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Die EU ist kein Bankautomat������������������������������������������������������������� Seite
Eine Union der Werte, kein Bankautomat
Die polnische Regierung der nationalkonservativen PiS will EU-Recht nicht anerkennen und verennt sich in eine Rhetorik vom „Dritten Weltkrieg“. Doch der Europäische Gerichtshof hat ein Zwangsgeld von einer Million Euro festgesetzt – pro Tag. Von Michael Zäh
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Sagen wir mal so: Es ist nicht gerade die feine englische Art, wie die EU mit Polen umspringt. Aber na ja, nachdem die Briten ja den Brexit hingelegt haben, wäre ein Ausscheiden von Polen (oder dann auch Ungarn) aus der EU vergleichsweise unbedeutend, zumindest für die EU, während es für die beiden Länder wohl eher nicht so toll wäre. Brisant an der Entwicklung ist allenfalls das politisch Symbolische, wenn zwei rechtspopulistisch geführte Länder sich nun als Opfer gebärden, obwohl sie längst Täter sind. Und dies lässt sich leicht zeigen, wenn man schaut, was zuerst war, die europäische Henne oder das Ei, das Polen ins europäische Nest legen will.
Polen hat bereits seit einiger Zeit sogenannte „Reformen“ seiner Justiz in Angriff genommen. Dies sollte bezwecken, dass polnische Richter und auch Staatsanwälte von der konservativen polnischen Regierung kontrolliert und sogar auch sanktioniert werden können. Sprich: Schluss mit der Unbahängigkeit der Justiz in Polen. Dieser Prozess war zuerst. Polen wollte Wege gehen, die den Werten der EU widersprechen. Das Dumme ist nur, dass Polen ja wie alle anderen Mitgliedsstaaten der EU beim Beitritt schlicht und einfach Verträge unterschrieben hat. Und in diesen Verträgen ist geregelt, welche Ansprüche an Rechtsstaatlichkeit gelten sollen. Zur Überwachung der Vertragstreue gibt es den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Und dieser ist dazu da, das zu sichern, was 27 Staaten in der EU miteinander vereinbart haben.
Die Populisten tun ja gerne so, als sei die EU-Kommission in Brüssel eine rechthaberische und dreiste Dame. Doch das ist Nonsense. Denn der Zwist der EU mit dem Mitgliedsland Polen ist ja nicht einer zwischen „Brüssel“ und Polen, sondern es geht um eine freie und souveräne Vereinbarung, die 27 Länder untereinander und miteinander geschlossen haben. „Brüssel“ ist nur ein ausführendes Organ dessen, was die 27 Mitgliedsstaaten wollen. „Es ist eine souveräne Entscheidung eines Staates, der EU beizutreten, oder sie zu verlassen. (...) Aber wenn ein ein Mitgliedsstaat dieses souveräne Recht ausgeübt hat, dann folgen daraus Rechte und Pflichten. Sich auf seine Souveränität zu berufen, um die selbst eingegangenen Verpflichtungen zu begrenzen, das geht nicht“, sagte Koen Lenaerts, der Präsident des Europäischen Gerichtshofs kürzlich in einem Interview in der „Süddeutschen Zeitung.“
Bereits 2020 hat der EuGH es für rechtswidrig erklärt, dass Polen eine – politisch abhängige – Disziplinarkammer für Richter und Staatsanwälte eingeführt hat. Da sich Polen aber um dieses Urteil nicht scherte, hat der EuGH jetzt eine Zwangsgeld von einer Million Euro verhängt - und zwar täglich, bis das Urteil umgesetzt wird und die umstrittene Disziplinarkammer wieder abgeschafft wird. Umgehend hat die polnische Regierung erklärt, dass sie nicht zahlen werde. Doch die EU sitzt hier am längeren Hebel. Sie wird das Geld einfach einbehalten und von den an Polen zu zahlenden Summen abziehen.
So hat die EU-Kommission denn auch die rund 24 Milliarden Euro Zuschüsse für Polen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds eingefroren und weitere zwölft Milliarden zinsgünstiger Kredite ebenfalls. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki fabulierte vom drohenden „Dritten Weltkrieg“ der EU gegen Polen. Die Regierung der nationalkonservativen PiS verrennt sich immer weiter in eine solche Rhetorik, die ihr aber selbst bei ihren eigenen Wählern in Polen nicht mehr abgekauft wird, wo die Zustimmung für den Anti-EU-Kurs der polnischen Regierung massiv bröckelt.
Politiker der EU-Mitgliedsstaaten äußern sich gegenüber Polen inzwischen auch drastisch. Etwa Belgiens Ministerpräsident Alexander de Groo, der sagte: „Denen, die denken, es sei nötig, einen neuen Weltkrieg zu starten, möchte ich sagen: Ihr spielt ein gefährliches Spiel. Unsere Union ist eine Union der Werte, kein Bankautomat.“