16
Tages-Anzeiger – Freitag, 2. September 2011
Zürich
Prinz Gutherz Das norwegische Kronprinzenpaar Haakon und Mette-Marit war zu Besuch in der Zurich International School in Adliswil. Die beiden engagieren sich mit vielen anderen Prominenten für das gestern in Zürich eröffnete «One Young World»-Forum. Von Janine Hosp Adliswil/Zürich – Es hätte auch der Beginn eines Rockkonzerts sein können: «Hello everybody! How are you doing?», rief der gebräunte Mann mit den abgetragenen Jeans in den Saal. Zurück kam ein undefinierbares Gemurmel. Damit konnte er nicht zufrieden sein. «Hello everybody! How are you doing?», versuchte er es nochmals. Der Mann ist kein Rockstar, sondern ein Prinz – seine Königliche Hoheit Prinz Haakon von Norwegen, an seiner Seite Prinzessin Mette-
«Ich habe vier Kinder. Ab und an stelle ich mir die Frage, was ich tun kann für diese Welt.» Werber Frank Bodin
Marit. Und er beabsichtigte nicht, ein Konzert zu geben, sondern er hatte eine Aufgabe für sein Publikum, die Jugendlichen der Zurich International School in Adliswil: Sie wurden zu Gruppenarbeiten eingeteilt, um über Menschenwürde und Werte zu diskutieren. Das war der medienwirksame Auftakt zum zweiten «One Young World»-Forum, das CNN als «junges Davos» bezeichnete und dieses Jahr in Zürich stattfindet: Die 1200 Teilnehmer aus 194 Ländern wollen wie jene des WEF den «Zustand der Welt verbessern». Im Gegensatz zu diesen sind sie aber jung – zwischen 18 und 25 Jahre alt –, nicht mächtig und nicht zwingend reich. Jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin wird mit 3000 Euro gesponsert. Dafür wird von ihnen auch etwas erwartet: Sie sollen während der vier Tage in Zürich ein Projekt ausarbeiten, das sich anschliessend in ihren Ländern realisieren lässt. Für diese Aufgabe werden ihnen neben dem norwegischen Prinzen Mentoren zur Seite gestellt, die sich nicht nur selber engagieren, sondern dem Anlass auch Aufmerksamkeit sichern: Desmond Tutu, Friedensnobelpreisträger und Erzbischof aus Südafrika; Muhammad Yunus, Friedensnobelpreisträger und Erfinder der Mikrokredite aus Bangladesh; Fatima Bhutto, Autorin und Enkelin des früheren pakistanischen Premierministers; Rockstar Bob Geldof und Fernsehkoch Jamie Oliver. Den Anlass samt Prominenz hat Werber Frank Bodin nach Zürich gelotst. Und das, obwohl er selber erst skeptisch war, als er vor einem Jahr per Zufall das Forum besuchte. «Ich dachte zuerst, das
Prinz Haakon und Mette-Marit werden vor der Swiss International School von zwei Schülerinnen aus Norwegen mit Blumen empfangen. Foto: Dominique Meienberg
sei einfach ein Kongress mehr.» Aber die Erinnerung daran liess ihn nicht mehr los. Die lebendige Atmosphäre, das multikulturelle Umfeld, die intelligenten Diskussionen hatten ihn dermassen beeindruckt, dass er sich in London um dessen Durchführung bewarb. Seine Kandidatur setzte sich gegen neun Konkurrenten durch. «Es war toll, wie schnell die Wirtschaft und die Stadt Zürich zugesagt haben, den Anlass zu unterstützen», sagt Bodin. Gehört auch er zu den Gutmenschen? «Ich bin ein mi-
serabler Kerl – ich bin Werber, und die haben nicht das beste Image», wehrt er ab. Aber: Er habe vier Kinder, sei Mitglied des Club of Rome, und ab und an stelle er sich die Frage, was er tun könne für diese Welt.
1200 gute Ideen Wenn am Sonntag das Forum zu Ende geht, sollen mit den Teilnehmern 1200 Ideen für gemeinnützige Projekte Zürich verlassen, erwartet Bodin. So wie vor einem Jahr London. Eine Teilnehmerin
aus Nepal startete ein Projekt, um die Situation der Frauen in ihrem Land zu verbessern, zum Beispiel durch Sexualaufklärung in Schulen und HIV-Tests. Ein Bulgare richtete eine Datenbank ein, in der vermisste Personen registriert werden, eine Amerikanerin entwarf eine Tasche, deren Erlös es einem Kind ermöglicht, ein Jahr lang zur Schule zu gehen. 550 000 Stück wurden bereits verkauft. In zehn Jahren wird womöglich auch der eine oder andere Schüler der Zurich International School am Forum teilneh-
men – Prinz Haakon hat gestern die Saat dafür gestreut. Die Jugendlichen erzählten nach der Gruppenarbeit, wie sie in Polen Häuser bauen halfen, in den Slums von Mumbai Frauen Englisch lehrten oder auf Geburtstagsgeschenke verzichteten und das Geld dafür einem Obdachlosenheim spendeten. Prinz Haakon schüttelte jedem Sprecher, jeder Sprecherin die Hand und forderte sie nachdrücklich auf: «Macht euch Gedanken darüber, was ihr in eurem Leben bewirken wollt.»
Der Ägypter Wael Ghonim bekam im Kongresshaus viel Applaus.
Für einmal ist Starkoch Jamie Oliver nicht für das Catering zuständig.
«One Young World»
Weltstars auf dem blauen Teppich Zürich – «Wir heissen die engagierten jungen Menschen in Zürich herzlich willkommen», schrieb Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch. Sie richtete ihre Grussadresse an die 1200 Teilnehmenden des gestern in Zürich mit einem grossen Feuerwerk eröffneten «One Young World»-Forums. Mauch könnte aber auch die prominenten Mentoren gemeint haben. Die meisten sind zwar nicht mehr ganz jung, aber deswegen nicht weniger engagiert. Und sie liessen es sich nicht nehmen, an der Eröffnungszeremonie im Kongresshaus persönlich teilzunehmen. So schritt eine illustre Reihe von Persönlichkeiten über den blauen Teppich, die als Vorbilder durchaus taugen. Darunter der südafrikanische Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, flankiert von Musiker und Live-Aid-Organisator Sir Bob Geldof. Auch eine prägende Figur der jüngsten Geschichte fand den Weg ins friedliche Zürich: Internetaktivist Wael Ghonim, der die Revolution in Ägypten mit ausgelöst hat. Dazu gesellten sich Popstars wie Sängerin Joss Stone oder Starkoch Jamie Oliver – Letzterer hat zumindest Popstar-Status. Aus der Welt des Sports kam Fussballer Clarence Seedorf, diejenige der Wirtschaft wurde etwa durch Swiss-CEO Harry Hohmeister und Unilever-Chef Paul Polman vertreten. (tsp)
Irland trifft Südafrika in Zürich: Bob Geldof (l.) und Desmond Tutu. Fotos: Keystone
Jugendliche zeigen Flagge: Forumsteilnehmende versammeln sich am See.