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EINE OASE FÜR KURIOSITÄTEN
5 CORINNAS QUARTIER TALK
mit ERICA SCHÜTZ
Erica alias Olga’= in ihrem Reich an der Herzogstrasse 7. Hier finden sich viele Raritäten, Kuriositäten und Kleider für jeden Stil und Geschmack.
Bilder: cem
An Berns «schönster Allee», der Herzogstrasse, befindet sich auf der rechten Strassenseite, wenn man Richtung Kasernenwiese blickt, der kultige Secondhandladen «Olga’O» von Erica Schütz Schünemann. «Olga’O» ohne Erica ist wie Erica ohne herzliches «Hallo!». Ihr treffsicheres Auge und Gefühl für Moderichtungen, Styles und Farben machen ihren Secondhandladen zu einem Geheimtipp, wenn es um tolle Einzelstücke und Raritäten geht. Gerne haben wir Erica, die auch liebend gerne «Secondhand» trägt, ein paar Fragen gestellt. get, zu erfüllen. Kleider sind ja viel mehr als bloss ein Accessoire. Wenn sich eine Kundin in Kleidern wohlfühlt, fühlt sie sich auch in ihrer Haut wohl. Und das Weiterverwenden von Kleidern ist auch für unsere Umwelt positiv. Ich bewundere alle, die sich der Secondhand-Leidenschaft verschrieben haben. Es steckt natürlich mitunter viel Arbeit dahinter, aber man setzt auch Trends und macht Leute glücklich und ich bin dankbar für all die Kundinnen und Kunden, die es wagen, nicht nur Sachen aus erster Hand zu tragen.
Wie trägst du den UmweltgedanWie bist du zu deinem kleinen Bi- ken sonst noch in die Welt? jou «Olga’O» gekommen? Indem ich selten etwas wegwerfe. Eine Freundin erzählte mir, dass Ich gebe es zu: Ich bin eine Jägedie Möglichkeit rin und Sammzur Untermie- lerin … Kleider te in ihrem Ge- «Es gibt so viele und Accessoires schäft an der Herzogstrasse unglaublich wunderbare in «neuer Form» an Leute zu bestehe und ich Begegnungen hier bringen, ist hatte den Mut, in meinem Laden.» schöner und meinen Traum klüger, als diezu leben – viel- se zu entsorgen. leicht auch, weil ich noch einen 60 %-Job innehatte … (schmunzelt). Welche wunderbare Geschichte gibt es im Zusammenhang mit War es schon immer dein Wunsch, «Olga’O» zu erzählen? einen Secondhandladen zu haben? Oh, es gibt so viele unglaublich Ja, das war schon immer mein wunderbare Begegnungen hier grosser Wunsch. Auch ein ganzes in meinem Laden – wunderschöBrockenhaus schwebte mir vor … ne und traurige auch. DANKE(lacht) SCHÖN.
Weshalb Secondhand? Weil es wunderbar ist, Textilien in Farben, Formen und unterschiedlichen Schnitten zu kombinieren. Weil es erfüllend für mich ist, Menschen zu begleiten und ihre ModeWünsche, auch bei kleinem BudWas macht dir besonders Freude an Dingen «aus zweiter Hand»? Sie erinnern dich an und erzählen dir Geschichten, inspirieren und beflügeln dich. INSPIRATION, KUNST UND GESCHICHTE – alles in einem. Welches war dein bisheriges «Lieblingsstück»? Das war ein Geschenk an mich, eine 18-jährige IVKO Jacke. IVKO ist eine Strickmanufaktur in Serbien. Doch eigentlich war es nicht nur dieses eine Geschenk, sondern es gab und gibt immer wieder «Lieblingsstücke».
Welche Kundinnen und Kunden beeindrucken dich? Alle, die zu «Olga’O» kommen (gebende und nehmende) und glücklich und entspannt wieder losziehen …
Wo bist du im Nordquartier am liebsten unterwegs? An der Herzogstrasse, obwohl sie ruhiger geworden ist. Es gab früher viel mehr Geschäfte hier. Ich wünsche mir, dass die kleinen (Spezial-)Geschäfte für uns Menschen wieder wichtiger und Teil unseres Lebens sein werden.
Was ist dein Quartier-Geheimtipp? Oh, all die kleinen Ladengeschäfte und ihre Besitzer, die mit Leidenschaft und Mut ihre Produkte anbieten.
