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Konzeption abenteuerbaustelle Stand: Frühjahr 2006
Inhaltsverzeichnis
TEIL 1 DAS ANGEBOT DER ABENTEUERBAUSTELLE
1 DER VEREIN
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1.1 1.2 1.3 1.4
4 4 6 7
VORWORT IDEE & ENTSTEHUNG STRUKTUR VERNETZUNG IM RIESELFELD
2 UNSER PLATZ IM WALD
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3 ÜBERLEGUNGEN ZU ALLEN ANGEBOTEN
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3.1 3.2 3.3 3.4
„DRAUßEN- SEIN“ UND DAS „AKTIVIERENDE ELEMENT“ UNSERE WERTE/ ZIELE IN DER ERZIEHUNG WIND UND WETTER SO VERHALTEN WIR UNS IM WALD
8 10 12 13
4 PÄDAGOGISCHE ÜBERLEGUNGEN ZU UNSEREN KINDERANGEBOTEN
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4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8
14 14 15 15 16 16 17 17
BEDÜRFNISSE BEWEGUNGSFREIHEIT GESUNDHEIT RITUALE UND DER JAHRESZEITLICHE ABLAUF. SPIELZEUGFREI! – KOMMUNIKATION, SOZIALEMPFINDEN, KREATIVITÄT, PHANTASIE SPIELZEUGFREI? – FÖRDERUNG DURCH WERKZEUGE UND MATERIALIEN EIGENINITIATIVE UND EIGENAKTIVITÄT AUFSICHTSPFLICHT
5 GEFAHRENQUELLEN IM WALD UND DER UMGANG DAMIT 5.1 5.2 5.3
VERLETZUNGSGEFAHR UND „NOTFALLPLAN“ FUCHSBANDWURM, ZECKEN & CO. WIND UND WETTER/ FLORA UND FAUNA
18 18 19 20 2
6 UNSERE FESTEN GRUPPEN
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6.1 6.2 6.3 6.4
22 23 24 26
WALDSPIELGRUPPEN FÜR KLEINKINDER (1,5 - 3 JAHRE) WALDSPIELGRUPPEN FÜR KINDERGARTENKINDER (3 - 6 JAHRE) WALDSPIELGRUPPEN FÜR GRUNDSCHÜLER FERIENPROGRAMME
7 WEITERE ANGEBOTE DER ABENTEUERBAUSTELLE
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7.1 7.2
27 28
FERIENLAGER IN FRANKREICH ANGEBOTE FÜR ERWACHSENE
TEIL 2: THEORETISCHE GRUNDLAGEN UNSERER ARBEIT
8 NATURPÄDAGOGIK
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8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7
29 30 31 32 33 33 34
BEGRIFFSPROBLEME .... „DIE“ NATURPÄDAGOGIK GIBT ES NICHT WALDKINDERGÄRTEN, -SPIELGRUPPEN UND SONSTIGE PROJEKTE PLÄDOYER FÜR EINE „NATURBEZOGENE PÄDAGOGIK“ ZIELE EINER „NATURBEZOGENEN PÄDAGOGIK“ PRAKTIZIERTER UMWELTSCHUTZ – WIR SCHÜTZEN WAS WIR LIEBEN AUSEINANDERSETZUNG MIT KRITIK AN DER NATURPÄDAGOGIK WO FÄNGT „DIE NATUR“ AN?
9 ERLEBNISPÄDAGOGIK
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9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6
35 36 37 38 38 39
WAS IST ERLEBNISPÄDAGOGIK? AUCH HIER: DEFINITIONS- PROBLEME... GESCHICHTE DER ERLEBNISPÄDAGOGIK ERLEBNISPÄDAGOGIK IM ENGEREN UND IM WEITEREN SINNE GEFAHREN EINER FALSCH VERSTANDENEN ERLEBNISPÄDAGOGIK ERLEBNISPÄDAGOGISCHE ZIELE MERKMALE ERLEBNISPÄDAGOGISCHER ANGEBOTE
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Teil 1 Das Angebot der abenteuerbaustelle
1 Der Verein
1.1 Vorwort Wenn einer allein träumt, dann ist es nur ein Traum. Wenn viele zusammen träumen, dann ist es der Beginn einer neuen Wirklichkeit. (Friedensreich Hundertwasser)
Natürlich gibt es überall Abenteuer. Und im Wald wohnen die Geheimnisse. Doch es scheint als seien viele Menschen inzwischen blind dafür. Oder zumindest kurzsichtig. Weil das so ist, und weil das schade ist, gibt es den Verein „die abenteuerbaustelle“, der sich um das Abenteuer vor der Haustüre kümmert.
1.2 Idee & Entstehung Alles begann mit den ganz Kleinen im Wald. Waldspielgruppen für Kleinkinder entstanden in den letzten Jahren an vielen Orten, und auch wer es sich nicht vorstellen kann: Wer einmal einen Vormittag mit den Kleinen im Wald verbracht hat, der weiß, dass das ein tolle Sache ist!
Bei den Waldkindergärten im Rieselfeld wurde immer wieder nachgefragt, ob man für die kleineren Geschwisterkinder nicht auch eine solche Gruppe einrichten könnte. Leider war die (ehrenamtliche) Verwaltung des Waldkindergarten- Trägervereins schon so ausgelastet, dass eine Ausdehnung des Angebotes nicht möglich war. So beschritten einige engagierte Rieselfelder Bürger und Eltern gemeinsam mit Thomas Wacker vom Rieselfelder Waldkindergarten einen eigenen Weg: 4
Ein Verein wurde im Sommer 2003 gegründet, der dafür sorgen sollte, dass die ganz Kleinen endlich auch in den Wald können. Die „abenteuerbaustelle“ war geboren! Gemeinsam wurde dann alles getan, was denn so nötig ist.
ErzieherInnen wurden gesucht und gefunden, die die Betreuung übernahmen. Ein erster provisorischer Bauwagen wurde organisiert. Betriebsgenehmigungen wurden eingeholt und mit dem Förster ein Waldstück ausgesucht, wo die Waldspielgruppe seither ihren festen Standort hat. Und langsam kam dann alles in Rollen.
Zu Jahresbeginn 2004 waren dann alle Genehmigungen zusammen: Städtische Stellen, Forstamt, Gesundheitsamt und der Badische Landeswohlfahrtsverband gaben grünes Licht für unser Projekt, so dass einem Dauerbetrieb nichts mehr im Wege stand.
Die einzige Hürde, die es noch zu nehmen galt, war nun die Finanzierung. Die ErzieherInnen sollten ja auch ein angemessenes Gehalt verdienen, außerdem machten dem noch jungen Verein die vielen Anschaffungs- und (Wagen-) Renovierungskosten finanziell sehr zu schaffen. Aber mit Hilfe von Förderungen durch Landesmittel (die zwar relativ knapp bemessen sind), der Hilfe der Agentur für Arbeit (es wurden ja auch Arbeitsplätze geschaffen), sowie privaten Spendern konnte auch dieses Problem gelöst werden.
Mit der Zeit kamen immer neue Ideen auf und wurden in die Tat umgesetzt: Kräuterwanderungen für die ganze Familie (seit Sommer 2003) regelmäßige Ferienprogramme (seit Herbst 2003) eine Grundschülergruppe (seit Frühjahr 2004) Märchenabende im Wald (seit Frühjahr 2004) Höhlenwanderungen für Erwachsene (seit Sommer 2004) Kletterkurse für Kinder (seit Sommer 2005) eine Nachmittagsgruppe für Kindergartenkinder (seit Herbst 2005) Im Sommer 2004 war endlich genug Geld zusammen, um die Anschaffung eines größeren Bauwagens finanzieren zu können. Im Zeitraum von September 2004 bis Juni 2005 entstand dann unter Mithilfe der engagierten Elternschaft und dem denkwürdigen Engagement der Munzinger Ministranten 5
(72-Stunden-Aktion der katholischen Jugendverbände) aus einem altersschwachen, baufälligen Circuswagen ein kleines Paradies für Kinder, welches nun Start- und Zielpunkt aller unserer Kinderangebote im Wald ist und Schutz und Wärme bietet.
Ziel und Sinn aller Kinder-Angebote der abenteuerbaustelle ist: Sinnvolle, gute und bezahlbare Betreuungs- und Aktivitätsangebote zu schaffen Raum für kindgerechte Erlebnisse in der Natur, gute Erfahrungen und positive Entwicklungsanreize sowie eine Menge Spaß für die jeweiligen Kindern zu bieten
1.3 Struktur Am Anfang war die Verwaltung noch das kleinste Problem. Der Organisationsaufwand wurde mit dem Wachstum und der Professionalisierung jedoch immer größer, so dass eine ehrenamtliche Verwaltung des Vereins nicht mehr möglich war. Deshalb musste eine Teilzeitstelle für einen Geschäftsführer und eine Teilzeitstelle für die Verwaltung geschaffen werden (Herbst 2005 und Frühjahr 2006).
