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Neue Gesetzeslage: Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland und den USA

ZWISCHEN JURISTISCHER THEORIE UND MEDIZINISCHER PRAXIS:

SCHWANGERSCHAFTSABBRÜCHE IN DEUTSCHLAND UND DEN USA

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Ein Gastbeitrag vom feministischen Kollektiv „Access Allgäu Area“

Am 24. Juni 2022 schafft der U.S. Supreme Court faktisch das Recht auf Abtreibung ab. Am selben Tag beschließt der Deutsche Bundestag die Streichung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche in Paragraph 219a StGB. Wie passen diese Ereignisse zusammen? Und wie genau sieht die Situation für ungewollt schwangere Menschen in Deutschland jetzt eigentlich aus?

Am Freitag, den 24. Juni 2022 geht ein symbolisches Erdbeben durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Es bringt ein Konzept zum Einsturz, das die Mehrheitsgesellschaft bis dato für selbstverständlich gehalten hat: Dass alle Menschen über ihren Körper frei bestimmen dürfen. Und dass das Leben eines Menschen nach seiner Geburt nicht weniger wert sein kann als davor.

In seiner Entscheidung Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization kippte der oberste Gerichtshof der USA das seit 1973 verankerte Recht auf Abtreibung. Damals hatte das Gericht in Roe v. Wade entschieden, dass die Bundesstaaten die Möglichkeit einer Abtreibung erst ab dem Zeitpunkt ausschließen können, ab dem der Fötus selbst lebensfähig ist – in der Regel also nach der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche. Die Entscheidung, eine Schwangerschaft abzubrechen, so die Begründung, sei durch das Recht auf Leben und Freiheit im 14. Zusatzartikel der U.S.-Verfassung geschützt. „Falsch“, sagen die obersten Richter:innen jetzt. Ein solches Recht sei in der Verfassung gar nicht ausdrücklich erwähnt und ein Verbot durch die Mitgliedsstaaten damit in jeder Form zulässig. Mit dieser Entscheidung wirft der Supreme Court nicht nur jahrzehntelange Bemühungen um die Gleichberechtigung aller Geschlechter in den Vereinigten Staaten über Bord. Er stürzt vor allem etliche ungewollt Schwangere in ein Dilemma. In 26 der 50 Staaten treten nun voraussichtlich Gesetze in Kraft, die eine Abtreibung ab Beginn der Schwangerschaft fast gänzlich ausschließen – die meisten davon ohne eine Ausnahme für Vergewaltigungen und sexuellen Missbrauch. Sie treffen diejenigen besonders hart, die es sich nicht leisten können, für einen Schwangerschaftsabbruch in andere Staaten zu reisen. In den USA sind das vor allem schwarze Menschen und die indigene Bevölkerung, von denen überproportional viele in prekären Verhältnissen unterhalb der Armutsgrenze leben. Gleichzeitig sind sie auch diejenigen, die mit der Entscheidung für ein Kind und den finanziellen Folgen vom amerikanischen Sozial- und Gesundheitssystem allein gelassen werden.

Kurz vor der Veröffentlichung der Entscheidung durch den Supreme Court beschließt der Deutsche Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder, den Paragraph 219a des deutschen Strafgesetzbuchs ersatzlos zu streichen. Der Paragraph verbot seit seiner Einführung durch die Nationalsozialisten 1933 in unterschiedlichen Fassungen die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche. Was dabei bis zuletzt unter den Begriff der Werbung fiel, lässt sich kaum nachvollziehen. Ein Beispiel? Eine Berliner Gynäkologin wurde 2019 für folgenden Hinweis auf ihrer Homepage zu einer Geldstrafe verurteilt: „Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch gehört zu den Leistungen von Frau Dr. G.“ Dass der Gesetzgeber dachte, Schwangere ließen sich allein durch so einen Satz zu einer Abtreibung verleiten, ist bezeichnend. Mit der Abschaf-

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