Objekte spezifische Techniken erfordert, über die ein klassisches Künstleratelier nicht verfügt, treten hier entsprechende Werkstätten für Metallbearbeitung ins Spiel. Mit Hilfe einer Presse werden die in bestimmter Weise zugeschnittenen Aluminiumbleche zunächst unter hohem Druck in die gewünschte Form gebracht; die Krümmungsgrade der hohlspiegelartigen Objekte entsprechen dabei stets den Oberflächeneigenschaften einer Kugel. Nachdem der Künstler die konkaven Seiten derselben mit Hilfe von Schleifpapier geglättet hat, werden diese in einem elektrochemischem Verfahren eloxiert, das heißt das Aluminium wird in einem entsprechenden Flüssigkeitsbad an seiner Oberfläche zur Oxydation, also zum Rosten gebracht. Die so entstehende feinporige Struktur wird dann mit Farbsalzen durchtränkt, um dann in einem weiteren, ebenfalls in einer Flüssigkeit ablaufenden Prozess versiegelt zu werden. Die Farbe der Objekte verdankt sich also einem technisch-industriellen Verfahren und entspringt nicht einem traditionellen Prozedere des Farbauftrags durch Pinsel, Spachtel, Spritzpistole oder ähnlichem. In diesen Objekten vollzieht sich eine Verschiebung oder Auflösung der Grenzen von Gattungen oder Medien. Ungeachtet der Tatsache, dass die Farben der Objekte auf technisch-physikalischem Wege erzeugt sind, nähert sich der Künstler hier der Ästhetik des monochromen Bildes; er überschreitet damit die Grenzen der Bildhauerei im engeren Sinne. An die Stelle der hermetischen Oberflächen der vorhergehenden Reliefs tritt ein diffuser, halbtransparenter Farbraum mit gänzlich anderen Eigenschaften. Obwohl die Farben aufgrund ihres Trägers durchweg metallischen Charakter bewahren, scheinen sie dem Werkstoff dennoch jede materielle Konsistenz und Stabilität auszutreiben. Den auf diese Weise dematerialisierten konkaven Flächen kontrastieren die schmalen, geschliffenen Seitenkanten der Objekte, die das silbrige Aluminium ohne jede Einfärbung darbieten. Der Künstler spielt hier gezielt mit dieser Differenz zwischen den diffus wirkenden Farbräumen und der massiven Präsenz der Objektkanten, die die Farbfelder einfassen. Man könnte an Fernsehapparate denken, auf deren Bildschirmen sich virtuelle Räume unbestimmter Tiefe öffnen. Dass im Verlauf der Entwicklung zunehmend stärkere Aluminiumbleche Verwendung finden, dient einer weiteren Verstärkung des Kontrastes zwischen dem offen liegenden Metall und den halbtransparenten Farbzonen. Die Entscheidung, die Farbe als Mittel der Entstofflichung von Oberflächen einzusetzen, ist Teil einer übergreifenden Strategie, mit der der Künstler den Raum realer messbarer Objekte dekonstruiert. Diesem Ziel dient bereits die Produktion von Formen, die konkrete Gegebenheiten lediglich vortäuschen, wie dies etwa in der gegenständlichen Malerei oder in der Praxis des trompe l’œil

ohne Titel, wvz434, 2004 Aluminium, eloxiert 58 x 49 x 10 cm 77


ohne Titel, wvz187, 1993 Stahl, geschweiĂ&#x;t, patiniert 75 x 69 x 7 cm 78


der Fall ist. Thiel geht diesen Weg, bleibt bei dieser Strategie jedoch nicht stehen, denn eine räumliche Illusion widerspricht nicht notwendig den Strukturen des metrischen Raums. Über derartige Praktiken hinaus nähert er sich der immanenten Logik visueller Wahrnehmung, die mit den Instrumenten der klassischen Geometrie des Maßes nicht zu fassen ist. Jenseits einer solchen Geometrie steht bereits die Farbe, deren Qualitäten nicht einfach als anhängende, subalterne Attribute realer Objekte betrachtet werden können. Doch auch die plastischen Gestalten können Eigenschaften im Wahrnehmungsprozess hervorkehren, die von ihren messbaren Korrelaten erheblich abweichen; das Feld der visuellen Anschauung besitzt eine bewegliche Struktur, die nicht in das Korsett der cartesischen Geometrie einzufangen ist. Entscheidend für die Rezeption der Arbeiten sind Beleuchtung und Wahrnehmungsperspektive des Subjekts. Deutlich wird dies bereits anhand eines viereckigen Objekts, dessen konkave Fläche zudem nach innen gekrümmte Ränder aufweist (Abb. S. 81). Aus einer bestimmten Distanz betrachtet erscheint diese Fläche als Quadrat mit gerade verlaufenden Kanten; die Erscheinung der Form ist hier also ein in hohem Maße standortabhängiges Phänomen. Doch auch die konkave Wölbung des Objekts kann aus einer bestimmten Position und bei entsprechender Beleuchtung unkenntlich werden, so dass eine ebene Fläche ohne jede Krümmung wahrgenommen wird. Das Interesse des Künstlers an perspektivischen Problemen findet auch in seinem Verfahren Ausdruck, bereits produzierte Objekte etwa aus seitlichen Ansichten zu photographieren und anhand der entstandenen Bilder weitere Objekte herzustellen. In diesem Fall wird der unregelmäßige Umriss der in perspektivischer Verkürzung gezeigten Objekte als Vorlage für den Zuschnitt der zu pressenden und einzufärbenden Aluminiumtafel verwendet. Das so entstehende Objekt bietet ein gekrümmtes Abbild des zuvor photographierten Artefakts. An der Wand präsentiert, zeigt das Objekt eine scheinhafte Positionierung im Raum, in der sich die perspektivische Ansicht des abgebildeten Objekts reproduziert. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die faktisch konkav gewölbten Flächen dieser Objekte unter bestimmten Bedingungen auch als konvex gekrümmt erscheinen können. Ein kompliziertes Beispiel liefert ein Objekt, das seine wahrgenommene Form bei einer Positionsverschiebung des Subjekts verändert (Abb. S. 80). Betrachtet man es aus einer seitlichen Perspektive, so zeigt sich die dem Betrachter zugekehrte Kante des Objekts als stark, die dem Betrachter abgekehrte Kante dagegen als schwach gekrümmt. Verlässt man diesen Ort und begibt sich auf die andere, spiegelsymmetrisch liegende Beobachterposition, so wiederholt sich dieser Eindruck, das heißt wiederum ist es die dem Betrachter zugekehrte Kante, die als stark, die dem Betrachter abgekehrte Kante, die als schwach gekrümmt wahrgenommen wird; auch die Fläche selbst zeigt dabei entsprechende Änderungen ihres Wölbungsgrades. Die ins Auge gefassten Seiten tauschen also gleichsam ihre Eigenschaften aus. Bei jedem weiteren vergleichbaren Positionswechsel reproduziert sich dieser Eindruck, obwohl man nun ein Wissen über die perspektivische Bedingtheit des Gestaltwechsels gewonnen hat. Was hier erstaunt, ist die Tatsache, dass die Einsicht in diesen Zusammenhang nicht zwangsläufig zu einer Korrektur des Wahrnehmungseindrucks führt; die differierenden Krümmungen geben sich als Attribute des Objekts und nicht als perspektivisch bedingte Täuschungen. Die Anerkennung dieses Sachverhalts ist nur dann problematisch, wenn wir die Auffassung vertreten, der objektive metrische Raum würde oder müsse eins zu eins im visuellen Wahrnehmungsfeld abgebildet werden, eine Vorstellung die erwiesenermaßen falsch ist. Das Feld der visuellen Anschauung besitzt eine eigene, nur hier geltende Form der Wahrheit; in jedem Fall kann nicht bestritten werden, dass wir differente Krümmungsgrade wahrnehmen und dass uns dieselben als Attribute des gesehenen Gegenstandes erscheinen. Doch damit ist der Eigensinn der sich zeigenden Erscheinung noch nicht erschöpft. Bewegt man sich von der ersten zur zweiten Position und zurück und fasst dabei das Objekt ins Auge, so führt dieses selbst eine leichte Drehbewegung gegenläufig zur Bewegungsrichtung des Betrachters aus. Auch hier handelt es sich evidentermaßen nicht um ein Ereignis im objektiven physischen Raum; dennoch besitzt die sich zeigende Bewegung den Charakter eines in der Objektwelt ablaufenden Prozesses. Man hat hier also in der Wahrnehmung dieses Objekts keinen Gegenstand mit stabilen, unterschiedliche Wahrnehmungen überdauernden Eigenschaften vor sich, sondern ein fluktuierendes Phänomen, das seinen Charakter entsprechend den Standpunkten und Rezeptionsprozessen des Subjekts verändert. Man fühlt sich hier an entsprechende Zusammenhänge in der Architektur und Malerei des Barock erinnert; auch hier wird die Eigenbewegung des Betrachters als zentrales Moment der Erfahrung von Objekten oder Räumen ins Spiel gebracht. Je nach Position und Positionsverschiebung kehren entsprechende Interieurs divergierende Strukturen hervor, die sich nicht in ein übergreifendes homogenes Raumschema einfangen lassen. In vergleichbarer Form opponiert Heiner Thiel gegen den cartesischen Raum und die hier geltende Logik starrer Verhältnisse. Seine im Prozess der Beobachtung sich verändernden Objekte demonstrieren die topologische Verfasstheit des visuellen Wahrnehmungsfeldes, in dem stetige, auch reversible Verformungen bestehender Beziehungen möglich sind. So wird der Erfahrungsraum unter Einschluss des leiblich agierenden Subjekts selbst dynamisiert. In dem hier sich zeigenden Geschehen gewinnen die Objekte fast den Charakter von Phantomen, die ihre Struktur unter den Blicken des Subjekts zu verändern vermögen. Komplettiert werden diese Prozesse durch die Farbe, die selbst über keine stabilen Eigenschaften verfügt und ebenfalls Räume eigener Art ausbildet. Bereits die wechselnde Beleuchtung lässt an ein und demselben Objekt unterschiedliche Qualitäten hervortreten. Auch die Eigenbewegung des Betrachters greift in die farblichen Verhältnisse ein; so kann sich eine durch die Wölbung des Objekts bedingte partielle Verschattung eines Farbtons durch die Verlagerung des Blickpunkts selbst verschieben. Alle Farben besitzen einen mehr oder minder diffusen Raum unbestimmter Tiefe, der sich ebenfalls in Abhängigkeit von Licht und Wahrnehmungsperspektive verändert. Vor allem die dunkleren Farbwerte zeigen sich unter bestimmten Bedingungen als immateriell wirkende Energiefelder, die jeden Versuch einer visuellen Identifikation der tastbaren Grenzen der Oberflächen unterlaufen. Selbst die kleineren, in dieser Weise gefärbten Flächen erinnern an das Gewölbe des Himmels, das in unterschiedlichen Varianten in den Arbeiten immer wieder thematisch ist. Hier sei der Hinweis gestattet, dass der Künstler auch in anderer Form sein Interesse an der Sphäre des kosmischen Raumes bekundet. Mit Engagement widmet er sich dem Sammeln von Meteoriten, jenen extraterrestrischen Materiebrocken, von denen er bereits eine umfangreiche Kollektion zusammengetragen hat. Die hier sich dokumentierende Neigung findet ihren Nachhall in seinem künstlerischen Denken. Von besonderer Bedeutung ist für 79


ihn kaum zufällig die Ästhetik des Erhabenen, die es mit Phänomenen zu tun hat, die das Wahrnehmungs- und Vorstellungsvermögen des Menschen deutlich übersteigen. Sein Interesse gehört dabei mit Kant zu sprechen vor allem dem mathematisch Erhabenen, Gegenständen also, die, wie es heißt, als schlechthin groß zu gelten haben 1. Man denke hier etwa an das endlos sich dehnende Meer oder eben an den Himmel, denen das Prädikat des Erhabenen zuzusprechen ist. Der Künstler wendet sich auf diese Theorietradition zurück und lässt sich dabei zugleich durch das Werk Barnett Newmans inspirieren, der dem Erhabenen im Feld der gegenstandslosen, konkreten Kunst zum Ausdruck verholfen hat. Ähnlich wie die großformatigen Leinwände des Abstrakten Expressionisten präsentieren sich die Thielschen Aluminiumtafeln als Segmente eines jenseits der Flächengrenzen weitergehenden Raums von unendlicher Ausdehnung. Die konkaven Farbzonen besitzen dabei vielfach etwas Irritierend-Abgründiges, Beunruhigendes oder auch Bedrohliches, das unter bestimmten Bedingungen gleichwohl eine gewisse Anziehungskraft auf das wahrnehmende Subjekt auszuüben vermag. Es ist nicht das kühle, unberührte, in Distanz verharrende Auge, das diesen Objekten adäquat ist, sondern der in besonderer Weise affizierte Blick. Die Erfahrung ist hier mit spezifischen psychischen Kräften konfrontiert, die sich in den Objekten verdichten und von hier aus auf das wahrnehmende Subjekt zurückwirken, sei es, dass es sich angezogen oder abgestoßen fühlt. Angesicht derartiger Kräfteverhältnisse wird die Selbstgewissheit des Subjekts in bestimmter Weise zur Disposition gestellt; wo sich der Betrachter durch jene verunsichernden Ereignisse oder Phänomene herausgefordert sieht, muss er seine innere Stabilität verteidigen oder neu konstruieren. Nicht nur die Strukturen des Raums werden also dynamisiert, auch der Beobachter selbst findet sich in eine destabilisierte Position versetzt, die bestimmte Kompensationsbemühungen herausfordert. In diesem Kontext ist noch eine weitere mögliche Lesart der Objekte zu berücksichtigen. Aufgrund ihrer Wölbung erinnern die Metalltafeln zugleich an Parabolantennen, an technische Einrichtungen also, die den Zwecken der Kommunikation, aber auch der einseitigen Observation vorbehalten sind; man kann sich in diesem Sinne von den Thielschen Objekten beobachtet fühlen. Dies erinnert an ein zentrales Motiv in der Theorie der Bilder. Bildwerke, so heißt es, verfügten über die eigentümliche Fähigkeit, die ihnen gegenüberstehenden Betrachter selbst anzublicken; das Bild ist dieser Einsicht zufolge nicht ein toter, unbelebter Gegenstand, sondern behauptet sich als eine Art von Subjekt, das mit der wahrnehmenden Person in ein dialogisches oder monologisches Verhältnis tritt 2. Die Objekte machen diese Einsicht ästhetisch greif- und nachvollziehbar. Sie kehren verschiedentlich den Charakter von Überwachungsapparaten hervor, die den umgebenden Raum und das rezipierende Subjekt zu observieren scheinen. Man hat hier wirkungsästhetische Strukturen vor sich, die zugleich an Phänomene aus dem Kreis des Animismus und der Magie erinnern. Manche der Tafeln lassen an archaische Plastiken denken, obwohl sich keine Ähnlichkeit im Detail mit derartigen Artefakten auffinden lässt. Aus einer postminimalistischen Position führt der Künstler auch einen Dialog mit dem so genannten Primitivismus des frühen 20. Jahrhunderts, also mit Werken jener Künstler, die sich von ozeanischen oder schwarzafrikanischen Vorbildern inspirieren ließen. Bei genauerer Betrachtung erkannt man also, dass die farbigen Aluminiumtafeln neben ihrer Affinität zum Barock zugleich auf den Expressionismus oder verwandte Strömungen der klassischen Moderne zurückweisen. Dass das Magisch-Numinose selbst noch in den formal gereinigten Spielarten konkreter oder minimalistischer Kunst weiterlebt, ist im 20. Jahrhundert ohnehin bemerkt worden. Thiel rührt mit seinen Arbeiten an diese Zusammenhänge; seine formal reduzierten, strengen Arbeiten kommunizieren mit ästhetischen Traditionen, die mit dem Selbstverständnis einer reinen konkreten Kunst kaum vereinbar sind. Dass sie im Übrigen auch an Bildschirme erinnern, gibt seiner Strategie medientheoretische Implikationen; die Sphäre der Massenkommunikation ist selbst mit Strukturen durchsetzt, die der Logik des archaischen Denkens ähnlich sind. 1 Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft, in: Akademie Textausgabe, Bd. V, Berlin 1968, S. 248 (80). 2 Vergl.: Georges Didi-Huberman, Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes, München 1999.

