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„ Jedes Jahr

Wenn die Abfahrtsläufer über die Hausbergkante springen, die Linkskurve zur Traverse nehmen und im Zielhang noch einmal beschleunigen, liefern diese zwei den Ton zum Bild: das ORF-Kommentatorenduo Armin Assinger und Oliver Polzer über Spektakel, Stars und die wahren Verrückten auf der Streif.

as Hahnenkamm-Rennen ist selbst Skisport-Laien ein Begriff. Was macht es so außergewöhnlich?

OLIVER POLZER: Kitzbühel ist das größte Weltcupwochenende der Saison. In Jahren ohne WM oder Olympische Spiele sind es überhaupt die größten Rennen, und das in allen Belangen. Zuschauer, Schwierigkeit der Strecke, Spektakel, Preisgeld, Siegerehrung, Emotionen, Partys, … nirgendwo im Weltcup ist all das so groß.

ARMIN ASSINGER: Man könnte sagen: Kitzbühel ist wie jedes Jahr Olympia.

Diese Stimmung und die Spannung der Abfahrt vermitteln Sie den ORF-Zuschauern gemeinsam aus der Sprecherkabine. Was bringt jeder von Ihnen mit, damit dieses Doppel funktioniert?

OLIVER POLZER: Armin ist Armin. Das ist seine Stärke. Er ist präsent, humorvoll und als ehemaliger Rennfahrer Skiexperte. Armin ist Mister Millionenshow und spricht ein großes Publikum an. Ich bin seit vielen Jahren im Skizirkus unterwegs, habe viel erlebt und führe immer noch viele Gespräche mit den Protagonisten. Zudem bin ich in den Statistiken daheim und bei jedem Rennen gut vorbereitet. Der Stoff geht mir also nicht aus.

DARMIN ASSINGER: Oliver ist ganz klar der Leader. Er sagt, wo es langgeht. Mein Part ist es, den Zuschauern verständlich zu machen, warum ein Fahrer schnell oder langsam ist. Diese Doppelconférencen bewähren sich als moderne Form der Sportübertragung – schließlich sehen vier Augen mehr als zwei. Und wir begegnen einander mit Respekt. Man muss aufmerksam zuhören und an der richtigen Stelle einhaken. Man wirft dem anderen einen Ball zu, der klaubt ihn auf und schmeißt eine Wuchtel retour.

Kommentare und Analyse müssen punktgenau passen. Welche Abläufe an den Renntagen braucht es dazu?

OLIVER POLZER: Wir müssen früh raus und auf die Piste. Bei der Streckenbesichtigung sind wir üblicherweise dabei.

ARMIN ASSINGER: Wir wählen einige neuralgische Stellen aus, wo es im Training zum Beispiel bestimmte Probleme gab oder ein Läufer besonders gut gefahren ist. Darüber sprechen wir auch mit Pistenchef Herbert Hauser und anderen Funktionären.

OLIVER POLZER: Danach geht es ins Studio, wo wir bis gut 14 Uhr live kommentieren. Armin geht danach in die Sauna (lacht) und ich gestalte noch diverse Rennzusammenfassungen für die Abendsendungen. Am Abend ist noch die Siegerehrung zu kommentieren, danach wird der nächste Tag vorbereitet … Das sind lange Tage.

Armin Assinger

Der Speed-Spezialist Armin Assinger nützte die durch eine schwere Verletzung erzwungene Rennpause 1989/90 dazu, erstmals als Co-Kommentator in Kitzbühel am Start zu sein. Im März 1995 hängte er die Rennski an den Nagel und ließ sich auch vom damaligen ORFSportchef Elmar Oberhauser nicht mehr umstimmen. Stattdessen rief er sich ihm als CoKommentator in Erinnerung und nahm schon im Herbst 1995 wieder in der Sprecherkabine Platz. Seither punktet Assinger beim Publikum mit Fachwissen und kernigen Sprüchen –ein Markenzeichen wie einst Robert Seegers Norwegerpullis.

Bei Skirennen dabei zu sein, wird ihm nie langweilig. Da er auch die „Millionenshow“ moderiert, reduzierte er aber seine Auftritte als Sportkommentator, um sich dem Publikum „nicht zu oft zuzumuten“. Derzeit begleitet er „drei, vier Events im Winter mit großem Spaß an der Freude“.

Zusammen bringen Armin Assinger (l.) und Oliver Polzer (r.) mehr als ein halbes Jahrhundert Erfahrung auf bzw. an der Streif mit in die Sprecherkabine. Die Speed-Rennen in Kitzbühel kommentieren sie auch 2023 wieder gemeinsam. Dass es dabei zwar ernsthaft, aber nicht immer bierernst zugeht, kommt bei Hahnenkamm-Fans gut an – und sorgt bei dem Duo selbst für blendende Laune.

