MAI 2015
57. JAHRGANG
CHINA IM 21. JAHRHUNDERT Politik, Wirtschaft und Kultur im Unterricht
Inhalt
Vor wor te
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INHALT Vorworte 3 24 Stunden Rushhour 4 8 Fakten über Chinas Jugend 6 Familie und Gesellschaft 8 China auf einen Blick 10 Umweltpolitik 12 Dynastien in China 14 Von Kaisern und Kommunisten 16 Harmonie und Kontrolle 18 Supermacht auf der Suche 20 China und die Weltwirtschaft 22 Wanderarbeiter in China 24 Die drei Lehren 26 Chinas Gegenwartskultur 28 Didaktische Hinweise und Arbeitsblätter 30 Anhang 39 Impressum 40
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Staatsministerin Brunhild Kurth, Präsidentin der Kultusministerkonferenz China und Deutschland verbindet die wechselseitige Faszination für Kultur, Tradition und Wissenschaft. Beide Länder kooperieren heute enger miteinander als jemals zuvor. Die Zahl der Studierenden, die ein oder mehrere Semester im jeweils anderen Land lernen, leben und Kontakte knüpfen, wächst kontinuierlich, ebenso wie der Wunsch, die andere Sprache zu erlernen. Die Länder unterstützen diese positive Entwicklung durch Lernangebote an Schulen und Hochschulen. Chinesisch wird an einer wachsenden Zahl von Schulen unterrichtet – bis hin zum Abitur. Und neben vielen Gymnasien realisieren auch die übrigen weiterführenden Schulen sowie Grundschulen Austauschprojekte. In Studium und Lehre können wir auf zahlreiche Hochschulkooperationen blicken. Für den Erwerb fundierter Sprachkenntnisse und die Entwicklung eines sozio-kulturellen und geografischen Verständnises benötigen Schülerinnen und Schüler Lernmedien, die sehr hohen fachlichen und didaktischen Anforderungen genügen, die zugleich aber auch altersgemäß Neugier wecken und Freude am Lernen vermitteln. Dem Zeitbild Wissen „China im 21. Jahrhundert“ wünsche ich eine aufgeschlossene Leserschaft und weite Verbreitung.
Dr. Michael Schäfer, früherer deutscher Botschafter in China China hat in den vergangenen 30 Jahren eine atemberaubende Entwicklung erlebt. Es ist heute nicht nur die zweitgrößte Wirtschaft der Welt, sondern auch eine globale Gestaltungsmacht. Für Deutschland und Europa ist China der wichtigste Partner in Asien. Vielfältige Beziehungen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur prägen unsere engen Beziehungen. Tausende junge Chinesen studieren in Deutschland und auch immer mehr junge Deutsche interessieren sich für ein Studium oder ein Praktikum im Reich der Mitte. Das ist wichtig, denn nur durch engen Austausch unserer Menschen werden immer noch bestehende Vorurteile abgebaut und Vertrauen zwischen unseren Bevölkerungen geschaffen.
Professor Sebastian Heilmann, Direktor des Mercator Institute for China Studies (MERICS) Wie auch immer die Welt der Zukunft aussehen mag: Sie wird „chinesischer“ sein als je zuvor. China ist auf dem Weg, politisch, wirtschaftlich und technologisch zur mächtigsten Nation des 21. Jahrhunderts aufzusteigen. Schon heute ist die Volksrepublik eines der wichtigsten Partnerländer Deutschlands. Dabei hat das „Reich der Mitte“ gerade erst damit angefangen, die Welt zu verändern: Chinesische Internetund Telekom-Unternehmen expandieren mit neuartigen Geschäftsmodellen. Smartphones bislang wenig bekannter chinesischer Hersteller, die mit neuen Funktionalitäten ausgestattet und zugleich preisgünstig sind, erobern die Märkte von Entwicklungsund Schwellenländern und werden demnächst auch in Europa präsent sein. Chinesische Designer erobern die Fashion Weeks in Paris und New York. Chinesische Erfindungen haben immer größeren Einfluss auf unser Leben. Made in China war gestern. In Zukunft wird es immer öfter heißen: Designed in China. China wird die Welt weiter verändern – auch Deutschland und Europa. Darum ist es wichtig, dass wir China im Blick haben. Wenn wir die Welt des 21. Jahrhunderts verstehen wollen, müssen wir China verstehen.
Jana Brokate, Sinologie-Studentin Wenn wir nicht wollen, dass uns fehlendes Wissen über China in Zeiten des globalen Wandels schmerzhaft auf die Füße fällt, liegt es in unser aller Verantwortung, uns für mehr China im Schulunterricht einzusetzen - und dem Land dabei die Komplexität und Vielfalt zuzugestehen, die ihm tatsächlich innewohnt. Ergänzend zum Unterricht ermöglichen Schüleraustauschprogramme und Auslandsaufenthalte nach dem Abitur jungen Menschen, tiefer in die chinesische Kultur einzutauchen. Über solche Möglichkeiten zu informieren, sollte fester Bestandteil der Lehrtätigkeit an allen Schulen sein.
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Jugend & Lif est y le Shanghai hat sich zu einer
pulsierenden Metropole mit über 23 Mio. Einwohnern entwickelt.
24 STUNDEN
NIMEN HAO! Wir heißen Jiachen und Fan. Wir sind 16 Jahre alt und leben in Shanghai. SCHULE [JIACHEN ERZÄHLT] Ich besuche die 10. Klasse einer Oberschule in Shanghai. Montags bis freitags bin ich von 7 bis 19 Uhr, also fast den ganzen Tag, in der Schule. Zu Hause mache ich nach dem Essen gleich meine Hausaufgaben. Häufig arbeite ich bis Mitternacht daran. Das Lernen kommt bei mir immer an erster Stelle. Ich will mich in allen Fächern verbessern, um später ein sehr gutes Abschlusszeugnis zu erhalten – das zählt, um einen guten Studienplatz zu bekommen. FREIZEIT [FAN ERZÄHLT] Am Wochenende lerne ich viel und gebe jüngeren Schülern Nachhilfeunterricht. Wenn gerade einmal keine Prüfung ansteht und ich ein bisschen Zeit habe, surfe ich im Internet, schaue fern oder höre Musik. Außerdem gehe ich mit meinen Freunden gerne essen oder ins Kino.
RUSHHOUR: JUGEND IN SHANGHAI
STUDIUM [JIACHEN ERZÄHLT] In zwei Jahren bin ich mit der Oberschule fertig. Danach möchte ich an der angesehenen Fudan-Universität in Shanghai studieren, am liebsten das Fach Jura – ich möchte nämlich einmal Anwältin werden. Ich weiß schon, die Aufnahmeprüfung, die Gaokao, ist ziemlich schwer und nur wenige werden für ihren Wunschstudiengang zugelassen. Wenn ich die Gaokao nicht schaffe, lande ich wohl an einer weniger angesehenen Hochschule irgendwo in China.
ZWEI JUGENDLICHE AUS SHANGHAI ERZÄHLEN VON SICH UND IHREM LEBEN ZWISCHEN SCHULE UND FREIZEIT.
ERNÄHRUNG [FAN ERZÄHLT] Bevor ich morgens zur Schule fahre, frühstücke ich zusammen mit meinen Eltern. An den meisten Tagen gibt es Zhou – das ist eine Art Reissuppe. Mittags esse ich in der Schulkantine hauptsächlich Reis, Gemüse und Fleisch. Zum Abendessen sitze ich wieder mit meinen Eltern zusammen und es gibt häufig Nudeln mit gebratenem Gemüse. Mit meinen Freunden gönne ich mir ab und zu auch einen Burger. Das ist zwar manchmal teurer als etwas typisch Chinesisches, aber mir schmeckt’s! WOHNEN [JIACHEN ERZÄHLT] Zusammen mit meinen Eltern lebe ich in einer 80 Quadratmeter großen Dreizimmerwohnung in Shanghai. Meine Mutter liebt Haustiere. Deswegen haben wir einen Hund und eine Katze. 1
Tagesablauf
frühstücken, zur Schule gehen 7-12 Uhr: Unterricht 12-14 Uhr: Mittagspause 14-19 Uhr: Unterricht 19-20 Uhr: nach Hause gehen,
Abendessen
20-24 Uhr: Hausaufgaben und Lernen
1. Beim chinesischen
2.+3. Chinesische und ihrer Freizeit am
oft Zhou (Reissuppe)
haben viel gemeisam
Frühstück steht auf dem Tisch.
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¼ ½ Â ¸ ½ ¾
6-7 Uhr: Aufstehen,
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deutsche Jugendliche
liebsten mit Freunden,
− sie treffen sich in
und gemeinsam essen.
gehen gern einkaufen
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Jugend & Lif est y le
„RIESIGER ERWARTUNGSDRUCK“ Im Gespräch mit Kristin Shi-Kupfer
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8 FAKTEN ÜBER CHINAS JUGEND 1. Die sozialen Netzwerke mit den meisten Nutzern heißen QQMessenger (ähnlich zu Skype), Weibo (ähnlich zu Twitter) und RenRen (chinesisches Facebook). Weixin (eine Mischung aus Facebook und WhatsApp) wird immer beliebter. Manche ausländische Plattformen sind in China ohne VPN/Proxy–Server nicht aufrufbar. 2. Mehr denn je wollen Jugendliche heute aus der Masse herausstechen und ihren eigenen Modestil entwickeln. Dadurch sind viele unterschiedliche Moderichtungen entstanden. Sie
heißen „Xiao Qinxin“ (dt. kleine Frische, s. Bild) und „Zhong Kouwei“ (dt. schwerer Geschmack). 3. Das Fernsehen adaptiert Formate aus dem Ausland. Zum Beispiel: die Talentshow „The Voice of China“ oder die Seifenoper „iPartment“, die sich an „How I Met Your Mother“ und „FRIENDS“ orientiert. Anklang finden außerdem südkoreanische Soaps. 4. In China ist Pop sehr angesagt. Die Charts führen zur Zeit Kolor, eine vierköpfige Boy-Band aus Hongkong mit ihrer Single
生於憂患 (dt. Das Leben entspringt der Trauer und dem Unglück), der Sänger und Schauspieler Leo Ku und sein Lied 致少年時 代 (dt. Die Ursache liegt in der Kindheit) und der Titel 一去不返 (dt. Vorbei) der Gruppe Dear Jane an. 5. Der Markt für Schönheitsoperationen in China ist groß. Gerade junge Chinesinnen lassen solche Eingriffe vornehmen. Sie hoffen auf verbesserte Karrierechancen und die Aussicht auf einen „besseren“ Ehepartner. 6. Das Schulsystem verlangt den Schülern eine Menge ab.
Der Höhepunkt ist die Gaokao, die Prüfung für die Hochschulzulassung. Darauf bereiten sich die Jugendlichen ab der ersten Klasse vor. 7. Schon gewusst? Ein Friseurbesuch mit Waschen, Schneiden, Föhnen und Stylen kostet in Peking ab 20 Yuan. Das sind umgerechnet gerade einmal 2,50 €. 8. In China gilt als schön, wer eine helle Haut hat. Bleichende Hautcremes sind deshalb immer in Mode. Im Sommer schützen Chinesinnen ihre vornehme Blässe mit Sonnenschirmen und Handschuhen vor der Sonne.
1. Was ist typisch für Jugendliche in China? Chinesische Jugendliche wachsen mit einem hohen Erwartungsdruck in Bezug auf ihre schulischen Leistungen auf. Sie haben wenig Zeit für Hobbys und ihnen fehlt oft die Erfahrung, Teil einer Gemeinschaft (z. B. einer Fußballmannschaft) zu sein. Ihre Eltern möchten sie möglichst lange vor einer als rau empfundenen Gesellschaft beschützen, weshalb es ihnen manchmal an Freiräumen und der Möglichkeit, sich auszuprobieren, fehlt. 2. Sind diese Merkmale typisch für alle jungen Chinesen und gibt es innerhalb Chinas regionale Unterschiede, je nachdem wo die jungen Leute leben? In ländlichen Gebieten wachsen viele Jugendliche bei Großeltern oder Verwandten auf, da ihre Eltern oft in größeren Städten arbeiten. Junge Leute in Tibet oder Xinjiang sind durch religiöse Institutionen (Tempel bzw. Moschee) stärker in Gemeinschaften eingebunden. Sie erleben das Spannungsfeld aus eigener Tradition und einer westlichen Moderne noch sehr viel stärker als junge Han-Chinesen. Eine wachsende Zahl chinesischer Eltern der wohlhabenden Mittelschicht wünscht sich für ihre Kinder eine weniger an Buchwissen und Prüfungen orientierte Bildung, die mehr Wert auf Persönlichkeitsentwicklung legt. Sie schicken ihre Kinder daher auf internationale Schulen oder sogar ins Ausland.
3. Welche Einstellung haben chinesische Jugendliche zur Politik ihres Landes? Für viele Jugendliche gilt: Politik ist etwas Abstraktes, auch Unheimliches. In städtischen Familien werden die kollektiven Erinnerungen wie die Niederschlagung der Protestbewegung von 1989 direkt oder indirekt an die Kinder weitergegeben: Aus Politik hält man sich besser raus. Auf dem Land machen junge Leute oft früher Erfahrungen mit Politik, sei es durch Willkürakte lokaler Kader oder auch durch erfahrene Diskriminierung als Landbewohner in den Städten. Der politische Unterricht in den Schulen langweilt die meisten. Sie können mit der abstrakten und verklausulierten Parteisprache nichts anfangen. 4. Welchen Stellenwert haben Familie, Eltern und Geschwister für Jugendliche in China (heute)? Die meisten Jugendlichen sind Einzelkinder. Durch die nun gelockerte Ein-Kind-Politik wird sich das in der nächsten Generation möglicherweise ändern. Eltern und Verwandte üben großen Einfluss und auch direkten Druck auf Entscheidungen der Jugendlichen aus. Junge Leute fühlen sich gegenüber der Familie, die sie oftmals sehr verwöhnt und ihnen fast jeden materiellen Wunsch erfüllt, verpflichtet und zugleich von den Erwartungen erdrückt. Manche rebellieren und suchen sich ihren eigenen Lebensweg. Direkte Zerwürfnisse sind aber selten.
HAN HAN Die Stimme einer neuen Generation
N
achdem er die Schule abgebrochen hatte, veröffentlichte Han Han im Alter von 17 Jahren seinen ersten Roman, der zum Bestseller wurde. In den darauffolgenden zehn Jahren verfasste er weitere Bücher, schrieb Chinas meistgelesenen Blog http:// blog.sina.com.cn/twocold, gründete ein Magazin und arbeitet weiter an seinem Traum, professioneller Rennwagenfahrer zu werden. Chinesische Internetnutzer lieben ihn, weil er seine Meinung über die chinesische Politik und Gesellschaft ohne Rücksicht auf Tabus äußert.
Kristin Shi-Kupfer leitet den Forschungsbereich Politik, Gesellschaft, Medien am Mercator Institute for China Studies (MERICS). Die Sinologin und Politikwissenschaftlerin berichtete von 2007-2011 u. a. für ZEIT Online, taz und epd als Korrespondentin aus Peking.
Das MERICS ist ein im Jahr 2013 gegründetes Institut, das unabhängige Forschungen und Analysen zu aktuellen Entwicklungen in China durchführt. Das Institut informiert die Öffentlichkeit und außerdem Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Medien.