ohne Titel, wvz380, 2000 Aluminium, eloxiert 64 x 80 x 13 cm zwei Ansichten 80


ohne Titel, wvz365, 2000 Aluminium, eloxiert 53 x 55 x 8 cm

The dissolution of the measurements on the coloured wall objects of Heiner Thiel Hans Zitko Translation Sabine Reul

When describing the artistic thought of Heiner Thiel, we must bear in mind his capacity to pursue motifs or problems of form patiently over extended periods of time. His works are not products of accelerated innovation or provocative style changes, but of gradual variations and minimal shifts in perspective. The further his artistic development has advanced, the more clearly does his strategy of decelerating the processes of aesthetic development become manifest. Metal as a material has been at the centre of his work from the start. Thiel first used iron or steel – materials which present a special challenge to artists because they are hard to process and possess high internal stability, resilience and rigidity. Forming them requires determined operations, tenacity and physical force. In the artist’s early works, we find iron skull forms which recall archaic helmets as well as pointed knife- or wedge-shaped artefacts. In these sculptures, an implicit reference was detectable to the use of these materials for the purposes of attack and defence which began in the ancient cultures. Thiel’s works are otherwise nonrepresentational, and with their progressive development have moved closer to the tradition of constructivism and minimalism. This was already evidenced by the floor sculptures and reliefs from the late 1980s and early 1990s with their strict and prosaic appearance (Fig. p.78). In these artefacts made of steel panels, as in his earlier works, the artist always also paid tribute to the physical properties of the metal. Rubbed with shellac, iron oxide and graphite, they present an inner solidity and resilience that express the material’s capacity to shield, enclose and render impregnable. In the 1990s, a certain change occurs in the development of Thiel’s art. Iron or steel are replaced by the lighter and more pliable aluminium. It is not simply the change in material that matters here, however. The new works give different answers to the question about the role of material in the aesthetic process. Spherically curved aluminium panels presented on a wall are now created whose concave monochrome side faces towards the space of the viewer. Since the creation of these objects requires specific techniques that are not available in a classical artist studio, metal processing workshops now play a role in the artistic process. With the aid of a press, the aluminium panels which have been cut in certain ways are first given the desired form under 81


high pressure, whereby the degrees of curvature of the concave mirror-like objects always correspond to the surface properties of a sphere. After the artist has smoothed their concave sides with sand paper, they are anodized by an electrochemical procedure, in other words: the surface of the aluminium is oxidised and made to rust in a liquid bath. The finely pored structure so created is then bathed in dye salts, before being sealed in a further process also performed in a liquid. The colour of the objects is therefore the product of a technical-industrial process, i.e. not of a traditional method of colour application by brush, spatula, spray pistol or the like. A shift or dissolution of genre or media boundaries occurs in these objects. Although their colour is created by technical-physical procedures, the artist here moves in the direction of the monochrome picture, thereby transcending the boundaries of sculpture in the narrower sense of the term. The hermetic surfaces of the earlier reliefs are replaced by a diffuse semi-transparent colour space with entirely different properties. Although the colours always retain a metallic character due to their substrate, they appear to drive all physical consistency and stability out of its material. The concave surfaces dematerialised in this way contrast with the narrow polished lateral edges of the objects which present the silvery aluminium without any colouration. The artist plays deliberately with this difference between the diffuseness of the colour spaces and the massive presence of the object edges enclosing them. The viewer could be reminded of TV sets on whose screens virtual spaces of indeterminate depth open up. That the artist uses increasingly thick aluminium panels as time goes on further increases the contrast between the open metal and semi-transparent colour zones. The decision to use colour as a means of surface dematerialisation forms part of a broader strategy dedicated to the deconstruction of the space of real measurable objects. This is already achieved by the creation of forms which merely feign concrete facts, as in representational painting or the practice of trompe-l’œil. Thiel pursues this strategy, but does not stop there because spatial illusion does not necessarily contradict the structures of metric space. Going beyond those practices, he turns to the immanent logic of visual perception which cannot be captured by the classical geometry of dimensions. Colour whose qualities cannot be regarded simply as dependent, subordinate attributes of real objects already stands outside such geometry. In the process of perception, however, plastic forms, too, can present characteristics that differ fundamentally from their measurable parameters. Visual perception possesses a mobility which cannot be imprisoned in the corset of Cartesian geometry. The light and perspective of the viewer are decisive for the reception of Thiel’s art. This is already evident when regarding a quadrangular object whose concave surface additionally displays edges that are curved towards the interior (Fig. p.81). Viewed from a certain distance, this surface presents itself as a square with straight edges. The appearance of the work’s form is therefore highly dependent on the position of the subject. The concave curvature of the object, too, can become invisible from a certain position and under corresponding illumination, so that a planar surface without any curve is now perceived. The artist’s interest in problems of perspective is also reflected in his procedure of taking photos of objects already created, for example from lateral perspectives, and then producing further objects based on these photos. In this case, the irregular contours of the object presented in perspectival compression are used as the model for cutting the aluminium panel to be pressed and coloured. The object so created presents a curved reproduction of the artefact photographed. Mounted on the wall, the object displays an illusory positioning within the space in which the perspectival view of the depicted object is reproduced. In this context, it is notable that the concave surfaces of these objects can, under certain conditions, also appear convex. One object which changes its perceived form if the viewer shifts position, provides a complex example of these relationships (Fig. p.80). Viewed from the side, the edge of the object facing the viewer presents itself strongly curved and the edge facing away from the viewer weakly curved. If we leave this position and move to the mirror symmetrical one, this impression is repeated: Again, the edge facing the viewer appears strongly curved and the edge facing away weakly. The surface itself thereby also presents corresponding changes in its degree of curvature. So the sides of the object viewed appear to exchange their features. Every additional comparable change in position reproduces this impression, although the viewer now knows that the change in form is conditioned by perspective. What is astonishing is that the viewer’s insight into this fact does not lead inevitably to a correction of the perceived impression. The differing curvatures of the object present themselves as attributes of the object, not as a deception caused by perspective. Accepting that as fact is problematic only if we believe that objective metric space is or has to be represented faithfully in the visual field of perception – an idea that is known to be wrong. Visual perception possesses its very own form of truth that applies only here. It is certainly incontestable that we perceive different degrees of curvature and that they appear to us as attributes of the object viewed. But this does not exhaust the peculiarities of the appearance as it presents itself. If we move from the first to the second position and back again, keeping our eyes on the object, it performs a slight turning motion in opposite direction to our movement. This, too, is evidently not an event in objective physical space. Nonetheless, the motion perceived assumes the character of a process taking place in the object world. When viewing this object, we therefore do not see a thing with stable properties that outlast changing perceptions, but a fluctuating phenomenon that changes its character depending on the positions and reception processes of the subject. We are reminded of similar relationships in baroque architecture and painting. There, too, the viewer’s own movement was brought into play as a key moment in the experience of objects or spaces. Depending on position and position shift, those intérieurs present diverging structures which cannot be captured within an overarching homogenous spatial schema. Heiner Thiel opposes Cartesian space and its logic of rigid relationships in a similar way. His objects which change in the process of observation demonstrate the topological constitution of the field of visual perception in which continuous as well as reversible deformations of existing relationships are possible. So the field of experience itself, including the physically active subject, assumes dynamism here. In the process that presents itself, the objects almost assume the character of phantoms that can change their structure under the gaze of the subject. 82


ohne Titel, wvz560, 2013 Aluminium, eloxiert 33 x 30 x 5 cm 83


These processes are supplemented by the colour which possesses no stable properties itself and also generates spaces of their own kind. A change in light already lets different qualities come to the fore in one and the same object. The motion of the viewer also intervenes in the colour relations: a partial shading of a colour tone caused by the curvature of the object can itself be shifted by a shift in viewer perspective. All colours possess a more or less diffuse space of indeterminate depth. It, too, changes depending on the light and the perception perspective. Under certain conditions, above all the darker colour values present energy fields of immaterial appearance which subvert every attempt at visual identification of the tactile surface boundaries. Even the smaller surfaces so coloured recall the vault of the heaven which is a recurring theme in these works. It should be noted here that the artist also expresses his interest in the sphere of cosmic space in other ways. He is an avid collector of meteorites, those extra-terrestrial lumps of material, of which he has already amassed an extensive collection. The interest documented in this pursuit finds an echo in his artistic thought. It is no coincidence that the aesthetic of the sublime is of special importance to Thiel, an aesthetic concerned with phenomena which exceed human capabilities of perception and imagination. Using the language of Kant, we can say that his interest above all concerns the mathematically sublime, i.e. things we have to regard as per se grand 1. One can think here of the endlessly expanding ocean or, indeed, heaven, which both deserve being called sublime. The artist refers back to this theoretical tradition and, in doing so, is also inspired by the work of Barnett Newman who lent expression to the sublime in the field of abstract concrete art. Like the large-format canvasses of the abstract expressionist, Thiel’s aluminium panels appear as segments of a space of infinite compass extending beyond their surface boundaries. The concave colour zones thereby often possess an irritatingly unfathomable, disquieting or even threatening aspect which can, however, under certain conditions nonetheless exert a certain attraction on the perceiving subject. Not the cool, detached, distanced eye is adequate to these objects, but a gaze affected in a special way. Experience is here confronted by specific physical forces which concentrate in these objects and act back on the perceiving subject – triggering attraction or repulsion. Confronted by this relationship of forces, the self-assurance of the subject is affected. If the observer feels challenged by these disconcerting events or phenomena, he must defend or reconstruct his inner stability. Not only the spatial structures are dynamised here: Viewers themselves are transported into a destabilised position that demands certain compensating efforts. There is also another way of reading these objects. Due to their curvature, the metal panels also recall parabolic antennae, technical devices that serve for both communication and observation purposes. In that sense, we can feel observed by Thiel‘s objects. This recalls a central idea in the picture theory. Paintings are said to have the peculiar capacity to view the viewer standing before them. According to this insight, the work is not a dead inanimate object, but asserts itself as a kind of subject that enters into a dialogic or monologic relationship with its observer 2. Thiel’s works render this insight aesthetically tangible and comprehensible. They occasionally present the character of monitoring devices which seem to observe their environment and the perceiving subject. We encounter structures of aesthetic effect here which also recall phenomena from the sphere of animism and magic. Some of the panels recall archaic sculptures although they bear no objective similarity with such artefacts at all. From the position of post-minimalism, the artist also enters into a dialogue with the so-called primitivism of the early 20th century, i.e. with the works of artists who were inspired by Oceanic or African art. When considering Thiel’s works more closely, we can therefore see that, alongside their affinity with the Baroque, these coloured aluminium panels also refer back to expressionism and associated currents of classical modernism. It has, in fact, been observed that the magical and noumenal lives on in the formally purified concrete or minimalist art of the 20th century. Thiel’s works touch on these relationships. His formally reduced, austere works communicate with aesthetic traditions which are hard to reconcile with the self-conception of pure concrete art. That they also recall monitor screens endows his strategy with media theory implications: the sphere of mass communication is itself permeated by structures that are similar to the logic of archaic thought.

1 Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft, in: Akademie Textausgabe, Bd. V, Berlin 1968, S. 248 (80). 2 Vergl.: Georges Didi-Huberman, Was wir sehen blickt uns an. Zur Metapsychologie des Bildes, München 1999.

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ohne Titel, wvz575, 2013 Aluminium, eloxiert 15 x 10 x 3 cm 85


Jeremy Thomas


Aufgeblasen Zu den farbigen Objekten von Jeremy Thomas Laura Addison Übersetzung Sabine Reul Die Farbgebung der luftgefüllten Stahlskulpturen von Jeremy Thomas wurzelt in der ihn umgebenden Welt. Die Farben, die er beobachtet – an Landmaschinen, Kosmetik, ja selbst Insekten – stellt er in einen neuen Kontext, wenn er sie auf die Oberfläche seiner reduktiven Formen aufträgt. Er bezieht also seine Bildsprache aus der Sprache von Industrie, Marketing und Naturwissenschaften und übersetzt sie in Skulptur. Vor allem Landmaschinen haben Thomas beeinflusst. Objekte wie Traktoren, Heupressen und Mähdrescher sprenkelten die Landschaft seiner Jugend im Mittleren Westen und Oklahoma.1 Für viele sind das vertraute Formen, aber mit dem Verschwinden der bäuerlichen Kleinbetriebe aus der Landschaft könnten diese Maschinen eines Tages als seltsame, fremdartige Artefakte einer anderen Zeit betrachtet werden. Aber es wäre falsch, Thomas‘ Skulpturen als nostalgische Hommage oder als politischen Kommentar zum Verschwinden des bäuerlichen Lebens zu bezeichnen. Ein Betrachter mag sich für diese Interpretation entscheiden, aber es ist nicht die Absicht des Künstlers. Die Maschinen reizen sein Interesse als ästhetische Formen und inspirieren seine Palette. Seine Titel – etwa Bugartz Green oder Ditchwitch Red – beschreiben diese Wurzeln, denn sie enthalten die Marke der Landmaschinen, deren Farben er sich für seine Skulpturen aneignet. Trotz der für ein Laienpublikum nicht immer verständlichen Hinweise in der Titelgebung des Künstlers ist der Symbolismus der Farbwahl überwiegend subjektiv. Das Ringelblumengelb von Aghnides Yellow mag bei ihm Kindheitserinnerungen evozieren, weckt aber bei einem anderen Betrachter vermutlich ganz andere Assoziationen. Der Farbsymbolismus des Künstlers ist also nicht universell, sondern ausgesprochen kontingent und landschaftsspezifisch. Marketingspezialisten, Psychologen und Farbtheoretiker haben nachgewiesen, dass Farben mit starken Assoziationen verbunden sind: hellblaue Töne sind emotional beruhigend, während Rot nachweislich den Herzschlag beschleunigt. Schwarz wird in westlichen Kulturen oft mit dem Bösen und Weiß mit Reinheit und Unschuld assoziiert. Und trotzdem verbindet ein nordamerikanisches Marketingunternehmen Schwarz mit Luxusgegenständen und will mit Gelb die Aufmerksamkeit von Schaufensterbummlern fesseln.2 Dasselbe Unternehmen behauptet, Orangerot, Schwarz und Königsblau sprächen Impulskäufer an und seien deshalb bei der Beeinflussung der Kaufmuster in Fabrikverkaufszentren und Fastfood-Ketten sowie bei der Ausverkaufswerbung erfolgreich.3 Überall beeinflussen Farben unsere Stimmung, unsere Perspektive und unser Verhalten. Jeremy Thomas arbeitet mit gesättigten, hochglänzenden und handelsüblichen Farboberflächen, um individuelle, vielfältige Assoziationen beim Betrachter zu provozieren. Der amerikanische Minimalismus verdankt seine Materialien, Serialität und Produktion zu einem großen Teil der Industrie. Auch Thomas‘ Skulpturen verweisen auf die Industrie, aber die von den Minimalisten so verachtete Hand des Künstlers ist darin sofort zu erkennen. Man sieht die wiederholten Schweißnähte, mit denen der Künstler die Stahlstücke, die durch die Belastung durch die Ausdehnung während des Aufpumpens auseinandergerissen werden, wieder verbindet. Seine Skulpturen sind für industriell gefertigte Produkte zu unvollkommen und zu variabel. Geschichte und Zufall sind ihnen eingeschrieben. Thomas kam aus Zufall zu den Plastiken, die sein Markenzeichen werden sollten. Als Student der Malklasse verlor er bei einem Umzug Pinsel und andere Werkzeuge und entschloss sich folglich, einen Bildhauerkurs zu absolvieren. Seine Skulpturen bewahren die Erinnerung an seine früheren Gemälde, in denen er mit gefaltetem Papier und Industriefarben arbeitete. Die Falten des Papiers nahmen die Farbe an oder stießen sie ab, so wie sich in den Nähten der zunächst geschweißten, dann geschmiedeten und am Ende aufgepumpten Stahlskulpturen die latente Spannung der Kunstwerke manifestiert. Papier und Metall halten die Geschichte dieser kaum auszulöschenden Falten zwangsläufig fest. Aus dem Druck und Zug zwischen den Eigenschaften des Materials und dem Willen des Künstlers wird produktive Interaktion. Anish Kapoor bemerkte: „Mir scheint es zwei grundlegende Arbeitsweisen zu geben: Bei der einen lenkt der Künstler das Werk, bei der anderen lenkt das Werk den Künstler. … Lenkt das Werk den Künstler, wird der Prozess zur Entdeckung.“4 Wie die Spannung, die durch den Druck auf die Nähte der geschweißten Form entsteht, stützt sich der Prozess bei Thomas auf einen Dialog zwischen diesen beiden Arbeitsweisen, das heißt, auf ein Pendeln zwischen Künstler und Materie. Thomas kann dem Stahl seinen Willen nur so lange aufzwingen, bis die Eigenschaften des Metalls ihre ganz andere Richtung durchsetzen. Das kann zu einem Bruch an den Nähten führen – und die markiert die Geschichte des die Grenzen seines Materials verschiebenden Künstlers. Thomas hat lange genug mit Stahl gearbeitet, um – meistens – zu wissen, wie bestimmte Falten und Nähte beim Aufpumpen der Form reagieren, aber es bleibt ein Element von Zufall oder Unfall. In solchen Momenten lenkt das Werk den Künstler, der auf den Stahl und seine materiellen Grenzen reagieren muss. Der Dialog zwischen Künstler und Material ist produktiv/destruktiv, erzeugt/sich selbst erzeugend. Diese latente produktive Spannung wird auch bei der Pulverlackierung der Stahlformen deutlich. Dabei wird Farbe durch entgegengesetzte elektrische Ladungen auf die Oberfläche eines Objekts aufgetragen. Das Stahlobjekt zieht nach einer Oberflächenbehandlung die geladenen Partikel des Pulverpigments an, die elektrostatisch an der Oberfläche haften bleiben. Durch das Einbrennen des trockenen, aufgeladenen Pigments bei 300 – 400 Grad entsteht eine glänzende, fast flüssige Fläche wie bei der Karosserielackierung. Anders ausgedrückt: Durch den Einbrennprozess wird die Erinnerung der Skulptur an einen Aghnides Yellow, 2013 forged mild steel and powder coat 40.6 x 61 x 40.6 cm 87