Die Pädagogen in den einzelnen Gruppen arbeiten selbständig in gleichberechtigten Teams. Die Gruppen werden grundsätzlich von qualifiziertem Personal (Pädagogen) durchgeführt und geleitet.
Der Geschäftsführer und der Vorstand sind vor allem für die Verwaltung und die Finanzierung der Projekte zuständig.
Einzelne Bereiche (z.B. die Übersicht über verschiedene Gruppen) werden von ehrenamtlichen Mitarbeitern und Vereinsmitgliedern geführt. Zur Realisierung der Ferienprogramme gibt es einen AK (Arbeitskreis), der im Durchschnitt aus sechs freiwilligen Mitarbeitern besteht. Ohne die Hilfe und das Engagement von ehrenamtlichen Helfern wären die Angebote des Vereins nicht finanzier- und durchführbar.
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1.4 Vernetzung im Rieselfeld Die abenteuerbaustelle e.V. ist bereits ein Bestandteil des sozialen Netzwerkes im Rieselfeld geworden. Ohne die Hilfe und den Beistand von vielen Einrichtungen und Institutionen wäre vieles überhaupt nicht möglich gewesen.
Der wichtigste Bestandteil der Vernetzung aller Einrichtungen im Rieselfeld ist das „Vernetzungstreffen“, das zweimal im Jahr stattfindet und von der Abteilung Kinder- und Jugendarbeit („kjk“) des KIOSK e.V. organisiert wird. Hier treffen sich Vertreter aller Kinder- und Jugendeinrichtungen, Vertreter der Kirchengemeinden, ein Vertreter der örtlichen Polizei, der Kinder- und Jugendmediathek sowie Vertreter der größeren Vereine um sich auszutauschen und gemeinsam Wichtiges zu besprechen.
Mit folgenden Einrichtungen kooperieren wir:
KIOSK e.V. Waldkindergärten im Rieselfeld Waldseilgarten e.V. Taka- Tuka- Land Polizeiposten Rieselfeld Zebra – Zentraler Bildungsraum Die abenteuerbaustelle e.V. versucht – soweit es die personellen Kapazitäten des Personals und das ehrenamtliche Engagement der Vereinsmitglieder zulassen – am öffentlichen Leben des Rieselfeldes teilzunehmen und bei öffentlichen Ereignissen (Stadtteilfest, Tag der offenen Tür/ KIOSK, Gewerbetag u.ä.) mitzuwirken.
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2 Unser Platz im Wald Der Platz:
Im Mundenhofer Wald zwischen dem westlichen Ende des Rieselfeldes und den Wiesen vor dem Zubringer Mitte; entlang des Waldweges nach ca. 250 m, teilweise vom Unterholz befreit, für die Wagen und für eine kleine Fläche für den Morgen-/ Begrüßungskreis
Die Wagen:
Ein original Zirkuswagen wurde während der 72 Stunden Aktion mit Holzofen, Sitzgelegenheiten, Wickelplatz und Regalen bedarfsgerecht ausgebaut, ein kleiner Bauwagen dient als Materiallager
Die Umgebung:
Der Wald mit seinen Bäumen, Büschen, Wurzeln und Totholz und seinen zahlreichen Insekten und (Klein-) Tierchen ist der Bewegungs- und Entdeckungsraum der Kinder
3 Überlegungen zu allen Angeboten
3.1 „Draußen- Sein“ und das „Aktivierende Element“ Gemeinsames Prinzip aller Aktivitäten der abenteuerbaustelle e.V. sind das „DraußenSein“ und das „Aktivierende Element“.
Unsere Lebenswelten ändern sich rapide. Das Leben der Erwachsenen und der Kinder hat sich die letzten Jahrzehnte in einem Ausmaß geändert, dass wir manchmal das Gefühl haben, dass wir nicht mehr hinterher kommen und dass auch viel Gutes verloren ging.
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Unser modernes Leben hat sich nach „Drinnen“ verlagert. Die Zivilisation beschützt uns vor allen feindlichen Einflüssen. Die Kindheit und die Welt der Erwachsenen spielt sich in geschützten, zentralgeheizten Gebäuden ab. Die Erfahrung mit Wind, Wetter und den Elementen findet oft nur noch auf dem Weg ins Büro, in die Schule oder in den Kindergarten statt. Die direkten Begegnungen mit der Natur, die uns umgibt, werden immer weniger. Statt direkter Erlebnisse leben wir oft nur noch aus zweiter Hand. Auch das Leben der Kinder wird in immer größer werdendem Maße von Medien bestimmt. Und sowohl bei den Kleinen als auch bei den Großen wird deutlich: es fehlt die Bewegung. Wir sind zu einem Volk der Reglosen geworden.
Es geht nicht darum etwas zu verteufeln. Niemand wünscht sich die Menschheit hinter den Pflug zurück oder ins Wigwam. Es geht um einen gesunden Ausgleich. Seit Jahren wachsen Bewegungen, die die Menschen wieder mit der Natur in Berührung bringen. Es scheint ein großes Bedürfnis vorhanden zu sein. Es scheint etwas zu fehlen. Wir wollen etwas von dem zurück erobern, was uns verloren ging: den Kontakt mit unseren Wurzeln und der Natur sowie die Bewegung. Beides hilft zur inneren Ruhe zu finden. Beides hilft mit beiden Beinen im Leben zu stehen. Beides ist wichtig bei einer gesunden Entwicklung von Kindern.
Wir wollen Groß und Klein dabei helfen, in ihrem Leben einen Bezug zur Natur, zu den Elementen, zu Wind und Wetter zu geben. Wir wollen die Menschen dazu verführen einen Tag draußen zu verbringen, die Alltagssorgen zu vergessen und sich wieder einmal über den Reichtum und die Einzigartigkeit unserer Welt zu erfreuen.
Unseren Kindern wollen wir ermöglichen mit vielen Naturerfahrungen aufzuwachsen und die Natur als etwas Schützenswertes zu erleben. Aktiver Umweltschutz muss auch heißen: unseren Kindern einen Bezug zur Natur zu vermitteln. Man kann nur etwas schützen, das einem persönlich wichtig geworden ist. Wir wollen ihnen auch ermöglichen viele kleine Abenteuer zu erleben, die sie stark und selbstbewußt für das Leben machen, welches sie in unserer Welt erwartet. Auch sollen sie ihre Phantasien in einem freien und weitgehend unbegrenzten Raum ausleben und ihre eigene Kreativität entwickeln können.
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3.2 Unsere Werte/ Ziele in der Erziehung Man sollte Kinder lehren auf einem Seil ohne Netz zu tanzen, bei Nacht alleine unter freiem Himmel zu schlafen und in einem Kahn auf das offene Meer hinaus zu rudern.
Man sollte sie lehren, sich Luftschlösser statt Eigenheime zu träumen, nirgendwo sonst als im Leben zuhause zu sein und in sich selbst Geborgenheit zu finden. (Hans-Herbert Dreiske)
Die abenteuerbaustelle ist eine konfessionell nicht gebundene Institution. Wir stehen Kindern und Erwachsenen jeder Herkunft und Konfession offen und tolerant gegenüber. Das Feiern von christlichen Festen oder Bräuchen in den Kindergruppen steht unter dem Aspekt der kulturellen Einbettung der Kinder in ihrer Lebenswelt.
Unsere Wertvorstellungen basieren vor allem auf einem respektvollen Umgang mit anderen Menschen und einem respektvollen Umgang mit der Natur. Die Menschen und die Natur sind nicht nur „um uns herum“, sondern „mit uns“. Unser wichtigster Grundsatz ist deshalb die Achtsamkeit vor allem Lebendigen.
Kinder brauchen Erziehende, die ihnen Wertmaßstäbe an die Hand geben, und die ihnen helfen, unterscheiden zu lernen, was gut und was schlecht ist. Werte sind nicht angeboren und entstehen bei Kindern nicht von alleine. Werte sind nicht nur für Kinder etwas Wichtiges. Auch uns Erwachsenen geben sie wichtige Impulse für Entscheidungen und stellen Eckpfeiler für unser Verhalten dar. Werte werden nicht nur durch Worte vermittelt, sondern mit jeder Geste, jeder Tat und jeder Reaktion. Deshalb sind wir sehr darauf bedacht uns dessen immer bewusst zu sein.