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Gesel lsc haf t
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FAMILIE UND GESELLSCHAFT D
ie chinesische Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt – die Verwirklichung des Traums von individuellem Wohlstand ist für immer mehr Menschen in greifbare Nähe gerückt. Mit dem Wohlstand einher gehen auch Forderungen nach mehr Partizipation und Mitbestimmung. Die meisten Chinesen setzen allerdings in Übereinstimmung mit der Staatsführung auf Stabilität und Harmonie. Li Xiaohua kann eigentlich nichts aus der Ruhe bringen. Gemütlich sitzt sie gemeinsam mit ihrer dreijährigen Tochter
Meilin und ihren beiden Freundinnen bei Starbucks und nippt an ihrem Frappuccino. Erheitert schaut die kleine Runde auf das flimmernde Display von Xiaohuas iPad, das abwechselnd Fotos von Tochter Meilin und dem Familienurlaub zeigt. Xiaohua lebt mit ihrem Mann Wei in der 11-Millionen-Metropole Guangzhou im Südosten des Landes.
ZIVILGESELLSCHAFT IM WANDEL Die Entwicklung zu mehr Wohlstand wirkt sich auch auf die Zivilgesellschaft aus, die zunehmend ihre Meinung kund tut. Demonstrationen gegen Umweltverschmutzungen, Umsiedlungen, absurde Bauvorhaben oder Korruption sind keine Seltenheit mehr. Gerade Bürger aus der Mittelschicht sind in jüngster Zeit vermehrt auf die Straße gegangen. Dass die absolute Zahl der Proteste gestiegen ist, lässt sich sogar in den offiziellen Statistiken nachlesen. So geht die Chinesische Akademie für Sozialwissenschaften (CASS), eine dem chinesischen Staatsrat nahestehende Organisation, von einer Steigerung der Anzahl der Kundgebungen von 10.000 im Jahr 1993 auf 180.000 im Jahr 2010 aus. Die chinesische Regierung reagiert auf derlei Bestrebungen mit einer Verschärfung der Online-Überwachung. Die sogenannte „Große Firewall“, die den Zugang zu Seiten wie Twitter, Facebook oder westlichen Medien blockiert, wird zunehmend von einer schärferen Überwachung der Kommentare in chinesischen Foren und Blogs durch die Internetpolizei flankiert. Wer ein Gerücht ins Netz stellt, das mehr als 500 Mal von
BEISPIEL WUKAN
anderen Usern verbreitet wird, oder mit einem Beitrag zu einem Gerücht 5.000 Nutzer erreicht, erfüllt seit 2013 den Tatbestand der „Verbreitung von Internetgerüchten“, der mit drei Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Streng tabu sind auch die drei Ts: Tiananmen, Tibet und Taiwan. Wer diese drei Begriffe bei Baidu, der führenden chinesischen Suchmaschine eingibt, wird nur „bereinigte“ Artikel vorfinden. Wer bei den beliebten Microblogs gar darüber schreibt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. WAS WURDE EIGENTLICH AUS DER EIN-KIND-POLITIK? In China gilt seit 1979 die Regel, dass jede Familie nur ein Kind bekommen darf. Mit der Ein-Kind-Politik reagierte die Regierung auf das fast explosionsartige Bevölkerungswachstum nach 1949: Von 544 Mio. Einwohnern im Jahr 1950 wuchs die Zahl der Chinesen in nur 30 Jahren auf 984 Mio. Wurde diese Regelung in der Vergangenheit teilweise mit rigorosen Mitteln wie hohen Kompensationsstrafen und sogar Zwangsabtreibungen durchgesetzt, hat die Regierung mittlerweile zahlreiche Lockerungen eingeführt; inzwischen dürfen beispielsweise Paare zwei Kinder bekommen, wenn einer der Partner Einzelkind ist – bisher war das nur erlaubt, wenn beide Partner Einzelkinder sind. Auch die 55 ethnischen Minderheiten in China unterliegen anderen Bestimmungen. So dürfen sie, je nach städtischem oder ländlichem Wohnsitz und der Größe der Minderheiten, zwischen zwei und drei Kinder haben. Insbesondere die hohe Abtreibungsquote bei Mädchen, der daraus resultierende Männerüberschuss, aber auch eine relativ geringe Geburtenraten von 1,55 Kindern pro Frau (zum Vergleich Deutschland: 1,38 Kinder pro Frau) sind Fehlentwicklungen der Politik, welche die Regierung mit den Lockerungen korrigieren will.
Sie ist Lehrerin, ihr Mann Webdesigner: Gemeinsam kommt die kleine Familie auf 15.000 Yuan im Monat – das sind
umgerechnet rund 1.800 Euro. Für eine chinesische Familie ist das bereits ein gehobenes Einkommen. Zwar sparen die Lis, wie viele Angehörige der chinesischen Mittelschicht, immer einen Teil des Einkommens, doch die Inneneinrichtung ihrer 80-QuadratmeterWohnung zeugt auch nicht von einem kargen Lebensstil. Ein Besuch in ihrem Zuhause macht das deutlich. Neben bekannten chinesischen Markenprodukten wie der Waschmaschine von Haier oder dem Notebook von Lenovo stehen in der Wohnung ein Fernseher von Sony und ein Kühlschrank von Bosch.
* „Der chinesische
der KPCh mit dem
1. Die Mittelschicht
wenigen Jahrzehnten.
2. Erfolgreicher Pro-
illegale Enteignungen
Bezeichnung für das
zu alter (politischer)
deutlich höhere Ein-
sich auf die gesamte
Wukans gingen 2012
Dadurch erreichten sie
DER CHINESISCHE TRAUM*
Traum“ ist auch eine politische Programm
8
Xiaohuas Schwiegermutter Danning lebt ebenfalls hier und kann sich noch gut an vergangene Zeiten erinnern: „Früher gab es oft nur eine kleine Schale Reis für jeden von uns. Heute können wir wirklich alles kaufen, was uns gefällt. Uns geht es gut.“ Xiaohua und Wei nicken bestätigend mit dem Kopf, während Danning erzählt. Im Prinzip hätten sie keinen Grund zur Klage, so versichern die Lis fortwährend, nur wenn Xiaohua über den Verkehr in Guangzhou spricht, dann blitzt für einen kurzen Moment so etwas wie echter Ärger in ihrem Gesicht auf: „Die Straße vor unserem Haus ist jeden Tag total verstopft und durch den Smog bekomme ich manchmal Atembeschwerden. Besonders für meine Tochter wünsche ich mir, dass sich daran etwas ändert.“ So klingen derzeit viele Geschichten aus der chinesischen Mittelschicht, die in den letzten Jahrzehnten kräftig angewachsen ist. Waren es im Jahr 2005 noch 42 Mio. Haushalte, die über ein Nettoeinkommen zwischen 3.000 und 12.000 US-Dollar verfügten, steigt die Zahl dieser Mittelschichthaushalte nach einer Prognose auf 198 Mio. im Jahr 2015. Der chinesische Traum vom Wohlstand erfüllt sich dadurch für immer mehr Menschen, dennoch ist der Grad an Ungleichheit innerhalb der chinesischen Gesellschaft hoch.
Ziel, China wieder
Größe zu verhelfen.
verfügt heute über
kommen als noch vor
In dem ca. 13.000 Einwohner zählenden Städtchen Wukan, 120 km östlich von Hongkong, konnten die Einwohner im März 2012 in unabhängigen Wahlen über ihr Dorfkomitee abstimmen. Vorausgegangen waren monatelange Proteste gegen Korruption und illegale Enteignungen. Die Situation eskalierte, als aufgebrachte Dorfbewohner nach dem Tod eines Protestierenden in Polizeigewahrsam die Polizisten kurzerhand aus dem Dorf vertrieben. Menschenrechtsaktivisten hoffen nun, dass das Beispiel Wukan in Bezug auf freie, unabhängige Wahlen beispielhaft für andere Kommunen sein kann.
Dieser Wandel wirkt Gesellschaft aus.
test: Die Einwohner 2
gegen Korruption und
auf die Straße.
unabhängige Wahlen.
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Geogr afie und Umwelt
CHINA AUF EINEN BLICK M
it rund 10,5 Millionen km2 nimmt China 7,2 Prozent der Erdoberfläche ein. Deutschland kommt auf weniger als 0,3 Prozent (357.100 km2).
Flüsse
Chinas längster Fluss ist mit rund 6.400 Kilometern der Jangtsekiang, der drittlängste Fluss der Erde. Der Rhein erstreckt sich als längster deutscher Fluss über 1.230 Kilometer.
10
ist die weltgrößte Buddhastatue
Ausgangspunkt
der Seidenstraße
und beherbergt die
11
Terrakottaarmee
aus Stein.
5. In ganz China
Melonen bekannt.
des ersten Kaisers.
Harbin 17
8 10
3
Wulumuqi (Ürümqi)
6. Die Mogao-
Grotten umfassen
5
Seidenstraße Hami
etwa 100 Höhlen.
Gebi (GobiWüste)
6
6
Beijing (Peking)
Huang He
Mogao ku (Mogao-Grotten)
13 13. In Peking, der Hauptstadt Chinas, befindet sich die
13
Verbotene Stadt mit den kaiserlichen Palästen.
Takelamagan Shamo (Taklamakan- Wüste)
1
Shenyang
Wanli Changcheng (Chinesische Mauer) 11
5
1 Shule (Kashgar)
9. In Qufu, Provinz Shandong
9
(damals Lu) wurde 551 v. Chr. 9
Konfuzius geboren. Er prägte die
Qufu
14
Philosphie des Konfuzianismus. 14. Der Shaolin-Mönchs-
leben viele
Minderheit
in China. Die Heytgah-
Moschee ist die
2. Der Mount
2
Everest ist mit 8.848 m der
höchste Berg der Welt.
Tibets und liegt
18
Pandas. Sie stehen unter besonderem
(1.230 km)
18
Shaoshan
Xiamen
12. In Shaoshan wurde
Deutschland (81 Mio.)
12
Zhu Jiang
Guangzhou
Macao 18. Shangri-La ist mit
China (1,37 Mrd.)
eine der größten
ihre Skyline. 12
Schutz.
Jangtsekiang Rhein
16. Shanghai ist
und berühmt für
Shandong
wildlebende
auf 3.600 m Höhe.
(6.400 km)
Shanghai 16
Sichuans gibt es
7
16
Städte der Welt
7. In den Gebirgen
4
Nanjing
Chang Jiang (Jangtsekiang)
Leshan Chongqing Shangri-La
4. Lhasa ist
die Hauptstadt
Zhengzhou
8
4
Zhumulangma (Mount Everest)
Kung-Fu-Künste bekannt.
14
Chengdu
Himalaya Lasa (Lhasa)
muslimische
orden ist weltweit für seine
Xi‘an 10
7 Sichuan
2
1. In Kashgar
Klima China erstreckt sich über 18 verschiedene Klimazonen, von extrem trockenem Wüstenklima bis hin zu tropischen Klimaten.
(2.962 m)
insbesondere für die
Buddha von Leshan
München
größte in China.
Zugspitze
8. Der große
Eisfestival statt.
17
ist Hami für seine
Uiguren, eine
(8.848 m)
jedes Jahr das
Bauwerk der Welt.
10. Xi’an war der
3. Ürümqi ist berühmt
Frankfurt
6.350 km Gesamt-
weltbekannte
länge das größte
vielen Rosinensorten.
Vergleich.
17. In Harbin findet
Mauer ist mit
für seine Märkte und
3
und Chinas im
Köln
Peking Peking ist die Hauptstadt der Volksrepublik China. Hier leben 20,7 Millionen Einwohner; in Berlin 3,4 Millionen.
Mount Everest
Deutschlands
Berlin
Gebirge
In Westchina erheben sich Gebirge mit Hochebenen und großen Becken, z.B. die Mongolische Hochebene, das Tarim- oder Sichuan-Becken. Hier liegen auch der Himalaya – mit seinem Hauptgipfel Zhumulangma (Mount Everest) und mit einer durchschnittlichen Höhe von 6.200 Metern das höchste Gebirge der Welt –, das Himmelsgebirge (Tianshan), der Pamir und das Hochland von Tibet.
Die Fläche
Hamburg
11. Die Chinesische
seinem weltberühmten
Kloster Gadan Songzanlin eine bedeutende buddhistische Pilgerstätte.
Xianggang (Hongkong)
Zhonghua Minguo (Taiwan)
Mao Zedong 1893 geboren. Sein Geburtshaus wurde originalgetreu
nachgebaut und kann
heute besichtigt werden.
15
15. Hongkong ist
eines der Finanz-
15
zentren der Welt
und heißt übersetzt
„Duftender Hafen“.
11
Geogr afie und Umwelt uns später um die Umwelt; die Europäer, die Amerikaner und Japaner haben es doch genauso gemacht!“ Damit soll es nun allmählich vorbei sein. Derzeit wird jede zweite Tonne Kohle weltweit in China ver„China beginnt sich zu verändern“ brannt, seit 2006 stößt kein Land der Erde insgesamt mehr CO2 aus als die Volksrepublik. Bis zum Ende des Jahrhunderts, so der Plan der Weltgemeinschaft, sollten weltweit allenfalls noch knapp 500 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden, um einen Temperaturanstieg von mehr als zwei Grad zu vermeiden. Wenn China so weitermacht wie bisher, wäre der Klimawandel wohl nicht mehr aufzuhalten. Doch China beginnt, sich zu verändern.
1
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UMWELTPOLITIK von Christoph Giesen
W
er in einer chinesischen Großstadt lebt und ein Smartphone besitzt, der hat meistens auch eine App installiert, die die aktuelle Feinstaubbelastung anzeigt. Vor allem im Herbst und im Winter sind die Werte oft dramatisch erhöht. 16 der 20 weltweit am stärksten verschmutzten Städte, schätzt die Weltbank, liegen in China. Die Zahlen auf den Handydisplays stehen für stechende Schmerzen in der Lunge, für Sicht von wenigen Metern, Krankheit und tausendfachen frühen Tod. Für die alltägliche chinesische Katastrophe, die eine Begleiterscheinung des grenzenlosen Wachstums ist. Und trotzdem zeigen die Zahlen, dass sich etwas verändert in China: Die Daten zur Luftverschmutzung sind nicht mehr streng gehütete Geheimnisse. Noch vor drei Jahren behaupteten die Behörden, die Luftqualität in den chinesischen Städten verbessere sich stetig. 2010 etwa soll die Pekinger Luftqualität angeblich an 286 Tagen entweder „exzellent“ oder „gut“ gewesen sein. 1998 hingegen, argumentieren die Beamten, sei lediglich an 100 Tagen des Jahres der blaue Himmel zu sehen gewesen. Was die Behörden der Hauptstadt verschwiegen: Im Jahr 2006 wurden zwei Messstationen in der besonders verschmutzten Innenstadt geschlossen. Zwei Jahre später, zu den Olympischen Spielen, verlegte das Umweltamt
sämtliche Messpunkte 20 Kilometer außerhalb des Stadtzentrums. Die amerikanische Vertretung in Peking begann deshalb zum Schutz der Botschaftsangehörigen mit eigenen Messungen. Auf ihrem Twitterkanal (@beijingair) werden seitdem Ergebnisse im Stundentakt veröffentlicht. „Chinas Luftqualität sollte nicht anhand von Daten beurteilt werden, die ausländische Botschaften in Peking erhoben haben“, beschwerte sich noch 2011 ein chinesischer Beamter. Wenige Wochen später knickten die Behörden nach lautstarkem Protest in Chinas sozialen Netzwerken ein und verbreiten seitdem die Resultate eigener realistischer Messungen. Schuld am Smog sind die Kohleöfen, die stetig steigende Anzahl an Autos in den Straßen und vor al„Chinas Luftqualität sollte nicht anhand von Daten beurteilt werden, die ausländische Botschaften in Peking erhoben haben“ lem die vielen Kohlekraftwerke, Stahlmühlen und Müllverbrennungsanlagen, die ohne Filteranlagen betrieben werden. Das Problem dabei: Im Gegensatz zu Deutschland, wo der Strom von vier großen Versorgern erzeugt wird, sind es in China Hunderte Betreiber. Alle Anlagen mit Filtern auszustatten ist sehr teuer. Für kleinere Betriebe ist es oft eine rationale Abwägung: 1.+ 2. Die Luftquali-
3. Kohlekraftwerke
4. Erneuerbare
problematisch.
