杨明洁对话柳冠中

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Schweiz CHF 24.50 · Dänemark DK 120.00 UK Pfund 11.50 · USA $ 10.95 · Australien AUD 13.95

12,50 EUR Deutschland · Übrige Euroländer EUR 14.40

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6.12


LETTER FROM SHANGHAI

md-Korrespondent Jamy Yang berichtet aus Shanghai

md correspondent Jamy Yang reports from Shanghai

Wegbereiter Paving the Way Der Begründer des chinesischen Industriedesigns genießt in China hohe Anerkennung. Guanzhong Liu im Gespräch mit md. The doyen of Chinese industrial design has a high reputation in that country. A conversation between Guanzhong Liu and md.

Guanzhong Liu hat als erster chinesischer Student in Deutschland studiert. Seit seiner Rückkehr befasst er sich intensiv mit Ausbildungsfragen und spielt auch seit einigen Jahren auf politischer Ebene eine wichtige Rolle für die Entwicklung des chinesischen Industriedesigns.

Guanzhong Liu forscht und lehrt im Bereich Industriedesign. Diplom Architecture & Decoration Design an der Central Academy of Art/Beijing, danach einige Jahre Praxis. Im Zuge der Reform- und Öffnungspolitik wird Liu Lehrer. Es folgt ein Studium in Deutschland (1981-1983). Derzeit ist Liu Professor an der Qinghua Academy of Art. Guanzhong LiuResearches and teaches in the industrial design area. Architecture & Decoration Design diploma at the Beijing Central Academy followed by a number of years’ practical experience. In the course of the reform policy and the opening of the country’s borders, Liu began his teaching career. This was followed by a period of study in Germany (1981–1983). Liu is now Professor at the Qinghua Academy of Art. All artwork:Guanzhong Liu

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Yang: Sie haben den gesamten Prozess, den die Entwicklung des Industriedesigns in China durchlaufen hat, begleitet. Auf welche Erfahrungen blicken Sie zurück? Liu: Als Kinder haben wir viele Skizzen vom Bund in Shanghai gemacht, der langen Uferstraße, an der noch viel westliche Architektur aus der Kolonialzeit steht. 1961 erhielt ich die Erlaubnis, an der Central Academy of Art fünf Jahre lang Design zu studieren. Dieses Studium war für mich von ausschlaggebender Bedeutung, weil ich gelernt habe, wie man ein Produkt aus verschiedenen Gesichtswinkeln heraus entwickelt und so lange vereinfacht, bis es perfekt ist. Meine Abschlussarbeit fiel in das Jahr, in dem die Kulturrevolution begann: Ich musste ein Möbelprogramm für Bauern in Beijing entwerfen und alles selbst von Hand herstellen. Da kam mir die Idee, dass wir die Produkte stärker an der Praxis orientieren und man zum Beispiel bedenken müsse, was für Möbel die Bauern wirklich brauchen und wo diese ihren Platz finden sollen. Damals dachten wir, dass die Länder des Westens ökonomisch weit hinter China her hinken. Nachdem ich aber erstmals ein westliches Land betreten hatte, sah ich, dass das Gegenteil der Fall war. Nach meiner Rückkehr aus dem Ausland bot man mir 1984 die

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Leitung des Industrial Art Department an. Ich betone immer wieder, dass Industriedesign das Leben der Menschen verändern kann. Gutes Design ist allerdings mehr als nur das Aussehen eines Produkts zu verändern. Jamy Yang: In der Ming-Dynastie erreichte die chinesische Handwerkskunst ihren Höhepunkt. Später hinkten wir 100 Jahre hinter den westlichen Industrieländern in der Entwicklung her. Heute, nach den Reformen und der Öffnung, sind die Chinesen von der Vielfalt westlicher Produkte wie geblendet. U.a., weil wir unser Gespür dafür verloren haben, was wir wirklich brauchen. Auf dem chinesischen Festland werden die begehrtesten Produkte westlicher Konkurrenten kopiert. Ein Phänomen, das eng mit der “Designlücke” von vor einhundert Jahren zusammenhängt. Warum also produzieren so viele Chinesen nur oberflächliches Produktdesign? Guanzhong Liu: Sicherlich kaufen viele der Neureichen auf dem Festland extreme teure Produkte nur, um mit ihrem Reichtum zu protzen. Im Westen hingegen werden die Verbraucher vernünftiger. Man muss aber auch einräumen, dass die Unternehmer eher geneigt sind, ein Produkt zu kopieren als neu zu gestalten, um die Kosten so gering wie möglich zu halten. Das Phänomen des kurzfristigen Profits ist abnorm und verweist auch noch auf etwas anderes: das chinesische Bildungssystem. Wenn es uns nicht gelingt, eine gute Plattform zu schaffen, auf der eine Karriere in der Industrie möglich ist, wird in unserem Land nie gutes Design entstehen.