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Im Bezug auf unsere Mitmenschen und die Gesellschaft ist uns wichtig: •
die eigenen Grenzen und die der anderen zu erkennen und zu respektieren (sowohl körperlich als auch im sozialen Kontext)
•
Sorge zu tragen für sich und andere
•
Achtsamkeit im Umgang miteinander (auch in der Sprache)
•
Förderung von kooperativem, kreativem Verhalten und Teamwork
•
Toleranz
•
das Pflegen und die Bedeutung von Freundschaften
•
lernen mit Verantwortung umzugehen
•
Wertschätzung der Gruppe und der Geselligkeit
Im Bezug auf die Umwelt und die Natur ist uns wichtig: •
schonender und respektvoller Umgang mit Pflanzen und Tieren
•
wir nehmen aus der Natur nur was wir unbedingt brauchen
•
wir praktizieren Umweltschutz
•
wir lassen nichts in der Natur zurück
•
Grundsatz: Wir sind zu Gast in der Natur
Unsere Ziele im Hinblick auf die Erziehung von Kindern in unserer Institution:
Wir wollen im Kind... •
die Liebe zur Natur wecken
•
dem Kind intensives Naturerleben ermöglichen
•
die Neugier der Kinder fördern
•
die Kreativität entfalten lassen
Wir wollen das Kind auf seinem Lebensweg begleiten, also... •
in seinen Stärken und auch im Umgang mit seinen Schwächen
•
in der Entwicklung einer selbstbewussten Persönlichkeit
•
beim Erlernen individuellen Durchhaltens
•
beim Maßhalten 11
•
beim Erkennen der Folgen des eigenen Handelns
•
beim Erkennen und Ausbilden autodidaktischer Qualitäten
Wir wollen erziehen... •
zur Sicht des Ganzen
•
zu Gemeinschaftsfähigkeit
•
zu Verantwortungsbewusstsein
•
zu Konfliktfähigkeit
•
zu Friedensfähigkeit und
•
zu Offenheit und Toleranz
3.3 Wind und Wetter Das Draußen-Sein bei Wind und Wetter ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit und vermittelt eindrückliche und nachhaltige Erlebnisse.
Das immer wiederkehrende Erleben der Natur und ihren unterschiedlichen Jahreszeiten und Wetterverhältnissen ist für alle eine großartige Sache. Jede Zeit hat draußen ihre besonderen Reize.
Grundvoraussetzung um das Draußen-Sein in den unterschiedlichen Jahreszeiten genießen zu können, ist angemessene Kleidung. Entsprechende Regenausrüstung und das Zwiebel- Prinzip bei Kälte (viele Schichten halten länger warm) haben sich bewährt. Dazu kommen noch viel Bewegung gegen die Kälte (z.B. mit Bewegungsspielen) und bei starkem Regen ein transportables Regendach (Planen).
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3.4 So verhalten wir uns im Wald Wenn wir uns im Wald aufhalten, sehen wir uns als „Gäste“ des Waldes. Wir sind ein Teil der Natur und versuchen andere dafür zu sensibilisieren. Wir vermitteln einen bewussten und respektvollen Umgang mit der Natur.
Aus ökologischen Gründen, aber auch um mögliche Gefahrenquellen auszuschließen und Unfälle zu vermeiden, ergeben sich für uns wichtige Verhaltensregeln: •
keine Beeren und Früchte des Waldes verzehren
•
Wasser aus stehenden und fließenden Gewässern nicht trinken
•
Tierkadaver und Tierkot dürfen nicht angefasst werden
•
Es werden keine Junganpflanzungen betreten
•
rücksichtsvoller Umgang mit Insekten, Käfern, Fröschen u.ä.
•
keine Äste, Rinden und Moose von lebendigen Bäumen abreißen
•
Vogelnester, Ameisenhaufen und andere Tierbehausungen werden aus respektvoller Distanz betrachtet
•
keinen Abfall im Wald zurücklassen
•
Um Müll zu vermeiden, empfehlen wir Vesper in wieder verwendbaren Gefäßen mitzubringen
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4 Pädagogische Überlegungen zu unseren Kinderangeboten
4.1 Bedürfnisse Unsere Arbeit in allen Gruppen ist auf die kindlichen Grundbedürfnisse ausgelegt. Kinder leben ihre Bedürfnisse spontan aus. Damit ist ein sehr sensibler und wichtiger Lernprozess verbunden. Im Alltag passiert auf Grund von mit Terminen vollgestopften Wochen und generellem Zeitdruck viel zu oft ein Aufschieben der spontanen Bedürfnisse. Dabei werden wichtige Lernprozesse erschwert oder unmöglich gemacht.
4.2 Bewegungsfreiheit Die Möglichkeiten sich in der freien Natur zu bewegen sind unerschöpflich. Kinder haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Bewegung. Sie lernen ihren Körper und die natürlichen Grenzen kennen. Die vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten wirken sich positiv auf körperliche und geistige Fähigkeiten aus. Die Kinder tasten sich an ihre Grenzen heran. Schaffen sie es z.B. nach dem 5. Versuch einen Baum zu erklettern wird ihr Selbstvertrauen gestärkt. Wichtig ist, dass das Kind diesen Weg alleine beschreitet ohne dabei alleine gelassen zu werden. Ein Hoch- und Herunterheben ist dabei kontraproduktiv, da es bevormundet und das Kind damit um die Möglichkeit bringt selbst Erfahrungen zu sammeln.
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4.3 Gesundheit Es ist erwiesen (Brückner-Groh; 1989 und Tügel; 2001), dass häufiger Aufenthalt in der Natur und das Spielen in ihr sich positiv auf das Immunsystem auswirkt. Studien aus vielen waldpädagogischen Projekten zeigen zudem auf, dass es dort weit weniger „Krankheiten mit Kettenreaktionen“ gibt, als in Einrichtungen mit geschlossenen Räumlichkeiten. Anstatt der trockenen Heizungsluft, die unsere Schleimhäute austrocknet und anfällig für Erkältungen macht, gibt es draußen viel frische Luft. Das Immunsystem der Kinder wird gestärkt. Auch die viele Bewegung wirkt sich positiv auf die Gesundheit der Kinder aus. Sie sind physisch fit und psychisch ausgeglichen. Sie bewegen sich sicher in ungewohnter Umgebung. Der Boden kann noch so uneben sein. Sie lernen sich aufzufangen, abzustützen, ja sie lernen das Fallen. Manche Kinder halten sich in der heutigen Konsumwelt lieber an ihrem Spielzeug fest und fallen ohne sich abzufangen.
4.4 Rituale und der jahreszeitliche Ablauf. Die Liebe der Wiederholung ist in Wirklichkeit die einzige glückliche. Sie hat nicht die Unruhe der Hoffnung, nicht die beängstigende Abenteuerlichkeit der Entdeckung, aber auch nicht die Wehmut der Erinnerung. Sie hat damit die selige Sicherheit des Augenblicks. (Sören Kierkegaard)
Rituale geben den Kindern Halt. Sie strukturieren den Tagesablauf und schenken den Kindern (und auch den Erwachsenen) Sicherheit. Gerade fernab von räumlich eingegrenzten Umgebungen sind Rituale eine wichtige Grundlage den Kindern eine Tagesstruktur zu geben. In unseren Gruppen findet der Tag im Wald mit vielen wiederkehrenden Aktionen und Kreisen statt. So treffen sich vorm Beginn des Tages alle zusammen in einem Kreis. Es gibt immer wiederkehrende Geschichten, Kasperletheater, Vesper- und Abschlusskreise. Auch der jahreszeitliche Ablauf findet sich in Form von Spielen, Liedern und Angeboten in den Ritualen wieder.
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4.5 Spielzeugfrei! – Kommunikation, Sozialempfinden, Kreativität, Phantasie Spielzeugfrei bedeutet für uns, den Kindern eine Möglichkeit zu geben sich mit sich und ihrer Umwelt auseinander zu setzen. Sie entdecken die Natur. Sie erriechen, erfühlen, ertasten sie und machen dabei grundlegende Sinneserfahrungen, die ihnen in einem Spielzimmer voller vorgeformter und damit vorgebender Spielsachen verwehrt bleiben.
Zudem stärkt es ihr Sozialempfinden und ihre Kommunikationsfähigkeit. Die Kinder spielen miteinander und treffen so gemeinsam ihre Spielregeln. Sie unterhalten sich, sprechen sich ab, finden Kompromisse. Sie sind auf Grund fehlender Möglichkeiten sich hinter Spielzeug zu verstecken dazu gezwungen untereinander ins und zum Spiel zu finden. Jüngere Kinder werden mit ins Spiel eingebunden. Es finden verstärkt Rollenspiele statt innerhalb derer sie ihre Eindrücke und Erfahrungen mit der Erwachsenenwelt verarbeiten und verstehen lernen.
Eben war der Stock noch ein Bohrer, nun ist er schon ein Auto. Die Kinder nutzen und fördern ihre Phantasie. Sie bauen Hütten, entdecken kleine Zwerge in Form eines Hölzchens, erfinden Geschichten, malen im Sand, legen mit Eicheln, Stöcken etc. Häuser. Ein kleiner Zweig wird zum Sonnenschirm. Es ist unglaublich welch eine Kreativität und Phantasie Kinder erlangen können.