von Smog.
dem Vormarsch.
tät in Großstädten ist
12
sind Mitverursacher
entweder Strafen zahlen oder die hohen Anschaffungskosten stemmen. Bisher wurden oft Bußgelder bezahlt, zukünftig soll deren Preis jedoch steigen. Schwierig ist es ohnehin zu überprüfen, ob sich jeder an die Auflagen der Behörden hält, viel zu oft drücken lokale Parteikader gegen Schmiergeld einmal ein Auge zu. Inzwischen ist die Führung in Peking aber bemüht, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren; Ende Februar 2014 wurden Inspektoren in die Provinzen geschickt, um zu kontrollieren, ob die Behörden vor Ort genug gegen Smog unternehmen. Und als Premierminister Li Keqiang wenig später den alljährlichen Volkskongress eröffnete, kündigte er an, die Umweltverschmutzung genauso intensiv zu bekämpfen wie die Armut. Für die Mittelschicht in den großen Städten ist der enorme Smog längst das größte Ärgernis. KLIMASCHUTZ Shenzhen, das ist Chinas Labor. Einst ein größeres Fischerstädtchen an der Grenze zu Hongkong gelegen, ist Shenzhen inzwischen zu einer Metropole geworden. Heute leben hier über zehn Millionen Einwohner – mehr als im benachbarten Hongkong. Keine Stadt hat von der wirtschaftlichen Öffnung Chinas so stark profitiert wie Shenzhen. Die Exportindustrie hat sich angesiedelt, Fabriken machten auf und beschäftigen Millionen von Wanderarbeitern. 1990 bekam die Stadt sogar eine Börse. Seit 2013 ist Shenzhen erneut die Versuchsküche des Landes. Die staatliche Kommission für Entwicklung und Reform startete in Shenzhen den chinesischen Emissionshandel. Lange galt in China der Satz: „Wir wachsen erst und kümmern
B
ei Klimakonferenzen hält sich China meistens bedeckt, derzeit ist geplant, dass die Emissionen ab 2030 zurückgehen sollen. Dazu beigetragen hat auch das historische Abkommen zwischen China und den USA im Jahr 2014, in dem beide Staaten gemeinsam den Weg zur Eindämmung ihrer Schadstoffemissionen darlegen. In China selbst werden erneuerbare Energien in rasantem Tempo ausgebaut, kleine, ineffiziente Kohlekraftwerke werden vom Netz genommen. Und nun beginnt auch der Emissionshandel. Die beteiligten Unternehmen erhalten dabei eine begrenzte Anzahl von Verschmutzungsrechten. Liegen ihre Emissionen über den Grenzwerten, müssen sie zusätzliche Zertifikate erwerben; liegen sie darunter, können die Firmen ihre überschüssigen Rechte an andere Firmen verkaufen. Das System soll Investitionen in klimafreundliche Technologien begünstigen. Chinas Vorbild ist der Emissionshandel in der Europäischen Union. Der Mann, der China den Emissionshandel bringt, heißt Felix Matthes und arbeitet für das Öko-Institut in Berlin. In China nennen sie ihn Meng Fei. Er ist ein führender Emissionshandelsexperte und berät im Auftrag der Weltbank die Führung in Peking. Bis 2020 möchten die Chinesen den Emissionshandel im ganzen Land einführen, am liebsten schon früher. „Den Handel zu organisieren, ist absolut kein Problem“, sagt Matthes, „die Herausforderungen liegen in den anderen Teilen des Systems.“ Die Schwierigkeit in China: Es müssen neutrale Instanzen her, die kontrollieren, dass sämtliche Unternehmen und Staatskonzerne sich künftig an die Regeln halten und ihren CO2-Ausstoß korrekt angeben. „Das ist neu in China, es werden keine staatlichen Institutionen mit der Prüfung beauftragt, sondern anerkannte Unternehmen“, sagt Matthes, „renommierte Verifikationsfirmen, z. B. internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.“
Energien sind auf 4
13
Gesc hic hte Die chinesische Geschichtsschreibung kennt keine Epocheneinteilungen wie sie in der europäischen Geschichte (Antike, Mittelalter, Neuzeit) üblich sind. Stattdessen wird auf die Kontinuität der Herrscherdynastien verwiesen.
ENTSTEHUNG DER DYNASTIE
QINDYNASTIE 221v. Chr.
206 v. Chr.
TANGDYNASTIE
SONGDYNASTIE 960 n. Chr.
1368 n. Chr.
1644 n. Chr.
618 n. Chr.
MINGDYNASTIE
QINGDYNASTIE
221 v. Chr.: Ying Zheng vereinte die rivalisierenden Einzelstaaten zu einem Kaiserreich und bestieg den Thron (Kaisertitel: Qin Shihuangdi).
206 v. Chr.: Der Beamte Liu Bang (Kaisertitel: Gaozu) setzte sich im Kampf um die Nachfolge durch und gründete die Han-Dynastie.
618 n. Chr.: General Li Yuan (Kaisertitel Gaozu) gründete die Tang-Dynastie.
960 n. Chr.: General Zhao Kuangyin (Kaisertitel: Taizu) gründete die Song-Dynastie im Anschluss an einen Militärputsch.
1368 n. Chr.: Der erfolgreiche Aufstand gegen die Herrschaft der Mongolen mündete in die Gründung der Ming-Dynastie durch den Han-Chinesen Zhu Yuanzhang (Kaisertitel: Hongwu).
1644 n. Chr.: Die Mandschu unter Kaiser Fulin (Kaisertitel: Shunzhi) machten Peking zur neuen Hauptstadt und beherrschten wenige Jahre später ganz China.
Die Bezeichnung „China“ geht auf den wirtschaftlich und militärisch mächtigsten Einzelstaat „Qin“ zurück. Große Bauvorhaben: u. a. Grabanlage mit Terrakottaarmee, 5.000 kmAbschnitt der „Großen Mauer“. Unterdrückung des Konfuzianismus und der Gelehrten, die sich z. B. in Bücherverbrennungen äußerte.
Die Han-Dynastie gilt als technologische und kulturelle Blütezeit Chinas. Folgende Dinge wurden u. a. erfunden: Papier, Stahlerzeugung, Seismoskop. Blütezeit des Konfuzianismus: Staatliche Beamtenprüfung auf Grundlage der „Fünf Klassiker“ des Konfuzius. Staatliche Anerkennung der Lehren des Konfuzius. Der aus Indien stammende Buddhismus gelangt erstmals nach China.
Die Tang-Dynastie gilt als Glanzzeit des chinesischen Kaisertums: Das Reich expandierte, der Handel erlebte einen Aufschwung und die chinesische Literatur florierte. Wichtige Erfindungen wie das Schießpulver und der Buchdruck wurden gemacht. Die einzige offizielle Kaiserin Wu Zetian. Blütezeit des Buddhismus. Das Christentum erreichte China.
Die Song-Dynastie wird als kulturelle und gesellschaftliche Blütezeit betrachtet: Wirtschaftlicher Aufschwung und Höhepunkte auf den Gebieten der Malerei und Literatur gingen in dieser Epoche einher. Landreformen wurden durchgeführt: Kleinbauern erhielten staatliche Kredite. Einführung des Papiergeldes. Bevölkerungswachstum und vergleichsweise hoher Lebensstandard.
Die Ming-Dynastie wird allgemein als Ära von hoher Stabilität bezeichnet. Große Seiden- und Porzellanmanufakturen entstanden als Folge einer hohen Nachfrage aus Europa. Seereisen der Hochseeflotte u. a. bis nach Ostafrika.
Letzte Herrscherdynastie Chinas. Die Qing-Dynastie wird als Periode des Friedens und des Wohlstandes angesehen. Das Tragen des mandschurischen Zopfs wurde für alle männlichen Chinesen zur Pflicht erklärt. Flächenmäßig größte Ausdehnung Chinas.
206 v. Chr.: Auf den Tod Qin Shihuangdis (210 v. Chr.) folgte ein Bürgerkrieg, der das Ende der Qin-Dynastie besiegelte.
220 n. Chr.: Der mächtige Kriegsherr Cao Pi erzwang die Absetzung des letzten Han-Kaisers.
907 n. Chr.: Dem Sturz der Tang-Dynastie gingen Aufstände und schwere Naturkatastrophen voraus.
1279 n. Chr.: Korruption und Veruntreuung führten zum Niedergang der Dynastie, die schließlich durch die Invasion der Mongolen beendet wurde.
1644 n. Chr.: Die Angriffe und Eroberungen der Mandschu besiegelten den Untergang der MingDynastie.
1911 n. Chr.: Die Xinhai-Revolution beendete die Herrschaft des fünfjährigen Kaisers Puyi und führte zur Gründung der Republik China.
BESONDERE KENNZEICHEN UNTERGANG EUROPA
HANDYNASTIE
Einige Dynastien prägten das Reich der Mitte dabei stärker als andere und werden daher auf dieser Doppelseite vorgestellt. Ergänzend dazu sind jeweils Ereignisse aus der europäischen Geschichte aufgelistet.
218 v. Chr.: Im Punischen Krieg
73-71 v. Chr.: Sklavenaufstand
einem Tross von Soldaten
100 n. Chr.: Bau des Limes
überquerte der Karthager Hannibal mit und Kriegselefanten die Alpen.
14
710 n. Chr.: Die Mauren erobern Spanien.
unter Spartakus in Rom.
8. Jh n. Chr.: Klöster waren der Hort der mit-
in Germanien.
Karl der Große wird zum Kaiser gekrönt.
telalterlichen Kultur. 800 n. Chr.:
1095 - 13. Jh. n. Chr.:
Kreuzzüge nach Palästina.
11. - 14. Jh. n. Chr.: Blütezeit von Rittertum und Minnesang.
1492 n. Chr.: Entdeckung Amerikas durch
Kolumbus. 1550 n. Chr.: Gutenberg erfindet den
Buchdruck. 1517 n. Chr.: Beginn der Reformation
durch Luther. 1618-1648 n. Chr.: 30-jähriger Krieg.
1708 n. Chr.: Entdeckung der Rezeptur für
Porzellan in Sachsen. 1750 n. Chr.: Beginn der
Industrialisierung. 1789-1799 n. Chr.: Französische Revolution. 1914-1918: 1. Weltkrieg.
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Gesc hic hte bruch der gesamten Wirtschaftstätigkeit und insbesondere der Landwirtschaft. So mündete der „Große Sprung“ in die Hungersnöte der „Drei bitteren Jahre“ (1959 – 1961), denen zwischen 20 und 30 Millionen Chinesen zum Opfer fielen.
历史
VON KAISERN UND KOMMUNISTEN von Sebastian Heilmann und Marc Bermann 1912 – 1949: BÜRGERKRIEG UND JAPANISCHE BESATZUNG
M
it der Absetzung des letzten Kaisers der Qing-Dynastie, des fünfjährigen Puyi, endete am 12. Februar 1912 die Jahrhunderte währende Epoche der Kaiser in China. Die eigentlichen Forderungen der Revolutionsbewegung nach Beendigung der Fremdherrschaft und Demokratisierung des Landes verpufften jedoch rasch im Chaos des überstürzten Machtwechsels. Als nach Beendigung des Ersten Weltkriegs durch den Versailler Vertrag der deutsche Kolonialbesitz in China unerwartet Japan zugesprochen wurde, führte das zu landesweiter Empörung. Die Protestaktionen, die besonders von der intellektuellen Jugend getragen wurden, mündeten 1919 schlussendlich in der Bewegung des Vierten Mai. In dieser Zeit erreichten geistige Strömungen wie der Marxismus oder Leninismus das Land. Durch die beratende und finanzielle Unterstützung der russischen Kommunisten gelang 1921 die Gründung
der Kommunistischen Partei Chinas. In der Folgezeit kämpften die nationalistische Guomin-Partei, die Kommunistische Partei und regionale Kriegsherren um die Vorherrschaft im Land. Der Konflikt zwischen Nationalisten und Kommunisten gipfelte 1927 in einem Bürgerkrieg. Die innere Spaltung und Schwäche Chinas wurde in den 1930er Jahren insbesondere von Japan ausgenutzt. Dem Einmarsch in die Mandschurei 1931 folgte 1937 eine groß angelegte japanische Invasion, die kurzfristig für einen brüchigen Frieden zwischen den Nationalisten und Kommunisten sorgte. Der Zweite Japanisch-Chinesische Krieg ist durch Kriegsverbrechen der japanischen Armee, wie etwa das Massaker von Nanjing, auch heute noch Ursprung von antijapanischen Ressentiments in der chinesischen Bevölkerung. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Rückzug der Japaner 1945 flammte der Konflikt zwischen Nationalisten und Kommunisten erneut auf. Er endete mit dem Sieg der Kommunisten und der Flucht der Nationalisten auf die Insel Taiwan im Jahr 1950. (mb)
1949 – 1976: ÄRA MAO ZEDONG Am 1. Oktober 1949 wurde die Volksrepublik (VR) China ausgerufen. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) und deren Vorsitzender Mao Zedong (1893 – 1976) hatten damit bereits eines ihrer Ziele erreicht, nämlich die Befreiung Chinas vom Einfluss der „imperialistischen“ Mächte.
N
ach dem Scheitern des „Großen Sprungs“ übernahmen für kurze Zeit pragmatische Reformer die Ausrichtung der chinesischen Politik. Sie legten den Fokus auf wirtschaftliche Produktion in der Leichtindustrie und stellten dabei den ideologischen Klassenkampf zurück. Mao Zedong und seine radikalen Anhänger bezichtigten jedoch die gemäßigten Vertreter des Verrates an den Idealen der Revolution und gingen 1966 – gestützt auf die Armeezentrale und mithilfe Millionen politisch gelenkter jugendlicher „Rotgardisten“ – zum Gegenangriff über: Während der von Mao initiierten „Großen Proletarischen Kulturrevolution“ (1966 – 1976) wurden gemäßigte Parteiführer gestürzt, misshandelt und eingekerkert. Viele kritische Intellektuelle und willkürlich politisch angeprangerte Menschen verloren in der „Kulturrevolution“ ihr Leben. Zwar blieb Mao Zeit seines Lebens der unangreifbare „Große Steuermann“. Die
D
er Aufbau des Sozialismus nach sowjetischem Vorbild erlitt jedoch in Folge der von Mao 1958 ausgerufenen Kampagne „Großer Sprung nach vorn“ einen herben Rückschlag. Radikale Kollektivierungsmaßnahmen und Massenmobilisierungen sollten dabei helfen, Chinas ökonomischen und technologischen Rückstand wettzumachen. Der „Große Sprung“ wurde zu dem in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht opferreichsten Experiment in der Geschichte Chinas. Der Versuch, die Industrieproduktion ohne Rücksicht auf Qualität und Nachfrage und ohne Abstimmung untereinander sprunghaft zu steigern, bewirkte einen drastischen Ein-
TAIWAN
Wie die meisten Staaten, die diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik an, dass die Provinz Taiwan Teil eines untrennbaren Chinas ist.
