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Neues fürs Heimkino

| FILME |

Keine leichte, aber starke Kost

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Frankreich vor knapp 60 Jahren: Anne, eine junge Frau aus einfachen Verhältnissen, ist kurz davor, einen ersten großen Schritt Richtung Berufstraum zu machen. Sie will Literatur studieren, um eines Tages einmal Professorin zu werden. Doch kurz vor den Aufnahmeprüfungen geschieht etwas, was ihre Träume von einem Moment auf den anderen ins Wanken bringt: Sie wird schwanger, ungewollt. Wider aller gesellschaftlicher Konventionen und geltender Gesetze — Schwangerschaftsabbrüche sind anno 1963 in Frankreich verboten — entscheidet Anne sich für eine Abtreibung. Egal, wo sie anfragt, wird ihr die Hilfe jedoch versagt. Die stetig näher rückenden Prüfungen vor Augen wählt sie schließlich den drastischsten aller möglichen Auswege… Audrey Diwans Umsetzung des gleichnamigen autobiografischen Bestsellerromans »Das Ereignis« von Annie Ernaux ist kein Film, der sich ganz subtil nur auf Andeutungen beschränkt — ganz im Gegenteil in seiner emotionalen Eindringlichkeit, ja unbeschönigten Drastik dem Publikum ziemlich stark zusetzt. Und damit zu einem hoch intensiven Filmerlebnis erwächst, das einen wichtigen Beitrag zum nach wie vor brandaktuellen Thema Schwangerschaftsabbruch liefert. (mei)

DAS EREIGNIS Ab 22.09.2022 auf DVD, Bluray und VoD

Ganz ohne Böswilligkeit

Zehn Jahre nach seinem Berlinale Gewinnerfilm »Nader und Simin — Eine Trennung« präsentiert sich der iranische Regisseur Ashar Farhadi einmal mehr als Meister des Moralische-Zwickmühle-Kinos. »A Hero — Die verlorene Ehre des Herrn Soltani« erzählt die Geschichte eines Mannes, der eigentlich nur alles richtig machen will und gerade deshalb lange Zeit fast alles falsch macht. Rahim Soltani hat sich so arg verschuldet, dass er dafür zuletzt sogar ins Gefängnis musste. Als seine Freundin Nazanin eines Tages eine Handtasche voller Goldmünzen findet, wähnt Rahim sich am Ende seiner Pechsträhne: Mit Hilfe der Münzen hofft er, seinen Schuldenberg verkleinern, seine Haftstrafe verkürzen und vielleicht auch endlich Nazanin heiraten zu können. Doch dann meldet sich sein schlechtes Gewissen und Rahim beschließt, die Besitzerin der Tasche ausfindig zu machen, was ihm tatsächlich auch gelingt. Und dann läuft es wie von selbst: Rahim, der sich ohne böse Absicht selbst als Finder besagter Tasche ausgegeben hat, wird von den sozialen Medien als moralisches Vorbild gefeiert. Journalisten bitten ihn um Interviews, Rahim tritt im Fernsehen auf, sogar ein neuer Job wird ihm angeboten. Irgendwann wird er allerdings gebeten nachzuweisen, dass sich wirklich alles so zugetragen hat wie von ihm geschildert — und Rahim fügt seiner anfänglichen Notlüge eine weitere hinzu, was alsbald in einem dichten Lügengeflecht resultiert, in dem er sich in seiner Unbeholfenheit immer mehr verstrickt und verheddert … Dicht gewebtes ethisches Drama, genau beobachtet und voller Sympathie für menschliche Schwächen, wie wir sie alle kennen. (mei)

A HERO — DIE VERLORENE EHRE DES HERRN SOLTANI Seit 31.08.2022 auf DVD und Bluray

Auf Schicksalsreise

Man schreibt das Jahr 895 n. Chr.: Wikingerkönig Aurvandil ist soeben in sein irgendwo in den Gestaden des Nordatlantiks gelegenes Inselreich Hrafnsey heimgekehrt. Den baldigen Tod vor Augen beschließt er, die Macht an seinen zehnjährigen Sohn Amleth weiterzugeben, doch sein Halbbruder Fjölnir, der selbst den Thron besteigen will, durchkreuzt diese Pläne hinterlistig: Er tötet Aurvandil und nimmt dessen Frau Gudrún selbst zum Weibe. Amleth, der auch getötet werden soll, kann im letzten Augenblick entkommen — sich selbst schwörend, eines Tages zurückzukehren, um Vater und Mutter zu rächen und Fjölnir zu töten. Viele Jahre später ist der Knabe zu einer monströsen Kriegerfigur herangewachsen, der seinen Schwur längst vergessen hat und als Teil einer Gruppe von Berserkern mordend und marodierend durch das Land der Rus zieht. Als er während eines Überfalls auf ein Dorf von einer Seherin an seine Herkunft erinnert wird, überdies erfährt, dass Fjölnir mittlerweile als Stammesfürst auf Island lebt, besteigt Amleth kurzentschlossen ein Sklavenschiff, um sich an seinen Onkel verkaufen zu lassen und endlich seinen alten Racheplan umzusetzen …

Ausnahmetalent Robert Eggers hat mit »The Northman« ein bildgewaltiges Racheepos geschaffen, das wie schon Shakespeares »Hamlet« auf einer Sage der altdänischen Mythologie basiert, allerdings gänzlich ohne jegliches existenzialistische Hadern und Zweifeln der Hauptfigur auskommt. Das nimmt dem sehr geradlinig erzählten Film zweifelsohne die Tiefe, Alexander Skarsgård spielt die Figur des tumb-brutalen, auf Rache sinnenden Amleth jedoch mit einer derartig physischen Präsenz, dass man ihm durchaus bereitwillig zum Begleiter bzw. zur Begleiterin auf seiner ›Schicksalsreise‹ wird. (mei)

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