4.6 Spielzeugfrei? – Förderung durch Werkzeuge und Materialien Neben unserem grundlegenden Schwerpunkt auf spielzeugfreiem Spiel gibt es noch eine zweite wichtige Spiel- und Arbeitsform. Unser Materialwagen bietet eine Fülle von Werkzeug, Farben, Stiften etc. Was sich im ersten Moment widersprüchlich anhört ist eine gewollte Möglichkeit zur gezielten Förderung. Welches Kind kann heute noch mit einem Messer schnitzen, mit einer Säge Holz sägen, mit Handbohrern Löcher in Kastanien bohren? 16
Wir geben den Kindern die Möglichkeit sich mit diesen „Hilfsmitteln“ eigenständig unter Aufsicht zu beschäftigen und dadurch ihre motorischen Fähigkeiten zu fördern. Ganz nebenbei entwickelt sich auch hier ein gesundes Selbstwertgefühl. Dazu kommen noch Angebote die gezielt auf die Bedürfnisse der verschiedenen Altersgruppen zugeschnitten sind. Hierbei leiten unsere Pädagoginnen und Pädagogen Kleingruppen an und begleiten z.B. Kinder aus der Grundschülerbetreuung beim Bau von Klettergerüsten oder beim Schnitzen und Bemalen von kleinen Waldzwergen, etc.
4.7 Eigeninitiative und Eigenaktivität Kinder verlernen zu Zeiten des großen Konsums immer mehr sich selbst für etwas einzusetzen oder an etwas zu arbeiten. Alles ist fertig. Das fängt beim Spielzeug an und endet beim Essen aus dem Kühlschrank. Wir achten darauf allen Kindern ein eigenständiges Verhalten beizubringen, ihnen zu verdeutlichen, dass jeder zu etwas beitragen muss, bevor es fertig ist. Ob wir Feuer machen und alle Kinder „dürfen“ Holz sammeln und Zeitungen zerknüllen, mit allen Kindern eine Pizza backen und die Kinder schneiden und kneten oder ob die Kinder klettern und keiner steht da und hebt es rauf und runter: überall machen die Kinder Erfahrungen die mit ihrem eigenen Verhalten zu tun haben. Diese Erfolgserlebnisse sind für ein gestärktes und positives „größer werden“ unabdingbar. Die Kinder bekommen Mut Neues auszuprobieren, bekommen Kraft, auch mal etwas nicht zu schaffen und trotzdem nicht aufzugeben.
4.8 Aufsichtspflicht Da wir mit Kindern aus verschiedenen Altersgruppen arbeiten und diese auch in gemischten Gruppen betreut werden, nimmt das Thema Aufsichtspflicht einen hohen Stellenwert bei uns ein.
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Wir arbeiten grundsätzlich mit mindestens zwei Betreuern pro Gruppe. Dies ist notwendig, da sich die Betreuer im Falle einer Verletzung um den Verletzten, um die Gruppe und den Ablauf der Bergung des Verletzten kümmern müssen. Für jede Gruppe gibt es genaue Abläufe, was wann und wie gemacht werden muss, welches noch näher erläutert werden wird. Dies bedeutet, dass immer ausgebildete Fachkräfte und nicht nur Aushilfskräfte mit vor Ort sein müssen.
Die Kinder werden über alle Gefahrenquellen hingewiesen und mögliche Gefahren werden von uns im Vorfeld abgeklärt. Wo gibt es Bachläufe, wo stehen morsche Bäume, welche giftigen Pflanzen gibt es im Wald. Alle Gefahren dienen auch dazu, den Kindern die Natur näher zu bringen. Die Kinder lernen z.B. abzuschätzen auf welchen Bäumen gefahrlos geklettert werden kann. Sie können sich im Lebensraum Natur angstfrei und verantwortungsvoll bewegen.
5 Gefahrenquellen im Wald und der Umgang damit
5.1 Verletzungsgefahr und „Notfallplan“ Natürlich birgt der Aufenthalt im Wald einige Gefahren wie beispielsweise morsche Äste, die brechen können, unebene Untergründe, an denen man sich das Bein verstauchen kann oder auch Wespen, von denen man gestochen werden könnte. Dennoch ereignen sich letztendlich sehr wenige Unfälle, da die Kinder frühzeitig lernen mit diesen Gefahren umzugehen und ihre eigenen Möglichkeiten richtig einzuschätzen.
Sollte es trotzdem zu einer Notfallsituation kommen, existiert ein „Notfallplan“, damit in einer solchen Situation schnell und richtig gehandelt werden kann und somit hektische oder gar panische Reaktionen vermieden werden können:
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Natürlich gehört ein Handy zur Grundausstattung der betreuenden Personen. Bei einem Unfall kümmert sich eine Person ausschließlich um das verletzte Kind und leistet Erste Hilfe. Die zweite Person beruhigt die anderen Kinder, ruft den Rettungswagen und stellt sicher, dass der Rettungswagen an die Unfallstelle kommt, indem sie ihn gegebenenfalls am Waldrand abholt. Diese Person fährt auch mit dem Kind ins Krankenhaus, während die andere gewährleistet, dass die übrigen Kinder sicher nach Hause gelangen. Diese Planung entspricht der Praxis aller Waldkindergärten in Baden-Württemberg.
5.2 Fuchsbandwurm, Zecken & Co. Neben der Unfallgefahr muss man sich bei einem Aufenthalt im Wald mit anderen Gefahrenquellen auseinandersetzen wie beispielsweise mit Krankheitserregern oder giftigen Pflanzen:
Die Zecke ist Überträger der bakteriell übertragenen Borreliose sowie der durch Viren übertragenen Frühsommer-Gehirnhautentzündung (FSME). Das Stadtgebiet Freiburg weist einen überdurchschnittlichen Durchseuchungsgrad auf, deshalb muss mit diesem Problem adäquat umgegangen werden. Da die Borreliose eine bakterielle Infektion ist, kann sie mit Antibiotika sehr gut behandelt werden. Das Übertragungsrisiko erhöht sich, je länger die Zecke sich festgebissen hat. Bei einem schnellen Entdecken der saugenden Zecke und einem fachgerechten Entfernen besteht somit eine gute Chance einer Übertragung der Bakterien zuvor zu kommen. Die Behandlung einer FSME-Erkrankung ist zwar schwieriger, aber es ist kein Fall einer schweren FSME-Erkrankung bei Kindern unter 10 Jahren bekannt. Zudem gibt es die Möglichkeit einer Schutzimpfung. Die Eltern werden von uns verpflichtet, ihre Kinder nach dem Aufenthalt im Wald am ganzen Körper auf Zecken zu untersuchen und im Falle eines Bisses den Arzt aufzusuchen um eine Infektion ausschließen zu können.
Eine weitere Gefährdung für den Menschen stellt der Fuchsbandwurm dar, dessen Eier mit dem Kot des Fuchses in die Umwelt gelangen. Daher gilt die Regel, dass Bee-
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ren und Früchte im Wald nicht verzehrt werden dürfen, außer sie werden abgekocht, da eine Erhitzung über 60 Grad Celsius zum Absterben der Eier führt.
Um die Ansteckung mit dem Erreger der Tollwut zu vermeiden gilt die Verhaltensregel, dass tote Tiere nicht berührt werden dürfen und vermeintlich zutrauliche wilde Tiere nicht gestreichelt werden dürfen. Im Falle eines Bisses muss natürlich unbedingt der Arzt aufgesucht werden.
Tetanus-Erreger befinden sich in der Erde, in verrottetem Holz und in Fäkalien und können schon durch kleinste Wunden zu einer Infizierung führen. Eine TetanusSchutzimpfung wird deshalb dringend empfohlen.
5.3 Wind und Wetter/ Flora und Fauna Um eine Vergiftung durch toxische Pflanzen zu vermeiden, gilt die Regel, dass nichts in den Mund genommen oder gegessen werden darf. Den Betreuern müssen giftige Pflanzen im genutzten Gebiet bekannt sein, und sie sollen die Kinder auf diese Pflanzen hinweisen, damit sie lernen mit diesen Gefahren umzugehen.
Auch Wettereinflüsse wie starker Sturm oder Gewitter können eine Gefahr darstellen, so dass der Wald gegebenenfalls verlassen werden muss. Bei entsprechend sorgfältigem Umgang besteht aber auch hier keine Gefahr. Vom Sturm entwurzelte Bäume stehen oft unter Spannung und dürfen nur nach Absprache mit dem Förster bespielt werden.
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6 Unsere festen Gruppen
6.1 Waldspielgruppen für Kleinkinder (1,5 - 3 Jahre) Team Jede Gruppe wird von zwei Erzieherinnen mit viel Erfahrung geleitet und begleitet.
Kinder Die beiden bestehenden Spielgruppen sind ein Angebot für Kinder von 18 Monaten bis zum Kindergartenalter. Jede Gruppe bietet Platz für 10 Kinder
Öffnungszeiten Die Spielgruppen finden zwei- bzw. dreimal wöchentlich in der Zeit von 09.00 Uhr bis 12.30 Uhr (nach Bedarf bis 13.00 Uhr) statt. Die Ferienzeiten orientieren sich an den Schulferien der Grundschulen des Stadtteils. Die Kinder werden morgens von den Eltern zum Waldtreffpunkt gebracht und mittags von dort wieder abgeholt.