Yang: Die Italiener nutzen ihr traditionell starkes Kunsthandwerk zum Beispiel zur Herstellung hervorragender Handtaschen. Die deutsche Automobilindustrie genießt weltweit einen exzellenten Ruf und das gleiche gilt für die digitalen Geräte aus den USA. Glauben Sie, dass China eine Chance hat, sich einen Namen als innovative Industrienation zu machen? Liu: Der Präsident des British Design Committee hat einmal gesagt, dass die Situation in China ziemlich einzigartig sei. Die Chinesen werden dann mehr Erfolg als andere haben, wenn China seine beispiellosen Schwierigkeiten überwinden kann. Yang: Heute konzentrieren sich chinesische Designer stark auf traditionelle chinesische Elemente. Entspricht dieser seltsame Trend nicht einem ethischen Ego und einer gewissen Selbsterniedrigung in Sachen Design? Liu: Ich glaube, die wirklich traditionellen Elemente und Stilarten müssen aus einer soliden Basis erwachsen. Geht man systematisch an die Dinge heran, dann ist die Struktur eines Produkts viel wichtiger als seine einzelnen Elemente. Der Ferrari von heute hat nicht viel mit den Säulen aus den Zeiten des alten Rom zu tun. Die Geschichte hat gezeigt, dass Tradition mehr sein sollte als eine Schöpfung und weniger als ein Erbe. Wenn man seine traditionelle Kultur respektiert, dann bedeutet das nicht, dass man auf ewig an einem überholten Stil kleben muss. Wie Sie sagten, dieser seltsame Trend ist nur ein Syndrom, das durch ein ethisches Ego und Selbsterniedrigung erzeugt wird.


Alle Grafiken: Guanzhong Liu

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Yang: Haben Sie einen Traum? Liu: Ich hoffe, dass Industriedesign zu einer unabhängigen Form findet. Die menschliche Zivilisation hängt nicht allein von Wissenschaft und Kunst ab. Die Menschen versuchen, ein Problem zuerst durch Design zu lösen; deshalb sollte es zumindest eine eigenständige Existenzberechtigung haben. Die Reife eines Landes basiert auf dem Verständnis für Design. Yang: Ich meine, dass das Verhältnis zwischen Objekt und Objekt durch Ingenieure und Wissenschaftler gelöst werden kann, das Verhältnis zwischen Menschen und Menschen von Politikern und Künstlern, und das Verhältnis zwischen Objekt und Menschen von Designern. Liu: Da haben Sie Recht. Guanzhong Liu was the first Chinese student to study in Germany. Since returning home he has tackled training matters intensively, and for some years now has also played an important part on the political scene with the aim of promoting Chinese industrial design.

Yang: You have accompanied the entire industrial design development process in China. Looking back, what has been your experience? Liu: As children, we often drew the ‘Bund’ in Shanghai, the long street on the river bank where there is still a lot of western architecture from the colonial period to be seen. In 1961 I was permitted to study design for five years at the Central Academy of Art. For me, this study period was of decisive importance: I learned how to develop a product from a number

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of different standpoints, and how to simplify it until it was perfect. I sat for my final exams in the same year as the cultural revolution began. I was asked to design a furniture programme for farmers in Beijing, and had to make every item myself, by hand. This was when I realised that our products should be more closely oriented to practical needs, that we should be for example be thinking about what furniture the farmers really wanted and where it would be used. At that time we were led to believe that western economies were lagging well behind China. It was not until I visited my first western country that I saw for myself that the opposite was true. In 1984, when I returned home from abroad, I was offered the post of Director of the Industrial Art Department. I never cease to emphasise that industrial design can change people’s lives, but also that good design amounts to more than just changing a product’s appearance. Yang: Chinese arts and crafts reached a climax in the Ming dynasty. Later, our development lagged a hundred years behind the western industrial nations. Today, following the reforms and the opening of our borders, it is as if the Chinese have been dazzled by the sheer variety of western products. We seem to have lost our awareness of what we genuinely need. On the Chinese mainland, copies of the most sought-after products from western competitors are produced. This phenomenon is closely linked with the “design gap” that occurred a hundred years ago. There are so many Chinese: why do they turn out only superficial product design?

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Guanzhong Liu: I am certain that many of the “new rich” in mainland China only buy extremely expensive products in order to show off their wealth. In the western world, on the other hand, consumers are more sensible. Nevertheless, we have to admit that manufacturers have a greater tendency to copy products than to design new ones, in order to keep their costs as low as possible. The short-term profit phenomenon is rampant, and also draws our attention to another factor: the Chinese educational system. Unless we succeed in creating a sound platform that provides a basis for a career in industry, our country will never produce good design. Yang: Take the Italians as an example: they use their traditionally strong craft trade to produce magnificent handbags. The German automobile industry enjoys an excellent worldwide reputation, and the same applies to digital equipment from the USA. Do you believe that China has any prospects of making an name for itself as an innovative design nation? Liu: The President of the British Design Committee once described the situation in China as more or less unique. The Chinese will only be more successful than others if China can overcome its own specific problems.

of a product is much more important than its individual elements. Today’s Ferrari has very little in common with the columns of ancient Roman architecture. History has shown us that tradition should be more than a creation and less than a legacy. If one respects one’s traditional culture, this does not oblige one to adhere for evermore to an obsolete style. As you have said, this curious trend is only a syndrome generated by the ethical ego and by self-humiliation. Yang: Do you have a dream? Liu: I hope that industrial design will find its way to an independent form. Human civilisation does not depend only on science and art. People try initially to solve a problem by means of design, but it should at the very least have an independent right to exist. A country’s maturity is based on its appreciation of design. Yang: In my opinion the relationship between one object and another can be achieved by engineers and scientists, that between some human beings and others by politicians and artists, and that between objects and people by designers. Liu: You’re right!

Yang: Chinese designers are now concentrating very strongly on traditional Chinese elements. Does this unusual trend represent an ethical ego and a certain tendency to selfhumiliation in the design area? Liu: I believe that genuine traditional elements and styles have to grow from a solid foundation. If one adopts a systematic approach, the structure

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