Was möchtest du deiner Kundschaft, die dich momentan nicht besuchen kann, auf diesem Weg mitteilen? Liebe Kundschaft – erst einmal DANKESCHÖN. Jetzt gilt es erst recht, von den «Olga’O»-Dienstleistungen zu profitieren. Es ist essenziell, auch in Zukunft, dass sich Menschen vermehrt unterstützen. Was mein Angebot betrifft, so könnte man es wie folgt zusammenfassen: Flicken & Zugenäht: Reparaturen, Nähen und Pflege von Textilien, von Wolle, Leder und vielem mehr. Aus Alt mach Neu: Ich zaubere Neues aus Altem. Lassen Sie sich überraschen! Fürs persönliche Wohlgefühl: Gemeinsam stellen wir Ihren Kleiderschrank und Ihre Garderobe neu zusammen oder rücken Ihre Möbel ins rechte Licht. Für die Umwelt: Gerne auch tausche ich Kleider
Beschenken Sie sich oder andere mit Dienstleistungen von & mit «Olga’O»! Denken Sie umweltbewusst und lassen Sie Ihre Stücke reparieren, anstatt sie wegzuwerfen … Jetzt und auch in Zukunft brauchen wir die «Lädeli» & das Kleingewerbe, Ihre Unterstützung, Aufmerksamkeit und Freude. VERGESSEN wir uns NICHT. Dankeschön, Ihre Olga’O@Erica.
ZUR PERSON
Erica wurde als Jüngstes von elf Kindern in Schwarzenburg geboren. Sie wuchs nach dem frühen Tod des ältesten Bruders mit drei Schwestern und sechs Brüdern auf. Genau wie ihre Interessen waren nach der Schulzeit und Weiterbildung an der BFF auch ihre weiteren Ausbildungen und Berufe breit gefächert. Farb-, Wohn- und Stilberatung, Visual Merchandising und Farb- und Formenlehre wechselten sich ab mit ihren Anstellungen als Arztsekretärin, Aussendienstmitarbeiterin bei «Teddys», Dekorateurin bei Coop, «Servierengel» im «Zähringer», im «Düdü» und «Les Amis» und seit drei Jahren Ladenbesitzerin ihres eigenen Labels «Olga’O». Privat liebt sie das Kochen, die Vielfalt, die Buntheit, die Liebe und die Freiheiten und dass sie das Frausein liebt und immer mehr «sie» sein kann – so ist ihr Motto denn auch: Das Leben kann so schön sein – bunt und rund!
Alle bisher erschienenen TALKS von Corinna E. Marti finden Sie auf unserem Web: www.afdn.ch > Nordquartier > Quartier-Talk
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QUARTIER-SCHAUFENSTER
Läden&Gewerbe
MICHA BUCHMÜLLER GESUNDHEITSPRAXIS Breites Angebot an Heilmethoden
Massagen, Schamanisches Heilen und Trancearbeit sind heute anerkannte Methoden, das Gleichgewicht wieder zu erlangen. Micha Buchmüller hat sich schon früh den alternativen Heilmethoden verschrieben, breitgefächerte GesundheitsAusbildungen absolviert und sich viel tiefes Wissen angeeignet. Ganzheitliches Heilen ist ihm wichtig und Micha ist glücklich darüber, am 2. Februar an der Flurstrasse seine neue Gemeinschaftspraxis eröffnet zu haben, gemeinsam mit Tom Karnonos (Reflexologie) und Stéphanie Berger (Bachblüten und Trauerbegleitung). Nebst seinen Angeboten in der Praxis bietet Micha Buchmüller auch verschiedene Kurse in Schwarzenburg an. Corinna E. Marti
Viel Wärme und Geborgeheit strömt es um die «Grundbedürfnisse» der er aus, der Menschen geht. neueröffnete Praxisraum an der «Der Fluss des Lebens, Was im fernen Osten seit JahrFlurstrasse im verbunden sein mit der hunderten prakBreitenrain. Micha BuchmülMutter Erde, der Natur & tiziert wird, ist auch bei uns imler ist überzeugt, dem Spirit des Univer- mer mehr Usus. dass ganzheitliches Heilen und sums» (Mitakuye Oyasin) Micha Buchmüller ist glücklich, Profilaxe wichtige sein breites GeZukunftsthemen sein werden, wenn sundheitswissen neu auch im Nordquartier anzubieten. So können bei ihm diverse Massagen (Lomi Lomi, Sportmassage, Fussreflexzonenmassage, Intuitiv-Energetische Massage) und Schamanisches sowie Trance- und Energetisches Heilen und das Ausbalancieren der Chakren (die Energiezentren des Körpers) gebucht werden. Auch werden Energetische Hausreinigungen mit Räuchern angeboten. Die Preise bewegen sich zwischen SFr 120.– und 180.–, je nach Angebot und Dauer. Beliebt sind auch die Trommelabende, Räucherkurse und Schwitzhüttentage in Schwarzenburg, die voraussichtlich, je nach Lage, im Sommer wieder angeboten werden. Wer sich vertieftes schamanisches Wissen aneignen möchte,
Micha Buchmüller ist überzeugt, dass ganzheitliches Heilen die Zukunft ist.
