5 minute read
EINE STARKE STIMME IM FOKUS
ROBERT SCHMID: Mit bewusstem Kommunizieren zum Erfolg
Schauspieler, Stimm-, Sprech- und Auftrittscoach Robert Schmid war 23 Jahre für das Schweizer Radio SRF tätig. Heute hilft er mit seinem Coaching Menschen in verschiedensten Situationen, ihr Publikum wirkungsvoll zu erreichen. Bianka Balmer
Die Sprache ist sein Metier. Bild: zVg
«Für alle, d ser kenn ie ihre Stimme besenlernen möchten, die ihre Gedanken in Mundart und in Hochdeutsch selbstverständlich und verständlich äussern möchten, die lebendig erzählen und auf den Punkt gebracht argumentieren möchten, (…) ihren Vortrag so sprechen wollen, dass ihr Publikum gepackt wird, die ihr analytisches Gehör schulen möchten, um so bewusster ihre stimmlichen Möglichkeiten einsetzen zu können.» (Quelle: https://www.stimmsachen.ch/)
Die Einleitung auf seiner Website macht neugierig, mehr zu erfahren über Schmid und seine Arbeit.
Wie hat für Sie persönlich alles angefangen? Im aargauischen Fricktal geboren und im schweizerischen Mittelland aufgewachsen, lebe ich seit 1976 in Bern. Ich bin verheiratet mit Beatrice Born, einer langjährigen Radiojournalistin, die heute selbständig arbeitet als Kommunikationsberaterin und Moderatorin (born2communi-cate). Wir sind Eltern einer erwachsenen Tochter. Seit 1993 wohnen wir im Breitenrainquartier, hier bin ich zu Hause.
Wann hat Ihr Interesse für den Bereich der Sprache begonnen? Im letzten Jahr im Lehrerseminar Solothurn wirkte ich am Stadttheater Solothurn im Stück «Oedipus» im Sprechchor mit. Dort kam ich zum ersten Mal mit dem Sprechen, der Sprache und dem Theater in Berührung und war sofort fasziniert. Während meiner Sekundarlehrerausbildung an der Uni Bern arbeitete ich vor allem in einer Uni-Theatergruppe mit. Nach dem Studium zog es mich nach Paris an die Schauspielschulen von J. Leqoc und Serge Martin. Zurück in der Schweiz war ich in der freien Theaterszene als Schauspieler tätig, u. a. mit dem «Theater Oktopus», einem professionellen Tourneetheater für Kinder mit Sitz in Bern. Nach einem Engagement am Nationaltheater Mannheim tauchte ich in die DRS-Radiowelt ein, zunächst als Nachrichtensprecher. 1997 wechselte ich in die Ausbildungsabteilung. 23 Jahre war ich bei SRF als Sprech- und Auftrittscoach tätig. Meine Erfahrungen als Pädagoge, Schauspieler und Sprecher haben sich in meiner neuen Aufgabe verdichtet. schon lange Rhetorik gelehrt. Wir hinken da noch etwas hinterher, holen aber auf. Rhetorik, wie ich sie vermitteln möchte, heisst: sich verständlich machen, um gemeinsam handeln zu können.
Welche besonderen Erfahrungen haben Sie gemacht? Ich hatte und habe das Privileg, immer wieder mit jungen Menschen arbeiten zu können. Es ist für mich faszinierend, Menschen beim Einstieg ins Berufsleben ein Stück begleiten zu können. Aber auch die Diversität der Kundschaft – vom CEO über die Juristin oder den Zauberkünstler bis hin zur Jungschauspielerin – ist für mich Ansporn und horizonterweiternd.