Ausrüstung der Fachkräfte •
Bollerwagen
•
Rucksack mit Wickelutensilien, Ersatzkleidung, Taschentücher
•
Wassersack mit Lavaerde zum Händewaschen
•
Handtuch
•
Mobiltelefon
•
Erste-Hilfe-Set
•
Plane bzw. Sitzkissen
•
faltbares „Regendach“
•
Handwärmer bei Kälte
Ausrüstung der Kinder •
Wetterfeste, der Witterung entsprechende Kleidung und Schuhwerk
•
kleiner Rucksack mit Vesper und Trinkflasche 21
Tagesablauf Der Tagesablauf wird bestimmt von Ritualen, der Witterung und der Jahreszeit. Zu den festen Ritualen gehören: •
Morgenkreis: Hier werden die Kinder begrüßt, jedes findet seinen Platz im Sitzkreis. Besondere Aufmerksamkeit wird auf eine entspannende Atmosphäre nach der Verabschiedung von den Eltern gelegt durch einstimmende Flötenmusik, Lieder, rhythmische Verse und Bewegungsspiele, Fingerspiele, kurze Geschichten, heiteres Spiel mit der Handpuppe
•
Frühstück im Wald: Dies hat einen besonderen Stellenwert für die Kinder. Die Gruppe findet sich an einem Platz zusammen, sie kommen zur Ruhe, können wieder „auftanken“, das gemeinsame Händewaschen und die Tischsprüche führen zu Stille und Konzentration. Das gemeinsame Essen hat einen entspannenden, beruhigenden Charakter und vermittelt besonders den „Neulingen“ das Gefühl von Geborgenheit und Gemeinschaft
•
Abschlusskreis: Er rundet den erlebnisreichen Vormittag ab durch Lieder, Fingerspiele und kleinkindgerechte Rückblicke.
Die verbleibende Zeit des Vormittags ist ausgefüllt mit „Unterwegs-sein“: Der Weg, egal welcher Beschaffenheit, bietet unzählige Möglichkeiten zum Erforschen, Entdecken, Spielen, Sinneswahrnehmung und Erlebnisfähigkeit zu vertiefen und altersgemäßes soziales Veralten zu üben. An vereinbarten Wegmarken (Haltestellen) warten die Kinder, bis die Gruppe wieder vollzählig ist. Aufsuchen beliebter und bekannter Orte (Löwenzahnwiese, Wurzelplatz, u.a.): Entsprechend ihrer spezifischen Gegebenheiten werden sie von den Kindern genutzt, z.B. zum Klettern, Balancieren, Hütten bauen, Trommeln, Matschen, Tiere beobachten, alte Bäume streicheln, „Zwergenhäuser“ finden und vieles mehr.
Alle Aktivitäten finden im Freien statt. Lediglich bei sehr starkem Regenfall und während der Wintermonate werden das Frühstück und die Wickelzeit in den beheizten Zirkuswagen am Waldtreffpunkt verlegt. Die Kinder spielen mit allem, was die Natur zur Verfügung stellt und somit in Fülle und Vielfalt vorhanden ist. 22
6.2 Waldspielgruppen für Kindergartenkinder (3 - 6 Jahre) Ergänzend zu dem bestehenden Waldkindergarten gibt es die Waldspielgruppe am Nachmittag, die überwiegend von Kindern genutzt wird, die morgens nicht im Waldkindergarten sind.
Team Die Gruppe wird durch einen ErzieherIn und durch mindestens eine im Umgang mit Kindern erfahrene Person (Erzieher in Ausbildung, Pädagogikstudenten, ...) betreut und durchgeführt.
Kinder Die Gruppe besteht aus maximal 12 Kindern. Es wird auf eine gemischt geschlechtliche und altersgemischte Zusammensetzung geachtet.
Öffnungszeiten Die Gruppe trifft sich montags von 14.30 – 17.30 Uhr. Die Ferien orientieren sich an den Schulferienzeiten.
Ausrüstung der Fachkräfte •
Sitzmatten
•
Handy
•
Erste-Hilfe-Set
•
Zeckenzange
•
Schaufel
•
Lavaerde und Wasser zum Händewaschen
•
Handtuch
•
Material für Bastelangebote und Bücher
•
Toilettenpapier
Ausrüstung der Kinder •
Vesper und Getränk
•
kleiner gut sitzender Rucksack
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•
angemessene Kleidung je nach Jahreszeit
•
Kopfbedeckung
Tagesablauf Wir beginnen mit einem Begrüßungskreis an einem festen Ort am Bauwagen mit Baumstämmen als Sitzgelegenheit. Er beinhaltet ein Begrüßungslied, wer da ist und wer fehlt und wird mit Liedern und Fingerspielen der Jahreszeit gestaltet. Abwechselnd gehen wir an verschiedene Plätze im Wald, z.B. alte Eiche oder wir bleiben am Platz. Es finden Freispiel und Angebote statt, z.B. Feuer machen, Kartoffelfeuer, Kastanienbasteleien, ... Wir verbringen viel Zeit mit Endecken, Klettern, Balancieren, Tiere beobachten, Geräusche lauschen und versuchen der Natur mit allen Sinnen näher zu kommen. Nach etwa der Hälfte des Nachmittags essen wir gemeinsam unsere mitgebrachte Vesper, der das Händewaschritual vorausgeht. Wenn Vesper und Getränke ausgepackt sind, starten wir mit einem Vesperspruch. Mit einem Spruch wird das gemeinsame Essen auch beendet. Der Nachmittag endet mit dem Abschiedskreis. Hier wird manchmal eine Geschichte vorgelesen und es gibt einen Rückblick oder ein Lied. Die Kinder werden von den Eltern am Platz abgeholt.
6.3 Waldspielgruppen für Grundschüler Team Die Gruppe wird durch eine ErzieherIn und durch mindestens eine im Umgang mit Kindern erfahrene Person (Erzieher in Ausbildung, Pädagogikstudenten,...) betreut und durchgeführt.
Kinder Die maximale Gruppenstärke der Waldspielgruppen ist auf je 14 Kinder im Grundschulalter (ca. 6-11 Jahre) am Freitag und Mittwoch festgesetzt.
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Öffnungszeiten Die Waldspielgruppe findet immer freitags von 15.00 - 17.30 Uhr und mittwochs von maximal 13.00 - 17.30 Uhr statt. Während der regulären Schulferien sind auch die Waldspielgruppen geschlossen. Ausnahme besteht bei den Sommerferien. Im August haben wir Betriebsferien. In den restlichen Wochen der Sommerferien finden die Gruppen statt.
Ausrüstung der Fachkräfte •
Handy
•
Erste-Hilfe-Set
•
Zeckenzange
•
Toilettenpapier
•
Schaufel
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Wasser
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Schnitzmesser für die Kinder
•
Schnur
Ausrüstung der Kinder •
Angemessene Kleidung je nach Jahreszeit
•
Kopfbedeckung
Tagesablauf 13.00 Uhr
Treffpunkt am Stadtteiltreff im Rieselfeld (Schulnähe), danach Abholung des Mittagessens
bis 15 Uhr
Laufen zum Bauwagen im Wald; Mittagessen; anschließend ggf. Hausaufgaben
15.00 Uhr
(Begrüßungs-) Kreis, Gesprächsrunde
15.15-16.30 Uhr
Freispiel; gelegentlich kleinere Angebote (auch je nach Witterung)
16.30 Uhr
Vesper; danach wieder Freispiel
17.10 - 17.30 Uhr
Abschlusskreis, Geschichte
Mittwochs findet die Gruppe ab 13.00 (mit Mittagessen) oder 15.00 Uhr statt, freitags ab 15.00 Uhr.
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6.4 Ferienprogramme Wann Während fast aller Ferien mit wechselnden Themenschwerpunkten. Hierzu bitte das aktuelle Programm beachten.
Kinder Zielgruppe sind Grundschüler zwischen 6 und 13 Jahren.
Fachteam/ Gruppenstärke 15- 21 Kinder werden von mehreren pädagogischen Kräften, davon mindestens einer staatlich ausgebildeten Kraft, betreut. Der Betreuungsschlüssel liegt bei 7 Kindern pro BetreuerIn.
Ausrüstung der Fachkräfte •
Notfallhandy
•
erweitertes Erste-Hilfe-Set
•
Trinkwasser im Kanister
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Klappspaten und Toilettenpapier
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diverses Material
Ausrüstung der Kinder •
festes Schuhwerk
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der Jahreszeit angepasste Kleidung
•
Rucksack für die Verpflegung
•
Wechselkleidung für den Notfall kann während des Ferienprogramms im Bauwagen aufbewahrt werden.
Tagesablauf Die Ferienprogramme stehen jeweils unter einem bestimmten Thema. Im Herbst 2005 war dies „Steinzeit im Rieselfeld!“
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Die Kinder erleben im Spiel wie man Naturfarben und Pinsel herstellt und Steine bemalt wie einst die Höhlenmenschen; zum gemeinsamen Frühstück wird ein steinzeitliches Lied gedichtet; und wie war das wohl mit dem Feuer machen ohne Streichhölzer?
Zusätzlich zu den Programmen im Rieselfelder Wald werden seit kurzem Kletterkurse und Baumkletterkurse für 7-13-jährige angeboten.