Bilder: zVg
INFO
Gesundheitspraxis Micha Buchmüller Flurstrasse 1a 3014 Bern info@michabuchmueller.ch, www.michabuchmueller.ch www.karnonos.ch www.bachblueten-berger.ch
kann entweder die EinzelwochenendKurse oder den Jahreskurs «Das Indianische Medizinrad – Pfad der Kraft» besuchen, eine unvergessliche Reise für jedermann. Für Einzelheiten kannst du seine Website durchblättern oder Micha direkt kontaktieren.
Einladend und harmonisch,…
… der Praxisraum.
EinkaufeninIhrer Nähe
–Einegrosse Frischeprodukteabteilung mit FrüchtenundGemüse –TäglichfrischgebackenesBrot –Fleisch-undMolkereiprodukte –Zeitungen/Zeitschriften –Kaffee-Ecke
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Viktoriastrasse 49 3013 Bern
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DAVID GRÜTTER «Wir gingen nach Westen …»
Das alte Foto zeigt ein schönes Clowngesicht: weiss geschminkt, schmal, markant. Heute ist David Bühnenmeister im Stadttheater, die Zeiten des Unterwegsseins sind – zumindest für den Moment – vorüber, die Kinder, die Familie brachten Sesshaftigkeit mit sich. Aber noch immer locken das Strassentheater und Projekte in der freien Theaterszene. Auch davon erzählt David an diesem trüben, lauwarmen Januartag in der geräumigen Dachstube eines Hauses an der Jurastrasse.
in die Manege. Messer fürs Messerwerfen etc. Ich sagte immer: «Wenn ich zwei Leben hätte, würde ich eines beim Zirkus verbringen.» Aber es stellte sich dann schon auch eine Angst ein: «Alle zwei Wochen neunhundert Franken und davon auch noch das Essen kaufen … Was mache ich in zehn Jahren?»
Ist sehr gerne und sehr oft unterwegs: David Grütter.
Ich kam am 7. November 1974 auf die Welt. Für mich prägend war schon, dass ich im Tscharni aufwuchs. Im 20. Stock, nie hatte ich seither so viel Horizont! Und die Sonne, die im Westen unterging! Vor meinem Zimmer. Daher stammt vielleicht das Ziehen in mir, unterwegs zu sein, zu reisen. Auch prägend, wenn wohl eher unbewusst, war, dass mein Bruder starb, als ich noch klein war. Nach mir kamen noch zwei Schwestern. Ich hatte eine zufriedene Kindheit. Vater verdiente den Lohn, er war Hochbauzeichner. Mutter war Krankenschwester gewesen und machte wieder Erwerbsarbeit, als wir draussen waren. Vater fing erst nach der Pensionierung mit Kochen und Staubsaugen an.
Nach der Schule besuchte ich die Anschlussklasse für den Semer. Wir lernten wohl zu wenig, es bestanden jedenfalls nur drei von fünfzehn die Aufnahmeprüfung in den Semer. Also lernte ich Gärtner im Oeschberg. Mir hatte das Schnuppern gefallen, der Beruf war abwechslungsreich, wir waren unterwegs, nicht immer am Hobelbank. Und nachher hatte ich endlich einen Abschluss und arbeitete eine Weile als Gärtner. Ein Freund und ich begleiteten dann eine Freundin bei ihrem Semer-Projekt «Ich laufe ans Meer»: Von der Felsenau aus grad übere, quer durch Frankreich bis an den Atlantik. Sieben Wochen. Wir schliefen hier oder dort. Schlossgarten, Scheuer und ab und zu leisteten wir uns ein Zimmer. Wir gingen nach Westen …
Bild: kb
Eine Weile gärtnerte ich wieder, restaurierte dann einen uralten Camper, lebte darin und arbeitete temporär hier und dort. Heuen, Theaterprojekte. Bis der Zirkus wieder Thema wurde. Viva ging nicht mehr auf Tournee, vermietete aber Zelte, manchmal inklusive Shows. Da machte ich mit: Clown, Einrad. Das war für meine damaligen Verhältnisse lukrativ. Ich schickte dann Zurück in der Schweiz arbeitete ich eine Blindbewerbung ans Stadtthewieder als Gärtner bis ich merkte: ater und erhielt eine Anstellung als «Wenn ich nichts ändere, bin ich Techniker. Auf- und Abbau der Bühnoch mit fünfundsechzig in den nenbilder, Vorstellungen betreuen, gleichen Gärten. Ich muss weiter!» Türen öffnen, Nebel, Bühnen verSeit jeher hatte der Zirkus mich fas- senken. Ich war zirka achtundzwanziniert. Schon als Junge ging ich