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1976 – 2015: REFORM UND ÖFFNUNG Unter der Führung des erfahrenen Parteiveteranen Deng Xiaoping (1904 – 1997) wurde die Umsetzung zentraler Elemente des Maoismus (Klassenkampf, Massenkampagnen und Egalitarismus, also eine annähernde Gleichverteilung von Vermögen und Geldeinkommen in der Gesellschaft) in die Zukunft verlegt. Das Zentralkomitee der KPCh leitete in den folgenden Jahren tiefgreifende Strukturreformen zunächst vor allem in der Landwirtschaft, später aber auch im Industrieund Dienstleistungssektor ein. „Nach den Steinen tastend den Fluss überqueren“ „Nach den Steinen tastend den Fluss überqueren“ – mit diesem bildhaften Vergleich charakterisierte Chen Yun, der Chefökonom der Volksrepublik, die chinesische Reform- und Öffnungspolitik in den Jahren nach 1978. Deng gab der KPCh vor, beim Umbau der sozialistischen Wirtschaftsordnung radikale Reformmaßnahmen zu vermeiden und stattdessen in kleinen, experimentellen Schritten voranzugehen. Erfahrungen und Errungenschaften kapitalistischer Wirtschaftssysteme sollten konsequent genutzt werden, getreu dem von Deng ausgegebenen Motto: „Ganz gleich, ob es eine weiße oder eine schwarze Katze ist – Hauptsache, sie fängt Mäuse, dann ist es eine gute Katze.“ Das neue Ziel war der Aufbau einer „Sozialistischen Marktwirtschaft“, in der die Losung „Reich werden ist ehrenhaft“ gel1. Aisin Gioro Puyi
Kaiser. Nach Jahren
stehend) war von
Umerziehung starb
(rechts im Bild,
China unterhalten, erkennt Deutschland auf der Grundlage des Ein-China-Prinzips formell De facto ist Taiwan seit 1949 aber Sitz der Regierung der Republik China.
wirtschaftliche Modernisierung Chinas aber wurde unter seiner Führung nicht erreicht. Nach Maos Tod im Jahr 1976 fand sich daher rasch eine breite Koalition, die sich für wirtschaftliche Reformen und eine internationale Öffnung des Landes einsetzte. (sh)
1908 bis 1912 der 1
letzte chinesische
ten sollte. Während sich das Land ökonomisch zunehmend veränderte, waren demokratische Reformen weiterhin unerwünscht. Insbesondere das militärische Vorgehen gegen die studentischen Proteste um den Platz vor dem „Tor des Himmlischen Friedens“ (Tiananmen-Platz) im Jahr 1989 machte den Umgang des Regimes mit Kritikern sichtbar. Wirtschaftliche Öffnung bei gleichzeitigem Beharren auf dem Machtmonopol der KPCh blieb auch unter den Nachfolgern Dengs das politische Leitbild. Dieser pragmatische – an konkreten Problemlösungen, nicht an ideologischen Leitbildern orientierte – Kurs wird allerdings seit dem Amtsantritt des neuen Staatspräsidenten Xi Jinping zunehmend in Frage gestellt. Unter Xi sind Einzelelemente des Maoismus wie etwa Disziplinierungskampagnen und Personenkult wiederbelebt worden. Insgesamt ist der Druck auf politisch „abweichende“ und kritische Stimmen unter Intellektuellen und im Internet unter Xi Jinping deutlich gestiegen. Auch die Autorität der Parteizentrale in Peking ist gegenüber den vorangegangenen Regierungen gestärkt worden.
D
ebatten über wirtschaftliche und politische Modernisierungsstrategien beschäftigen die politischen und intellektuellen Eliten Chinas dabei seit anderthalb Jahrhunderten. Die zentrale Frage lautet, ob die Modernisierung Chinas mit Hilfe westlicher Technik und mit marktwirtschaftlichen Elementen möglich ist, ohne die Kontrolle über Wirtschaft und Gesellschaft aufzugeben. Ebenso wie die konservativen Reformer am Kaiserhof vor über einhundert Jahren versuchten, „mit den chinesischen Lehren als Substanz die westliche Technik zu nutzen“, vertritt die Führung der KPCh bis heute die Ansicht, dass sie die autoritäre politische Ordnung mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung in einem „Sozialismus chinesischer Prägung“ erfolgreich verbinden kann. (sh)
der kommunistischen er 1967 als einfacher
Bürger der VR China.
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Innenp olit ik Mitglieder nach offiziellen Angaben jünger als 35 Jahre, fast vier Fünftel von ihnen besaßen mindestens einen Oberschulabschluss. Eine Parteimitgliedschaft bietet vielfältige Vorteile, wie zum Beispiel ein hilfreiches Beziehungsnetz, Bevorzugung bei Beförderungen oder Auslandsreisen. Das Zentralkomitee der KPCh (ZK) bildet das zentrale Repräsentativorgan der wichtigsten innerparteilichen Gruppen aus Partei, Staat und Armee. Die rund 200 Vollmitglieder des ZK treten gewöhnlich nur einmal im Jahr zusammen. Dann stimmen sie über die Besetzung von Spitzenpositionen in Partei und Staat und über politische Grundsatzfragen ab. Im ZK sind verschiedene Interessengruppen aus der Staatsbürokratie ebenso repräsentiert wie Vertreter aus den Provinzen und der Armee. Das höchste Entscheidungs- und Führungsorgan der KPCh ist das ZK-Politbüro. Es hat derzeit 25 Mitglieder, aus denen wiederum ein Ständiger Ausschuss mit nur sieben Mitgliedern hervorgeht. Dieser Ständige Ausschuss des Politbüros ist der Führungskern der KPCh und setzt sich aus den wichtigsten aktiven Parteiführern zusammen. An der Spitze des Ständigen Ausschusses steht der KPGeneralsekretär.
1
HARMONIE UND KONTROLLE von Sebastian Heilmann CHARAKTERISTIKA DES POLITISCHEN SYSTEMS
D
er tiefgreifende wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel hat besonders seit den 1990er Jahren markante politische Veränderungen bewirkt. Vom Totalitarismus der Mao-Ära, als die Kommunistische Partei
einen totalen Zugriff auf das wirtschaftliche, gesellschaftliche und persönliche Leben ausüben konnte, hat sich die gegenwärtige politische Ordnung weit entfernt. Politische Entscheidungen kommen heute anders zustande und werden auch mit anderen Mitteln durchgesetzt als noch Ende der 1980er Jahre. Eine Demokratie nach westlichem Modell lehnt die Regierung als untaugliches Ordnungsmodell ab. Weiterhin hält die
Heute vertritt die KPCh offiziell einen „Sozialismus chinesischer Prägung“, der sich vom sowjetischen Modell distanziert und die marxistischen Klassiker in ihrer Bedeutung für die Modernisierung Chinas neu zu bewerten sucht. Um Chinas Wirtschaft zu modernisieren, werden marktwirtschaftlich-kapitalistische Methoden genutzt. Die Funktion der Ideologie als Mittel politischer Disziplinierung nimmt unter Staatspräsident Xi Jinping wieder zu.
KOMMUNISTISCHE PARTEI CHINAS (KPCH) 2013 zählte die KPCh rund 85 Millionen Mitglieder. In den letzten beiden Jahrzehnten waren fast drei Viertel der neuen 2. Xi Jinping ist
der Zentralen
besteht aus rund
Generalsekretär der
also der mächtigste
3.000 Mitgliedern.
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STAATSIDEOLOGIE
Kommunistische Partei Chinas (KPCh) an ihrem Machtmonopol fest, lässt keine unabhängigen Kontrollinstanzen zu und unterdrückt oppositionelle Aktivitäten.
Staatspräsident,
KP und Vorsitzender
D
ie von der Führung seit 1979 verbindlich vorgegebenen „Vier Grundprinzipien“ – Führungsrolle der Partei, Demokratische Diktatur des Volkes, sozialistischer Entwicklungsweg und Marxismus-Leninismus/ Mao-Zedong-Ideen – werden von einem großen Teil der Parteimitglieder nur noch in ideologischen Lippenbekenntnissen hochgehalten. Heute präsentiert sich die Kommunistische Partei als Modernisierungs- und Volkspartei, die ein sehr rasches und dauerhaftes wirtschaftliches Wachstum erreichen und zugleich eine sozial möglichst ausgeglichene Mittelschichtsgesellschaft aufbauen will. CHANCEN EINER DEMOKRATISIERUNG Die politische Führung Chinas hat seit den 1990er Jahren eine Reihe von Strukturreformen durchgesetzt, die theoretisch auch Voraussetzungen für eine künftige demokratische Ordnung schaffen könn-
ten. Eine moderne, an internationalen Vorbildern orientierte Wirtschaftsgesetzgebung wurde eingeleitet und eine Pluralisierung gesellschaftlicher Lebensstile geduldet. In innerparteilichen Personalabstimmungen gibt es inzwischen eine begrenzte Kandidatenkonkurrenz. Gesetzgebungsverfahren sind verbindlich geregelt und die Volkskongresse in ihren Kontrollfunktionen aufgewertet worden. Gegen Verwaltungsentscheidungen gibt es eine zunehmende Zahl erfolgreicher gerichtlicher Klagen, und die Bevölkerung wird sich ihrer eigenen Rechte stärker bewusst. Die ökonomische Entwicklung fördert also auch in China eine differenziertere und mit neuen Einflussmöglichkeiten ausgestattete Gesellschaft. Manche Chinaforscher sehen hierin Ansatzpunkte für eine „schleichende Demokratisierung“, die sich auf längere Sicht ähnlich wie in Taiwan oder Südkorea durchsetzen werde. Zurzeit aber scheint die Kommunistische Partei aufgrund wirtschaftlicher Erfolge und des internationalen Machtgewinns fest im Sattel zu sitzen. Durchgreifende politische Veränderungen sind kurz- und mittelfristig nur für den Fall einer akuten wirtschaftlichen Krise und innerparteilicher Führungskonflikte zu erwarten. Merics – Look and Feel
1. Der Nationale
Volkskongress Chinas
„‚Eine schleichende Demokratisierung‘ wie in Taiwan oder Südkorea“
Xi Jinping…
…und die anderen 6 Mit glieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros
Familienclans
Militär
Staats unternehmen
Ministerien
Beschluss des 3. ZKPlenums
Think Tanks, Berater
Privatunternehmen
WWW
Lokale Regierungen
Bevölkerung
Befürworter der wirtschaftlichen & politischen Liberalisierung
Quelle:
Militärkommission, Mann im Staat.
Wer hat’s geMACHT? Das Kräftefeld der chinesischen Politik
Mercator Institute for 2
China Studies (MERICS)
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Außenp olit ik
SUPERMACHT AUF DER SUCHE
1
von Marc Bermann
V
iele Jahrhunderte war das chinesische Selbstverständnis hinsichtlich der eigenen Rolle in der Welt geprägt von einem Konzept, das die Chinesen „Tian Xia“ (天下) nennen, was so viel bedeutet wie „alles unter dem Himmel“. Das heißt, dass der Kaiser – und wahrscheinlich die meisten seiner
Untertanen – China als die wichtigste Zivilisation der Welt betrachteten. Diese Sichtweise spiegelt sich auch in der chinesischen Bezeichnung für China wider: „Zhongguo“ (中国), was übersetzt „Reich der Mitte“ heißt. Die unmittelbar an China angrenzenden Staaten bezeichnete man als „Vasallenstaaten“, die dem chinesischen Kaiser zu huldigen hatten. Alle anderen Länder, 1. Bundeskanzlerin
Keqiang und Teilneh-
2. China im Kreis
Jinping u.a. mit Barack
Staatsbesuch mit
chinesischen Sprachen-
G20-Gipfel in Bris-
ron, Matteo Renzi und
Angela Merkel auf
Ministerpräsident Li
20
die man kannte, wurden von „Barbaren“ bewohnt. China genügte sich über Hunderte von Jahren selbst und sah keinen strategischen Mehrwert in der Pflege internationaler Beziehungen. Die eigene Wahrnehmung, dass China in jeder Hinsicht überlegen war, wurde in den 1840er und späten 1860er Jahren zum ersten Mal fundamental gestört. Zum Ende des 19. Jahrhunderts zwang „der Westen“ China
mern des deutschjahres 2014.
der Mächtigen: Beim bane 2014 traf sich Xi
Obama, David CameDilma Rousseff.
mit seiner „Kanonenbootdiplomatie“ in die Knie. In den folgenden Jahrzehnten wurde China von insgesamt acht Nationen des Westens besetzt und in verschiedene Einflusssphären aufgeteilt. China stürzte in eine tiefe, lang anhaltende Identitätskrise, von der es sich bis heute nicht ganz erholt hat. Von dieser Zeit sprechen die Schulbücher noch heute als „100 Jahre Erniedrigung“. Erst mit der Machtübernahme der Kommunisten im Oktober 1949 befreite sich die dann gegründete Volksrepublik China von den „ausländischen Teufeln“, indem Mao die Besatzungsmächte aus China verdrängte und das Land wiedervereinte. Seit dieser Zeit wurde die chinesische Außenpolitik (und auch die Innenpolitik) in den Dienst eines übergreifenden Ziels gestellt: China an seinen rechtmäßigen Platz in der Mitte – bzw. an der Spitze – der Welt zurück zu verhelfen und nie wieder in die Lage zu geraten, sich den eigenen Weg vom Ausland vorschreiben zu lassen. In diesen Kontext muss man die chinesische Haltung hinsichtlich der oft zitierten und teilweise kritisierten „Nichteinmischung in innere Angelegenheiten“ einordnen. Das erklärt zumindest zu einem Teil, warum China sich in internationa-
len Konflikten lange neutral verhalten hat und sich umgekehrt bei eigenen inneren Konflikten, etwa im Falle von Tibet, Xinjiang oder Taiwan, stets Einmischung von außen verbittet. Peking präferiert eine multipolare Weltordnung, und wie in der Vergangenheit verfolgt auch die gegenwärtige Außenpolitik primär das Ziel, die inneren Entwicklungsprozesse – allen voran die wirtschaftliche Entwicklung – abzusichern und für ein stabiles regionales Umfeld zu sorgen. Die Absicherung der Rohstoffund Handelswege und die Stabilisierung der Beziehungen zu wichtigen strategischen Partnern wie den USA, Russland und der Europäischen Union haben dabei hohe Priorität. Seit einigen Jahren vertieft die chinesische Regierung jedoch auch 2 systematisch die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Lateinamerika und Afrika. Als Gründer und Mitglied der „Shanghai Cooperation Organisation“ (SCO) beeinflusst China die Kooperation in Zentralasien maßgeblich, und mit der Vertiefung der regionalen Beziehungen in Ost- und Südostasien verfolgt Peking gezielt seine Entwicklungsinteressen. China versucht gleichzeitig, Territorialinteressen im Ostchinesischen Meer gegenüber Japan und im Südchinesischen Meer gegenüber den dortigen Anrainern durchzusetzen. (mb)
D
ie vergleichsweise erfolgreiche Bewältigung der Wirtschaftsund Finanzkrise und Chinas stetiges Wirtschaftswachstum haben den Fokus der Weltöffentlichkeit verstärkt
CHINAS ROLLE IN DER WELT Als bevölkerungsreichstes Land der Welt, ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, Nuklearmacht und dynamische Volkswirtschaft strebt China verstärkt nach Mitwirkung in allen bedeutenden weltpolitischen Fragen und verfolgt dabei selbstbewusst seine nationalen Interessen. Mit dem Beitritt zur WTO am 11. Dezember 2001 ist China dem Ziel gleichberechtigter Integration in das multilaterale Welthandelssystem ein großes Stück näher gekommen. Als aktives Mitglied der G20 und der BRICS bringt sich China in die zukünftige Gestaltung des internationalen Wirtschafts- und Währungssystems ein. (vgl. www.auswaertiges-amt.de)
auf China gelenkt und die Erwartungen der internationalen Gemeinschaft nach aktiver Mitarbeit bei der Lösung globaler Probleme vor allem in den Bereichen Entwicklung, Klima, Umwelt und Energie verstärkt. Der Widerspruch zwischen dem wachsenden wirtschaftlichen und
politischen Gewicht Chinas in der Welt und seiner eigenen Wahrnehmung – in erster Linie als Entwicklungsland in einer schwierigen Entwicklungsphase – ist dabei offensichtlich.