Oliver Polzer

Oliver Polzer war vor rund 25 Jahren zum ersten Mal für die ORF-Sportredaktion im Einsatz: zuerst als Reporter bei Side-Events, später als Startreporter bei den Liveübertragungen. Als solcher interviewte er unter anderem „Arnold Schwarzenegger bei seinem ersten Rennen in Kitzbühel. Keiner wusste, ob er tatsächlich da ist. Plötzlich stand er vor mir. Ich hab das Mikro hingestreckt, mich vorgestellt und losgelegt.“

Polzer war Assistent von Robert Seeger und folgte ihm als Kommentator nach. Seit 2007 kommentiert er die Speed-Rennen mit Armin Assinger, den Slalom erst mit Hansi Hinterseer, dann mit Thomas Sykora. Selbst ein begeisterter Skifahrer, versucht er auf Tour immer wieder selbst zum Skifahren zu kommen. Über nette Tipps von Hans Knauß zum Fahrstil freut er sich besonders – „komischerweise sind es aber jedes Mal dieselben“.

Als Fernsehzuschauer sehen wir Sie vor der Kulisse des Zielraums. Bekommen Sie die Stimmung dort mit?

OLIVER POLZER: Wir sind (leider) etwas abgeschirmt. Aber wenn wir uns umdrehen und da hinausschauen, sehen und spüren wir die vielen Menschen im Ziel, das ist immer wieder beeindruckend. Kommentiert wird vom Bildschirm – durch das Fenster sehen wir ja nur den Zielauslauf.

Den kennen Sie auch aus der Perspektive vom Zielhang her, Armin. Heben sich bestimmte Rennen besonders von den anderen ab?

ARMIN ASSINGER: Ja, nach meiner schweren Verletzung hatte ich hier 1991 mein Comeback mit einem elften Platz in der Abfahrt. Und in meiner letzten Rennsaison 1994/95 wurde ich Zweiter in der Abfahrt und Dritter im Super-G – dem ersten in Kitzbühel überhaupt. Beim Abendessen nach den Rennen lernte ich den damaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky kennen, mit dem ich seither immer wieder einmal nette Kontakte habe. Auch deshalb erinnere ich mich gerne daran zurück.

Jetzt als Kommentator hier zu sein, …

ARMIN ASSINGER: … ist wesentlich weniger Stress (lacht). Als Athlet muss man vom Start bis zum Abbremsen im Ziel hochkonzentriert sein. Jeder kleinste Fehler kann schwerwiegende Folgen haben – eine außergewöhnliche psychische Belastung.

Die habe ich als Kommentator natürlich nicht mehr, aber trotzdem lebt man mit. Es gibt viele schöne Momente, wenn großartige Siege eingefahren werden, wenn Österreicher gewinnen oder wenn Christian Ghedina bei 140 km/h beim Zielsprung eine Grätsche macht …

OLIVER POLZER: Die Fahrt von Stephan Eberharter 2004 war einzigartig und unvergesslich, auch Hermann Maiers Sieg im Super-G 2003 nach dem Motorradunfall. Den Sieg von Hans Knauß 1999 hab ich noch gut im Gedächtnis. Der Hans ist mir sehr ans Herz gewachsen – da ist auch Emotion drin.

ARMIN ASSINGER: Das gilt natürlich genauso für die schrecklichen Momente. Wenn ich an die Stürze von Aksel Lund Svindal und Hannes Reichelt oder an den Unfall von Hans Grugger beim Abfahrtstraining 2011 zurückdenke, das sind ganz schlimme Augenblicke. Auch mein Bruder ist einmal schwer gestürzt, als ich kommentiert habe

OLIVER POLZER: Wenn man solche dramatischen Unfälle als Kommentator begleiten muss, vergisst man das nie.

Haben Sie dieses extreme Risiko auch im Hinterkopf, wenn Sie selbst die Strecke besichtigen?

OLIVER POLZER: Es ist mir besonders bewusst geworden, als ich vor vielen Jahren als junger Startreporter auch einmal über die Mausefalle gerutscht bin. Nie wieder! Am nächsten Tag war Slalom und ich war natürlich oben live im Einsatz. Als Stephan Eberharter im Startbereich aufgetaucht ist, hab ich zu ihm gesagt: „Ich weiß jetzt, was ihr für Verrückte seid. Ich bin gestern über die Mausefalle gerutscht!“ Steff hat mich angelächelt und gesagt: „Du bist der Verrückte! Die Mausefalle kann man nicht runterrutschen, da muss man springen, sonst wird’s gefährlich!“

Glücklicherweise gehen die Rennen oft für alle gut aus.

ARMIN ASSINGER: Das merkt man vor allem bei der KITZ-RACE-Party am Ende. Alle atmen auf, wenn das Rennen möglichst unfallfrei über die Bühne gegangen ist, die Rennläufer und die Veranstalter. Das ist eine richtige Feel-good-Atmosphäre, einfach wunderschön!

Vielen Dank für das Gespräch.

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