Dichwitch Red, 2013 forged mild steel and powder coat 38.7 x 38.7 x 45.7 88


elektrostatischen Zustand, orchestriert durch den Künstler, bewahrt. Die farbige Haut kontrastiert mit dem „rohen“ Äußeren der Teile der Form, die Thomas weder färbt noch patiniert. Die Gemeinsamkeiten im Verweis auf Fahrzeuge und im Umgang mit Farbe auf plastischen Oberflächen erklären den häufigen Vergleich zwischen Jeremy Thomas‘ Werk und den Skulpturen John Chamberlains. Chamberlain faltete, komprimierte und manipulierte Autoschrott zu plastischen Formen. Als er mit dieser Arbeit begann, war der Einsatz von Farbe in der Plastik weitgehend stigmatisiert, so dass man ihn durchaus als Pionier bezeichnen kann. Hier endet der Vergleich allerdings auch schon. Denn wo Chamberlain den Raum komprimierte, dehnt Thomas ihn aus. Chamberlain komponierte überwiegend bereits eingefärbte Karosserieteile in einer Reihe von Schattierungen – mit malerischen Zusätzen, wie sie den Gesten und der Spontaneität des abstrakten Expressionismus entsprechen. Dagegen ähnelt Thomas‘ Umgang mit Farbe stärker dem monochromer Gemälde, die volumetrisch werden. In Chamberlains Metallschrott ist das Altern der Autokarosserien bereits sichtbar – ihre Geschichte bereits vorherbestimmt –, während die Geschichte von Thomas‘ Hochglanzoberflächen mit ihren Primärfarben gerade erst beginnt. Während es zwischen Thomas und Chamberlain bei dessen Schrottskulpturen also mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten gibt, lässt sich eine größere Resonanz zu Chamberlains weniger bekannten Urethanschaumskulpturen erkennen. Die Serie gefalteter, geschnittener, geschnitzter und gebundener Werke aus Schaumstoff, die Chamberlain ab 1966 schuf, weist im formalen Sinne Parallelen zu den aufgepumpten Werken von Thomas auf. Die Weichheit der „Instant Sculptures“, wie Chamberlain diese Werke nannte, schuf eine Geschmeidigkeit, die Klaus Kertess als „Fleischsurrogat“ bezeichnete.5 Gleichzeitig vermitteln sie den Eindruck, von der Schnur, die ihnen ihre Form gibt, unmöglich festgehalten werden zu können und aus einem inneren Druck heraus zerplatzen zu müssen. Ein in der Schmiede formbar gemachtes und mit Luft gefülltes Metall kann die Rundungen und geschmeidigen Konturen, die in Chamberlains Schaumskulpturen evident sind, überraschend gut imitieren. Dazu kommt die charakteristische innere Spannung in Thomas‘ Skulpturen, die in der Geschichte ihrer Herstellung liegt. Denn die Luft, die ihnen die lebensspendende Fülle verleiht, besitzt auch das Potential, sie bis über die Grenze des Materials hinaus auszudehnen. Jeremy Thomas‘ Plastiken sind durchdrungen von körperlichen Metaphern. Wenn er vom Aufpumpen einer geschweißten Form spricht, spricht er davon, ihr Leben einzuhauchen. Dazu erhitzt er die Stahlform in der Schmiede und führt komprimierte Luft durch eine Luftpumpe ein, die, in Verlängerung der Analogie, als Nabelschnur dient. In seinen neuesten Plastiken bleibt die Öffnung, durch die die Skulptur geboren wird, offen und sichtbar. Das ist die Ursprungsgeschichte des Objekts, eine Geschichte, die ihm eingeschrieben ist. Die durch den inneren Druck entstandenen und dann vom Künstler reparierten Brüche und Risse sind wie Narben auf der Haut der Formen. Wenn Zeit und Elemente ihren Tribut fordern, altert und verfällt das Objekt. Die farbige Oberfläche, die die Form ursprünglich zum Leben brachte, könnte verblassen. Auch wenn Thomas behauptet, die körperlichen Analogien, die Betrachter in seinen Werken finden, nicht beabsichtigt zu haben, fällt es schwer, diese Vergleiche zu vermeiden, sei es beim Herstellungsoder beim Wahrnehmungsprozess. Die erwähnten Verweise auf Haut, Falten im Fleisch, Persönlichkeit und Innenleben kratzen nur an der Oberfläche dieser umfassenden Metapher. John Chamberlain sagte einmal: „Skulptur definiert sich für mich durch Haltung und Stellung.“6 Thomas‘ Skulpturen besitzen beides. Bei der Arbeit an seinen Skulpturen beginnt Thomas stets mit der Geometrie des Kreises. Das Stahlblech wird nach darauf aufgetragenen Zeichnungen in Kreise geschnitten und gefaltet. Der Kreis ist das Symbol des Göttlichen, des Unendlichen, der Einheit. Heilige Mandalas sind Kreise, die zur Meditation auffordern. Leonardo da Vincis Vitruvianischer Mensch, die berühmte Zeichnung eines Mannes in einem Kreis und einem Quadrat, illustriert die idealen Proportionen des Menschen im Verhältnis zu einer entsprechenden Harmonie der Proportionen in der Architektur und im Makrokosmos. Als Reflektion der humanistischen Werte der Renaissance stellt sie den Menschen in den Mittelpunkt. In der Entwicklung seines plastischen Werks ist in jüngster Zeit Thomas‘ wichtigstes Problem die Frage, wie man dem Betrachter den Innenraum – oder das Innenleben, das Zentrum – der Skulptur erfahrbar machen kann. Seine formalen Explorationen kreisten um Fassaden und Leerstellen, und jetzt beschäftigt er sich damit, einen verborgenen Kern sichtbar zu machen, den der Betrachter bislang nur flüchtig erkennen konnte. Die plastischen Formen scheinen oft kurz vor dem Werden – vor der Verwandlung in etwas anderes als ihr gegenwärtiges physisches Selbst. Vielleicht hat dieser Wechsel schlicht mit Bewegung zu tun – viele der Formen des Künstlers vermitteln den Eindruck, lebendig werden zu können, vor allem wenn man das Werk umrundet und es je nach Blickpunkt distinkte Persönlichkeiten entwickelt. Aus einem einzelnen Werk können oft völlig verschiedene werden, wenn man es aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Die Vorstellung einer „werdenden“ Skulptur bezieht sich auf die Entdeckung des Innenlebens der Form – für den Künstler genauso wie für den Betrachter. Dieses Werden bringt die Möglichkeit mit sich, dass Skulptur nicht nur Objekt, sondern Prozess ist. Die Prozesse, die an der Herstellung und der Kartierung von Jeremy Thomas‘ Skulpturen beteiligt sind, beziehen sich sowohl auf die volumetrische Gestaltung als auch auf die chromatische Oberfläche – zwei Elemente, die wechselseitig voneinander abhängig sind. Zur Skulptur als Prozess gehört jenseits ihrer physischen Produktion die Produktion von Bedeutung. Anish Kapoor hat einmal gesagt: „Abstrakte Kunst arbeitet entweder sehr hart daran, Bezüge fernzuhalten, oder sie tut das Gegenteil, das heißt sie akkumuliert Bezüge. Ich interessiere mich für Bedeutungsschichten.“7 So wie die pulverbeschichtete Oberfläche durch elektrostatische Aufladung Farbpigmente anzieht, so akkumulieren Thomas‘ Skulpturen – einschließlich seiner Nutzung von Farbassoziationen – Schichten von Bedeutung. 1 Interessanterweise arbeitete Jeremy Thomas’ Großvater in der Lackieranlage einer John Deere-Fabrik in Iowa. Jeremy Thomas, Interview mit dem Autor, 23. Juni 2013. 2 Leo Widrich, “Why Facebook is blue: the science of colors in marketing,” blog.bufferapp.com/the-science-of-colors-in-marketing-why-is-facebook-blue. 3 How do colors affect purchases, blog.kissmetrics.com/color-psychology/ 4 Nicholas Baume, “Anish Kapoor in Conversation with Nicholas Baume,” http://anishkapoor.com/772/In-conversation-with-Nicholas-Baume.html. Veröffentlicht als “Mythologies in the Making” in Anish Kapoor: Past, Present, Future, Ausstellungskatalog (Boston: ICA Boston, 2008). 5 Klaus Kertess, “Color in the Round and Then Some: John Chamberlain’s Work, 1954–1985,” in Julie Sylvester, John Chamberlain: A Catalogue Raisonné of the Sculpture, 1954–1985 (New York: Hudson Hills Press, in Zusammenarbeit mit dem Museum of Contemporary Art, Los Angeles, 1986), S. 36. 6 John Chamberlain: Early Years (New York: L&M Arts, 2009), S. 73. 7 Nicholas Baume, “Anish Kapoor in Conversation with Nicholas Baume.”

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Inflated On the colored Objects of Jeremy Thomas Laura Addison

Jeremy Thomas’s use of color on his inflated steel sculptures is rooted in the world around him. He takes the colors he observes—from farm machinery, cosmetics, and even insects—and recontextualizes them by applying them to the surfaces of his reductive forms. His visual language, then, takes from the language of industry, marketing, and the natural sciences and translates it into sculpture. The machinery of agriculture especially has influenced Thomas. Objects such as tractors, balers, or harvesters dotted the landscape of his youth in the American Midwest and Oklahoma.1 These are familiar forms to many, though as the family farm disappears from prominence in the landscape, these machines might some day be regarded as strange and alien artifacts from another era. It would be inaccurate to suggest, however, that Thomas’s sculptures are some sort of nostalgic homage to or political commentary on a receding agricultural way of life. A viewer might choose that interpretation for him or herself, but that is not Thomas’s intention. Rather, for Thomas, this equipment piques his interest as aesthetic forms and inspires his palette. Indeed, Thomas’s titles—such as Bungartz Green or Ditchwitch Red—are descriptive of these roots, named by the brand of farm equipment from which he appropriates the sculpture’s color. Notwithstanding the titular cues the artist gives us, which are not always understandable to a lay audience, the symbolism of Thomas’s chosen colors are largely subjective. They may evoke his own childhood memories, but the marigold yellow of Aghnides Yellow likely holds entirely different evocations for another viewer. That is to say, the color symbolism Thomas employs is not universal but highly contingent and vernacular. Marketing executives, psychologists, and color theorists have all shown us that colors have strong associations attached to them: Soft blues are emotionally calming, whereas red is known to raise your heart rate. Western cultures often ascribe evil to the color black, and purity and innocence to the color white. Yet one North American marketing analytics company associates black with luxury items and promotes the use of yellow to grab the attention of window shoppers.2 The same company claims that red-orange, black, or royal blue appeal to impulse shoppers and are therefore successful at shaping buying patterns at outlet malls and fast food venues, and for advertising clearance sales.3 Colors everywhere affect our mood, our outlook, and our behaviors. Jeremy Thomas uses saturated, high-sheen, and commercially derived color surfaces to provoke viewers’ individual and varied associations. American Minimalism owes much to industry in its materials, seriality, and production. Jeremy Thomas’s sculptures likewise reference industry, yet the hand of the artist, so scorned by Minimalists, is readily apparent in his sculptures. The seams are visible, particularly as a result of the stress from expansion during the inflating process tears the steel facets apart and the artist repeatedly rewelds them together. They are too imperfect and too variable to be the products of industrial fabrication. Rather, Thomas’s sculptures are inscribed with history and chance. Thomas arrived at the sculptures that have become his signature works by chance. As a painting student, he lost all of his brushes and other supplies during a move, and, consequently, decided to take a course in sculpture. His sculptures hold the memory of his earlier paintings, which involved folding paper and industrial paints. The creases of the folded painting grabbed or resisted the paint, just as the seams of the welded, then forged, then inflated steel sculptures become the site of the artwork’s latent tension. Paper and metal inevitably remember the history of those folds, which are not easily erased. The push and pull between the material’s properties and the artist’s will become a productive interaction. Anish Kapoor has commented, “It seems to me that there are two basic ways of working: one is that the artist leads the work and the other is that the work leads the artist. . . . When the work leads the artist the process is one of discovery.“4 Thomas’s process, like the tension exerted by pressure on the seams of the welded form, relies upon a dialogue between these two ways of working. That is, there is a back and forth between artist and matter. Thomas can impose his will on the steel only so much, until the properties of the metal insist upon another direction altogether. A rupture at the seams is one potential result—marking the history of the artist pushing the limits of his material. Thomas has worked long enough with steel that he can, for the most part, predict how certain folds and seams will respond when he inflates the form. Yet there remains an element of chance or accident to his process. In these moments, the work leads the artist, and Thomas has to respond to the steel and its material limitations. The dialogue between artist and material is productive/destructive, generated/self-generating. This latent and productive tension is evident too in the process of powder-coating the steel forms. Powder-coating applies color to the surface of an object through opposing electrical charges. The steel object is grounded, which attracts the charged particles of dry-powder pigment and provides it with a surface to adhere to electrostatically. Curing the dry, charged pigment at 300–400 degrees results in its glossy, almost liquid appearance, like an auto-body paint job. In other words, the process of curing makes permanent the sculpture’s memory of an electrostatic state as orchestrated by the artist. This colored skin contrasts with the “raw” appearance of areas of the form that Thomas chooses to leave uncolored and patinated. Given the shared reference to vehicles and use of color on sculptural surfaces, it is easy to see how Jeremy Thomas’s work is often compared to the sculptures of John Chamberlain. Chamberlain used scrap metal from cars to fold, compress, and otherwise manipulate the material into sculptural forms. When he first started this body of work, there was a widespread stigma attached to color in sculpture, and so in his use of color, Chamberlain was a pioneer. But here the comparison ends. Whereas Chamberlain compressed volume, Thomas expands it. Chamberlain’s use of color was in large part composing already colored 90