P
eking versucht, bestehende Ängste der Nachbarn abzubauen, die durch die schnelle Entfaltung wirtschaftlicher, politischer und auch militärischer Macht und durch sein kompromissloses Verhalten in territorialen Fragen entstehen. Die wachsenden Spannungen in den Territorialkonflikten im Ost- und Südchinesischen Meer berühren auch europäische Sicherheitsinteressen. Die EU und Deutschland haben mehrfach alle beteiligten Parteien zur Streitbeilegung auf der Grundlage internationalen Rechts aufgefordert. Dazu ist China bisher allerdings nicht bereit. Die regionalen wirtschaftlichen Verflechtungen und gemeinsamen Interessen der asiatischen Staaten und Chinas haben jedoch eine neue Qualität erreicht und wirken langfristig stabilisierend (vgl. www.auswaertiges-amt.de).
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W ir tsc haf t
„DAS PASST ZUSAMMEN“
CHINA UND DIE WELTWIRTSCHAFT von Christoph Giesen
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eit Anfang 2014 ist China die größte Handelsnation der Welt. Dank eines Zuwachses des Außenhandels um 7,6 Prozent überholte die Volksrepublik die Vereinigten Staaten. Chinas Handelsvolumen beträgt jedes Jahr inzwischen deutlich mehr als vier Billionen Dollar. Es ist Jahrhunderte her, dass China zum letzten Mal die größte Handelsnation der Erde war. Damals regierten in der Verbotenen Stadt in Peking die Kaiser der Qing-Dynastie, Frauen wurden traditionell die Füße gebunden und in Europa experimentierte James Watt noch an seiner Maschine. Nun ist es wieder soweit. In absoluten Zahlen ist China heute die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Schon bald wird die Volksrepublik auch die Vereinigten Staaten überholen. Ökonomen streiten eigentlich nur noch, wann das der Fall sein wird. 2019 schon? Oder doch erst 2022? In nicht einmal 40 Jahren ist es China
gelungen, von einem der ärmsten Staaten der Welt zu einer der wichtigsten Wirtschaftsmächte aufzusteigen. Was in der Volksrepublik passiert, hat globalen Einfluss, vor allem ökonomisch. Zu sehen war das eindrucksvoll im September 2014. An der Säulenfront der Wall Street wehten die amerikanische und die chinesische Flagge, als der Internetkonzern Alibaba in New York an die Börse ging. Alibaba ist eine Handelsplattform im Internet, bislang größtenteils auf China beschränkt, und doch brachte der Börsengang 25 Milliarden Dollar ein – so viel wie noch kein anderes Unternehmen jemals zuvor. Inzwischen sind die Anteile von Alibaba mehr als 260 Milliarden Dollar wert, mehr als alteingesessene Schwergewichte wie Shell oder General Electric. Auch andere chinesische Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren etabliert. Die staatlichen Ölkonzerne wie Sinopec oder die großen Banken wie die ICBC gehören inzwischen zu den umsatzstärksten Unternehmen der Welt.
Jörg Wuttke ist der Chef der Europäischen Handelskammer in Peking, er lebt seit über 20 Jahren in China. Herr Wuttke, warum ist China so relevant für deutsche Unternehmen? Mit einer Bevölkerung von 1,4 Mrd. Menschen ist China zweifelsohne der Elefant im Raum. In der Vergangenheit ist die chinesische Wirtschaft jährlich um zehn Prozent gewachsen. Das heißt, statistisch verdoppelt sich die Wirtschaftsleistung alle sieben Jahre. Daran kommt man nicht vorbei.
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Andere Namen werden in den kommenden Jahren groß werden. Für die deutsche Industrie ist das China-Geschäft inzwischen fast überlebenswichtig geworden. Die Maschinenbauer und großen Autokonzerne verdienen einen Großteil ihres Geldes in der Volksrepublik. Etwa jedes dritte Auto aus dem Volkswagen-Konzern wird zum Beispiel in China verkauft.
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it dem gewaltigen Wachstum gehen allerdings auch Probleme einher. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in China so groß wie in kaum einem anderen Land in der Welt. Während in Shanghai Geschäftsleute Porsche oder Ferrari fahren, leben Wanderarbeiter und Bauern von wenigen hundert Yuan im Monat. Diese Ungleichverteilung bietet Zündstoff für soziale Konflikte. Genauso wie die Frage, was
passiert, wenn die Wirtschaft einmal doch ins Straucheln geraten sollte. Die Legitimation der Kommunistischen Partei beruht im Wesentlichen auf dem wirtschaftlichen Erfolg der vergangenen Jahrzehnte – demokratische Wahlen wie in Deutschland gibt es nicht. Sechs bis sieben Prozent Wachstum, sagen manche Ökonomen, das sei die Untergrenze, damit es keinen sozialen Unfrieden gibt. Weniger Wachstum bedeutet schließlich auch weniger neue Arbeitsplätze. Und gerade diese sind in einem Land, das die Urbanisierung vorantreibt und aus Bauern Arbeiter und Angestellte macht, dringend nötig. Als Chinas Wirtschaft sich öffnete, lebten 80 Prozent der Chinesen auf dem Land, heute sind über 50 Prozent Städter. Alleine um diese Umschichtung zu stemmen, muss Chinas Führung jedes Jahr Millionen an neuen Arbeitsplätzen schaffen.
Sind die deutschen Unternehmen in China gut aufgestellt? Die erfolgreichsten europäischen Unternehmen kommen sicherlich aus Deutschland. Das merkt man auf der Straße: Da fahren Autos von BMW, Mercedes oder VW vorbei. Viele deutsche Konzerne sind seit Jahrzehnten hier, Siemens hat 40 000 Mitarbeiter vor Ort, Bayer dürfte etwa 20 000 haben und die BASF hat 8000. Das Handelsvolumen zwischen China und der Europäischen Union beträgt eine Milliarde Euro und das täglich. Die Hälfte davon beträgt alleine der deutsch-chinesische Handel. Deutschland und China, das passt also zusammen? Oh ja, wie die Faust aufs Auge. Ist China gar das Traumland für deutsche Investoren?
Nun, Probleme gibt es trotzdem noch jede Menge. Inzwischen braucht man schon Überredungskünste, um gute Leute ins Land zu holen. Und dann sind da noch die vielen Einschränkungen, denen europäische Unternehmen in China unterliegen, während sich chinesische Firmen in Europa problemlos einkaufen können. Haben Sie ein Beispiel? Seit Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation im Jahr 2001 dürfen Banken in der Volksrepublik nur in zwei Städten pro Jahr neue Filialen eröffnen. Die chinesischen Institute verfügen bereits über ein dichtes Filialnetz, aber für Banken aus dem Westen ist diese Einschränkung bei 150 MillionenStädten ein ernstes Problem, da es Jahrzehnte dauern würde, bis man halbwegs vertreten ist. Wir haben einmal versucht zu beziffern, wie groß der Nachteil ist, der uns in China entsteht, und sind auf etwa 23 Milliarden Euro gekommen, die den europäischen Unternehmen jedes Jahr durch die Lappen gehen. Man hört immer wieder, dass Ideenklau ein Problem für deutsche Unternehmen sei. Stimmt das? Für die großen Konzerne mag das lästig sein, es ist meistens aber nicht bedrohlich, bestimmte Technologien werden deshalb gar nicht erst nach China geholt. Für Mittelständler kann ein Patentklau und die darauf folgende weltweite Vermarktung durch die Diebe allerdings schnell existenzbedrohend werden. Meiner eigenen Beobachtung nach kommt es heute aber nur noch in Einzelfällen vor, dass Ideen abgekupfert werden.
1. Der Online-Konzern Alibaba 2014
beim größten Börsengang aller Zeiten.
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W ir tsc haf t
DENG XIAOPING ,...
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WANDERARBEITER IN CHINA
von Christoph Giesen
E
inmal im Jahr, zum Frühlingsfest, wenn das ganze Land Urlaub hat, sieht der sechsjährige Wang Lei seine Eltern wieder. Er lebt in einem Dorf in Hunan in Zentralchina, die Großeltern kümmern sich um ihn. Der Vater arbeitet Hunderte Kilometer entfernt in einer Fabrik im Süden Chinas, die Mutter lebt in derselben Stadt wie ihr Mann und geht putzen. Wenn die Eltern einmal im Jahr nach Hause fahren, haben sie Geschenke und kleine rote Umschläge mit Geld dabei. Zehn Tage bleiben sie im Dorf. Dann müssen sie wieder zurück zur Arbeit, in eine Millionenstadt in der Provinz Guangdong. So wie Wang Lei wachsen Millionen Kinder in China auf, sie sind die Kinder der Wanderarbeiter. Ihre Eltern schuften fast jeden Tag. Etwa 250 Millionen Wanderarbeiter sind es inzwi-
schen in China, die sich vom Land auf den Weg in die Städte gemacht haben. Sie sind es, die die iPhones zusammensetzen, T-Shirts nähen oder wie Wang Leis Vater Turnschuhe kleben. Ohne sie wäre das chinesische Wirtschaftswunder undenkbar. Sie leben in den Schlafsälen der großen Fabriken oder in heruntergekommenen Häusern am Stadtrand.
I
n den Metropolen wie Peking, Shanghai oder Guangzhou schätzt man, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung Wanderarbeiter sind. Sie arbeiten in den Fabriken, sammeln den Müll auf, verdingen sich als Flaschensammler, die Männer arbeiten schwarz auf dem Bau, viele Frauen wie Wang Leis Mutter haben eine Anstellung als Zugehfrau gefunden, sie putzen und kochen für wohlhabende Städter. Eine Ayi, eine Tante, nennen die Chinesen sie. Jeden Yuan sparen Wang Leis Eltern, damit ihr Sohn es einmal besser haben wird als sie.
Wer vom Land kommt und in großen Städten arbeitet, ist offiziell kein Bewohner der Stadt und hat keinen Anspruch auf Sozialleistungen, seine Kinder muss er in der Heimatprovinz zur Schule schicken. Ein Ummelden ist sehr kompliziert. Von einer in eine andere Stadt ziehen, das geht gerade noch so, von einem Dorf in Hunan nach Shenzhen oder nach Shanghai, das ist so gut wie unmöglich für einen Wanderarbeiter. Ende Juli 2014 wurde eine Hukou-Reform vorgestellt, die bis 2020 umgesetzt werden soll. Wer in eine Gemeinde oder Stadt mit weniger als einer Million Einwohnern zieht, soll künftig alle kommunalen Leistungen in Anspruch nehmen können. Schwierig bleibt es hingegen, sich in Shanghai oder Peking niederzulassen. Es soll ein strenges Punkte-System geben, in dem nach Kriterien wie Arbeitserfahrung, Bildung und sozialer Absicherung die neuen Bewohner ausgewählt werden. Für die meisten Wanderarbeiter und ihre Kinder bleibt das eine kaum überwindbare Hürde.
1.+2. Wanderarbeiter
3. Die Arbeitsbedin-
4. Ob im Städtebau
Wanderarbeiter sind
Lebensunterhalt meist
in Europa nicht zu
beit für internationale
Wirtschaftswachstum
verdienen ihren
fernab ihrer Familie.
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Dass Wang Lei nicht im Süden Chinas leben kann, daran ist das sozialistische Meldesystem Schuld. Von der Geburt an hat jeder Chinese einen eingetragenen ständigen Wohnsitz, die sogenannte Hukou. Es gibt Land-Hukous für die Bauern und Hukous für die Städter. Eingeführt wurde dieses System 1958 in den Mao-Jahren, um die Bevölkerung zu kontrollieren; es sollte sichergestellt werden, dass niemand den zugeordneten Wohnort verlässt. Im Kern gilt dieses Gesetz noch immer, trotz der Millionen Wanderarbeiter, die ihre Dörfer längst verlassen haben.
gungen sind mit denen vergleichen.
oder bei der FabrikarKonzerne – die
... der Mann, der China nach den Wirren der Kulturrevolution wieder an die Weltwirtschaft ankoppelte, liebte es, in Bildern zu sprechen. Jedes Schulkind in China kennt heute seine Aussprüche. Einer dieser Sätze lautet: „Es ist mir egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist − Hauptsache sie fängt Mäuse.“ Was er damit meinte? Die Ideologie ist nicht mehr so wichtig, nur der wirtschaftliche Erfolg zählt. Auch Dengs Chefökonom Chen Yun bediente sich der Bildsprache: Er versuche den Fluss zu überqueren, indem er vorsichtig nach Steinen im rauschenden Wasser suche. Wirtschaftliche Reformen ja – aber auf keinen Fall überstürzt handeln. Das ist die eigentliche Erfolgsformel des chinesischen Wirtschaftswunders. Schritt für Schritt baute Deng China um. Zunächst schaffte er die sogenannten Volkskommunen ab, in denen Bauern im Kollektiv die Felder bestellt hatten. Statt gemeinsam zu arbeiten, konnten sie Land pachten. An der staatlichen Planwirtschaft hielt Deng zunächst dennoch fest, er modifizierte sie nur leicht. Weiterhin mussten Bauern und Fabriken Quoten erfüllen. Wurde die vorgegebene Menge allerdings erreicht, durfte der Rest verkauft
werden. Viele Bauern spezialisierten sich deshalb, sie bauten wieder Gemüse an, nicht mehr bloß Weizen und Reis. Sie betrieben Viehzucht und legten Teiche an, um Fische zu züchten, und entkamen der bitteren Armut. Auch in den Städten griffen die Reformen, kleine Firmen durften öffnen. In Südchina erklärte Deng einige Städte zu Sonderwirtschaftszonen, vor allem Shenzhen, eine Stadt an der Grenze zu Hongkong, zog viele ausländische Investoren an. Rasch entstand eine auf den Export ausgerichtete Industrie. In den Neunzigerjahren kamen dann verstärkt ausländische Direktinvestitionen in anderen Provinzen Chinas hinzu. Seitdem hat kein anderes Land der Welt so viele ausländische Investoren angezogen wie die Volksrepublik. Außerdem wurde geschickt verhandelt. Hersteller, die in China produzieren wollten, mussten mit einer chinesischen Partnerfirma ein Gemeinschaftsunternehmen gründen. Die Gewinne wurden geteilt, mussten aber zum Großteil im Land bleiben. Die Folge: weitere Investitionen und weiteres Wachstum für China.
für das chinesische unverzichtbar.
25
Kunst und Kult ur
DIE DREI LEHREN: KONFUZIANISMUS, DAOISMUS, BUDDHISMUS
D
ie chinesische Identität speist sich ganz wesentlich aus den traditionellen Lehren des Konfuzianismus, des Daoismus und des Buddhismus. Die drei großen Lehren spielten eine wechselhafte Rolle in der chinesischen Geschichte – immer wieder gab es Kaiser, die einer Lehre besonders anhingen und darum Anhänger der anderen Lehren verfolgen ließen. In der Wahrnehmung vieler Chinesen verschmolzen die Lehren aber miteinander. Sie kombinieren daoistische mit buddhistischen Elementen und orientieren sich gleichzeitig an der Ethik des Konfuzius.