7 Weitere Angebote der abenteuerbaustelle
7.1 Ferienlager in Frankreich Für die Sommerferien 2006 ist für Kinder ab 10 Jahren ein einwöchiges Ferienlager in Frankreich vorgesehen. Als „Basislager“ dient ein Campingplatz, der sich in einem Flussknie befindet. Von dort aus werden die Kinder gemeinsame Natur- und Freizeitaktivitäten unternehmen: •
Klettern
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Kanu fahren
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Höhlenwandern
Die abenteuerbaustelle kooperiert dafür mit einem hoch kompetenten und erfahrenen externen Partner, der die Unternehmungen leitet. Dieses Angebot stößt bei Eltern und Kindern auf sehr große Zustimmung. Wir sind schon jetzt gespannt auf die Erfahrungen und das Feedback, das wir nach diesem Ferienlager erhalten werden und haben noch viele Ideen für Ferienfreizeiten in den kommenden Jahren.
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7.2 Angebote für Erwachsene Natürlich dürfen und sollen bei der abenteuerbaustelle auch Erwachsene nicht zu kurz kommen. Neue Ideen werden geboren und ausprobiert, und zahlreiche Kooperationen werden gebildet. So ist inzwischen ein vielfältiges Angebot entstanden, das sich beständig erweitert und gleichsam organisch wächst. •
Märchenabende Etwa 6mal pro Jahr verzaubert „unsere“ Märchenerzählerin ihre Zuhörer und entführt sie in fremde Welten. Die Abende stehen unter verschiedenen Themen. Der Bogen spannt sich von Schaudern und Gruseln über Erotik bis hin zu Märchen mit besonderem Tiefsinn. Die Märchenabende finden am Feuer statt – bei trockener Witterung am Lagerfeuer, bei Regen und im Winter am heimeligen Kaminfeuer.
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Vogelkundliche Exkursionen Das Rieselfeld grenzt direkt an ein Naturschutzgebiet von sehr großem Artenreichtum an Vögeln. Doch wer kennt schon mehr als die bekanntesten Vögel, die man auf Balkon und Garten gelegentlich sieht? Wer kann verschiedene Vogelarten am Gesang unterscheiden und erkennen? Die vogelkundlichen Exkursionen der abenteuerbaustelle entlohnen ihre Teilnehmer überreich für das frühmorgendliche Aufstehen und sind nicht nur für Hobby- Ornithologen eine große Erfahrung.
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Kräuterwanderungen Wie unterscheidet man echte Kamille von falscher? – Gundermann, ein Heilkraut und nicht das ungeliebte Garten-Unkraut? – Dieses Grünzeug am Wegrand gibt tatsächlich eine leckere Suppe? Die Kräuterwanderungen sind voll von „Ooh“s und „Aha“- Effekten – mit praktischem und aromareichem Nutzwert!
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Höhlenwanderungen
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Flusswandern
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Baumklettern
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TEIL 2: Theoretische Grundlagen unserer Arbeit 8 Naturpädagogik Die alten Dakota waren weise. Sie wussten, dass das Herz des Menschen, der sich der Natur entfremdet, hart wird. Sie wussten, dass mangelnde Ehrfurcht vor allem Lebendigen und allem, was da wächst, bald auch die Ehrfurcht vor dem Menschen absterben lässt. Deshalb war der Einfluss der Natur, die den jungen Menschen feinfühlig macht, ein wichtiger Bestandteil ihrer Erziehung. (Luther Standing Bear)
8.1 Begriffsprobleme .... „Die“ Naturpädagogik gibt es nicht Wer sich mit Naturpädagogik beschäftigt, der begegnet einer Unzahl von Konzepten, von Ansichten und Richtungen. Allein die terminologischen Begrifflichkeiten stellen einen einzigen Dickicht dar: „Naturerlebnispädagogik“, „Wildnis- Pädagogik“, „Waldpädagogik“, „Ökologisches Lernen“, „Ökologische Naturbildung“, „Freilandpädagogik“;das sind nur einige der Begrifflichkeiten für pädagogische Konzepte, die einem begegnen.
„Die“ Naturpädagogik gibt es nicht – und es kann sie auch nicht geben. „Naturpädagogik“ ist ein Überbegriff, der viele Ansätze vereint und der das pragmatisch Grundlegende in allen Ansätzen betont. Es geht prinzipiell um die Natur, es geht um unsere Umwelt. Es geht um das „Draußen-Sein“, den persönlichen Bezug und Kontakt zu der uns umgebenden Natur. Es geht um Werte, Haltungen und um ethische Aspekte.
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Eines aber ist sicher. Die Pädagogik in Deutschland hat die letzten Jahre einen regelrechten Boom erfahren, was ökologische Themen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen angeht. Genauso gibt es inzwischen unzählige Einrichtungen, die entweder den ganzen Tag oder bestimmte Zeiten mit den Kindern draußen in der Natur verbringen. Was Naturpädagogik für uns bedeutet, das beschreiben wir auf den folgenden Seiten.
8.2 Waldkindergärten, -spielgruppen und sonstige Projekte Kindergruppen im Vorschulalter verbringen den ganzen Vormittag in der Natur, in einem bestimmten, räumlich begrenzten Gebiet. So könnte man die Idee der Waldspielgruppen und Waldkindergärten kurz umreißen. Waldspielgruppen oder -kindergärten verfügen über Schutzräumlichkeiten, in die sie bei schlechter Witterung und bei Kälte ausweichen können. Die Idee der Waldkindergärten kommt aus den skandinavischen Ländern, vor rund 45 Jahren bereits wurde der erste Waldkindergarten in Dänemark gegründet. Vor rund dreißig Jahren wurde in Wiesbaden der erste Waldkindergarten in Deutschland gegründet und in den letzten 10 Jahren hat das Konzept einen regelrechten „Boom“ erfahren. In Baden-Württemberg alleine gibt es bereits über 60 reguläre Walkindergärten, viele davon sind in den letzten Jahren entstanden. Unzählige Spielgruppen für Vorschulkinder und Unter-Dreijährige gibt es und es sind auch schon die ersten Waldhorte und -schulen entstanden. Zumeist entstehen diese Einrichtungen aus Initiativen von engagierten Eltern und werden in der Trägerschaft von Elterninitiativen betrieben. Es gibt bereits unzählige Kindergärten, die nach dem Prinzip des „integrierten Waldkindergartens“ arbeiten, was bedeutet, dass die normale Kindergartenzeit in Regelkindergärten für 2-3 Tage komplett in die freie Natur verlegt wird. Die restliche Zeit findet in den üblichen Kindergartenräumlichkeiten statt. In Kindergärten und Grundschulen werden zunehmend Projektwochen im Wald durchgeführt. Auch diese Konzepte haben sich aus der Waldkindergartenbewegung heraus entwickelt. Die Gruppen verbringen eine oder mehrere Wochen im Jahr am Vormittag im Wald oder in anderen Naturräumen. Viele Kindergärten und Grundschulen sind auch dazu übergegangen wöchentlich einen Projekttag im Wald durchzuführen.
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Die wichtigsten konzeptionellen Tragpfeiler von Waldeinrichtungen und von Waldprojekten sind: •
Förderung der Motorik durch natürliche, differenzierte und lustvolle Bewegungsanlässe und -möglichkeiten
•
das direkte Erleben der Elemente (Feuer – Erde – Wasser – Luft)
•
Erleben der jahreszeitlichen Rhythmen und Naturerscheinungen
•
die Anregung der Phantasie durch wenig ausgeformtes Spielzeug, sowie Naturmaterialien als Spielzeug
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die Wichtigkeit des freien Spieles bei Kindern
•
ganzheitliches Lernen (mit allen Sinnen)
•
Erleben von Pflanzen und Tieren in ihrem eigentlichen Lebensraum
•
Möglichkeit die Grenzen der eigenen Körperlichkeit zu erfahren
•
der Raum an sich stellt einen indirekten Erziehungsfaktor dar
•
Sensibilisierung für ökologische Zusammenhänge
•
Wertschätzung der Lebensgemeinschaft Wald und des Lebens überhaupt
Nach Erfahrung vieler in Waldkindergärten tätiger Pädagogen bieten die räumliche Freiheit im Wald und die großzügigen Bewegungsangebote eine gute Möglichkeit „schwierige“ Kinder zu integrieren. In diesem Rahmen sind die Kinder viel unauffälliger und haben dadurch bessere Entwicklungschancen und -prognosen. Eine Erfahrung, die unsere eigene Praxis bestätigen kann.
8.3 Plädoyer für eine „naturbezogene Pädagogik“ Der Mensch in der modernen Industriegesellschaft hat sich von der Natur entfremdet, er hat keinen Bezug mehr zu der Welt, die ihn umgibt. Wenn man Kinder – aber auch Erwachsene – danach fragt, ob sie einem 10 Automarken nennen können, so wird dies kein Problem darstellen. Wenn man danach fragt, wie ein bestimmter Baum heißt oder sie auffordert 10 Baumarten zu nennen, so wird sie das meist in Bedrängnis bringen.
