For Now

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Die Glorifizierung der Prokrastination

Es scheint mir wie ein verpasster Film, den ich Monat für Monat, Jahr um Jahr nun aufhebe, ohne zu wissen wovon er handeln wird. Unsere Wohnung ist freilich nicht groß, eng steht sie zwischen den anderen Mauern ihrer Nachbarn und trotz unserer Warte im vierten Stock, bauen sich die Dächer noch höher neben uns auf. Aber eines hat sie doch, die Wohnung. Sie hat wohl die glückliche Lage zu unterschiedlicher Zeit des Tages an immer verschiedenen Stellen einen direkten Sonnenstrahl durch die Fenster zu erhaschen! Nun bin ich also seit ein paar Wochen in der Isolation mit diesem kleinen Wohnraum und als die grau verhangenen Tage vorüberzogen und der Frühling einschlug, war es wie die Vorschau zu jenem Film, als die Sonne zum ersten Mal direkt über des Nachbars Dach durch mein Küchenfenster lugte. Und sie schien so gleißend auf einen Abschnitt meines Innenraums, dass er unübersehbar wurde. Sie erhob ihn. Sie erhob ihn für einen schleichenden Moment, als wäre alles andere unwichtig. Sie lenkte meinen Blick auf Unbeachtetes, auf Abgestelltes, Nebensachen. Stunde um Tag um Woche beobachte ich seither, wie sie ihren Stand verändert, durch meine Behausung schleicht und Szene um Szene erobert. Aber sie hat wohl beschlossen mich an diesem grandiosen Schauspiel immer nur teilhaben zu lassen, wenn ich nichts tue, nichts tun will, hinausschiebe etwas zu tun, stehen bleibe. „Ein taktisch fluides Spiel mit Erkenntniskarten?“, fragt mein Gehirn. „Trockene Wahrnehmungspsychologie“, sagt mein Gehirn.

Isabella Braunreuther (2020)


Die Liebe zu drei Orangen Und die gelernte Produktivität lässt uns selbst ausgepresste Schalen noch ästhetisch verwerten. Ich würde gerne einfach in Ruhe meinen Orangensaft trinken. Aber dann würde ich ja nur in meiner Küche sitzen und einen Orangensaft trinken. Wie genießend von mir. Ja beinahe entspannt! Und das auch noch alleine. Wie kann mir die Erheiterung meiner Mitmenschen durch das Teilen meines Orangensaftmomentes nur so verzichtbar erscheinen?


Hohe Luft Ob wir zu dumm für die Zukunft sind, fragte ihn der Titel. „Ne, wieso?!“, hatte er damals selbstbewusst in die Leere geantwortet. Seine Naivität. Er schlug die Zeitung auf und las von hunderten Demonstrierenden vor der Berliner Volksbühne.


Theo Mach mir ein Bananenbrot. Es hat eine Rosmarinfahne.


Am wirklich späten Morgen Die Öde, die Leere, die Steppe, den Eremiten, die Isolation, die Anthrophobie, den Rückzug, den Beziehungslosen, die Unzugänglichkeit, die Unzulänglichkeit. Die Einsamkeit hat also viele Freunde. „Wie ironisch“, denke ich und wecke meine Zimmerpflanzen.


Weil halt! Steile Sonne fällt mir ins Geäst. Warum ist es drinnen schwieriger nichts zu tun als nachts? Und warum ist es tagsüber leichter zu reden als draußen?


Amen Maria, wieso erscheinst nur du mir an diesem schwarzen Morgen? Ich wollte eine Eingebung, eine Idee wollte ich! Und du? Du kommst mir im unverfälscht weißen Gewand deiner Fruchtbarkeit, mit der du uns Erdenkinder nährest! Gloreich deiner Iris‘ Schein, Pupille deines Zeichens Macht. Das Dasein von Milch also als Beweis der Fülle und Negierung der Askese? Verheißt du mir also hiermit nunmehr meine Schätze zu genießen?


Deko deiner Wahl Zwei Wochen hebe ich das Bündel nun schon auf, um außer halbleeren Tellern noch etwas anderes auf dem Tisch stehen zu haben. Morbide Ästhetik mit dem Pathos vergangener Normalität. Die eine Blüte, die eine, die so in der Luft hängt, die mag ich besonders. Goldgelb strahlt sie mich an, aber lässt ihren Kopf dabei hängen. Sie erbarmt mir und ich frage sie: „Dir geht es gut, warum geht es dir schlecht?“


Balkontristesse Handlungsverzรถgerungen spenden den Chaosstunden Schatten. Und langsam trennt sich die Spreu vom Prokrastinateur und der Weizen vom Produktivisten...


Auf Woche 7 SiebenTagesTürme. SiebenTagesTäler. SiebenTagesSchläfer. SiebenTagesGärtner. SiebenTagesSchwärmer. SiebenTagesRichter. Des siebten Tages spricht er, seiner seelischen Gebeine schwach, die Schmerzen frei von ihrer Haut.


„Stay healthy“, they said „Oh Snackschälchen, Kessel meiner kostgewordenen Zweifel. Selbst du bist nun leer. Aber keine Sorge, ich fülle dich wieder auf.“, versprach sie. Stand auf. Ging los. Sie zögerte ... Ist die stetige Wiederkehr der Endlichkeit in ihrere Summe die Unendlichkeit?























































































































































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