DAOISMUS
Der Daoismus (oder auch Taoismus) ist eine philosophische und religiöse Weltanschauung, die auf den sagenumwobenen Denker Laozi und eine anonym veröffentliche Sammlung von Spruchkapiteln, das Daodejing, aus dem 4. Jh. v. Chr. zurückgeht. Im Zentrum der Lehre steht der Begriff „Dao“ (der Weg), der für das Unbegreifliche und Geheimnisvolle steht. Dao kennzeichnet die höchste Wirklichkeit und die ursprüngliche Einheit aller Dinge. Gegensätze wie z. B. Tag und Nacht werden vereint, indem davon ausgegangen wird, dass in jedem Tag bereits ein Stück Nacht enthalten ist und umgekehrt. Das Begriffspaar Yin und Yang steht stellvertretend für diese Gegensätze, die laut Daoismus stets in einer rhythmischen Abfolge auftreten: So wird zum Beispiel aus Sommer Winter oder aus Freude Trauer. Dao bezeichnet außerdem die treibende Kraft, aus der alles entsteht und die den Lauf der Zeit bestimmt. Dem Daoismus zufolge gelangt der Mensch zu Harmonie, wenn er sich am Dao ausrichtet. Dieses offenbart sich in der Welt als erkennbares Prinzip der Natürlichkeit, der Spontaneität und des kontinuierlichen Wandels. Das Ziel besteht also darin, sich auf intuitive Weise dem Lauf der Welt anzupassen. Das Nicht-Handeln oder Nicht-Erzwingen (chin. „Wu Wei“) ist somit eines der leitenden Prinzipien des Daoismus. Auch das im Westen bekannte Konzept des ,,Feng Shui“, einer Harmonisierung der Wohn- und Lebensräume auf der Grundlage des Qi (Energie), zählt zu der daoistischen Harmonielehre.
KONFUZIANISMUS Der Konfuzianismus beschreibt die politische Lehre und Philosophie des Konfuzius (ca. 551 bis 495 v. Chr.) und seiner Schüler. Im Zentrum dieser Lehre stehen vor allem die Selbstkultivierung und (Selbst-)Erziehung des Menschen sowie die Verantwortung und Pflichten gegenüber der Familie. Aufgrund der im Mittelpunkt stehenden fünf menschlichen Elementarbeziehungen – Vater-Sohn, Herrscher-Untertan, Ehemann-Frau, älterer Bruder-jüngerer Bruder und Freund-Freund – wird der Staat im Konfuzianismus seit jeher als große, übergeordnete Familie gesehen. Ohne diesen gibt es auch keine Sicherheit für die Familie. Hieraus ergibt sich ein hierarchisches Unterordnungsverhältnis, das die Aufgaben des Menschen darin sieht, zunächst dem Staat zu dienen, danach der Familie und zuletzt sich selbst. Diese fünf Beziehungen werden maßgeblich durch die Tugenden der Menschenliebe, der Rechtschaffenheit und der Pietät der Kinder gegenüber ihren Eltern bestimmt. Auch der Ahnenkult ist ein zentrales Element des Konfuzianismus. Neben den großen, offiziellen Feierlichkeiten zu Ehren des Konfuzius und seiner Schüler als auch verstorbener kaiserlicher Vorfahren bildete sich auch in den Familien eine Form des Ahnenkults heraus. Für alle wichtigen familiären Ereignisse, wie Geburt, Hochzeit und Tod, schreibt die konfuzianische Tradition genaue Regeln vor. Der über die Landesgrenzen Chinas hinaus einflussreiche Konfuzianismus wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts besonders von jungen chinesischen Intellektuellen und Revolutionären für die Rückschrittlichkeit Chinas verantwortlich gemacht und
D
BUDDHISMUS Der Buddhismus ist eine Weltreligion, die sich auf die Lehren des Inders Siddharta Gautama aus dem 5. Jh. v. Chr. beruft. Demnach ist der Mensch einem endlosen Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt ausgesetzt, der nur durch die Überwindung von Leid und Unvollkommenheit durchbrochen werden kann. Gläubige Buddhisten versuchen durch eine gute Lebensführung und Meditation diesem Kreislauf zu entrinnen. Entscheidend ist dabei das Konzept von Karma, das den Zusammenhang von Ursache und Wirkung von menschlichen Taten beschreibt. Laut buddhistischer Lehre hat es der Mensch selbst in der Hand, durch gute oder schlechte Taten seine Zukunft zu prägen. Da aber sowohl gutes als auch schlechtes Karma zur erneuten Wiedergeburt führen, ist das eigentliche Ziel der Buddhisten, gar kein Karma zu erzeugen. Am Ende dieser Entwicklung tritt der erleuchtete oder erwachte Mensch in den Zustand des vollkommenen Glücks, das sogenannte Nirwana, ein.
N
ach China gelangte der Buddhismus vermutlich erstmals im 1. Jh. n. Chr. Hier wurden die buddhistischen Lehren weiterentwickelt und mit verschiedenen Elementen des Daoismus verschmolzen. In dem buddhistischen Begriff „bodhi“ („Erleuchtung“) haben die frühen chinesischen Übersetzer beispielsweise das Dao erkannt. Der Buddhismus wurde folgerichtig von Daoisten häufig als indische Variante des Daoismus bezeichnet. Anders herum erklärten die Buddhisten Laozi zu einem Schüler Buddhas. Prägende Kraft auf die chinesische Bevölkerung entfaltete der Buddhismus insbesondere in der Tang-Dynastie (618-907 n. Chr.) als sich auch viele Kaiser zu den Lehren Buddhas bekannten. Von den buddhistischen Tempeln und Klöstern über chinesische Moralvorstellungen bis hin zu vielen chinesischen Wörtern und Sprichwörtern hat der Buddhismus seine Spuren in China hinterlassen. Als größte Religionsgemeinschaft in China wirkt er aber auch heute fort: Schätzungen gehen von ca. 244 Mio. Anhängern aus.
er Übergang von Daoismus als Philosophie zu Daoismus als Religion ist fließend. Es gibt kein geschlossenes Glaubenssystem, sondern eine Vielzahl an Quellen, die im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Spielarten hervorbrachten. Zu den auch heute noch praktizierten Elementen des religiösen Daoismus zählen u. a. die Verehrung von Gottheiten und Ahnen, Rituale wie Traumdeutung und Meditation ebenso wie Atemübungen und Gymnastik.
1
1. Konfuzius präsen-
stand im 14. Jh. und
2. Der chinesischen
Suche nach Ruhe gen
Buddha. Das Bild ent-
Britischen Museum.
Laozi China auf der
Wasserbüffel reitend.
tiert Laozi den jungen
26
nach 1949 unterdrückt. Erst seit den 1990er Jahren und besonders seit der Regierungszeit von Hu Jintao und Wen Jiabao (2003-2013) wurde Konfuzianismus wieder beliebt. In dieser Zeit begann China auch damit, an ausländischen Universitäten sogenannte Konfuzius-Institute anzugliedern (ähnlich wie die Goethe-Institute). Hohe Führungskader, wie der aktuelle Staatspräsident Xi Jinping, reisen zu Konfuzius‘ Geburtsstätte in Qufu und stellen die positive Rolle des konfuzianischen Denkens für Chinas heutige Entwicklung heraus.
befindet sich heute im
Legende nach verließ
Westen auf einem
3
2
3. Yin und Yang steht
gensätzlichkeit und
geprägt von Ge-
gigkeit voneinander.
für eine Beziehung
gleichzeitiger Abhän-
27
Kunst und Kult ur 1
CHINAS GEGENWARTSKULTUR von Michael Kahn-Ackermann
D
ie rasante Urbanisierung des Landes ist gegenwärtig die wichtigste gesellschaftliche Entwicklung Chinas. Sie verursacht tiefgreifende Veränderungen von Lebensgewohnheiten und Weltanschauungen und bestimmt auch die chinesische Gegenwartskultur. Der Anblick chinesischer Städte wird von Wolkenkratzern, Stadtautobahnen und gigantischen LED-Leuchtreklamen geprägt. Auch moderne kulturelle Großbauten, Museen, Kunst- und Musikhallen, Theater- und Opernhäuser entstehen dort in großer Zahl und oft über Nacht, zumeist entworfen von bekannten internationalen
Architekten. Nur noch wenige erhaltene Kulturdenkmäler erinnern an die traditionelle Kultur chinesischer Städte. In den schimmernden Einkaufszentren reihen sich die Läden mit internationalen Designprodukten, auf Schritt und Tritt begegnet man Filialen von Starbucks, Mc Donald’s und KFC. Die Menschen sind westlich gekleidet und fahren Autos europäischer, nordamerikanischer oder japanischer Marken. In vieler Hinsicht bietet China heute dem Betrachter äußerlich das Bild einer „verwestlichten“ oder „amerikanisierten“ Kultur. Doch dieses Bild ist trügerisch. Zum einen vergisst man über den manchmal futuristisch anmutenden Stadtsilhouetten leicht, dass auch heute noch
etwa die Hälfte der 1,4 Milliarden Menschen Chinas auf dem Land lebt, wo trotz der wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen, die auch dort stattgefunden haben, viele der bäuerlichen Traditionen und Lebensgewohnheiten erhalten bleiben. Ahnenkult und volksreligiöse Anschauungen und Gebräuche haben sich dort zäh gegen kommunistische Indoktrination erhalten und sind sogar wieder auf dem Vormarsch.
Z
um anderen täuschen Glasfassaden und Designer-Klamotten darüber hinweg, dass China auch heute keineswegs dem westlich-europäischen Kulturkreis angehört. Vielmehr ist Chinas Gegenwartskultur von einer tiefen Ver1. Das Nationalsta-
„Vogelnest“ genannt.
2. „Homunculus“ von
3. Der Film „Bai Ri
aufgrund seiner
die Olympischen
der bekanntesten chi-
den Goldenen Bären
dion in Peking wird Architektur auch
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unsicherung geprägt, die ihre Ursache im Zusammenstoß der jahrtausendealten eigenen Kultur mit der technologisch, wissenschaftlich und militärisch überlegenen Zivilisation des westlichen Imperialismus hat, der vor ca. 150 Jahren seinen Anfang nahm. Anders als Japan war China zunächst nicht in der Lage, den „Einbruch des Westens“ zu assimilieren. Zu weit lagen die Weltanschauungen auseinander, zu drückend war die wissenschaftlich-technologische und militärische Überlegenheit der westlichen Imperialmächte und zu demütigend ihre Arroganz gegenüber der Kultur und den kulturellen und politischen Eliten des Landes. Die Konsequenz, die die intellektuelle
und später die politische Elite des Landes nach einigen schmerzhaften Niederlagen aus dieser Situation zog, war die radikale Ablehnung der eigenen kulturellen Tradition, insbesondere die Verwerfung des Konfuzianismus und die bedingungslose Übernahme nicht nur westlicher Technologien, sondern auch Ideologien. Das waren insbesondere der Nationalismus, der Darwinismus und der bedingungslose Glaube an den Fortschritt. Diese Ideologien verschmolzen mit dem am Ende siegreichen Marxismus-Leninismus zum Maoismus. Gemeinsam war diesen geistigen und politischen Strömungen die Ablehnung der eigenen kulturellen Tradition. Sie fand in der Zerstörungswut der „Großen Proletarischen Kulturrevolution“ (1966-1976) ihren Höhepunkt: Etwa 80 Prozent des vorhandenen materiellen kulturellen Erbes wurden während deren Anfangsjahren vernichtet. Der „sozialistische Realismus“, die Ablehnung der westlichen Moderne und die bedingungslose Indienstnahme der Kultur durch die Partei bildeten die Grundlagen der kulturellen Doktrin der kommunistischen Herrschaft. Damit entstand neben den Traditionen des kaiserlichen Chinas eine neue „Tradition“. Beide sind bis heute in der Gegenwartskultur Chinas wirksam. Mit dem Beginn der „Reform- und Öffnungspolitik“ Ende der 1970er Jahre konzentrierte sich das Interesse der kulturellen Eliten des Landes zunächst auf die Rezeption und Übernahme der westlichen Moderne des 20. Jahrhunderts, von Nietzsche bis Derrida, von Duchamps bis Andy Warhol, von Joyce bis Marquez. In den 1990er Jahren entwickelten sich infolge der raschen Kommerzialisierung aller Lebensbereiche eine riesige chinesische Populärkultur und ein milliardenschwerer chinesischer Kunstmarkt. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts macht
Darin wurden 2008 Spiele eröffnet.
Chen Wenling, einem nesischen Künstler.
sich in der kulturellen Szene Chinas eine zunehmende Distanzierung von westlichen Vorbildern und die Wiederentdec kung der eigenen kulturellen 2 Traditionen bemerkbar. Die Wiederbelebung dieser zerstörten und nahezu vergessenen kulturellen Tradition ist allerdings ein schwieriges und mühseliges Unterfangen und endet nicht selten in Kitsch und Kommerz, etwa bei der Errichtung von Wohnhäusern und Einkaufsstraßen im „alten Stil“. o präsentiert sich Chinas Gegenwartskultur heute als eine „Hybrid-Kultur“, ein Flickenteppich aus noch existierenden oder wieder belebten kulturellen Traditionen (Konfuzianismus, Buddhismus, Volksreligion), einigen von Staat und Partei mit viel Aufwand am Leben erhaltenen Traditionen der „sozialistischen Kultur“, Importen aus dem Westen (Modernismus, Postmodernismus, Individualismus, Zivilgesellschaft, etc.) und Elementen der „Globalkultur“ (Konsumismus, Internetkultur). Einziges gemeinsames Merkmal der heterogenen Elemente, aus denen die chinesische Gegenwartskultur besteht, ist die Suche nach einer „chinesischen“ Identität.
S
3
Yan Huo“ gewann
der Berlinale 2014.
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Didakt ik und Ar b eitsblätter
METHODISCHE UND DIDAKTISCHE HINWEISE FÜR DEN EINSATZ IM UNTERRICHT
ÜBERSICHT ÜBER DIE ARBEITSBLÄTTER: CHINA KENNENLERNEN: DER CHINA-CHECK 32
CHINESISCHE SCHRIFTZEICHEN 33
MANIEREN* ESSKULTUR*
CHINA VERSTEHEN: VIELVÖLKERSTAAT CHINA
Z
weifellos ist China seit langer Zeit ein wichtiges Unterrichtsthema, das in den letzten Jahren noch einmal an Aktualität gewonnen hat. Mit ein wenig Kreativität in der Auslegung der einzelnen Lehrpläne kann es in nahezu allen Fächern behandelt werden. Die Arbeitsblätter sind angelehnt an die von der Kultusministerkonferenz erarbeiteten kompetenzbezogenenen Bildungsstandards. Sie enthalten Arbeitsanweisungen („Aufgaben“), die nach Möglichkeit sämtliche Anforderungsbereiche (s. EPA) abdecken. Es wurde darauf geachtet, dass das Heft einen Grundstock an Wissen vermittelt. Darüber hinaus sollen die Schülerinnen und Schüler zu einer aktiven Auseinandersetzung mit den einzelnen Themenkomplexen ermuntert werden. Als Zielgruppe der Arbeitsmaterialien sind vordergründig Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II angesprochen, wobei grundsätzlich alle Arbeitsblätter, nach Entlastung, auch für die Sekundarstufe I geeignet sind. Grundsätzlich sind die Arbeitsblätter auch einzeln einsetzbar, aber um der Komplexität des Themas gerecht zu werden, empfehlen wir den Einsatz im Rahmen eines fächerübergreifenden Projekttages oder einer
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DAS CHINESISCHE BILDUNGSSYSTEM*
Projektwoche. Auf diese Weise wird für die Bewertung einzelner Aspekte innerhalb der Themenkomplexe genug Raum gelassen. Zur Vertiefung des Erlernten bietet sich anschließend zum Beispiel, sofern erreichbar, der Besuch eines Konfuzius-Institutes an.
AHNENKULT* ROLLE DER FRAU IN DER GESELLSCHAFT* POLITISCHES SYSTEM DER VR CHINA*
CHINAS ZUKUNFT:
D
ie Reihenfolge der Arbeitsblätter ist zwar grundsätzlich variabel, es bietet sich jedoch an, in die Thematik über eine Konfrontation mit dem „Unbekannten“ einzusteigen. So können zunächst Vorurteile abgebaut werden, bevor im weiteren Verlauf eine nähere Beschäftigung mit den Grundpfeilern von Staat und Gesellschaft stattfindet. Es folgt ein Komplex zur Zukunft der Volksrepublik, in der sowohl die Globalisierung als auch die Situation im Land selbst aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und bewertet wird. Den Abschluss bildet ein Komplex zur Geschichte, in dem exemplarisch Entwicklungen Chinas dargelegt werden. Dieses Heft ist auch in einer digitalen, durch weitere Arbeitsblätter angereicherten Version erhältlich – Sie können es kostenlos herunterladen unter www.zeitbild.de/china und ohne rechtliche Einschränkungen für den Unterricht nutzen.