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Die heutige Beschäftigung mit der Natur und der Umwelt hat oft die zerstörte, ausgebeutete Natur als Thematik. Dabei sind es doch wir Erwachsenen, die für die Zerstörung dieses Planeten verantwortlich sind und nicht die Kinder und Jugendlichen. In den Vordergrund sollte deshalb die faszinierende, erlebbare und somit auch schützenswerte Natur gelangen. Die Vermittlung von Wissen und Zusammenhängen gehört zu den Anliegen einer solchen Pädagogik. Jedoch hat dies eher begleitenden Charakter, im Sinne von Naturerfahrungen zu intensivieren und im Sinne eines ganzheitlichen Lernens. Unsere Kultur ist sehr leistungs- und konkurrenzorientiert. Naturnah lebende Völker haben jedoch andere Erziehungsideale: Die Achtung des Kleinen und anscheinend Bedeutungslosen in der Natur wird als wichtiges Erziehungsziel gesehen.
Das Anliegen einer so verstandenen Naturpädagogik ist es, den Menschen – vor allem Kinder und Jugendliche – direkt mit der Natur in Kontakt zu bringen, ihn die Schönheit der Natur erleben zu lassen und ihm dadurch wieder einen Bezug dazu zu vermitteln.
8.4 Ziele einer „naturbezogenen Pädagogik“ Mit Kindern hinausgehen in die Natur, sie Abenteuer erleben lassen, die Freiheit des Draußen-Seins zu genießen, oft auch einfach nur gemeinsam zu „sein“, ohne etwas Bestimmtes zu tun („therapeutisches Nichtstun“) und den Kindern Einblicke in ökologische Zusammenhänge zu geben, spricht Kinder sehr an.
Naturpädagogische Angebote eignen sich hervorragend, um den Kindern aller Altersstufen gerecht zu werden und sie herauszufordern. Zu den Zielen unserer naturpädagogischen Arbeit gehören: •
Freude an der Bewegung, Kraft, Ausdauer, Austesten der körperlichen Fähigkeiten
•
Vermittlung von Wissen und Zusammenhängen, Füttern der „hungrigen Intelligenz“
•
Vermittlung sozialer Kompetenzen
•
Wohlfühlen in der Gruppe durch eine „positive peer culture“
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8.5 Praktizierter Umweltschutz – Wir schützen was wir lieben Die Kinder erleben Natur als etwas Positives. Nicht als etwas, das von der Existenz der Menschen bedroht ist und das es deshalb zu schützen gilt. Die Natur erhält ihren Eigenwert im Leben der Kinder. Die Natur ist gut, weil es schön ist sich dort aufzuhalten, und weil wir uns dort wohlfühlen. Deshalb ist unsere Umwelt auch schützenswert.
Der Mensch kommt heute in seiner geschaffenen Lebenswelt kaum mehr in Kontakt mit der Natur. Nur deshalb konnten Natur- und Umweltzerstörung solche Ausmaße annehmen. Die Auswirkungen unserer Lebensweisen sind allseits bekannt, aber sie berühren nicht innerlich. Umweltbewusstsein wird dadurch geschaffen, dass von Kind auf ein positiver, persönlicher Bezug zur Natur vermittelt wird. Hier wollen wir wertvolle Impulse mitgeben.
8.6 Auseinandersetzung mit Kritik an der Naturpädagogik Kinder hinterlassen ihre Spuren im Wald, mit Natur und Naturmaterialien wird gespielt. Es wird dort, wo man sich mit Kindern aufhält, in den Kreislauf der Natur eingegriffen. Diese Kritik begegnet uns in unserer Arbeit immer wieder.
Dies sind aber die Auswirkungen eines verfehlten Naturschutz- Gedankens. Wir brauchen Berührungspunkte mit der Natur, um sie kennen zu lernen und sie schätzen zu lernen. Der Gedanke „Wir sind zu Gast im Wald“ leitet uns bei unseren Besuchen, aber ein schlechtes Gewissen wegen eines abgerissenen Astes oder eines zerspielten Hügels, das muss niemand haben. Die Natur kann diese Eingriffe vertragen. Im Vergleich zu den großen alltäglichen Eingriffen der Menschen – der Erwachsenen – in das Ökosystem Natur und Wald werden diese Kritikpunkte schnell lächerlich: Chemikalien werden in Flüsse eingeleitet, Wälder sterben an den Abgasen unserer Autos und Fabriken, Landschaftsschutzgebiete werden von Autobahnen durchschnitten und jeden Tag sterben -zig Tier und Pflanzenarten aus. Die Natur kann das Spiel der Kinder „ertragen“, die kleinen Zerstörungen der Kinder sind nicht dramatisch und im gesellschaftlichen Gesamtrahmen gesehen minimal.
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8.7 Wo fängt „die Natur“ an? Ist der Garten hinterm Haus schon Natur oder beginnt die Natur erst am Waldrand? Ist ein Park schon Natur oder soll man unter Natur erst die von Menschen unberührte Wildnis verstehen? Wir wollen bei der abenteuerbaustelle ein Verständnis von „Natur“ verwenden, das dort im Kleinen beginnt, wo sich ein Löwenzahn oder ein Spitzwegerich durch den Asphalt gezwungen haben. Mitten auf der Straße können Kinder und Erwachsene das Staunen lernen, dass dieser kleine Zwerg es geschafft hat, die dicke Asphaltschicht aufzubrechen, wie unbezwingbar der Lebenswille eines keimenden Schösslings ist.
Freie, weite und vom Menschen unberührte Natur gibt es in unseren Breitengraden kaum noch. Unsere Landschaften sind Kulturlandschaften und selbst in den Wäldern stehen die Bäume da, wo sie von den Menschen ihren Platz behalten durften – wenn sie nicht von ihnen sogar selbst gepflanzt wurden. Natur – das ist da wo Pflanzen wachsen können, wo Tiere eine Heimat finden. Das kann schon auf dem Fensterbrett der Wohnung oder der Kindereinrichtung sein, wo Gartenkräuter gezogen werden oder wo man einer Spinne zuschauen kann, wie sie ihr Netz spinnt.
Natürlich ist Wald der Ort, um Natur ganzheitlich zu erfahren, weil uns dort die Vielfalt des Lebendigen am intensivsten begegnet. Der Wald bietet uns zu jeder Jahreszeit einen reichen Schatz an Sinneserfahrungen und an Erlebnissen. Der Wald ist Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen, von den kleinsten Flechten und Käferchen bis hin zu riesigen Bäumen und Säugetieren.
Aber Naturpädagogik findet immer dort statt, wo eine persönliche Begegnung mit den Kräften der Natur passiert oder wo mit natürlichen und elementaren Materialien gearbeitet wird.
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9 Erlebnispädagogik Gebt den Kindern Gelegenheit sich selbst zu entdecken. Lasst sie Triumph und Niederlage erleben. Weist ihnen verantwortungsvolle Aufgaben zu, bei denen zu versagen, den kleinen Staat gefährden heißt. Übt die Phantasie. (Aus den „Salemer Gesetzen“ von Kurt Hahn)
9.1 Was ist Erlebnispädagogik? Auch hier: Definitionsprobleme... Der Begriff der Erlebnispädagogik ist zwar in aller Munde und wird oft als eine Art Allheilmittel der pädagogischen Praxis angepriesen. Drogenabhängige Jugendliche sollen auf Segeltörns lernen, miteinander umzugehen und die nötige Selbstdisziplin und IchStärke erhalten, um dann clean zu bleiben. Delinquente Jugendliche sollen bei Auslandsaufhalten und „Kletter- Urlauben" resozialisiert werden und sich auf ihre eigenen Stärken und Kompetenzen besinnen.
Wenn aber die Frage auftaucht, was Erlebnispädagogik aber eigentlich genau ist – theoretisch, didaktisch und methodisch – dann wird es schwierig eine eindeutige Antwort zu bekommen.
Die Grundelemente der Erlebnispädagogik, hier sind sich alle Fachleute einig, sind: •
das prägende Erlebnis (Naturerlebnis, Selbsterlebnis, Gruppenerlebnis)
•
das soziale Lernen (d.h. Lernen aus der Erfahrung mit und aus dem Umgang mit der Gruppe)
•
der Transfer (in die Alltagssituation durch Reflektion und entsprechenden didaktischen Aufbau)
•
ein ganzheitlicher Lernansatz, der auf Pestalozzis Postulat eines „Lernens mit Herz, Hand und Verstand" beruht.
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9.2 Geschichte der Erlebnispädagogik Der Begründer der Erlebnispädagogik war in den frühen zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts der Deutsche Kurt Hahn (1886-1974). Eigentlich war Kurt Hahn Philologe und Philosoph und in den Jahren während des ersten Weltkrieges der persönliche Sekretär von Prinz Max von Baden. Nach dem Krieg wandten sich aber beide von der Politik ab und widmeten sich der Pädagogik. Erste Konzepte wurden in dem von ihnen gegründeten (noch heute weltberühmtem) Internat von Salem erprobt. Hahn musste während des zweiten Weltkrieges aber emigrieren, da er es gewagt hatte, Hitler anzugreifen. Er setzte seine Arbeit von England aus fort und gründete die heute weltweit agierende Organisation „Outward Bound“, die inzwischen mit 40 Organisationen auf allen Kontinenten erlebnispädagogische Aktivitäten für Jugendliche anbietet und Erlebnispädagogen ausbildet.