Fordson Blue, 8-2013 forged mild steel and powder coat 38.1 x 41.9 x 41.9 cm 91


Bungatz Green, 8-2013 forged mild steel and powder coat 36.2 x 61 x 35.6 cm 92


automotive body parts in an array of hues—with painted additions that speak to the gesture and spontaneity of an abstract expressionist. In contrast, Thomas’s approach to color is more akin to monochrome painting made volumetric. The aging of car bodies is already visible in Chamberlain’s scrap metal—its history thus already predetermined—but the high-gloss, primary colors of Thomas’s surfaces have just begun to acquire their history. While there are more differences than similarities with Chamberlain’s auto-body sculptures, Thomas does find resonance with the artist’s lesser-known foam sculptures. Beginning in 1966, Chamberlain worked on a series of folded, cut, carved, and tied urethane foam works that formally speaking have parallels to Thomas’s inflatables. The softness of the foam “instant sculptures,” as Chamberlain called these works, creates a suppleness that Klaus Kertess has described as “surrogate flesh.“5 At the same time, they feel as if the cord that provides them with their form can’t possibly contain them and they are about to burst from some inner pressure. Metal made malleable in the forge and filled with air is surprisingly capable of emulating that sort of roundness and pliable contours evident in Chamberlain’s foam sculptures. Moreover, Thomas’s sculptures are characterized by an internal tension that is the history of its own making. The air that provides its life-giving fullness also has the potential to inflate it beyond the capacity of its materials. Jeremy Thomas’s sculptures resonate with corporeal metaphors. When he talks about inflating a welded form, he talks of breathing life into it. He does so by heating the steel form in the forge and injecting it with compressed air through an air pipe that, to extend the analogy, serves as an umbilical cord. In his most recent sculptures, the orifice through which the sculpture is birthed remains open and visible. This is the object’s own origin story, a history inscribed. The ruptures or fissures that burst from inner pressure and are then repaired by the artist are like scars on the skin of the forms. As time and the elements take their toll on the object, it ages and decays. The color surface that initially brought the form to life might fade. Although Thomas maintains that the bodily analogies that viewers find in his work are not intentional, it is hard to avoid drawing those comparisons in the process of making as well as perceiving. The references to skin, folds of the flesh, personality, and an inner life that have been made above merely scratch the surface of this extended metaphor. John Chamberlain once stated, “The definition of sculpture for me is stance and attitude.“6 Thomas’s sculptures have both. In all of his sculptures, Thomas begins with the geometry of the circle. The sheet steel is drawn upon, cut in circles, and folded. The circle symbolizes the divine, the infinite, and unity. Sacred mandalas are circles that invite meditation. Leonardo de Vinci’s Vitruvian Man, the artist’s famous drawing of a male figure inscribed inside of a circle and a square, illustrated the ideal proportions of a man as it related to a similar harmony of proportions in architecture and the macrocosm. A reflection of Renaissance humanist values, it places the human at the center. As Thomas has developed his sculptural oeuvre, the problem that has come to occupy his thoughts most recently is how to allow the viewer to experience the interior volume—or the inner life, the center—of the sculpture. His formal explorations have been preoccupied with facades and voids, and now he is turning his attention to making visible a hidden core that viewers have only been offered a glimpse of previously. The sculptural forms often seem on the verge of becoming—of morphing into something other than their present physical selves. Perhaps that shift is simply about movement—many of Thomas’s forms feel as if they would be capable of becoming animate objects, particularly when one experiences the piece in the round and a single work offers such distinct personalities depending upon the point of view. A single work often appears as entirely different sculptures when viewed from two different angles. This notion of a sculpture “becoming” relates to a discovery of the forms’ inner life—both for the artist and the viewer. Becoming also allows for the possibility that sculpture is not just object but process. The processes involved in making and mapping the history of Jeremy Thomas’s sculptures relate to both volumetric formation and chromatic surface—two elements that are mutually dependent. Part of the process of sculpture, beyond its physical production, is the production of meaning. Anish Kapoor once commented, “Abstract art either works very hard to keep reference at bay or it does the opposite, which is to accumulate reference unto itself. I am interested in layers of meaning.“7 Like the electrostatic charge that allows the powder-coated surface to attract colored pigment, Thomas’s sculptures—including his use of color associations—accumulate layers of meaning.

1 It is interesting to note that Jeremy Thomas’s grandfather worked in the paint shop of a John Deere factory in Iowa. Jeremy Thomas, interview with author, 23 June 2013. 2 Leo Widrich, “Why Facebook is blue: the science of colors in marketing,” accessed at blog.bufferapp.com/the-science-of-colors-in-marketing-why-is-facebook-blue. 3 “How do colors affect purchases?” accessed at blog.kissmetrics.com/color-psychology/. 4 Nicholas Baume, “Anish Kapoor in Conversation with Nicholas Baume,” accessed at http://anishkapoor.com/772/In-conversation-with-Nicholas-Baume.html. First published as “Mythologies in the Making” in Anish Kapoor: Past, Present, Future, exhibition catalogue (Boston: ICA Boston, 2008). 5 Klaus Kertess, “Color in the Round and Then Some: John Chamberlain’s Work, 1954–1985,” in Julie Sylvester, John Chamberlain: A Catalogue Raisonné of the Sculpture, 1954–1985 (New York: Hudson Hills Press, in association with Museum of Contemporary Art, Los Angeles, 1986), 36. 6 John Chamberlain: Early Years (New York: L&M Arts, 2009), 73. 7 Nicholas Baume, “Anish Kapoor in Conversation with Nicholas Baume.”

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Hawaiian Punch Pink, 2012 forged mild steel, nickel, nail lacquer 19.1 x19.1 x 24.1 cm 94


Sweet Peacock Blue, 2013 forged mild steel, nickel, nail lacquer 25.4 x 24.1 x 22.9 cm

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Bill Thompson


Vis à Vis Zu den Arbeiten von Bill Thompson Michael Fehr Auch wenn Bill Thompsons künstlerische Arbeiten als Skulpturen oder reliefartige Objekte und nicht als Bilder auftreten, können sie – auch dem Verständnis des Künstlers nach – als eine Form von Malerei aufgefasst werden. Mehr noch als ihr plastischer Charakter mag den Betrachter dabei irritieren, dass die Arbeiten keinerlei malerisch-handwerkliche Faktur, sondern einfarbige, perfekt geschlossene, vollkommen ebenmäßige und hoch glänzende Oberflächen aufweisen, wie wir sie nur von technisch hergestellten Produkten, beispielsweise der Außenhaut eines Automobils, kennen. Allerdings widersprechen der typischen Funktionalität solcher technischer Oberflächen – etwas zu umschließen, zu schützen oder zu verschönern – die in sich abgeschlossenen und in höchstem Maße individualisierten Formen der Objekte. Sie lassen sich praktisch nicht beschreiben, da sie weder in irgendeiner Weise hierarchisch strukturiert noch im Sinne einer Relationalität komponiert erscheinen und im Übrigen keinerlei Referenz auf etwas Außerbildliches erkennen lassen. Für ihre Wahrnehmung ist vielmehr charakteristisch, dass man als Betrachter zwar immer wieder versucht ist, sie auf organische oder geometrische Grundformen zu beziehen oder sie aus ihnen abzuleiten. Doch erfährt man gerade in diesem Bemühen, dass ihre runden, konkav-konvexen Formen dem Blick keinen Halt bieten, ja ihn regelrecht von sich abgleiten lassen und zu erneuter Fokussierung zwingen. Indem Thompsons Arbeiten auf diese Weise den Betrachter vor eine unabschließbare Wahrnehmungsaufgabe stellen, unterlaufen sie alle Anstrengungen, ihnen gewissermaßen ein Bild abgewinnen und sie als Gestalt in der einen oder der anderen Weise einordnen zu können. Am Ende aller Versuche einer konzeptionellen oder begrifflichen Erfassung ihrer Erscheinung bleibt daher nur die Einsicht, dass ihr jeweilig spezifisches Sosein als Farbe, Form und Volumen nur aus der Absicht des Künstlers erklärt werden kann, Anschauungsgegenstände zu erschaffen, die ihre spezifischen Charakteristika in möglichst vielfältiger Weise zur Geltung und Wirkung bringen. Thompsons Arbeiten entstehen in einem aufwändigen, handwerklichen Arbeitsprozess, bei dem die Objekte zunächst aus einem Polyurethan-Block heraus gearbeitet, dann mit bis zu zwanzig verschiedenen Schichten von Grundierungen und Autolacken überzogen und schließlich mehrfach poliert werden. Das Ergebnis sind selbstreferentielle Objekte, in denen ihre Eigenschaften - Form, Volumen, Farbe und Oberflächenstruktur - untrennbar zu einem Ding verschmolzen erscheinen. Als Dinge mit diesem besonderen Charakter können sie als eine Radikalisierung monochromer Malerei zu Specific Objects im Sinne der Definition von Donald Judd verstanden werden. Dabei gehen sie jedoch unter zwei Gesichtspunkten weit über diese Definition hinaus: Einerseits, weil sie ohne jedwede Referenz auf etwas Außerbildliches, und sei dies nur eine Formvorstellung wie ein Kreis, entstehen und sich als Oberflächen und bestimmte Gestalt wechselseitig bedingen und gewissermaßen interpretieren; und weiterhin, weil sie als hochglänzende, ihre Umgebung in spezifischer und je nach Betrachterposition immer wieder in anderer Weise reflektierende Objekte vielfältige Interaktionen ihrer Betrachter mit ihnen provozieren. In diesem Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass Thompsons Objekte allerdings nicht wie Spiegel funktionieren, die womöglich ganz im Dienst der Selbstbezüglichkeit derer stehen, die sich in ihnen anschauen. Vielmehr reflektieren seine Arbeiten ihre Umwelt auf eine ganz eigene, weitgehend unvorhersehbare Weise. Damit schließt ihre Betrachtung die Möglichkeit einer Beobachtung des Reflektierens, also eine Reflexion des Wahrnehmens selbst ein. Bill Thompsons Arbeiten können daher in einem sehr grundsätzlichen Sinn als ästhetische Objekte angesprochen werden, als Dinge, die ausschließlich für die Anschauung gemacht sind und in dem Maße, wie man sich auf sie einlässt, ästhetische Erfahrung ermöglichen.

Leap, 2013 urethane on polyurethane block 102 x 76 x 17 cm 97


Armet 2012 urethane on polyurethane block 93 x 80 x 17 cm

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Salute, 2013 urethane on polyurethane block 35 x 57 x 28 cm

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Vis-à-Vis on the works of Bill Thompson Michael Fehr Translation Karl Hoffmann and Bill Thomposon

Even though Bill Thompson’s artwork presents itself as sculpture, it can still be grasped as a form of painting, which is not surprising given the artist’s roots as a painter. What might disturb the viewer even more than their sculptural presence is the fact that the works reveal absolutely no painterly or craft-related structure – they are monochromatic, perfectly closed, evenly proportioned, and glossy – something akin to a manufactured effect, like the sleek surface of a car. However, the standard purpose of an industrial coating – to enclose, protect, or embellish – is contradicted by the self-contained and highly individualised forms of the objects themselves. They are extremely difficult to describe, since they appear neither hierarchically structured nor composed in a relational sense, and since no reference to anything outside of the object can be discerned. Instead, the works are perceived by the viewer to be basic organic or geometric shapes. Yet this attempt to experience them as round, concave/convex forms fails to stabilize one’s gaze, even causing it to slip away and forcing one to continually refocus. By posing this insurmountable task of perception, Thompson’s works undermine all efforts to wrest an image from them and to classify them as a gestalt in one way or another. What remains, after all attempts to conceptually comprehend their appearance, is the insight that their specific manifestation of colour, form, and volume can only be explained by referencing the artist’s intention to create visual objects that exhibit their specific characteristics in a manner that is as diverse and effective as possible. Thompson’s works are produced in a sophisticated and manually skilful process in which the forms are first carved out of a polyurethane block, coated with up to twenty layers of automotive paint, and finally buffed and polished to perfection. The results are self-sufficient objects in which the features – form, volume, colour, and surface structure – appear to be inseparably blended into a single entity. As artwork possessing this special character, they can be understood (in the sense of Donald Judd’s definition) as the radicalisation or transformation of monochrome painting into a Specific Object. They not only meet all of the criteria of this definition, but go far beyond them in two respects: they are created without external references (even the simple notion of a circle); and as surfaces and specific shapes, they are mutually dependent upon and interpret each other. Furthermore, as glossy objects that reflect their surroundings depending on one’s vantage point, they provoke diverse interpretations. Though it may be tempting for some viewers to search for his or her reflection in the surface, it must be pointed out that Thompson’s objects are not meant to function as mirrors. Instead, his works reflect their environment in a unique and largely unpredictable manner. Looking at them suggests the possibility of observing reflection as a commentary on perception itself. Thus, Bill Thompson’s pieces can quite fundamentally be called aesthetic objects – objects produced exclusively for contemplation - that function aesthetically to the extent that one is willing to embrace.