CHINAS ROLLE IN DER WELT* GLOBALISIERUNG UND URBANISIERUNG 35
KLIMASCHUTZ* ZWISCHEN RESTRIKTION UND PARTIZIPATION 36
BINNENMIGRATION/WANDERARBEITER*
CHINAS GESCHICHTE: CHINA UND DER WESTEN – EIN „JAHRHUNDERT DER DEMÜTIGUNG“? 37
MAO ZEDONG 38
DEUTSCHE SPUREN IN CHINA* 31
* Diese Arbeitsblätter finden sich nur in der digitalen Version.
1. Vom Jingshan Park
aus hat man einen sehr guten Ausblick auf
Pekings Innenstadt.
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31
Ar b eitsblatt 1
Ar b eitsblatt 2
CHINESISCHE SCHRIFTZEICHEN u
w
z
~
DER CHINA-CHECK W
er kennt sich mit China aus? Im großen China-Check geht es um Wissen über China, aber auch um Vorstellungen und Vorurteile. Mit Hilfe der Fragen kann überprüft werden, welche Wissenslücken und möglicherweise überholten Vorstellungen von China und vom Leben der Menschen dort existieren. Mit Hilfe des Lösungswortes kann leicht kontrolliert werden, welche Antworten richtig sind. Übrigens: Im Lexikon nachzuschlagen oder im Internet zu recherchieren ist ausdrücklich erwünscht!
Das Lösungswort ist die chinesische Bezeichnung für die „Mutter des Universums“
Bitte tragen Sie die 10 Lösungsbuchstaben oberhalb der Leerstriche ein:
_____L_____
1. Woher kommen die Glückskekse? aus China (E) aus Japan (K) Keiner weiß es genau. (Z) 2. Welches der folgenden Länder ist KEIN Nachbarstaat der VR China? Vietnam (A) Thailand (H) Myanmar (I) 3. An welchem Fluss wird das weltweit größte Wasserkraftwerk gebaut? Chang Jiang ( Jangtsekiang) (U) Amur (B) Huang He (G)
6. Aus wie vielen Soldaten besteht die Terrakotta-Armee? ungefähr 5.500 (T) ungefähr 7.300 (A) ungefähr 9.600 (U)
1 2
7. Welche Würzsoße stammt ursprünglich aus China? Senf (N) Mayonnaise (O) Ketchup (N) 8. Wer ist auf dem 100-Yuan-Schein abgebildet? Mao Zedong (G) Xi Jinping (C) Bai Ling (L)
4. Unter welchem Begriff wurde die chinesische Bevölkerungspolitik bekannt? Kein-Kind-Politik (L) Ein-Kind-Politik (M) Zwei-Kind-Politik (A)
9. Wie hoch ist Chinas jährliches Bevölkerungswachtum aktuell? 0,5 % (M) 5 % (Z) 50 % (W )
5. Wie heißt das Meer zwischen China und der koreanischen Halbinsel? Gelbes Meer (U) Ostchinesisches Meer (O) Südchinesisches Meer (M)
10. In welchem Land wird am wenigsten Fleisch gegessen? Deutschland (O) China (A) USA (Q)
3
D
ie chinesische Schrift ist ca. 1.000 Jahre v. Chr. entstanden und verfügt schätzungsweise über 87.000 Zeichen. Für den Alltagsgebrauch genügt bereits die Kenntnis von 3.000 – 5.000 Zeichen. Im Westen gibt es seit einigen Jahren ein reges Interesse an Tattoos mit chinesischen Schriftzeichen, dieses Interesse birgt allerdings immer ein Risiko: Da die Schriftzeichen häufig nicht überprüft werden können, kommt es manchmal zu peinlichen Missgeschicken, die bei Chinesen bestenfalls zu Gelächter führen. Das abgebildete Tattoo trägt beispielsweise die Bedeutung „Goldenes Schwein“. Das Schriftzeichen für Schwein ist dabei sogar noch verkehrt herum abgebildet.
ARBEITSAUFTRÄGE 1. Schauen Sie sich das Bild an und diskutieren Sie folgende Frage: Welche Bedeutung haben chinesische Schriftzeichen für Sie? 2. Zeichnen Sie das oben abgebildete Schriftzeichen „Schiff“ nach. Was ist die Schwierigkeit dabei im Vergleich zum lateinischen Alphabet? 3. Suchen Sie nach anderen Sprachen, die auch Schriftzeichen benutzen. Erörtern Sie Vor- und Nachteile dieser Kommunikationsart.
Im Folgenden können Sie einmal selbst versuchen, ein chinesisches Wort fehlerfrei zusammenzusetzen. 1. Vorsicht bei
Schriftzeichen für
2. Das Schriftzeichen
3. Kalligraphie
Wort heißt „Golde-
sogar noch verkehrt
besteht aus mehreren
wird in China
Tattoos! Das gezeigte nes Schwein“. Das
32
Schwein ist dabei
herum abgebildet.
für das Wort „Schiff“ einzelnen Zeichen.
(Schönschreiben) sehr geschätzt.
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Ar b eitsblatt 3
VIELVÖLKERSTAAT CHINA D
ie Volksrepublik China wird von ca. 55 verschiedenen ethnischen Volksgruppen bewohnt. Die Han-Chinesen bilden dabei mit einem Anteil von rund 92 Prozent die größte Gruppe. Das Verhältnis zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den Minderheiten kreist besonders bei den Volksgruppen der Uiguren und Tibeter um die Frage nach Minderheitenrechten und Eigenständigkeit und ist zum Teil von Spannungen und Gewalt gekennzeichnet. [Artikel „Wie die Gewalt im Wes-
Ar b eitsblatt 4
ARBEITSAUFTRÄGE ten Chinas entsteht“, sueddeutsche.de, 22.5.2014] In der Autonomen Region Xinjiang (im Nordwesten Chinas) leben nach Regierungsangaben etwa 22 Millionen Menschen. Die beiden größten Bevölkerungsgruppen sind die Uiguren (8,4 Millionen), ein muslimisches Turkvolk, und die HanChinesen (10,4 Millionen). Nach der Machtübernahme 1949 hatten sich die chinesischen Kommunisten das ehemalige Ost-Turkestan einverleibt. Nun sind die Uiguren in ihrer eigenen Region zu
1. Arbeiten Sie in Gruppen. Erstellen Sie ein Lernplakat zu einer der Minderheiten in China, auf dem Sie diese vorstellen und deren Handlungsspielräume erläutern. Bereiten Sie eine Präsentation vor! 2. Vergleichen Sie die Minderheiten. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede können Sie feststellen? Ergänzen Sie die Tabelle! 3. Stellen Sie die Grundsätze der Ansiedlungspolitik der Regierung vor und bewerten Sie diese.
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GLOBALISIERUNG UND URBANISIERUNG D
ie zunehmende internationale Verflechtung der Volkswirtschaften hat die Volksrepublik China in den letzten Jahrzehnten verwandelt. Die Investitionen von internationalen und chinesischen Unternehmen sorgen für eine andauernde Nachfrage nach Arbeitskräften, vor allem in den Städten. WARUM ZIEHT ES CHINESEN IN DIE STÄDTE?
Als Erklärung von Wanderungsgründen werden oft die Push- (Schub) und Pull(Sog) Faktoren genannt. Push-Faktoren bewirken, dass Menschen ihre Heimat auf dem Land verlassen, Pull-Faktoren,
ARBEITSAUFTRÄGE 1. Nennen Sie anhand der Materialien die Push- und Pull-Faktoren, die zur Verstädterung in China führen. 2. Erläutern Sie die Herausforderungen, die mit der Zuwanderung in die Städte einhergehen. Beziehen Sie sich auf die Grunddaseinsfunktionen der Menschen. 3. Beurteilen Sie die zunehmende Verstädterung vor dem Hintergrund der nachhaltigen Entwicklung und visualisieren Sie Ihr Urteil, indem Sie Ihre Ergebnisse in ein Nachhaltigkeitsdreieck eintragen.
Zusätzlich gibt es viele Ballungszentren mit einer Bevölkerung von über 10 Mio. Menschen. In der Jangtse-Region (Shanghai-Nanjing-Hangzhou) und im Pearl-River-Delta (Hongkong-Guangzhou-Macao) entstehen derzeit mega-urbane Regionen, die in naher Zukunft bis zu 100 Mio. Einwohner zählen werden. Die zunehmenden Wanderungsbewegungen in die Städte sind sogar zu einem gewissen Teil von höchster Stelle erwünscht. Die chinesische Regierung plant mit der Urbanisierung, das Wirtschaftswachstum langfristig zu garantieren. Produktionskapazitäten lassen sich auf diese Weise zusammenlegen und bürokratische Doppelstrukturen abbauen; auch die Daseinsvorsorge lässt sich kostengünstiger umsetzen, wenn viele Menschen auf engem Raum zusammenleben. Allerdings nehmen mit zunehmender Größe der Städte auch die Herausforderungen zu: Smog, Luftverschmutzung, Müll, Lärm und Verkehrschaos sind nur einige Aufgaben, welche die chinesische Gesellschaft in Zukunft lösen muss.
ENTWICKLUNG DER STADT-/LANDBEVÖLKERUNG IN CHINA (in Tausend)
Quelle: UN DESA
einer Minderheit geworden, denn die chinesische Regierung lockt mit finanziellen Anreizen immer mehr Han-Chinesen in das rohstoffreiche Gebiet (Erdgas, Erdöl, Kohle) im Westen des Landes. Was Chinas Regierung als den Versuch einer wirtschaftlichen Entwicklung der Region verstanden wissen will, begreifen die Uiguren als Angriff auf ihre Identität. Sie fühlen sich gegenüber den HanChinesen benachteiligt und an den Rand gedrängt. Es gibt keine Religionsfreiheit und kein gerechtes Bildungssystem. HanChinesisch ist auch an uigurischen Universitäten, Schulen und Kindergärten die offizielle Sprache. Vonseiten der Regierung werden uigurischen Gruppen terroristische Bestrebungen nachgesagt. Diese wollten die „Einheit der Ethnien“ sabotieren und die „soziale Stabilität“ unterwandern. Ihnen wird auch vorgeworfen, eine extremistische religiöse Ideologie zu verfolgen. Teils wird den Aktivisten eine Verbindung zum Terrornetzwerk al-Qaida nachgesagt, zum Beispiel der Islamistischen Partei Ost-Turkestans. Die Exilorganisation „Weltkongress der Uiguren“ mit Sitz in München wird von der chinesischen Regierung als Helfer der Terroristen betrachtet. Eine Verbindung zwischen einem globalen Dschihad und Anschlägen in Xinjiang wurde allerdings nie nachgewiesen.
dass sie von Städten angezogen werden. In China sind es insbesondere wirtschaftliche Gründe, die für das stetige Wachstum der Städte sorgen. Der Boom der chinesischen Städte geht zu einem nicht geringen Teil auf ausländische Investitionen zurück. Internationale Großkonzerne haben in der Vergangenheit viele neue Jobs in den großen Ballungszentren geschaffen, für die wiederum immer mehr Arbeitskräfte benötigt wurden. Inzwischen gibt es auch viele chinesische Großkonzerne, die ebenfalls Arbeitskräfte suchen. Das Gefälle zwischen Stadt und Land nimmt seitdem immer weiter zu, da auch ungelernte Arbeiter in den Städten deutlich mehr verdienen als Bauern auf dem Land. Daher verdingen sich viele Chinesen über Jahre als Wanderarbeiter in den aufstrebenden Metropolen und überweisen regelmäßig einen Teil ihres Einkommens an die Familie auf dem Dorf. MEGACITIES* IN CHINA – CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN Mit Peking (20,7 Mio.) und Shanghai (23 Mio.) verfügt China über zwei Megacities. *Megacities sind
Städte mit mehr als
1. Nächtliche Satellitenaufnahme der
10 Mio. Einwohnern. Ostküste Chinas,
Quelle: NASA
1
35
Ar b eitsblatt 5
Ar b eitsblatt 6 visten in ihrer Online-Kommunikation mittlerweile Codewörter: So beschreibt beispielsweise der Begriff „gelbe Ente“ ein Foto des Tiananmen-Massakers. ENGAGEMENT FÜR DIE ZIVILGESELLSCHAFT*
ZWISCHEN RESTRIKTION UND PARTIZIPATION Z
ivilgesellschaftliches Engagement und Mitbestimmung haben in China, anders als im Westen, wenig Tradition und beginnen erst sich zu entwickeln. Die KPCh steht solchen Bestrebungen mit Misstrauen gegenüber. Im Internet-zeitalter ist jedoch mittlerweile ein großer Aufwand nötig, um die Kommunikation der Bevölkerung zu überwachen. Eine wachsende Mittelschicht ist zunehmend daran interessiert, Einfluss auf gesellschaftliche Entscheidungen – außerhalb der Parteistrukturen – zu nehmen. Die Menschen nutzen dabei die Spielräume, die ihnen die Regierung lässt. Die Internetsuchmaschine Baidu und die Nachrichten-App Weixin (wechat) sind die chinesischen Pendants zu Google und WhatsApp. Seit 2003 werden Internetseiten in China durch die sogenannte „große Firewall“ systematisch gesperrt, wenn sie – nach Ansicht der Regierung – unliebsame Inhalte enthalten. Das geht so weit, dass zu bestimmten Themen wie zum Beispiel dem Tiananmen-Massaker von 1989 schlicht keine Suchergebnisse gefunden werden können. Andere Suchanfragen, wie etwa zu Tibet oder Taiwan, liefern lediglich Ergebnisse im Sinne der KPCh.
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Während Baidu stark von der Internetzensur betroffen ist, fällt es den Behörden verhältnismäßig schwer, die Instant-Kommunikation via Weixin zu überwachen. Umgangen werden die Zensurmaßnahmen von einigen Chinesen, einerseits über Proxy-Server oder VPN-Clients, mit deren Hilfe sich technik-affine User über einen ausländischen Server ins Internet einloggen. Andererseits verwenden chinesische Polit-Akti-
ARBEITSAUFTRÄGE 1. Arbeiten Sie mit Ihrem Partner. Recherchieren Sie in der jeweiligen Suchmaschine (zu Baidu: http://www.baiduinenglish.com) nach folgenden Begriffen: Mao Zedong, Marx, Facebook und Ai Weiwei. Erstellen Sie eine Tabelle und vergleichen Sie die Ergebnisse. 2. Erklären Sie mithilfe der Informationstexte die Gründe für die unterschiedlichen Ergebnisse. 3. Der Zeitungsartikel zeigt Möglichkeiten auf, wie Bürger in China sich trotz der Zensur engagieren. Recherchieren Sie weitere Beispiele und erstellen Sie ein Lernplakat, das die Bedeutung von Bürgerinitiativen in China thematisiert.
CHINA UND DER WESTEN – EIN JAHRHUNDERT DER DEMÜTIGUNGEN? D
ie Epoche vom ersten Opiumkrieg (1839) bis zur Machtübernahme der kommunistischen Partei (1949) wird in China bis heute in weiten Kreisen als Demütigung durch den Westen empfunden. Die Besetzung chinesischen Territoriums, die permanente Einmischung in die innerchinesischen Angelegenheiten und insbesondere das oftmals brutale Vorgehen der Quasi-Kolonialherren gegen Aufständische (z. B. während des Boxeraufstandes 1900) haben in der chinesischen Gesellschaft Spuren hinterlassen.
