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1. Enttäuschte Erwartungen

1. Enttäuschte Erwartungen

Die Euphorie der Wendezeit war groß. Der « Wind of Change» blies von Osteuropa aus über den Rest der Welt, scheinbar jedenfalls. Die Zukunft würde besser sein als die Vergangenheit. Sie wäre auch gestaltbar: Hatten nicht gerade Millionen Osteuropäer gezeigt, dass sie mit friedlichen Mitteln hochbewaffnete Sicherheitskräfte, Mauern und Stacheldraht überwinden konnten? Es gab nicht viele, die sich dieser Euphorie entziehen konnten, in Osteuropa ohnehin nicht, aber auch nicht anderswo. Und es gab nicht viel, was nicht machbar schien mit dieser Energie der Millionen. Die Welt schien im Aufbruch.

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Die Wende war ein osteuropäisches Ereignis. Der Zusammenbruch des Sowjetblocks mit dem Mauerfall 1989 und dem Zerfall der Sowjetunion 1991 als den Höhepunkten war hausgemacht. Der real existierende Sozialismus hatte versagt, seine Bürgerinnen und Bürger – von den Mächtigen eher wie Untertanen behandelt – hatten das gemerkt und die Verantwortlichen in Rente geschickt. Der Westen war in diesem Umbruch nur Zuschauer, überrascht und zugleich verunsichert, denn auch seine Welt wurde infrage gestellt.

Der Westen hatte durchaus Erwartungen geweckt, direkt und indirekt. Diese Erwartungen hatten dazu beigetragen, dass die Osteuropäerinnen und Osteuropäer ihre Regierenden herauszufordern wagten. Die direkt geweckte Erwartung: Westen ist gleich Freiheit.

Die vielleicht wirkungsvollste Erwartung: Wohlstand. Diese Erwartung wurde geweckt durch die Bilder im Westfernsehen, durch die Touristen aus dem Westen, durch die staatlich betriebenen Geschäfte, in denen Ostbürger für Westgeld Waren kaufen konnten, die es im Osten nicht oder nicht genug

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