Crop, 2013 urethane on polyurethane block 103 x 33,5 x 34 cm 101


Satori, 2013 urethane on polyurethane block 100 x 61 x 20 cm 102


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CO3, 2013 urethane on polyurethane block 47 x 47 x 27 cm 105


Roy Thurston

A


Verkörperung der Farbe Marie Chambers Übersetzung Sabine Reul

2010-4 mixed media on wood 99 x 24 x 11 cm

Hätte es da nicht eine gewisse Abneigung gegen die höhere Mathematik gegeben, hätte der Künstler Roy Thurston auch Physiker werden können. Er hätte ein gutes und einträgliches Leben mit der Betrachtung von Quantenfeldern verbringen, über die grundlegenden Objekte im Universum nachdenken und die Welt der Natur mit respektvollem wissenschaftlichem Blick betrachten können. Elektronen, subatomare Teilchen, Fragen von Materie und Strahlung – eine Kavalkade des theoretischen Wie und Warum der physikalischen Welt – hätten Farbe, Papier, Acryl-Polyurethan, Aluminium und Palettenmesser ersetzt. Aber zum Nachteil der Wissenschaft und zum Glück für die Kunstwelt verliebte sich Roy Thurston in die Herstellung von Gegenständen, von Objekten, die ohne bewegliche Teile „funktionieren“. Während eines Interviews im Juli dieses Jahres in seinem Atelier in Los Angeles sagte der Künstler grinsend: „Ich bin noch nie einem Gegenstand begegnet, den ich nicht mochte.“ Das war zwar scherzhaft gesagt, aber die Liebe des Künstlers zu funktionellem „Kram“ war im ganzen Atelier erkennbar: In der sorgfältig verpackten Luftbildkamera, dem Handbuch für einen Druckluftkompressor, den Ersatzteilen für einen Kleintransporter Marke Diamond-T Baujahr 1939 im Hinterzimmer und dem immer noch fahrbereiten Diamond-T im Hof, in der 8 Meter langen Fräse und den mehr als fünf Jahrzehnte alten Werkzeugen, die ihren praktischen Nutzen bewahrt haben. Für sich genommen mag jeder dieser Gegenstände unwichtig sein. Aber zusammen, kreativ, vermitteln sie das Ethos der künstlerischen Praxis Thurstons. Das profunde Interesse des Künstlers an Objekten, seien sie mechanisch oder künstlerisch, hat auch mit ihrer Benutzbarkeit zu tun. In einem Atelier, das einen ganzen Schatz an zweckmäßigen Geräten enthält, ist auch Thurstons Kunst zweckgerichtet, funktional wie ein gut erhaltenes Teleskop. Seine Bilder sind eine Neugestaltung seiner Seherfahrung. Aber was Thurstons Werk von dem so vieler anderer unterscheidet, ist die Fähigkeit seiner Objekte, gleichzeitig Bildsucher und Bild zu sein. Das ist nicht konzeptionell gemeint. Das Bild ist keine Abstraktion des Gesehenen. Es hat ein physikalisches Leben und wurzelt in physikalischen Details – Linien wirbeln in regelmäßigen Bogenstrichen, ein Orange wird so kalibriert, dass es auf das abnehmende Licht reagiert und zu einem weichen Bernstein verschmilzt; das Aluminiumbild steht nicht 5, sondern 7 cm von der Galeriewand ab. Es vermittelt eine Erfahrung in und von sich. Das Vergnügen liegt darin, diese Details zu entdecken und zu artikulieren. Thurstons Arbeitspraxis im Atelier erfordert dieselbe gründliche Berechnung, dieselbe Disziplin wie in einem funktionierenden Labor, nur dass der Künstler nicht mit einer Menge Laborassistenten in weißen Kitteln, sondern mit einer Fülle gründlich gewarteter Maschinen arbeitet. Seine Sammlung von Leisten, Fräsen, Bohrmaschinen und Gabelstaplern ist nach eigener Aussage für ihn gleichbedeutend mit Assistenten; jede Maschine repräsentiert eine spezifische, laufende Beziehung! Die Produktion von Kunstwerken nutzt also Maschinen, um die künstlerische Untersuchung und die immanenten Eigenschaften des Materials zu artikulieren. Für Thurston ist die Maschine wie jeder andere pflichtbewusste Helfer integraler Bestandteil der Entscheidung, was zu tun ist, um erfahrbar zu machen, was gesehen werden kann. Wie tief muss ein Einschnitt sein, damit das Raster eines Kupferwürfels von 30 x 30 cm Licht projiziert? Lässt sich die Erfahrung des Anblicks von Sonnenlicht, das durch Blätter gefiltert wird, durch wiederholtes Schleifen einer „Leinwand“ aus Aluminium reproduzieren? Wie verändert eine 120°-Falte in der Mitte der Platte das Spiel des Tageslichts auf der Oberfläche? Wie interagiert diese Mitte mit dem Schatten? Wie viele Pigmentschichten sind nötig, um ein Blau aufzubauen, das zu gleichen Teilen aus Meer und Himmel besteht? Angesichts dieser Methode, mit ihrer fortgesetzten Neubewertung physikalisch/ visueller Ursachen und Wirkungen, scheint es, als fungiere ein Gemälde von Roy Thurston als mimetische Reflektion der Beobachtungen des Künstlers in der natürlichen Welt. Aber wenn ein Bild Licht „einfängt“, wenn es ein Leuchten erzeugt, das den Sternen am Nachthimmel verwandt ist – doch ohne das Narrativ eines

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2010-5 acrylic polyurethane on aluminum 38 x 99 x 3 cm 108


Nachthimmels –, wie kann der Betrachter das Objekt dann nicht als Demonstration der Lebenskraft selbst sehen? Denn das energetische Engagement des Künstlers muss doch eine Spur hinterlassen. Die vom Künstler erfundene Bildsprache muss doch ihre Genese in einer Sprache der Berührung haben. Und diese Konfluenz der Sprachen muss doch ein organisches und völlig authentisches Leben im Objekt selbst erzeugen. So öffnet die praktische Investition des Künstlers in jedes Bild die Tür für eine verwandte Investition des Betrachters. Am Anfang seiner Laufbahn, bevor er mit Metall arbeitete, malte Roy Thurston auf Papier. Nach dem ersten Auftrag genau abgestimmter Farbe schuf weitere Farbe die Andeutung von Form. Die extreme Feinheit des Materials spiegelte die komplexen Absichten des Künstlers. Mit jedem Auftrag unterschiedlichster Materialien erweiterte sich die „Geschaffenheit“ oder das Leben des Objekts. Aber die Papierbilder wurden problematisch, da ihre Handhabung schwierig war. Damit stellte sich die Frage der Nutzbarkeit. Laut Thurston ließen sich die Werke zwar leicht bewegen, an einer Wand anbringen, dann, bei einer (bewussten und vorteilhaften) Lichtveränderung, an einer anderen. Sie wurden aber auch schnell beschädigt: zerrissen und zerknittert, konnten sie nur allzu bald den beabsichtigten Inhalt nicht mehr transportieren und waren somit fast völlig vergänglich. Das wunderbare Experiment, der Dialog, den sie repräsentierten, ließ sich nicht bewahren. Thurston wollte, dass seine Objekte eine signifikante Lebensdauer hätten. Deshalb ersetzte er das Papier durch robustere Materialien wie Holz, Aluminium, Kupfer – Materialien, die den Arbeitsrhythmus, nicht aber die Interessen und Absicht des Künstlers veränderten. Der Wunsch, eine Interaktion zwischen Objekt, Betrachter und Umgebung zu entwickeln, blieb im Mittelpunkt seiner Kunst. In seiner vier Jahrzehnte umfassenden Laufbahn schuf der Künstler eine Fülle eleganter Objekte, die sich mit dem skulpturalen Aspekt der Malerei befassen: Langgezogene Blöcke sorgfältig modulierter Texturen auf Graphitbasis oder kleine Würfel in grobkörnigem Lavendel, landschaftlich orientierte Werke mit vertikalen Riffelungen im Kontrast zu Diptychen mit horizontalen Riefen. Immer handelt es sich um wunderbare Explorationen. Alle befassen sich mit den kinetischen Eigenschaften eines geschaffenen Objekts und der Wandlungsfähigkeit des Raumes, den es besetzt. Alle provozieren. Aber vor allem bestätigt jedes einzelne dieser sinnlich handgefertigten und unerschrocken arbeitsintensiven Kunstwerke die Notwendigkeit des intellektuellen und physischen Engagements des Künstlers. In der Kunstwelt gibt es zahllose hochgerühmte Konstrukteure und geschickte Handwerker, die jeden Fingerabdruck entfernen. Thurstons akribische, leuchtende Bilder dagegen erinnern uns daran, dass der nach wie vor erstrebenswerteste Satz jeder Herkunft und das belebendste Attribut jeder Sammlung noch immer lautet: „Von der Hand des Künstlers.“ Die Kunstwelt hatte Glück und die Sammler können sich freuen, dass sich Roy Thurston in die Herstellung von Gegenständen verliebte. 109


Verkörperung der Farbe Roy Thurston Übersetzung Sabine Reul

Ich interessiere mich seit vielen Jahren für sowohl Malerei als auch Skulptur und habe von Anfang an gezielt daran gearbeitet, plastische Elemente in meine Gemälde aufzunehmen. Damit wollte ich ihre Wirkung stärken und den Kreis der Elemente erweitern, denen ich mich durch meine Bilder annähern konnte. Der Unterschied zwischen Malerei und Skulptur reicht weit über die zusätzliche dritte Dimension hinaus. Jedes Medium nutzt andere Aspekte der Bildsprache. Ohne hier alle Eigenschaften von Malerei und Skulptur anführen zu wollen - eine vollständige Liste sähe bei jedem von uns anders aus - will ich auf einige skulpturale Eigenschaften meiner Malerei eingehen. Die erste ist der Objektcharakter des Gemäldes, seine Vollständigkeit als verfertigtes Objekt, so dass das Substrat in die Oberfläche, also die Pigmente oder Farbe, integriert und ihnen äquivalent ist. Damit verbunden ist die Präsentation des Gemäldes an der Wand als Objekt, das beim Betrachter eine physische Reaktion hervorruft - durch Größe, Proportion und Wandhöhe. Eine physische Beziehung zwischen Betrachter und Objekt lässt sich auch herstellen, wenn sich das Bild mit der Bewegung des Betrachters auf erklärbare Weise verändert. Bewegung - beim Betrachter - oder die äußere Variation der Erscheinung eines Gemäldes verweisen auf das Element Zeit. Für mich sind alle diese Faktoren wichtige ästhetische Möglichkeiten. Eine andere Eigenschaft, die mit der Plastik assoziiert wird, ist die Sensibilität eines Objekts für und seine Interaktion mit der Umgebung. Einige meiner frühesten Bilder waren im Grunde Testflächen. Sie wurden verschoben, loteten die Anordnung, die Licht- und Farbeigenschaften eines Raumes aus. Andere frühe Werke imitierten tagsüber in einen Raum projizierte Farbe, so dass sie zu verschwinden neigten. Spuren davon finden sich auch in meinen heutigen Arbeiten. Manche Bilder sind so sehr Teil ihrer Umgebung und doch so sehr eigenständige Objekte, dass sie ein Ort werden, erlebbar als Raum. Mein Interesse an der Malerei erwächst aus meinem Verständnis des Malens als einer Form des Sehens, des Betrachtens eines eigens konstruierten Objekts, das sofern es gut genug ist - die Fähigkeit zur Kommunikation besitzt. Es kommuniziert etwas schön Beobachtetes. Und dieses Verständnis teilt es mit.

2010-13 acrylic polyurethane on milled aluminum 138 x 22 x 3 cm 110


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2008-6 acrylic polyurethane on aluminum panel 75.6 x 37.8 x 3.2 cm 112


embodying colour Marie Chambers

Were it not for a certain squeamishness with regard to calculus, artist Roy Thurston might have become a physicist. He might well and profitably have spent his life considering quantum fields, contemplating the fundamental objects in the universe and observing the natural world with a respectful scientific eye. In lieu of paint, paper, acrylic polyurethane, aluminum or a palette knife, there would have been electrons, subatomic particles, issues of matter and radiation - a cavalcade of the theoretic hows and whys in the physical world. Too bad for science but happily for the art world, Roy Thurston fell in love with making things, objects that ‘work’ without any moving parts. During an interview this past July in his Los Angeles studio, the artist grinned and commented “I never met an object I didn’t like.” Though he intoned the aforementioned pronouncement in jest, the truth of the artist’s affection for functional “stuff” was in evidence throughout the studio: an aerial camera carefully boxed, a manual for an air compressor, replacement parts for a 1939 Diamond T pick-up in the back room and a Diamond T pick-up that still runs in the side yard, a 27 foot milling machine and tools over five decades old that retain a practical value. In and of themselves, the objects are not important. But collectively, creatively, they convey the ethos of Thurston’s art practice. Part of the artist’s profound interest in objects, whether they are mechanical or art related, centers on their ability to be of use. In a studio filled with a treasure trove of purposeful equipment, Thurston’s artwork, too, is purposeful, functional as a well-maintained telescope. His paintings work at re-crafting his experience of seeing. But what differentiates Thurston’s work from a myriad of others is his objects’ ability to serve as viewfinder while simultaneously being the view. This is not conceptual. The painting is not an abstraction of what we see. It has a physical life and is rooted in physical detail – lines swirl across the surface in regular arcing strokes, orange is calibrated to respond, to melt into a soft amber as light recedes, the aluminum painting extends three, not two, inches forward, away from the display wall. It delivers an experience in and of itself. The pleasure is in the discovery and articulation of those details. In Thurston’s studio practice, the making of things involves the same thoughtful calculation, the same discipline as in any working lab. But instead of a flock of white-coated lab assistants, the artist employs an abundance of carefully maintained machinery. He has characterized his collection of lathes, milling machines, drill presses and forklifts as the equivalent of studio assistants; each machine representing a specific ongoing relationship! Thus the production of artworks enlists machinery to help articulate the artist’s inquiry and the properties innately contained by the materials. For Thurston, the machine, like any dutiful assistant, is integral to the resolution of what must be done to achieve the experience of what can be seen. How deep an incision is required to make the grid of a 12 x 12-inch cube of copper project light? Is it possible to replicate the experience of seeing sunlight filtered through leaves by milling and milling and milling a ‘canvas’ of aluminum? How would a 120-degree fold in the center of the panel transform the play of daylight across the surface? If the center of the painting is concave, how will that center interact with shadow? How many applications of pigment are required to build a blue comprised of equal parts ocean and sky? Given this methodology, with its insistent reassessing of physical/visual cause and effects, it seems implicit that a painting by Roy Thurston operates as a mimetic reflection born of the artist’s observations in the natural world. However, if a painting “catches” light, if it generates a radiance kindred to stars in a night sky – minus the narrative of a night sky – how can the viewer regard the object as anything other than a demonstration of life force itself? Surely the energetic involvement of the artist leaves a residue. Surely the visual language invented by 113


the artist has its genesis in a language of touch. Surely this confluence of languages engenders an organic and entirely authentic life within the object itself. Thus, the artist’s hands-on investment in each painting opens the door for a kindred investment from the viewer. In the beginning of his career, before he began using metal, Roy Thurston painted on paper. After an initial wash of carefully modulated color was applied, the suggestion of form was created by the use of additional color. The extreme delicacy of the material mirrored the complexity of Thurston’s intentions. Each application of a variety of materials enhanced the “made-ness” or life of the object. However, the paper paintings became problematic, as they were difficult to handle. Utility became an issue. According to the artist, the works could be moved easily, pinned to a wall then removed to an alternative wall as the light changed (by design and advantageous), but they were easily damaged; torn, bent, all too quickly rendered incapable of transmitting their intended content and thus almost entirely ephemeral. The beautiful experiment of them, the conversation they represented could not be sustained. Thurston wanted his objects to have a significant life span. Therefore, paper gave way to sturdier stuff: wood, aluminum, copper. The materials changed the nature of the artist’s work rhythms but in no way altered his interests or his intent. Thurston’s desire for an evolving interaction between object, viewer and environment remains at the heart of his art making. Over the course of his four decade career, the artist has created an abundance of elegant objects that address the sculptural aspect of painting: elongated blocks of carefully modulated graphite-based textures or small cubes of rough-skinned lavender, landscape orientations with vertical striations versus diptychs with horizontal striations. All are beautiful explorations. Each addresses the kinetic properties of a made object and the mutability of the space it occupies. All are provocative. But more poignantly, each of these sensationally hand-made and fearlessly labor-intensive artworks affirms the necessity for the intellectual and physical involvement of the artist. Though the art world is filled with highly acclaimed fabricators, skilled craftsmen who erase all the fingerprints, Thurston’s meticulous, luminescent paintings remind us that the most desired phrase in any provenance and the most enlivening attribute of any collection remains “by the hand of the artist.” Luckily for the art world, and happily for all his collectors, Roy Thurston fell in love with making things.