Der Regierung sind sie suspekt, doch sie sind aus dem öffentlichen Leben Chinas nicht mehr wegzudenken. Sie kümmern sich um Wanderarbeiter oder Landschulen, kämpfen gegen Plastiktüten oder Wasserverschwendung: Bürgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen, die sich sozialer oder Umweltthemen annehmen, sprießen überall aus dem Boden. Oft lavieren sie auf politisch schwierigem Terrain. Wenn sie mit ihren Aktivitäten örtlichen Behörden und Wirtschaftsinteressen in die Quere kommen, geraten sie schnell unter staatlichen Druck oder werden sogar zur Auflösung gezwungen.
ARBEITSAUFTRÄGE
Die Regierung weiß aber auch, dass sie die Bürgerinitiativen besonders im sozialen Sektor braucht, daher steckt sie ihre ideologischen Bedenken häufig zurück. Seit einem Jahr können sich Nichtregierungsorganisationen (NROs) beim Innenministerium registrieren und brauchen keine offizielle Dachorganisation mehr. 19.000 NROs haben sich im vergangenen Jahr neu registriert. Nach offiziellen Angaben gibt es jetzt rund 511.000 NROs in ganz China. Für die ausländischen Nichtregierungsorganisationen gelten die neuen erleichterten Bestimmungen nicht. Sie werden als ein trojanisches Pferd gesehen, das nicht nur ausländisches Geld und Expertise, sondern auch die westlichen Ideen ins Land bringt, die zu einer „friedlichen Evolution“ Chinas führen sollen. Die chinesischen NROs sind vorsichtig optimistisch. Immer mehr Menschen wollten jetzt ihre eigene NRO gründen, schreibt Blogger Bei Xiaochao, das sei ein Zeichen für die Entstehung einer lebendigen Zivilgesellschaft.
1. Schauen Sie sich die Karikatur an. Recherchieren Sie, welche Personen dargestellt sind. Informieren Sie sich über die Hintergründe. 2. Teilen Sie sich in Gruppen auf und erstellen Sie Standbilder zu der im Titel genannten Leitfrage. (zur Methode Standbild, siehe z. B. hier: http://www.trg-oha.de/ unterricht/methodenkonzept/pdf/ standbild.pdf ) . 3. Bewerten Sie die Darstellungen der jeweiligen Gruppen.
1
**Ausschnitt aus dem
Werte als trojanische
1. Karikatur von 1898:
den großen „Kuchen“
gesellschaft. Westliche
06.07.2014.
te streiten sich um
das Land auf.
Artikel „Chinas Zivil-
Pferde“, FAZ-Online
Die imperialen Mäch-
4. Recherchieren Sie, wie der Westen die behandelte Zeit aufgearbeitet hat. Sichern Sie Ihre Werturteile in Form eines fiktiven Interviews, das der deutsche Außenminister einem Pekinger Journalisten gibt.
China und und teilen
37
Ar b eitsblatt 7
Anhang
sischen Provinz Hunan zur Welt, seine Eltern waren Bauern, die es zu einem bescheidenen Auskommen gebracht hatten. Über die Zerrissenheit seines Landes und die Machtlosigkeit seines Volkes tief empört, nahm Mao frühzeitig Kontakt zu kommunistischen Zirkeln auf und wurde im Jahr 1923 in das Zentralkommitee der KPCh gewählt.
1
MAO ZEDONG M
ao Zedong war lange Zeit der einflussreichste politische Führer der Volksrepublik China. Sein Ziel war ein unabhängiges und wirtschaftlich starkes China – die Modernisierung des Landes im kommunistischen Sinne versuchte er mit teilweise drastischen Maßnahmen und Reformen zu erzwingen und nahm dabei Opfer und Leiden der Bevölkerung in Kauf. Unbestreitbar hat Mao jedoch das Antlitz des Landes entscheidend geprägt und – wie niemand neben ihm – die chinesische Geschichte des 20. Jahrhunderts gestaltet. KURZPORTRÄT MAO ZEDONG Mao Zedong kam 1893 in der zentralchine-
In der Folge des chinesischen Bürgerkriegs konnte Mao seine Macht innerhalb der Partei ausbauen. Nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 war er bis zum Jahr 1973 gleichzeitig ihr „Großer Vorsitzender“. Mao versuchte mit aller Macht, Chinas wirtschaftlichen Rückstand wettzumachen. So rief er während der Kampagne „Großer Sprung“ beispielsweise das ganze Land dazu auf, in einer konzertierten, kollektiven Aktion auf jedem Bauernhof, in jedem Hinterhof unter Heranziehung selbst primitivster Arbeitsmittel Hochöfen zu errichten und Stahl zu produzieren. Im Zuge dieser Aktion wurde der Ackerbau von vielen Bauern vernachlässigt und so entstand eine der größten Hungerkatastrophen der Menschheitsgeschichte. Die Härte, mit der Mao gegen seine Kritiker vorging, kostete darüber hinaus in der sogenannten Kulturrevolution viele Menschen das Leben. Nichtsdestotrotz wird er heutzutage nach wie vor von vielen Chinesen verehrt. DER MAOISMUS Der Maoismus ist die chinesische Variante des Sozialismus. Er beruht, wie der Sozialismus sowjetischer Prägung, ebenfalls auf den Werken von Marx, Engels, Lenin und Stalin. Die Eigenheiten des Maoismus liegen in der Betonung der revolutionären Rolle der Bauern (im Sozialismus kommt diese Rolle der Arbeiterklas-
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Im Westen erfreuten sich Mao und der Maoismus einer gewissen Beliebtheit unter Anhängern der Studentenbewegung rund um das Jahr 1968. Das kleine rote Buch, auch „Mao-Bibel“ genannt, wurde von einem Teil der westdeutschen Studierenden eifrig gelesen, diskutiert und zitiert. Das Buch enthält eine Sammlung mit Zitaten des „Großen Vorsitzenden“. In China war es zwischen den Jahren 1966 und 1976 Bürgerpflicht, ein Exemplar mitzuführen.
ARBEITSAUFTRÄGE 1. Welche Rolle spielte Mao Zedong im 20. Jahrhundert für die Entwicklung Chinas? Arbeiten Sie in Gruppen und untersuchen Sie jeweils eine Dekade. Bereiten Sie eine multimediale Präsentation vor! Informationen finden Sie beispielsweise hier: Planet Wissen, http://goo.gl/YC2F6L.
ÜBER DIE AUTOREN
Marc Bermann Politikwissenschaftler und Sinologe, Programmleiter China der Stiftung Mercator Christoph Giesen Journalist, Wirtschaftsressort der Süddeutschen Zeitung Professor Dr. Sebastian Heilmann Politikwissenschaftler und Sinologe, Direktor des Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin Michael Kahn-Ackermann Sinologe, Special Representative der Stiftung Mercator in Peking
FACHLICHE BERATUNG
Professor Dr. Christian Göbel Universität Wien
Professor Dr. Lena Henningsen Universität Freiburg
2. Mao Zedong gilt als prominentes Beispiel für das Phänomen „Personenkult“. Recherchieren Sie zu diesem Begriff und suchen Sie nach weiteren Beispielen.
Jonas Humpert Stiftung Mercator
3. Auch im Westen gelangte Mao zu einem gewissen Kultstatus (siehe auch das Mao-Porträt von Andy Warhol, http://goo.gl/ Z8Vo8v). Versuchen Sie zu erklären, warum.
Huawei Technologies Deutschland GmbH: Deutschland und China – Wahrnehmung und Realität. Berlin 2014. Die Huawei-Studie vergleicht aktuell das Wissen und die gegenseitige Wahrnehmung von Deutschland und China anhand ausgewählter Themenfelder und stellt die Ergebnisse in zahlreichen Schaubildern dar. Kostenloser Download: www.huawei-studie.de/download
4.Kennen Sie Beispiele für Personenkult in der westlichen Welt? Vergleichen Sie!
1.+2. Der „Große
bis heute für den
die „Mao-Bibel“ stehen
Sozialismus.
Vorsitzende“ Mao und 2
se zu). Außerdem war der Maoismus national ausgerichtet und lehnte die zentrale Führung der internationalen kommunistischen Bewegung ab.
Michał Mirski Gymnasiallehrer, Berlin
LITERATURHINWEISE
Yang Liu: Ost trifft West. Mainz, 2008. Die in Berlin lebende Designerin Yang Liu hat die unterschiedlichen Denk- und Verhaltensweisen von Deutschen und Chinesen in Form von Piktogrammen aufbereitet.
VIDEOS
http://bit.ly/1IyuCxG Die Zeitbild Playlist „China im Wandel“ auf YouTube enthält Videos zu aktuellen und historischen Themen rund um die Volksrepublik China und wird ständig ergänzt und aktualisiert.
LINKTIPPS
www.sinonerds.com SINONERDS ist ein junges und innovatives Magazin sowie eine Informationsplattform für junge Menschen mit Interesse an China, chinesischer Kultur und Sprache und Austausch. www.merics.org Das Mercator Institute for China Studies (MERICS) ist ein unabhängiges Forschungsinstitut mit Sitz in Berlin. MERICS betreibt gegenwartsbezogene und praxisorientierte China-Forschung. MERICS vermittelt Erkenntnisse und Analysen in die Öffentlichkeit hinein, stellt Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft China-Expertise zur Verfügung und ist Ansprechpartner für die Medien. MERICS ist eine Initiative der Stiftung Mercator. www.bpb.de/gesellschaft/migration/ laenderprofile/187111/china Die Bundeszentrale für politische Bildung hält ein ausführliches Länderprofil zu China mit zahlreichen Informationen von Politik bis Kultur bereit.
www.auswaertiges-amt.de/DE/ Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01Laender/China.html Das Auswärtige Amt informiert über China und die deutsche China-Politik.
LÖSUNGSHINWEISE
Arbeitsblatt 1 Das Lösungswort lautet: ZHUMULANGMA
Arbeitsblatt 3 Stichworte zur Ansiedlungspolitik: z. B. Umsiedlung von Han-Chinesen nach Tibet und in das uigurische Gebiet; finanzielle Anreize zur Umsiedlung, Chinesisch als „offizielle“ Sprache („Sinisierung“); Bewertung z. B. anhand der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“. Arbeitsblatt 4 Push-Faktoren: z. B. Stadt-Land-Gefälle; höherer Verdienst in den Städten. Pull-Faktoren: z. B. Wirtschaftsboom in den Ballungsräumen; mehr Jobs; persönliche Freiheit; kulturelle Vielfalt. Nachhaltigkeitsdreieck a) sozial: Schere zwischen Wanderarbeitern und Mittel- und Oberschicht; b) ökologisch: Umweltbelastungen durch Verkehr und Energieerzeugung, Wasserverbrauch durch Bevölkerungswachstum; c) ökonomisch: Konzentration von Wirtschaftswachstum, Konsum und Einkommenschancen. Arbeitsblatt 6 Dargestellte Personen: Queen Victoria (Großbritannien), Kaiser Wilhelm II. (Deutsches Reich), Zar Nikolaus II. (Russisches Reich), Marianne (Symbolfigur für Frankreich), Samuraikrieger (Symbolfigur für das kaiserliche Japan); im Hintergrund ein chinesischer Hofbeamter.
chinesischen
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Impressum
IMPRESSUM Zeitbild WISSEN „China im 21. Jahrhundert. Politik, Wirtschaft und Kultur im Unterricht.“, herausgegeben vom Zeitbild Verlag in Zusammenarbeit mit der Stiftung Mercator, Mai 2015. Gesamtherstellung: Zeitbild Verlag und Agentur für Kommunikation GmbH, Kaiserdamm 20, 14057 Berlin, www.zeitbild.de Verantwortlich für den Inhalt: Frank J. Richter Texte: (soweit nicht anders gekennzeichnet) Zeitbild Gestaltung: Christiane Rauert, München Druck: DCM Druckcenter Meckenheim Die enthaltenen Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Eine kommerzielle Nutzung ist nicht gestattet. Wir erklären im Hinblick auf die genannten Internet-Links, dass wir keinerlei Einfluss auf die Gestaltung und Inhalte der Seiten haben und uns die Inhalte nicht zu eigen machen. Bildnachweise: Von links oben nach rechts unten S. 3: Kultusministerkonferenz; BMW Stiftung Herbert Quandt; Mercator Institute for China Studies; von privat; S. 4: Wikimedia CC BY-SA 3.0/Photo by Wechselberger; S. 5: shutterstock.com, Jan Siefke, Jan Siefke; S. 6: shutterstock.com; flickr.com: CC BY-NC-SA 2.0/Photo by Ding Zhou; Wikimedia Commons: Lizenziert unter Fair Use via Wikipedia; Wikimedia CC BY-SA 2.0/Photo by Chun Lam; shutterstock.com; shutterstock.com; shutterstock.com; shutterstock.com; S. 7: Wikimedia CC BY 2.0/Photo by Laihiuyeung Ryanne; S. 8: Jan Siefke; S. 9: AFP/ Photo: Peter Parks; S. 10: Illustratorin: Christiane Rauert; Wikimedia CC BY-SA 2.5/Photo by Colegota; Wikimedia CC BY-SA 2.5/Photo by Pavel Novak; Wikimedia CC BY-SA 3.0/Photo by Fanghong; Wikimedia CC BY-SA 2.5/Photo by Luca Galuzzi; Wikimedia Commons: Lizenziert unter Creative Commons-Lizenz CC0/Photo by Tomwsulcer; Wikimedia CC GFDL/Photo by Zhangzhugang; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by J. Patrick Fischer; Wikimedia CC BY-SA 2.5 / Photo by Ariel Steiner; Wikimedia CC BY-SA 2.5 / Photo by Ariel Steiner; S. 11: Wikimedia CC/gemeinfrei; Wikimedia CC/gemeinfrei; Wikimedia CC/gemeinfrei; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by Georg Denda; shutterstock.com; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by Shaolinsuomi; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by Own; Wikimedia CC SA 1.0/ Photo by Own; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by Lzy881114; Wikimedia CC BY-SA 2.1; S. 12: Fang kuang / Imaginechina; S. 13: Wikimedia CC BY 2.0/ Photo by Shubert Ciencia; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by Popolon; S. 14+15: Illustratorin: Katharina Stipp; S. 17: Wikimedia CC/gemeinfrei; S. 18: Wei yao / Imaginechina; S. 19: istockphoto. com/Photo by EdStock; S. 20: Bundesregierung / Photo by Steffen Kugler; S. 21: picture alliance / AA; S. 22: shutterstock.com; S. 23: von privat; S. 24: istockphoto.com/ Photo by EdStock; Wu dongjun - Imaginechina; Weltbank: CC; S. 25: shutterstock.com; Wikimedia CC/gemeinfrei; S. 26: Wikimedia CC/gemeinfrei; S. 27: Wikimedia CC/Public Domain; Wikimedia CC BY 2.0/ Photo by DonkeyHotey; S. 28: istockphoto.com/ Photo by tarzan9280; S. 29: Chen Wenling; Weltkino Filmverleih; S. 30: shutterstock.com; S. 32: Wikimedia CC BY-SA 3.0; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by Christoph Filnkößl; Wikimedia CC/gemeinfrei; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by Patrick Fischer; S. 33: China Internet Information Center (CIIC); istockphoto.com/ Photo by Tony Yao; S. 34: picture alliance / M. Schmitt / APA-Grafik / picturedesk.com; S. 35: NASA/Image by Craig Mayhew and Robert Simmons, NASA GSFC; S. 36: shutterstock.com; shutterstock.com; S. 37: Wikimedia CC/gemeinfrei; S. 38: Wikimedia CC BY-SA 2.0; Wikimedia CC/gemeinfrei. Dieses Heft als kostenlose App erhalten unter: www.zeitbild.de/china