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Die musikalische Revolution des Helge Schneider!

Die musikalische Revolution des

Helge schneider

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Gaga-Songs wie „Katzeklo“ und „Es gibt Reis, Baby“ machten Helge Schneider zu einem der beliebtesten Komiker der Deutschen. Der 64-jährige Sänger, Multiinstrumentalist und Musikclown aus Mülheim an der Ruhr ist seit rund 45 Jahren auf Tournee und veröffentlicht im August eine neue Platte, die er selbstredend auch live vorstellt. Motto der Konzertreise: „Pflaumenmus – die Tournee zum Mus“. Mit ihm auf der Bühne stehen der deutsche Bluesgitarrist Henrik Freischlader und der amerikanische Jazz-Bassist Ira Coleman. Er zupfte bereits für Herbie Hancock, Branford Marsalis und Sting den Bass. Olaf Neumann sprach mit Helge Schneider über Politsongs, Alkohol und wahre Unabhängigkeit

0381-Magazin: Herr Schneider, Ihr neuestes Album „Partypeople (beim Fleischer)“ erscheint als CD- und als Vinyl-Edition. Sind Sie leidenschaftlicher Plattensammler? Helge Schneider: Ich habe nur die Platten zuhause, die mich mein Leben lang begleitet haben. Ein paar davon habe ich verliehen und nicht wiedergekriegt. Das ist besonders traurig, weil es die Platten waren, mit denen ich mich am meisten beschäftigt habe. Zum Beispiel eine Live-LP von Jimmy Witherspoon wurde mir von einer Unbekannten geklaut. Danach war ich vier Tage krank. 40 Fieber! Zum Glück gibt es ja jetzt YouTube. So konnte ich die Platte wieder hören. Das Internet hat auch seine guten Seiten.

0381-Magazin: Wie kam es 1975 zu Ihrer allerersten Platte? Schneider: Meine erste Plattenproduktion habe ich bei einem Musikwettbewerb gewonnen – zusammen mit der Gruppe Trademark, weshalb wir uns diese Schallplatte teilten. Jeder hatte eine Seite. Ich glaube, ich habe noch ein Exemplar. Die Platte ist 1975 in einer Auflage von 600 Stück erschienen und später als CD wieder aufgelegt worden. Sie hatte keine Hülle, sondern war in Packpapier mit einem schwarzen Aufdruck und dem Foto der jeweiligen Gruppe eingeschlagen. Ein unmögliches Möbelhaus hatte damals diesen Jazzwettbeweg veranstaltet, bei dem Albert Mangelsdorff und Wolfgang Dauner als Juroren fungierten. Ich bin da mit meinem Trio und eigenen Stücken aufgetreten.

0381-Magazin: Haben Sie damals schon lustige Lieder gemacht? Schneider: Wenn wir mal die Chance hatten aufzutreten, habe ich zwischen den Liedern Quatsch gemacht. Bei diesem Jazzwettbewerb mussten wir nachmittags spielen und konnten drei Wochen später in Düsseldorf in ein professionalles Studio gehen. Dafür bekamen wir später 300 Platten ausgehändigt. Ansonsten ist das Album überhaupt nicht ausgewertet worden. Ich weiß nicht, ob da überhaupt das Möbelhaus draufsteht, aber ich guck gleich mal nach.

0381-Magazin: Eine Schallplatte war in den Siebzigern von ganz anderer Bedeutung als

heute, wo immer wieder vom Tod des Albums die Rede ist. Warum machen Sie Platten? Schneider: Ich mache heute Schallplatten aus Liebhaberei. Es sieht einfach gut aus. Ich mache das alles selbst. Ich habe alles abgestoßen und mache auch keine Verträge mehr mit großen Plattenfirmen, weil mir die Art der Vermarktung nicht gefällt.

0381-Magazin: Wurden Ihre Qualitäten von den Plattenfirmen immer gewürdigt? Schneider: Natürlich, sonst wäre es nicht zu einer fruchtbaren Zusmamenarbeit mit Bernd Kowalzik von Roof Music gekommen, die über 30 Jahre gewährt hat. Dort habe ich 1983 meine erste offizielle Schallplatte gemacht, „Seine größten Erfolge“. Zur selben Zeit drehte ich mit Werner Nekes den Film “Johnny Flash”.