Was fasziniert Sie besonders daran? Stimme und Person sind eng miteinander verbunden, das ist und bleibt für mich faszinierend. Es gibt keine Rezepte, die für alle gelten. Immer wieder geht es darum, eine Balance zwischen den drei Polen zu finden: Mein Selbst, meine Inhalte (was möchte ich sagen?) und mein Gegenüber. Diese drei Faktoren entscheiden darüber, wie ich etwas sage: sprachlich, sprecherisch, mimisch und gestisch. Im Sinne von Pestalozzi geht es beim Sprechen und Auf t reten um Kopf, Herz und Hand. Das heisst: so wie ich gehe (stehe), so geht es mir. So wie ich atme, fühle ich mich. So wie ich spreche, zeige ich mich. Das gilt auch im umgekehrten Sinne. Was hat sich in den Jahren in diesem Beruf für Sie verändert? Ich stelle fest, dass sich präsentieren, sich mündlich ausdrücken, sich verständlich machen Kompetenzen sind, die immer wichtiger werden: live, z. B. in Sitzungen, aber auch medial vermittelt – Stichworte hier sind z. B. youtube und Podcasts. In den USA wird an den Schulen Welches Erlebnis hat Sie besonders geprägt? An den Stimmtagen in Stuttgart treffen sich alle zwei Jahre Hunderte von Menschen, die sich beruf lich mit der Stimme beschäftigen. Dort erlebte ich unmittelbar hintereinander zwei unterschiedliche Vortragsstile: Im ersten Vortag präsentierte ein junger Forscher nach allen Regeln der modernen Vortragskunst seine Forschungsergebnisse. Er hat die stimmliche Entwicklung von Zwillingen erforscht, die in unterschiedlichen sozialen Welten aufgewachsen sind. Sein Vortragsstil war eloquent, seine Sprache geschliffen, seine Aussprache und die Powerpoint-Präsentationen einwandfrei. Was war sein
«Ich denke, dass die F or sc hu ng se rNachfrage nach Sprech- gebnis? Ich weiss es nicht und Auftrittscoaching mehr. zunehmen wird.» Nach ihm betrat ein älterer Professor – der Prototyp des zerstreuten Professors – die Bühne: Er arbeitete mit einem Hellraumprojektor, suchte ständig seine Folien und wandte dem Publikum den Rücken zu, um auf die Leinwand blicken zu können. Aber, im Gegensatz zu seinem Vorredner vermittelte er sein Forschungsergebnis mit Leidenschaft und konnte über die Begeisterung für seine Inhalte die Verbindung zum Auditorium herstellen. Sein Forschungsergebnis: Mit bildgebenden Techniken verglich er den Unterschied zwischen Menschenaffenstimmen und den Stimmen von Hitler und Goebbels. Im wissenschaftlichen Resultat sehen die Frequenzbilder gleich aus. Trotz oder vielleicht wegen seines «fehlerhaften» Vortrags sind mir seine Inhalte im Gedächtnis geblieben.
Weshalb gab es den Wechsel vom Radio ins Coaching? Ich bin seit März 2021 HIV-positiv. Nun arbeite ich selbständig weiter, weil ich meine Erfahrungen gerne an andere Menschen weitergeben möchte und, weil es mir Freude macht, in meinen Berufsfeldern weiterarbeiten zu können.
Wie hat sich Ihre Hauptzielgruppe verändert? Während meiner Radiozeit hatte ich immer mit JournalistInnen zu tun. Heute ist die Klientel vielfältiger. Das freut mich, weil ich mich wieder auf neue Fragestellungen einlassen darf.
Wie und wo findet Ihr Coaching statt und was ist Ihnen wichtig? Ich arbeite online und vor Ort. Online ist einiges möglich, vor Ort ist mir aber lieber, weil der Kontakt direkter und persönlicher ist. Mit ist es wichtig, dass die Menschen, die in mein Coaching kommen, befähigt werden, sich in Auftrittssituationen wohlzufühlen, damit sie ihre Gedanken verständlich machen können und so die Freiheit bekommen, auch in stressigen Situationen an ihr Gegenüber denken zu können.
Welche Veränderungen erwarten Sie und was wünschen Sie sich für die Zukunft? Ich denke, dass die Nachfrage nach Sprech- und Auftrittscoaching zunehmen wird. In meiner Tätigkeit als Sprecher wird es Veränderungen geben: Die neuen technischen Möglichkeiten werden es erlauben, mit Roboterstimmen die menschliche Stimme punktuell zu ersetzen, was heute ja schon passiert. Hier spielen ökonomische Überlegungen eine Rolle. Vielleicht wird es irgendwann eine Art «Bio-Label» geben im Sinne von: «Bei uns hören Sie immer noch menschliche Stimmen.» Das ist meine Hoffnung. Persönlich wünsche ich mir Gesundheit, damit ich lange körperlich und geistig beweglich bleiben kann.
Lieber Herr Schmid, wir danken Ihnen für dieses interessante Interview und Ihre tolle Arbeit und wünschen Ihnen alles Gute!