2005-8 lacquer with flake graphite on wood 151 x 14.5 x 6 cm 114


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2010-8 acrylic polyurethane on aluminum 38 cm x 99 cm x 3 cm 116


embodying colour Roy Thurston

I’ve been interested in both painting and sculpture for many years, and early on I worked specifically to include sculptural qualities in my paintings. I did this to increase the impact of my paintings, and to extend the range of qualities I could approach through my paintings. The distinction between painting and sculpture is not just the addition of a 3rd dimension, it is much more than that. Each medium uses different aspects of visual language. I won’t try to list all the qualities of painting and sculpture-a complete list would be very different for each one of us, but I will suggest some of the aspects of sculpture I have used in painting. The first of these is presenting the painting’s objectness, it’s completeness as a made object, so that the support is integrated with and equal to the surface and paint or color. A corollary of this is presenting the painting on the wall as an object that the viewer has a physical response to because of size, or proportion, or height on the wall. A physical relationship between viewer and object can also be formed if the painting varies in an explicable way as the viewer moves around it. Movement, on the part of the viewer, or variation in appearance of the painting suggest the element of time. I see all these factors as important aesthetic possibilities. Another quality associated with sculpture is an objects’s sensitivity to and interaction with its surroundings. Some of my earliest paintings were simply test surfaces. They were moved about, gauging placement and light and color qualities of a room. Other early pieces mimicked projected color inside a room during the day, and tended to disappear. There is a trace of these impulses in my current work. Some work is part of their environment enough, and an object in their own right enough to become a location, to be experienced as a place. My interest in painting comes from my understanding of painting as a way of looking, of looking at a specially constructed object, an object that can have-if good enough-powers of communication. It’s the communication of something beautifully observed. And it shares its understanding.

117


Matthew Tyson


embodying colour zu den neuen Arbeiten von Matthew Tyson Michael Post / Heiner Thiel

Ein sehr augenfälliges Merkmal bestimmt den ersten Eindruck der Wandobjekte Matthew Tysons - es beschreibt nämlich den prägenden Tathergang ihrer Entstehung: Sperrholz bzw. mdf-Platten werden in ihrem ursprünglich gerade geschnittenen Zustand attackiert. Durch die Einwirkung physikalischer Kräfte und der damit verbundenen Ausübung von Druck auf die Flächen, entstehen zerbrochene, zerborstene, auch gesplitterte Fragmente. Dieser Akt, einer vorgegebenen Ordnung entgegen zu wirken, wird in dieser Phase des Entstehens erheblich bestimmt durch den mehr oder minder gesteuerten Zufall des Künstlers. Mag es die Tageskondition oder die emotionale Ausgangsposition sein, die Matthew Tyson in einem ersten Schritt veranlasst, aus dem Moment heraus, eher zufallsbestimmende Faktoren zu aktivieren, so greift er anschließend, komponierend, in das auf diese Art entstandene fragmentarische Objekt ein: Im Zustand eines inneren Dialoges mit dem so Geschaffenen werden dann Randzonen nachgearbeitet - vergrößert oder verkleinert. Während des Ablesens der geschnittenen, eher grafisch, sowie der gebrochenen, eher malerisch wirkenden Kanten, entstehen entlang ihres wechselhaften und rhythmisierenden Verlaufs die endgültigen Begrenzungen der Innenflächen. Gleichzeitig wird die materielle Beschaffenheit des Körpers unter seiner „ordentlichen“ Oberfläche sichtbar gemacht. Diese Art des „Freilegens“ von Schichten bestimmt ganz wesentlich die spätere fertige visuelle Präsenz der Wandobjekte, da im Folgenden die verschiedenen Ebenen des Inneren, wie die der Seiten der Objekte, durch Farbe akzentuiert werden. Zu einem für den Künstler entscheidenden Zeitpunkt erreicht das visuelle Zusammenspiel von Körper und Oberfläche einen Zustand, welcher ihm als geeignet erscheint, das Objekt vollflächig einzufärben. In einem malerischen Akt werden die Fragmente mit Farben gestupft, bemalt oder getränkt. Tyson benutzt hierfür sowohl Acryl, als auch Ölfarben in unterschiedlichsten Konsistenzen. Die skulpturale Beschaffenheit des Wandstückes verschmilzt nun mit der ihm zugeordneten farbmalerischen Komponente. Bedingt durch die verschiedenen Spuren der mechanischen Einwirkungen auf das Material, ist die Wirkung der strukturierten, farbigen Oberflächen unterschiedlich. So bestimmt der saugende Untergrund die Erscheinung der Farben anders als der auf einer weniger angegriffenen oder glatten Stelle. Die unterschiedliche Absorption und Reflexion des Lichtes an den benannten Stellen spielt schon bei der ursprünglichen Erscheinung der Materialfarbigkeit eine erhebliche Rolle. Mit der Entscheidung des Künstlers, mit den Mitteln der Malerei hierauf einzuwirken, wird dieser Effekt jedoch verstärkt. Der Umgang mit Form und Farbe lässt uns an Aspekte der informellen Malerei denken, zumal auch dort oftmals organische oder auch landschaftliche Assoziationen die Vorstellung einer reinen Abstraktion überlagern.

Drôme Series, 2008 enamel paint on wood 95 x 55 x 3 cm 119


Dogger, 2010 acrylic on mdf 38 cm x 99 cm x 3 cm 120


Matthew Tysons Wandarbeiten erinnern an natürliche Erosionen und deren Ausformungen. Besonders seine zweiteilig kombinierten Fragmente lassen in unserer Wahrnehmung beispielsweise Canyons und deren Flusslandschaften vorstellbar werden. Tyson äußert sich zu dieser auf zufälliger Abstraktion basierenden Imagination folgendermaßen: „Die Natur umgibt uns mit einer Vielzahl von Konstruktionen, deren struktureller Ursprung gebunden ist an die Kombination von Zufällen.“ Er geht ferner auch darauf ein, dass wir bei unserer Naturbetrachtung oftmals vergessen, dass der zivilisatorische Eingriff in die Natur uns nur noch rudimentär Wildnis erleben lässt. Er sagt: „Die wahre Wildnis ist an den Rändern zu finden, am Straßenrand, auf Bergkämmen, an Bächen. Es ist die Kombination, die interessant ist.“ Folgt man diesen Ausführungen Matthew Tysons, lassen sich in seinen Werken analoge Strukturen in abstrakten Bildfindungen erkennen. Er lässt sich in seinem Denken durch eine äußerst differenzierte Wahrnehmung naturhafter wie zivilisatorischer Vorgänge inspirieren. Im Erleben dieser prozessualen und auf Gegenseitigkeit beruhenden Faktoren überantwortet Tyson sein künstlerisches Handeln einer Art bildnerisch gestischen Nachvollzugs und holt so seine inneren Dialoge an die Oberfläche und macht sie sichtbar. In der Erkenntnis eines ständigen Zusammentreffens und Durchdringens von Chaos und Ordnung, Wildheit und Kultur, entscheidet er sich für eine Methodik, welche es ihm ermöglicht, in wechselnder Arbeitsweise seiner Vorstellung von Wirklichkeit innerhalb einer Zusammenführung von Skulptur und Malerei gerecht zu werden.

Iron #2, 2012 iron paint on plywood 27 x 38 cm 121


embodying colour on the new works of Matthew Tyson Michael Post / Heiner Thiel Translation Sabine Reul

A striking feature defines viewers’ first impressions of Matthew Tyson’s wall objects, that is, the very distinctive process of their production. Plywood or mdf panels, in their original, straight-cut, condition, are attacked. The impact of physical force and the associated exertion of pressure on the surfaces result in broken, burst or splintered fragments. At this stage of the creative process, this assault on the given order is determined by, more or less controlled, coincidence. In the first instance, it may be the artist’s physical or emotional state that causes him to spontaneously activate these accidental factors, whilst in the second he intervenes in the fragmented object to create, by compositional means: an inner dialogue with the piece, edges are reworked – enlarged or reduced. When analysing the cut edges, which are more graphic in appearance, together with the broken, and therefore more painterly ones, the final contours of the inner surfaces become more apparent, as changing, rhythmic continuums. The physical consistency of the material, under its “proper” surface, becomes visible. The various elements of the object’s interior and sides are accentuated by colour. This “exposure” of layers thus defines the subsequent visual presence of the objects substantially. At a certain point in time, the artist deems definitive, the visual interplay of the body and surface reach a state, he finds ready and the entire surface of the object is then coloured. The fragments are dabbed, painted or infused with colours. Tyson uses either acrylic or oil paints in various consistencies. The sculptural form of the wall object now fuses with the painterly component. Due to these diverse mechanical interventions on the material, the visual effects of the structured and coloured surfaces differ. For example: a more porous base has a different effect on the appearance of the colours than a smooth area. The differing absorption of the light in these locations already plays a key role in the original appearance of the material’s colouring, and this effect is amplified by the decision of the artist to act on it through painterly means. This operation, using form and colour, recalls aspects of informal painting, especially as organic or landscape associations often overlay the initial perception of pure abstraction. Matthew Tyson’s wall objects call to mind natural erosion and its consequent formations. In particular, his two-part combined fragments allow us to imagine canyons or other river landscapes. Tyson comments on these imaginings, or incidental abstractions as follows: “Nature surrounds us with a multiplicity of constructions, whose structural origin is founded in a combination of coincidences.” He adds that, when observing nature, we often forget that the (so called) civilising intervention in nature means that we only experience wilderness rudimentarily and says: “True wilderness is found on the edges, by the side of the road, on mountain crests, by streams. What is interesting is the combination of these elements.” Mindful of these comments, we recognise analogous structures in the abstract conception of his works. His thought is inspired by a highly differentiated perception of both natural and man-made processes. Centred on the experience of procedure and thus interacting factors, Tyson devotes his artistic activity to a kind of pictorial/gestural production, thereby bringing inner dialogues to the surface and making them visible. Based on his insight into a continuous encounter and interpenetration of chaos and order, wilderness and culture, he chooses a method, which enables him to do justice to his vision of reality in a true combination of sculpture and painting. 122


Dr么me Series, 2008 enamel paint on wood 95 x 55 x 3 cm

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Die Dinge, die mich von Anfang an am meisten bei Matthew Tysons Arbeiten beeindruckt haben sind: der Variationsreichtum der Erfindungen die Tiefenwirkung seiner Farben die Wesentlichkeit seiner Materialien und am wichtigsten, seine Vermeidung des Gef채lligen, des Erwarteten und des Sicheren. Edward Albee

Cross acrylic on mdf 80 cm x 40 cm x 3 cm 124


The things that have most impressed me about Matthew Tyson‘s work from the beginning are: the variety of the inventions the penetration of his color the materiality of his materials and most importantly, his avoidance of the glib, the expected and the safe. Edward Albee

Kisokaido, 2006 enamel on hardboard 63 x 60 x 3 cm collection Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern

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Kurzbiographien Short Biographies

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Joachim Bandau

1936 1957-1960 1962 1966 1968 1973 1976-1978 ab 1978 1982-1986 1983 1986 1988

geboren in Köln Studium an der Kunstakademie Düsseldorf erste plastische Arbeiten Mitbegründer der Gruppe K-66 Förderpreis für Plastik der Stadt Köln Industriestipendium des Kulturkreises im BDI, Köln Bunkerzeichnungen vornehmlich plastische Arbeiten Professur für Bildhauerei an der RWTH Aachen erste „Schwarz-Aquarelle“ als eigenständige Werkgruppe Will-Grohmann-Preis der Berliner Akademie der Künste Professur für Bildhauerei Kunstakademie Münster

seit 1966 zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland Der Künstler lebt und arbeitet in Köln und Aachen Arbeiten im öffentlichen Besitz Aachen, Suermondt-Ludwig-Museum Aachen, Ludwig Forum für Internationale Kunst Antwerpen, Museum van Hedendaagse Kunst Antwerpen Basel, Kunstmuseum Kupferstichkabinett Bergisch Gladbach, Städtische Galerie Villa Zanders Berlin, Jüdisches Museum Bonn, Bundesministerium des Inneren Bonn, Rheinisches Landesmuseum Bremen, Kunsthalle Bremen Coburg, Kunstsammlungen der Veste Coburg Dresden, Kupferstich-Kabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Dresden, Skulpturensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Duisburg, Wilhelm Lehmbruck Museum Düsseldorf, Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Haarlem (NL), Teylers Museum Hagen, Karl Ernst Osthaus-Museum Hannover, Land Niedersachsen Kiel, Kunsthalle zu Kiel Köln, Wallraf-Richartz-Museum/Museum Ludwig Leverkusen, Städtisches Museum, Schloss Morsbroich Ludwigshafen, Städtische Kunsthalle Mannheim, Städtische Kunsthalle Marl, Skulpturenmuseum Glaskasten München, Staatliche Graphische Sammlung Nürnberg, Städtische Kunstsammlungen Oslo, Museet for Samtidskunst Stuttgart, Institut für Auslandsbeziehungen Ulm, Museum Ulm Wien, Volpinum

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Müller-Emil

1934 1950-56 1965-95 ab l965 ab 1970 1979 1997

Geboren in Pfäffikon, Zürich, CH Besuch der Kunstgewerbeschule, ZH Dozent an der Hochschule für Gestaltung Zürich Ateliers in Zürich und im Tessin Beschäftigung mit der Theorie über Farbe und ihre Anwendung müller-emil und Richard Paul Lohse verpflichten zwölf Schweizer Konkrete für eine Ausstellung in der Galerie Bossin in Berlin. Im Kunsthaus Grenchen organisieren müller-emil und Urs Hanselmann die Ausstellung <Multiple Aktuell>.

Einzelausstellungen (Auswahl) 2000 2001 2003 2004 2005 2007 2008

Galerie Zimmermannhaus, Brugg, CH Galerie Parade, Amsterdam, NL Galerie Benden & Klimczak, Köln, D Galleria arte moderna AMMANN, Locarno, CH Night show, Galerie Parade, Amsterdam, NL Galerie Haus zum Wasen, Wagenhausen, CH Museum Modern Art, Hünfeld, Rauminstallation, D Galleria arte moderna AMMANN, Locarno, CH Galerie Parade, Amsterdam, NL Galerie Walzinger, Saarlouis, D Galerie Zimmermannhaus, Brugg, CH Galerie Carmen Weber, Zug, CH (Kabinett) Galerie La Ligne, Zürich, CH

Integrierte Farbgestaltung (Auswahl) 1970-75 1994-95 1996-98 1999 2002 2003 2004 2007

Mehr- und Einfamilienhausüberbauung <Rüteli>, Dättwil AG Gemeindezentrum Rüti, Rüti ZH Kongresshaus Zürich, Panoramasaal, Sitzungszimmer, Übungsräume, Garderobe und Foyer Tonhallesaal Gesundheitszentrum <LANSERHOF>, Lans b. Innsbruck Bahnhof Zug, Betonfarbe Gemeindehaus Eschen, Liechtenstein Bürohaus Alcon, Hüneberg Alte Spinnerei Windisch, Rauminstallationen Überbauung Krippenstrasse, Langental Schulhaus Boden, Richterswil

Werke in öffentlichen Sammlungen (Auswahl) Foundation of the University of Calgary, Kanada Musée espace de I‘art concret, Mouans-Sartoux, F Museum Modern Art, Hünfeld, D Museum Mondrianhuis, Amersfoot, NL Musée d‘art contemporain, Montreal, Kanada Musée d‘art contemporain, Sao Paulo, BR Museum für Gestaltung, Zürich, CH Haus Konstruktiv, Zürich, CH Kunsthaus Zürich, graphische Sammlung, CH Kunsthaus Ludwig, Atelierhaus Saarlouis, D 128