0381-Magazin: Ira Coleman trat vor zehn Jahren der Band von Sting bei. Sind Ihre Tourneen von Stings Terminplanungen abhängig? Schneider: Ich glaube, im Moment ist Ira Coleman nicht mit Sting unterwegs, sondern mit der Sängerin Dee Dee Bridgewater und den Blind Boys Of Alabama in den USA.

0381-Magazin: Auf Ihrem Album spielen Sie keine Alte-Herren-Mucke, sondern moderne Dance-Rhythmen. Welcher Sound schwebte Ihnen vor, als Sie ins Studio gingen? Schneider: Wenn ich morgens aufstehe, mache ich immer das Radio an. Dann höre ich zum Beispiel diese moderne Musik mit nur ein oder zwei Harmonien, das muss wohl heute so sein. Davon beeinflusst ist natürlich auch meine aktuelle Musik. Das hört sich im Radio alles wahnsinnig wichtig an, obwohl die Texte absolut hanebüchen sind. Im Grunde genommen ist mein “Dance to the Music” eine Satire auf die Stereotypen von heute. Es soll ruhig auch mal nerven.

0381-Magazin: Sie machen jetzt auch Politsongs. Bewirkt es etwas, die Stimme zu erheben? Schneider: Kunst ist subversiv. Sie hat sicherlich eine Macht im Untergrund, oft auch auch über Jahrhunderte verspätet. So ist eben Kunst. Der “Political Song” ist eigentlich eine Persiflage, aber nicht nur auf den Politsong, sondern auch auf das, was uns bewegt. Heute zentriert sich alles auf den amerikanischen Präsidenten.

Klima, Geld, Krieg. Von den Medienberichten über ihn wird man fast erschlagen, deshalb heißt es in dem Song auch “Trump, Trump, Trump!” Im Grunde genommen sage ich in dem Song gar nicht viel, aber der Hörer muss trotzdem über das Gesagte nachdenken. Ist das schon Aufruf zur Revolution?

0381-Magazin: Das Stück „Einkaufen“ ist ein Kurzhörspiel über Menschen, die sich gerne reden hören. Was hat Sie dazu inspiriert? Schneider: So wie in dem Stück sind die Leute wirklich. Sie erzählen manchmal nur von sich. Ich habe einfach das Tonband angemacht und angefangen zu quatschen, ohne mir vorher Gedanken gemacht zu haben. Dabei habe ich das Tonband auf langsam gestellt, damit ich eine hohe Stimme habe, dann habe ich es schneller gedreht. Die beiden Stimmen fallen sich immer gegenseitig ins Wort. Das ist Jazz. In der zweiten Hälfte der Platte findet sich eine Ballade, auf der ich zuerst Klavier und dann Saxofon spiele, einfach improvisiert. Es hört sich aber irgendwie schön an, und deshalb kam es auf die Platte. So mache ich das jetzt immer. Ich bin ja an nicht an eine große Plattenfima gebunden, wo sowas wahrscheinlich nicht möglich wäre.

0381-Magazin: Kann man das, was Sie machen, als Avantgarde bezeichnen? Schneider: Ich zeige auf, dass man alles machen kann. Hauptsache, es gefällt mir selbst! Wie es anderen gefällt, ist mir erstmal egal. Der Rest ergibt sich. Ich stelle fest: Avantgarde!

0381-Magazin: Machen Sie nur noch Schallplatten für den harten Kern? Schneider: Das weiß ich gar nicht. Das haben sich schon Leute angehört, die nicht zum harten Kern gehören. Die können damit etwas anfangen. Vor allen Dingen, wenn man es auf CD im Auto hört. Wenn man sich auf den verschiedenen Autobahnen in Deutschland durch den Verkehr wühlt, hat man wenigstens Spaß dabei.

0381-Magazin: Fahren Sie bei Ihrer Sommertour mit dem eigenen Wohnmobil von Stadt zu Stadt? Schneider: Ja natürlich. Soll ich zu Fuß gehen? Und manchmal fühle ich mich in den

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