9.3 Erlebnispädagogik im engeren und im weiteren Sinne Unter erlebnispädagogischen Maßnahmen versteht man in engeren Sinne (angelehnt an die Pädagogik Kurt Hahns) eher natursportliche Aktivitäten, die innerhalb der Gruppe stattfinden und Expeditionscharakter haben, d.h. teilweise mehrere Tage dauern und in einem von der Außenwelt abgeschlossenen Raum stattfinden, um die Lernerfahrungen in diesem entstehenden Mikrokosmos zu intensivieren. Dies wären z.B.: •
Segeltörns, Klettern, Bergwanderungen
•
Kajaktouren, Seilgärten, Höhlenwanderungen u.ä.
Das Wesentliche daran ist, dass diese Aktivitäten vom Teilnehmer Aktivität abfordern: Er kann sich nicht einfach zurücknehmen und nur passiv konsumieren. Er wird sozusagen zum Produzenten des eigenen Erlebnisses und erlebt dieses um ein Vielfaches intensiver als Erlebnisse von der Stange oder mediale Erlebnisse.
Es handelt sich um Situationen, die sich deutlich vom Alltagsgeschehen abheben und damit Grenzerfahrungen möglich machen. Grenzerfahrungen heißt aber nicht, dass bis an die Grenzen der körperlichen und psychischen Belastbarkeit gegangen wird oder
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dass bewusst ein Risiko für einen Schaden an Leib oder Psyche eingegangen wird. Grenzerfahrungen heißt, dass sich das Individuum in neuen, ungewohnten Situationen auf neue Herausforderungen einstellen muss und alleine oder im Team diese Herausforderungen durch eigene Entscheidungen und durch die Zusammennahme der Kompetenzen aller Beteiligten meistern muss.
Entscheidend ist dann aber auch, dass auf die Aktion die Reflektion folgen, dass der Schnelligkeit die Langsamkeit folgen muss, um die gemachten Erlebnisse gemeinsam reflektieren, bewerten und in die Persönlichkeit integrieren zu können.
Im weiteren Sinne zählen viele weniger spektakuläre und „sanfte“ Aktionen zum erlebnispädagogischen Feld, z.B.: •
Abenteuerspielplätze
•
Interaktionsspiele
•
Waldgruppen
•
Zirkus- und Theaterprojekte
•
Video- und Filmprojekte
•
City Bound (Erlebnispädagogik in der Stadt)
9.4 Gefahren einer falsch verstandenen Erlebnispädagogik Den Blick in der Erlebnispädagogik auf rein spektakuläre Aktionen zu richten ist gefährlich. Denn hier besteht die Gefahr, reine Konsumhaltungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu befriedigen. Genau davor warnen Erlebnispädagogen immer wieder:
Die Suche nach dem Kick, ohne dadurch eine innere Bereicherung oder Befriedigung zu erhalten. Dieser Gedanke sollte in der praktischen Arbeit immer wieder Gegenstand kritischer Selbstreflexion sein.
In erlebnispädagogischen Maßnahmen sollte vielmehr im Vordergrund stehen, die Teilnehmer dafür zu sensibilisieren, dass ein Erlebnis nicht von der Länge, vom Nervenkit-
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zel, von der Besonderheit oder von dem dafür aufgewendeten Geldbetrag abhängig ist, sondern allein von der Erlebnisintensität (Kurt Hahn). Es ist die Aufgabe des Pädagogen ein Gespür dafür zu entwickeln und zu vermitteln, dass es ein tiefgreifendes Erlebnis ist, einen Baum zu erklettern, unter freiem Himmel zu übernachten oder eine Weile einem Eichhörnchen zuzuschauen.
Sparsam eingesetzte spektakuläre Aktionen (wie Klettern, Kanutouren, Baumklettern, Seilbrücken, erlebnispädagogische Spiele u.ä.) und viele „sanfte“ Aktionen in der Natur enthalten gemeinsam ein riesiges Potenzial für die sozialpädagogische und Sinn gebende Arbeit mit Menschen aller Altersstufen.
9.5 Erlebnispädagogische Ziele Der Ansatz der Erlebnispädagogik erschafft ein riesiges Lernfeld, mit Schwerpunkten zum einen auf der persönlichen Charakterentwicklung, als auch auf der Weiterentwicklung sozialer Kompetenzen innerhalb der Gruppe. Diese werden dabei lebensnah, in spannenden Situationen erfahren und eingeübt. Die Elemente „Abenteuer“ und „Aufeinander- Angewiesen- Sein“ sollen dabei das soziale Lernen fördern und unterstützen.
Ziele im Bereich der individuellen Persönlichkeitsentwicklung sind: •
Entwicklung von Eigeninitiative
•
Aufbau des Selbstbewusstseins und des Selbstwertgefühls
•
Spontanität, Kreativität
•
Entdecken von verborgenen Fähigkeiten und Stärken
Als Ziele im Bereich des sozialen Lernens sind zu nennen: •
Verantwortungsgefühl
•
Rücksichtsnahme
•
Kooperationsbereitschaft
•
Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft
•
Konfliktbewältigungsstrategien
•
Lernen am Modell (der Pädagogen und anderen Teilnehmer)
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9.6 Merkmale erlebnispädagogischer Angebote Hauptmerkmale erlebnispädagogischer Angebote sollten immer sein:
Herausforderungscharakter Ein wichtiges Element ist der sogenannte Ernstcharakter von Situationen, Angeboten oder Aufgabenstellungen. D.h. die Teilnehmenden sollten in Situationen gebracht werden, die völlig real sind, und die von allen Beteiligten die höchstmögliche Aufmerksamkeit und Konzentration benötigen, um sich und andere nicht zu gefährden. Die Aufgabenstellung darf die Teilnehmer aber nicht über- oder unterfordern. Die Situation sollte herausfordernd sein, so dass sie die Teilnehmer an ihre persönlichen Grenzen bringt. Das kann für Grundschüler eine Abseilaktion sein, aber genauso ihnen Streichhölzer, Holz und Papier in die Hand zu drücken und sie bitten alleine ein Feuer zu machen.
Ganzheitlichkeit Ein großer Leitsatz der Erlebnispädagogik ist das Postulat von Pestalozzi „Lernen mit Herz, Hand und Verstand“.
Lernen mit dem Verstand bedeutet •
Wissen erwerben
•
Zusammenhänge erkennen
•
Schulung der Denk- und Planungsfähigkeit
Lernen mit der Hand heißt •
Training der Geschicklichkeit
•
Schulen manueller Fähigkeiten, der Motorik und der Koordination
Lernen mit dem Herz umfasst •
die affektive Seite, die sich in Wut oder Angst aber auch in Spaß und Freude ausdrücken kann
•
die kreative Dimension
•
die sinnliche Dimension und die Wahrnehmung.
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Spannung und Entspannung Diese beiden Pole sollten sich in der erlebnispädagogischen Arbeit abwechseln. Nach spannenden und mitreißenden Aktivitäten sollten schöpferische Pausen eingelegt werden, in denen das Erlebte verarbeitet werden, und in denen Ruhe selbst wieder zu einem Erlebnis werden kann.
Natur und ökologische Verantwortung Die meisten erlebnispädagogischen Angebote finden in der Natur statt und bieten so eine gute Möglichkeit Kindern und Erwachsenen einen Bezug zur Natur zu vermitteln und für Belange des Naturschutzes zu sensibilisieren. Nicht mit dem moralischen Zeigefinger, sondern aus der eigenen Erfahrung heraus, dass die Natur etwas Schönes und Schützenswertes darstellt.
Reflektion Reflektion ist das wichtigste Element der Erlebnispädagogik um Erfahrungen und Erlebnisse zu intensivieren und in den Alltag zu transferieren. Eine Reflektion muss natürlich immer auf die Altersstufe abgestimmt und angemessen sein. Viel wird in anschließenden Gesprächen bei Erwachsenen sowieso von alleine ausgetauscht. Hier gilt es nur als Pädagoge die richtigen Impulse zu setzen. Bei Kindern kann die Reflektion am Lagerfeuer stattfinden, oder bei Broten und heißem Tee. Für Kinder ist meist eine Reflektion im Sinne von „was hat mir heute gefallen, was hat mir heute nicht gefallen“ ausreichend, um sie nicht zu überfordern.
Gruppe Erlebnispädagogische Aktivitäten finden zumeist in der Gruppe statt. Durch ihre Besonderheiten begünstigen sie das soziale Lernen in der Gruppe, da die Normalsituation aufgehoben wird und eine Art „Inselsituation“ oder Mikrokosmos geschaffen wird.
Spaß und Freude Das gemeinschaftliche Erleben in der Natur ist in der Regel auch eine spaßige und lustige Angelegenheit, die sehr viel positive Emotionen und Energien freisetzen kann.
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