Michael Post

1952 geboren in Wiesbaden 1972-1976 Studium der bildenden Kunst an der Fachhochschule Wiesbaden, Diplom 1980-1981 Studium der Kunstgeschichte an der Universität Mainz 1986-1988 Kurator der Ausstellungsreihe Kunst in der Ifage in Wiesbaden, Unter den Eichen 2001 Balmoral-Stipendium der Kulturstiftung des Landes Rheinland-Pfalz 2002 Beginn der Zusammenarbeit mit Heiner Thiel: Projekte für Kunst am Bau und Gründung der “Edition PT”, Veröffentlichung von Kunstkatalogen, Organisation von Ausstellungen Künstlerische Ausgestaltung einer Glaswappenwand für die kreisfreien Städte und Landkreise im rheinland-pfälzischen Landtag (Wappensaal). Entwurf und Realisation Michael Post & Heiner Thiel 2005 1. Preis / Skulpturenpark Mörfelden-Walldorf Beginn der Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Künstler am Mittelrhein, AKM, Koblenz 2006 Entwurf und Realisation einer zweiten Glaswappenwand für den rheinland-pfälzischen Landtag, Salle d’Amitié (Wappen der Partnerstädte und –regionen von Rheinland-Pfalz) mit Heiner Thiel 2006 Beginn der Mitgliedschaft im Beirat des “Künstlerhaus Schloss Balmoral / Kulturstiftung Rheinland-Pfalz” 2009 Entwurf und Realisation einer künstlerischen Gestaltung für den Kabinettsaal in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz 2013 Kurator der Ausstellung embodying colour in der Kunsthalle Wiesbaden (mit Heiner Thiel) seit 1982 zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland Lebt und arbeitet in Ippenschied, Rheinland-Pfalz

Werke in öffentlichen Sammlungen (Auswahl) Hannover, Sparkasse Moskau, Malevich Foundation Moskau, Staatliche Tretjakow-Galerie Mainz, Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, Staatskanzlei Rheinland-Pfalz Bonn, Artothek der Stadt Bonn Weingarten, Kloster Weingarten (Katholische Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart) Wiesbaden, Sammlung des Hessischen Landtags Wiesbaden, Artothek Wiesbaden Wiesbaden, Landesmuseum Wiesbaden, Industrie- und Handelskammer Wiesbaden, Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst Wiesbaden, Rathaus Frankfurt, Sparkasse Frankfurt 129


Ann Reder

1946 1967 – 1972

geboren in Tromsø/Norwegen lebt in Frankfurt am Main

1977 – 2011

Lehrauftrag für Bildhauerei an der Städelschule

1978

Stipendium Cité Internationale des Arts, Paris

1988

Stipendium Künstlerhaus Edenkoben/Pfalz Ankauf im Wettbewerb Börneplatz „Jüdische Gedenkstätte“, Frankfurt am Main

1990

Preis der Stiftung Skulpturenpark Seestern, Düsseldorf

Studium der Bildhauerei an der Hochschule für bildende Künste Städelschule Frankfurt am Main, bei Prof. Michael Croissant

Seit 1971 Ausstellungen in Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Russland, Norwegen und der Schweiz Einzelausstellungen (Auswahl): 2009 2010 2012 2013

Galerie Rothe, Frankfurt Galerie Friebe, St. Gallen Bilderhaus, Frankfurt (mit Peter Sarowy) Skulpturengarten Darmstadt

Plastiken und Arbeiten auf Papier befinden sich in privaten und öffentlichen Sammlungen u.a. in den Sammlungen der Deutschen Bank und des Städel Museums

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Gert Riel

1941 Geboren in Prien, Chiemsee, Oberbayern (D) 1964 - 1968 Bildhauerei bei Rudolf Hoflehner an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart seit 1968 viele Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland, Teilnahme an zahlreichen Symposien. Mitglied im Deutschen Künstlerbund und im Künstlerbund Baden-Württemberg. 1989 Erich Heckel-Preis des Künstlerbundes Baden-Württemberg Lebt und arbeitet in Remshalden-Buoch Einzelausstellungen, Auswahl 2002 - 2011 2011 Gert Riel - Galerie Werner Wohlhüter, Leibertingen-Thalheim 2010 GERT RIEL - Flächenspannungen - Galerie Linde Hollinger Ladenburg, Ladenburg 2009 Energetische Modulationen in Metall - Galerie Anja Rumig, Stuttgart Gert Riel - Maerz Galerie, Mannheim Gert Riel - Wandobjekte, Skulpturen — eine Retrospektive - März Galerie, Mannheim 2007 Gert Riel - Skulpturen - Maerz Galerie, Mannheim Gert Riel - Skulpturen - März Galerie, Mannheim Stahlplastiken, Lackarbeiten, Zeichnungen - Galerie Werner Wohlhüter, Leibertingen-Thalheim 2002 Gert Riel - Galerie Werner Wohlhüter, Leibertingen-Thalheim Gruppenausstellungen, Auswahl 2006 - 2013 2013 Doppelbock - Kunstverein Neuhausen e.V. Neuhausen/Fildern Bildhauerzeichnungen der Gegenwart, Forum Kunst, Rottweil 2012 Farbräume - März Galerie, Mannheim Künstler der Galerie und Neuentdeckungen - Galerie Linde Hollinger, Ladenburg, Gert Riel - Objekt. Reiner Seliger - Installation, Friedrichsbau Bühl 2011 Eine Trilogie der Plastik - Galerie Anja Rumig, Stuttgart 2010 RotBlauGelb - März Galerie, Mannheim Chromie - Galerie Gisèle Linder, Basel Metall:Werke - Museum Biedermann, Donaueschingen Peter Weber / Gert Riel - Das Kleine Museum - Kultur auf der Peunt, Weissenstadt 2. Internationaler André-Evard-Kunstpreis der Messmer Foundation - Kunsthalle Messmer, Riegel am Kaiserstuhl 2009 Selection - Einblicke in die Sammlung Biedermann - Museum Biedermann, Donaueschingen Werke auf Papier - Galerie Linde Hollinger, Ladenburg, Accrochage mit Künstlern der Galerie - Galerie Linde Hollinger, Ladenburg ROT - Forum Kunst Rottweil, Rottweil 2007 Kunst Sommer Wangen 2007 - Städtische Galerie Wangen, Wangen im Allgäu 2006 Galerie Linda Treiber, Ettenheimmünster, Zeichnungen Galeria Maria Villalba, Barcelona, „Collektiva 06“ 131


Eduard Tauss

1968 geboren in Vorau, Steiermark 1987-92 Akademie der bildenden Künste, Wien lebt und arbeitet in Wien Stipendien 2008 2005/06 1999

artist in residence, Frankfurt/Main artist in residence, Mexico-City artist in residence, Egon Schiele Art Centrum, Český Krumlov

Einzelausstellungen (Auswahl) 2013 2011 2007 2003 2002 1998 1993 1991

the solo project (mit Madeleine Dietz), Galerie Lindner, Basel Socha a Objekt, Bratislava La Ola, Museo Experimental, El Eco, Mexico-City Boards, Österreichisches Kulturforum, Bratislava itself, Galerie Lindner, Wien programmer and selector, Galerie Lindner, Wien Vermögensmasse Heinrichstrasse 41, Immobilie Irreal, Graz paradise now, studio, Neue Galerie, Steirischer Herbst, Graz

Gruppenausstellungen (Auswahl) 2013 2012 2008 2007 2005 2004 2003 2002 2001

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embodying colour, Kunsthaus Wiesbaden Art Karlsruhe, galerie lindner, karlsruhe space affairs, Musa, Wien die Mühen der Ebene, Galerie Lindner, Wien selection 08, Galerie Eugen Lendl, Graz artists in residence, Atelierfrankfurt, Frankfurt/Main ViennAfair, Galerie Lindner, Wien Socha a Objekt, Galeria Z, Bratislava Artefiera, Galerie Lindner, Bologna ViennAfair, Galerie Lindner, Wien Artefiera, Galerie Lindner, Bologna Art Zürich, Galerie multiple art, Zürich Artefiera, Galerie Lindner, Bologna Gallery Sonja Roesch, Houston Art Frankfurt, Galerie Lindner, Wien Bergner + Job Galerie, Wiesbaden Ride on, Galerie Lindner, Wien multiples, Galerie Baviera, Zürich Art Innsbruck, Sonderschau Junge Kunst, Innsbruck Art Frankfurt, Art Bodensee, Galerie Lindner, Wien Der Auftrag der Farbe, Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden Kunst Wien, Galerie Lindner, Wien Kunst Köln, Art Frankfurt, Kunst Wien, Galerie Lindner, Wien Art Bodensee, Galerie multiple Art, Zürich Arbeiten aus den Ateliers, Egon Schiele Art Centrum, Český Krumlov


Heiner Thiel

1957 1978 - 82

geboren am 14. Januar in Bernkastel-Kues Studium der bildenden Kunst und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg Universität Mainz 1983 - 85 Studium an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste, Städelschule, Frankfurt am Main (Bildhauerklasse, Prof. M. Croissant) 1985 Förderpreis für bildende Künstler der Stadt Mainz 1986 Förderpreis des Landes Rheinland-Pfalz 1987 u. 1996 Lehrauftrag an der California-State-University Chico / USA 1988 1. Preis, Förderpreis junge Künstler der Saar-Ferngas AG, Saarbrücken 1998 Balmoral-Stipendium der Kulturstiftung des Landes Rheinland-Pfalz, Beginn der Mitgliedschaft in der Darmstädter Sezession 2000 Beginn der Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Künstler am Mittelrhein, AKM, Koblenz 2002 Beginn der Zusammenarbeit mit Michael Post: Projekte für Kunst am Bau und Gründung der “Edition PT”, Veröffentlichung von Kunstkatalogen, Organisation von Ausstellungen, künstlerische Ausgestaltung einer Glaswappenwand für die kreisfreien Städte und Landkreise im rheinland-pfälzischen Landtag (Wappensaal). Entwurf und Realisation Michael Post & Heiner Thiel 2006 Entwurf und Realisation einer zweiten Glaswappenwand für den rheinland-pfälzischen Landtag, Salle d’Amitié (Wappen der Partnerstädte und -regionen von Rheinland-Pfalz) mit Michael Post 2009 Wandgestaltung im Büro des Ministerpräsidenten, Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Mainz 2013 Kurator der Ausstellung embodying colour in der Kunsthalle Wiesbaden (mit Michael Post) Seit 1976 zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland Arbeiten in öffentlichen Sammlungen (Auswahl) Berlin, Kunstsammlung des deutschen Bundestages Buffalo, New York/USA, Albright-Knox-Gallery Calgary/Canada, „The Foundation For Constructive Art“ University of Calgary Frankfurt/Main, Kunstsammlung der Deutschen Bank AG Kunstsammlung der Kreditanstalt für Wiederaufbau Kunstsammlung der Deutschen Bundesbank Grenoble/Frankreich, Artothèque de Grenoble - Bibliothèque Kateb Yacine Ingolstadt, Museum für konkrete Kunst Kaiserslautern, Pfalzgalerie Mainz, Landesmuseum; Deutsche Bank AG; Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, Rheinland-Pfalz; Städtische Kunstsammlung, Staatskanzlei Rheinland-Pfalz Mannheim, Kunsthalle Mulhouse/Frankreich, Artothèque de Mulhouse, Centre national des arts plastiques Scottsdale/Arizona, USA, Scottsdale Museum of Contemporary Art Wien/Österreich, Graphische Sammlung Albertina 133


Jeremy Thomas

1973 born in Ohio, USA 1992-1996 Bachelor of Fine Arts, College of Santa Fe, Santa Fe, NM 1996 Internship, artist blacksmith Tom Joyce, Santa Fe, NM 1993 &1994 Internship, intaglio printmaking, painter/printmaker Jean Richardson, Oklahoma City, OK 1992 Oklahoma Summer Arts Institute, with artist Deloss McGraw 1991 Oklahoma Summer Arts Institute, with artist Robert Rahway Zakanitch Selected Solo Exhibitions 2013 2012 2009 2008 2007 2006

Camber, Bentley Gallery, Scottsdale, AZ Peter Blake Gallery, Laguna Beach, CA Dialogues in steel, two person show, Charlotte Jackson Fine Art Santa Fe, NM Boll, Charlotte Santa Fe, NM Cotton Module, Samuel Freeman, Santa Monica, CA Implement, Jackson Fine Art and Charlotte Jackson Project Space Santa Fe, NM Patricia Faure Gallery, Santa Monica, Ca Inflatables, Charlotte Jackson Fine Art, Santa Fe, NM

Select Group Exhibitions 2013 Learning to See: Josef Albers and the Interaction of Color, Scottsdale Museum of Contemporary Art Scottsdale, AZ All About Color, Charlotte Jackson Fine Art, Santa Fe, NM Faszination der Farbe, Davis Klemm Gallery, Wiesbaden, Germany Art For Art‘s Sake, Fredrick R. Wiesman Museum Of Art, Pepperdine University Malibu, CA 2012 Faltwelten - It‘s All in the Fold, Galerie Renate Bender, Munich, Germany „Pink“ Charlotte Jackson Fine Art, Santa Fe, NM 2011 Mostly Monochrome, Charlotte Jackson Fine Art, Santa Fe, NM 2010 Group exhibition of small works, Bentley Gallery, Scottsdale, AZ Thirty Years of Collecting: A Recent Gift to the Museum, Scottsdale Museum of Contemporary Art, Scottsdale AZ 2009 Mostly Sculpture (Damnit) Samuel Freeman, Santa Monica, CA 2007 Of the Wall, Charlotte Jackson Fine Art, Santa Fe, NM 2006 That‘s Hot, Charlotte Jackson Fine Art, Santa Fe, NM Public and Corporate Collections Albright-Knox Gallery, Buffalo, New York Fredrick R Wiesman Art Foundation, Los Angeles, Califonia J. Crew Corporate Collection, New York, New York New Mexico Museum of Fine Arts, Santa Fe, New Mexico Quartz Mountain Arts and Conference Center, Lone Wolf, Oklahoma (destroyed by fire) Scottsdale Museum of Contemporary Art, Scottsdale, Arizona 134


Bill Thompson

1957

born in Ipswich, Massachusetts USA

Selected Solo Exhibitions 2013 2012 2010 2009 2008 2006, 11 2005 2002, 04 2001 2000 1999, 03, 07 1998 1996 1996, 98 1995, 96 1994 1990, 91, 92

Barbara Krakow Gallery, Boston, MA 20 Years of Printmaking, MASSART, Boston, MA Solo Project, Basel, CH Galería Miguel Marcos, Barcelona, ES Margaret Thatcher Projects, New York, NY Galerie Hollenbach, Stuttgart, DE Galerie Renate Bender, Munich, DE Art Karlsruhe/Galerie Renate Bender, Karlsruhe, DE Conny Dietzschold Gallery, Sydney, AU Galería Miguel Marcos, Barcelona, ES Margaret Thatcher Projects, New York, NY Galerie Renate Bender, Munich, DE Ana Serratosa-Arte, Valencia, ES The White Gallery, Seoul, KR The Columns, Seoul, KR Seomi & Tuus, Seoul, KR Star Tower Gallery, Seoul, KR The Butler Institute of American Art, Youngstown, OH Space Kitchen, Seoul, KR Barbara Krakow Gallery, Boston, MA Institute of Contemporary Art at MECA, Portland, ME In Khan Gallery, New York, NY Richard Levy Gallery, Albuquerque, NM Alpha Gallery, Boston, MA The Butler Institute of American Art, Youngstown, OH Nielsen Gallery, Boston, MA

Selected Group Exhibitions 2013 embodying colour, Kunsthalle Wiesbaden, Wiesbaden, DE 2012 Sense of Colors, Keitelman Gallery, Brussels, BE Patricia Sweetow Gallery, San Francisco, CA Surface Tension, Thatcher Projects, New York, NY 2011 Kunststoff Skulptur, Kreissparkasse, Rottweil, DE Conny Dietzschold Gallery, Art Stage Singapore, SG 2010 Monochrome 1, Galerie Renate Bender, Munich, DE Galería Miguel Marcos, ARCO Madrid, ES 2009 Kaleidoscope, Galerie Kashya Hildebrand, Zurich, CH 2008 Una Mirada, Galería Miguel Marcos, Barcelona, ES Flow, Centre Cultural Andratx, Mallorca, ES 2007 Polished & Pressed, Bill Thompson/Peter Weber, Thatcher Projects, NY 2006 The Scent of Korea, Daegu, KR 2005 Gleam & Glory, Renate Schröder Galerie, Mönchengladbach, DE New Paintings, Chac Mool Gallery, West Hollywood, CA 2003 Visions and Revisions, Museum of Fine Arts, Boston, MA 2002 Painting in Boston 1950–2000, DeCordova Museum, Lincoln, MA 2000 Painting Pushed to Extremes, Worcester Art Museum, MA 135