zig. Bis da hatte ich nie länger als mit dem Einrad auf den Bundes- zwei Jahre irgendwo fest gearbeitet. platz und kam mit siebzig Schtei nach Hause. Vater nahm mich mit Im Theater erhielt ich einen Monatsin Karl’s Kühne Gassenschau und lohn für fünfzig Prozent, arbeitein den Zirkus. Wir lernten zu Hause te aber ein halbes Jahr hundert Promit Petflaschen zent. So hatte ich jonglieren. Un- die andere Hälfterwegssein, et- «Der Ort hier unten te frei für den Zirwas zeigen, da sein und plötzan der Jurastrasse ist kus, ich machte Strassenshows lich wieder weg schon einmalig. mit Urs, einem - ich rief die 111 an und liess mir Ich kenne ihn jetzt Freund. Unter anderem in Paris, sämtliche Zir- sicher zwanzig Jahre.» Centre Pompikus-Telefon - dou. Eine Pause nummern geben. entstand, als ich Der erste, bei dem ich durchkam, auf einer Reise in Kanada von den war Viva. Zirkusdirektor Zimmer- Stelzen fiel und den Arm verletzte. mann sagte: «Chasch am Samschtig cho!» Er war in der Werkstatt und Die Anstellung im Theater beruhigte raunzte: «Dä mit der Zirkusroman- meine finanzielle Situation. Meinen tik chasch grad vergässe!» Ein harter Draht zur freien Theaterszene behielt Einstieg, aber die Romantik fand ich ich aber. Ich kenne beide Welten und dann trotzdem … verknüpfe sie auch gern. Manchmal kann ich Bühnenelemente, die sonst Ich zog mit meiner Tasche in ein weggeworfen würden, in die HeiteWohnwägeli für mich allein – mei- re Fahne oder in die grosse Halle der ne einzige Bedingung – und wurde Reitschule vermitteln. zu einer Art Bindeglied zwischen der Direktion und den rund fünfzehn Als ich beschloss, Bühnenmeister zu osteuropäischen Arbeitern, Artisten lernen, war ich schon mit Eve zusamund Artistinnen. Eigentlich war ich men (Quartierchopf 78, kb). Ein Kind alles, ausser Artist: Traktorfahren, war da, ich dachte kurz daran, die Plakatieren, Zelt aufbauen, im ers- Lehrerausbildung nachzuholen, aber ten Jahr auch das Licht. In der zwei- ich merkte: Mein Herz schlägt fürs ten Saison brachte ich die Utensilien Theater! Die blockweise Ausbildung
ARTIER-CHÖPF Q U
FOLGE 93
in Deutschland enthielt viel Statik, Rechnen, Rechtliches (Fluchtwegbreite, Geländerhöhe, Brandschutz, Gefahren usw.). Zwei Jahre später erhielt ich eine Stelle als Bühnenmeister im Stadttheater Bern. Viele Überstunden, zwei kleine Kinder zu Hause – es war oft hart. Heute würde ich eher sagen: «Jetzt ist mal gut, ich gehe nach Hause.» Aber wir sind heute auch mehr Leute. Und wieder bin ich ein Vermittler, zwischen Kunst und Technik. Es ist eine schöne Welt!
Daneben erfanden Eve und ich gemeinsam ein abendfüllendes Theaterstück. Mit der Strassenversion waren wir sogar in Chur am Strassenfestival. Ich machte immer mal wieder Strassenshows. Vorhang auf, etwas Clowneskes, zwei, drei Zaubersachen, dann Einrad, hohes Einrad, dann noch jonglieren auf dem Einrad. Strassentheater ist halt pur, das Publikum muss helfen, damit es gut wird. Und am Schluss das Finale. Momentan wird ja nicht gespielt im Theater. Weil ich dadurch mehr Zeit habe, habe ich auch viele Ideen für zukünftige Strassenshows.
Der Ort hier unten an der Jurastrasse ist schon einmalig. Ich kenne ihn jetzt sicher zwanzig Jahre. Die Leute sind verbunden, aber auf eine ungezwungene, freie Art. Wenn zügeln, dann höchstens mit der Familie in den Zirkus oder in ein Wandertheater. Aber in einen andern Stadtteil – nein! Erst recht nicht, seit die Kinder in der Schule sind und hier Freunde und Freundinnen haben. Nur manchmal ist der Ort ein Loch, dann suche ich in den Bergen das 20.-Stock-Gefühl. Oder es zieht mich zum Meer.
Wenn die Kinder älter werden, geben sie mehr gedanklich zu tun als praktisch. Und es entsteht ein Freiraum für die Frage: Wie geht es mit mir weiter?
Aufgezeichnet von Katrin Bärtschi
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