Roy Thurston

1949 1971 1974 2008

born in Huntington, Long Island, NY BA Colorado College, Colorado Springs, CO MFA Claremont Graduate School, Claremont, CA Pollock Krasner Foundation Grant Recipient

Selected One Person Exhibitions 2010 2008 2006 2004 2002 2001 2000

Galerie Katharina Krohn, Basel, Switzerland Fabbri Contemporary Art, Milano, Italy Brian Gross Fine Art, San Francisco, CA Charlotte Jackson Fine Art, Santa Fe, NM “Directed Light,” Los Angeles Harbor College, Wilmington, CA Chac Mool Gallery, Los Angeles, CA Howard Yezerski Gallery, Boston, MA Charlotte Jackson Fine Arts, Santa Fe, NM Hosfelt Gallery, San Francisco, CA

Selected Group Exhibitions 2013 “embodying colour,” Kunsthalle Wiesbaden, Wiesbaden DE 2011 “California Art, Selections from the Frederick R. Weisman Art Foundation,” Pepperdine University, Malibu, CA, 2010 „State of Mind,“ Panza Collection Lucca Center of Contemporary Art, 2008 “at the Brewery Project, 1993-2007: the Finale,” Armory Center for the Arts, Los Angeles, CA Galerie Arte Moderna Ammann, Locarno, Switzerland, with Alan Ebnother, “The Natalie and Irving Foreman Collection of Works on Paper,” Albright Knox Art Gallery, Buffalo, NY “SoCal: Southern California Art of the 1960’s and 70’s from LACMA’s Collection,” Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles,CA 2007 “Monochrome,” Cardwell Jimmerson Contemporary Art, Culver City, CA “Müller-Emil and Multiple Art,” Galerie Jonas, Cortaillod, Switzerland “Minimalism,” I-5 Gallery, Los Angeles, CA 2005 “The Natalie & Irving Forman Collection,” Albright-Knox Art Gallery, Buffalo, NY Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles, CA Albright-Knox Art Gallery, Buffalo, NY Frederick R. Weisman Art Foundation, Los Angeles, CA The Berlingieri Collection, Rome, Italy Ann Hatch, San Francisco, CA Colección Jumex, Mexico City, Mexico Museo Cantonale d’Arte, Lugano, Switzerland Museum of Contemporary Art, Los Angeles, CA Museum of Contemporary Art San Diego, La Jolla, CA The Panza Collection, Milan, Italy Haus Konsruktiv, Zürich, Switzerland 136


Matthew Tyson

1959 1977 - 1978

born in London, UK St Martin’s School of Art, London

Awards / Residencies / Public Commissions 1998 1999-2006 2007

Artist in Residence at Birmingham City Museum and Art Gallery, Public Commission, French Ministry of Culture: 17 stained glass windows for the Cathedrale de St Pierre, St Claude, France Residency Fellow, Edward Albee Foundation, New York, USA

Solo Exhibitions (Selection) from 2003 2003 2006 2007 2008 2010 2011 2012 2013 2014

‘Matthew Tyson’ Musée de l’Estampe, Gravelines, France ‘Rayon’, L’Eglise de St Pierre, Piolenc, France ‘Livre Soluble’, Médiathèque du Vallée de la Drôme, Crest ‘Matthew Tyson’, Tour de Crest, Crest, France ‘Four Corners‘, imprints Galerie, Drôme, France ‘On Edge’, Musée de la Vallée de la Creuse, Eguson, France ‘Installation’, Facade of the Mairie, St-Remy-de-Provence ‘New Works’, Concept Space, Shibukawa, Japan ‘Espaces Silencieux’, Eagle Gallery, London, UK ‘Still: On Edge’, Hebel 121, Basel, Switzerland ‘Matthew Tyson’, Museum Pfalzgalerie, Kaiserlautern, Germany ‘Sky Blue Sky’, Riverside Art Museum, California, USA ‘Angels’, Gogoyoga, London, UK 1078 Gallery, Chico, California, USA

Public Collections Museum of Modern Art, New York Baltimore Museum of Art Edward Albee Foundation, New York Riverside Art Museum, California Pfalzgalerie, Kaiserslautern Tensor Bildunginstitut, Dessau Klingspor Museum, Offenbach Spendhaus Museum Reutlingen Akademie der bildenden Künste, Vienna Musée Nationale d‘Art Moderne, Paris Bibliothèque Nationale de France, Paris Musashino Art University, Tokyo Victoria & Albert Museum, London Tate Gallery, London Birmingham Museum and Art Gallery University of Birmingham Art Collection Clifford Chance Collection

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Die Autoren

Laura Addison, Kuratorin für zeitgenössische Kunst am New Mexico Museum of Art, wo sie zahlreiche Einzel- und thematische Gruppenausstellungen organisiert. Seit über einem Jahrzehnt gestaltet sie die Sammlung zeitgenössischer Kunst des Museums. Edward Albee, amerikanischer Schriftsteller der bekannt wurde mit seinen Werken The Zoo Story (1958), The Sandbox (1959), Wer hat Angst vor Virginia Woolf? (1962). Seine Werke gelten als gut geschriebene, oft schonungslose Untersuchungen der modernen Gesellschaft. Er erhielt 3 Pulitzer Preise sowie den Special Tony Award für sein Lebenswerk. Matthias Bleyl, Prof. Dr. phil., geb. 1953, Studium der Kunstgeschichte und Promotion 1980 an der Ruhr-Universität Bochum. 1982-88 Lehraufträge an der Universität des Saarlandes, der Staatlichen Hochschule für bildende Künste Frankfurt und der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Offenbach. Seit 1993 ordentlicher Professor für Allgemeine Kunstgeschichte (mit Schwerpunkt 20. Jahrhundert) an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Urs Bugmann, Dr. phil., geb. 1951 in Cham, studierte Germanistik, Publizistik und Literaturkritik an der Universität Zürich und promovierte über Thomas Bernhards autobiographische Schriften. Er arbeitete als Verlagslektor, Literatur-, Kunst- und Theaterkritiker und ist heute Kulturredakteur bei der Neuen Luzerner Zeitung. Marie Chambers, begann ihr berufliches Leben im Theater. Ausgebildet als Schauspielerin erschien Marie in zahlreichen Produktionen, von Shakespeare bis Sam Shepard. Sie organisierte in eigener Regie den Performance / Ausstellungsraum chambersprojects und begann Essays für Ausstellungskataloge zu schreiben. Heute ist sie Direktorin der Louis Stern Fine Arts Gallery, West Hollywood. Sie erhielt ein MFA für kreatives Schreiben des Bennington College in Bennington, Vermont. Michael Fehr, Dr. phil., 1978 Promotion in Kunstgeschichte bei Max Imdahl über ein frühmittelalterliches Thema; 1987-2005 Direktor des Karl Ernst Osthaus-Museums Hagen, seit 2003 geschäftsführender Vorsitzender des Werkbundarchiv e.V. Museum der Dinge, Berlin, seit 2005 Professor und Direktor des Instituts für Kunst im Kontext an der Universität der Künste Berlin. http://www.aesthetischepraxis.de Invar-Torre Hollaus, Dr. phil., geb.1973, Kunsthistoriker, seit Februar 2010 Dozent am Institut für Visuelle Kommunikation der HGK Basel und Autor zahlreicher Texte, Promotion am Kunsthistorischen Institut der Universität Basel zu Wahrnehmungsphänomenen in den Porträts von Frank Auerbach. Michael Post, geb. 1952, bildender Künstler, Autor, Herausgeber von Kunstkatalogen (Edition PT), Zusammenarbeit mit Heiner Thiel seit 2002. Sabine Reul, geb. 1949 in Wiesbaden, ist Inhaberin der Textbüro Reul GmbH und lebt seit mehr als 20 Jahren als Übersetzerin, Autorin und Redakteurin der Zeitschrift NovoArgumente in Frankfurt am Main. Bettina Schönfelder, Leiterin des Kunstvereins Pforzheim im Reuchlinhaus, Kuratorin und Beraterin u.a. für Museum Biedermann, Donaueschingen. Annmarie Taeger studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte an den Universitäten Tübingen und Frankfurt am Main, wo sie auch lange Jahre eine Galerie für zeitgenössische Kunst führte. Sie lebt und arbeitet heute in Berlin und Frankreich. Heiner Thiel, geb. 1957, bildender Künstler, Autor, Herausgeber von Kunstkatalogen (Edition PT), Zusammenarbeit mit Michael Post seit 2002. Hans Zitko, Prof. Dr. phil, geb. 1951, lehrt Wahrnehmungstheorie an der Hochschule für Gestaltung Offenbach; arbeitet zu Fragen der Ästhetik, Kunsttheorie und Kunstsoziologie; zahlreiche Veröffentlichungen. 2012 erschien: Kunstwelt. Mediale und systemische Konstellationen (philo & philo fine arts, Fundus-Reihe 191). Mitherausgeber von Imago. Jahrbuch für Psychoanalyse und Ästhetik (PsychosozialVerlag). Ende 2013 erscheint der von ihm herausgegebene Sammelband: Reflexionsformen ästhetischer Praxis. Wissen in Kunst und Design (Böhlau-Verlag).

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The Authors

Laura Addison is the curator of contemporary art at the New Mexico Museum of Art, where she has organized numerous one-person and thematic group shows and shaped the museum‘s contemporary collection for over a decade. Edward Albee, is an American playwright who is known for works such as The Zoo Story (1958), The Sandbox (1959), Who‘s Afraid of Virginia Woolf? (1962). His works are considered well-crafted examinations of the modern condition. He has received 3 Pulitzer Prizes and a Special Tony Award for lifetime achievement. Matthias Bleyl, Prof. Dr. phil., born 1953, studied art history and finished a doctoral dissertation 1980 at the Ruhr-Universität Bochum. 1980-82 internship at the Hessisches Landesmuseum Darmstadt. 1982-88 teaching assignment at the universities of the Saarland, the Staatliche Hochschule für bildende Künste, Frankfurt and the Staatliche Hochschule für Gestaltung, Offenbach. Since 1993 professor for general art history (emphasis on art of the 20th century) at the Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Urs Bugmann, Dr. phil., born 1951 in Cham, studied German, journalism and literary criticism at Zurich University. Doctoral dissertation on the autobiographical writing of Thomas Bernhard. Worked as a reader, literary, art and theatre critic and is now an arts editor for the Neue Luzerner Zeitung. Marie Chambers began her professional life in the theatre. Trained as an actress, Marie appeared in numerous productions, everything from Shakespeare to Sam Shepard. She created her own performance / presentation space chambersprojects and began writing exhibition catalogue essays. Currently she serves as director at the Louis Stern Fine Art Gallery, West Hollywood. Marie received an MFA in creative writing from Bennington College in Bennington, Vermont. Michael Fehr, Dr. phil., doctoral dissertation on an early medieval theme with Max Imdahl, 1987-2005 director of the Karl Ernst Osthaus-Museum Hagen, since 2003 executive chairman of the Werkbundarchiv e.V. - Museum der Dinge, Berlin. Since 2005 professor and director of the institute for Art in Context at the Universität der Künste, Berlin. http://www.aesthetischepraxis.de Invar-Torre Hollaus, Dr. phil., born 1973, art historian. Since February 2010 lecturer at the Academy of Art & Design, Visual Communication Institute, Basle and author of numerous texts. PhD at the Institute of Art History at the University of Basle on phenomena of perception in Frank Auerbach’s portraits. Michael Post, born 1952, artist, author, editor of art-catalogues (Edition PT), in cooperation with Heiner Thiel since 2002. Sabine Reul, born 1949 in Wiesbaden, owner of the Textbüro Reul GmbH und lebt seit mehr als 20 Jahren als Übersetzerin, Autorin und Redakteurin der Zeitschrift NovoArgumente in Frankfurt / Main. Bettina Schönfelder, Director of the Kunstverein Pforzheim im Reuchlinhaus, curator and consultant for the Museum Biedermann, Donaueschingen et.al. Annmarie Taeger studied literature, philosophy and history at the universities of Tübingen and Frankfurt/Main, where she also ran a gallery for contemporary art for many years. Today she lives and works in Berlin and France. Heiner Thiel, born 1957, artist, author, editor of art-catalogues (Edition PT), in cooperation with Michael Post since 2002. Hans Zitko, Prof. Dr. phil., born 1951, is teaching theory of perception at the Hochschule für Gestaltung, Offenbach; works on issues of aesthetics, art theory and art sociology; numerous publications. Published in 2012: Kunstwelt. Mediale und systemische Konstellationen (philo & philo fine arts, Fundus-Reihe 191). Co-editor of Imago. Jahrbuch für Psychoanalyse und Ästhetik (Psychosozial-Verlag). At the end of 2013 the anthology, edited by him: Reflexionsformen ästhetischer Praxis. Wissen in Kunst und Design, will be published (Böhlau-Verlag). 139



Förderer & Sponsoren Patrons & Sponsors Michael Post und Heiner Thiel danken folgenden Firmen und Institutionen welche embodying colour unterstüzt haben Michael Post and Heiner Thiel thank the following companies and institutions for supporting embodying colour

Firma Alutecta GmbH & Co.KG Aluminiumprodukte in 55481 Kirchberg

Feinkost Feickert GmbH in 65185 Wiesbaden, Wilhelmstr. 14

Willi Sauer GmbH & Co.KG Bauunternehmung in 56077 Koblenz

Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz

Kulturamt der Landeshauptstadt Wiesbaden

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Impressum / Imprint

Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung embodying colour in der Kunsthalle Wiesbaden vom 18. Oktober bis 15. Dezember 2013. This catalogue is published to accompany the exhibition embodying colour at the Kunsthalle Wiesbaden, Oct. 18th until Dec. 15th, 2013 Konzeption und Gestaltung / concept and design: Michael Post & Heiner Thiel Redaktion / editorial staff: Isabella Oulton, Michael Post, Carola Schlüter, Dr. Isolde Schmidt, Eva & Heiner Thiel, Matthew Tyson Übersetzungen / translations: Karl Hoffmann, Irmgard Hölscher Corinne Iten, Carola Kleinstück-Schulman Sabine Reul, Elizabeth Volk Fotonachweis / photo credits: Marie Chambers, p.: 136 Ed Glendinning, pp.: 106, 108, 111, 112,115,116 Hattiriel, p.: 131 William Metcalf, p.: 40 Isabella Oulton, p.: 137 Michael Post, pp.: 36, 38, 39, 42, 44 Peter Sarowy, pp.: 46, 49, 50, 52, 54, 55, 130 Holger Schimkat, pp.: 56, 58, 61, 62, 63, 64 Sota AG, Zürich, pp.: 26, 28 Eduard Tauss, pp.: 66, 68, 69, 71, 73, 74, 132 Eva Thiel, p.: 133 Heiner Thiel, pp.: 6,15, 17, 19, 21, 23, 24, 76, 78, 80, 81, 83, 85, 118, 120, 121, 123, 124, 125, 127, 128, 129 Jeremy Thomas, pp.: 86, 88, 91, 92, 94, 95 Bill Thompson, pp.: 96, 98, 99, 100, 103, 104 Stadt Wiesbaden, p.: 5 Herausgeber / editor: Michael Post, Heiner Thiel - Edition PT Druck / printing: Print24.de Auflage / edition: 2.500 © 2013: Michael Post, Heiner Thiel und die Autoren / and the authors ISBN 978-3-00-043205-7 142




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