Stuttgarts Tauben Cevik, Selina

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Unterkapitel

ihr Leben auf der StraĂ&#x;e

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Stuttgarts Tauben ihr Leben auf der StraĂ&#x;e


Ăœberkapitel

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Unterkapitel

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Vorwort/ Ein Problem in Stuttgart

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Tauben allgemein Was ist eine Taube? Taubenarten Die Sache mit der Gesundheit

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Tauben in Stuttgart Die Stuttgarter Taube Probleme der Tauben FĂźttern verboten! Taubenverein Interview

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Tauben anderswo Tauben gibt es Ăźberall Tauben auf (fast) allen Kontinenten Tal der Tauben

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Schlusswort/ Ein Problem in Stuttgart

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Quellen/ Impressum Quellen Impressum

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Ein Problem in Stuttgart Es gibt viele Probleme in Stuttgart und das ist nichts ungewöhnliches. So gut wie jede größere Stadt hat ihre Probleme mit denen sie zu kämpfen hat. Ich habe gründlich überlegen müssen, bis ich auf ein Problem gestoßen bin, welches ich in meinen Projekten behandeln möchte. Nach langem hin und her entschied ich mich dann für die Stadttauben die überall in der Stadt verteilt leben. Und zwar nicht, weil die reine Existenz ein Problem für mich darstellen würde. Eher weil ich viel zu oft sah, dass es den Tieren teilweise wirklich nicht gut geht. Etliche Tauben haben nur noch ein Bein oder es fehlen ihnen teilweise Zehen, bei manchen sieht man schon aus der Ferne, dass ihnen große Teile des Gefieders fehlen und gefühlt picken sie alles vom Boden auf, um nicht verhungern zu müssen, egal ob Körner, fettige Pommes oder Erbrochenes vom Vorabend. So war die Gesundheit der Tauben mein Problem in Stuttgart. In den folgenden Texten und Bildern möchte ich mehr über den Vogel herausfinden. Welche Arten gibt es oder was halten die Menschen in Stuttgart und meinem Umfeld von den Vögeln? Oft hört man von Menschen den Ausdruck „Ratten der Lüfte“. Ich kann ihn bis heute nicht ganz nachvollziehen, denn mit Ratten verbindet man zum Einen Jahrhunderte in denen man die Kornspeicher vor ihnen verteidigen musste um im Winter nicht hungern zu müssen, zum Anderen die Verbreitung der Pest im 14. Jahrhundert. Nur hat uns die Taube nie die Kornspeicher leer gefressen, im Gegenteil. In einem großen Teil der menschlichen Geschichte diente die Taube als wichtiger Fleischlieferant, der auch im kalten Winter Nahrung versprach. Und auch eine Epidemie

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oder gar eine Pandemie hat die Taube in ihrem bisherigen Dasein beim Menschen noch nicht ausgelöst. Ich möchte wissen, wie viele Menschen diesen Vergleich der Taube nach wie vor vorhalten. Dann natürlich, was sind die konkreten Probleme der Stadttaube, warum geht es einigen Vertreterinnen von ihr so miserabel? Und ich möchte herausfinden, wer in Stuttgart etwas dagegen unternimmt oder was für das Wohl der Tiere getan wird. Aber Tauben gibt es ja nicht nur in Stuttgart. Mich interessiert es, wo es überall Tauben gibt, und wie in anderen Orten auf diesem Planeten mit ihnen umgegangen wird. Denn es gibt immer noch Orte, in denen sie vom Menschen aktiv als Nutztiere gehalten werden.

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„Naja, mein Mann hatte letztes Jahr in der Grillsaison die glorreiche Idee, wir könnten, wenn es kein Fleisch mehr gibt, auch einfach Stadttauben grillen. Haben wir natürlich nicht gemacht.“



Überkapitel

Ein Taubenpärchen im Spätfrühling. Er versucht mehr schlecht als recht ihr zu imponieren, während sie sich darauf konzentriert hat, ihn endlich abzuhängen.

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Unterkapitel

Tauben allgemein 9


Tauben allgemein

Was ist eine Taube?

„Weil die antike Naturwissenschaft annahm, dass die Taube keine Gallenblase hat und daher frei von allem Bitteren und Bösen ist [...]“ galt sie als Symbol der Unschuld und der Reinheit. [1]

Kaum einem anderen Vogel werden so gegensätzliche Eigenschaften zugesprochen wie der Taube. Sie ist einerseits ein Symbol des Friedens und der Unschuld, andererseits wird sie auch als „Ratten der Lüfte“ bezeichnet und dementsprechend gegen sie vorgegangen. Sicher ist nur, dass die Taube zu den unscheinbarsten und interessantesten Vogelarten gehört, und in den vielen Dingen eher einem Säugetier als einem Vogel gleicht. Sie ernährt sich fast ausschließlich von pflanzlicher Nahrung und zählt zu den wenigen Vogelarten die ihren Kopf beim Trinken nicht in den Nacken legen müssen, sondern das Wasser, wie die allermeisten Säugetiere, mit ihrem Schnabel einsaugen können. Auch können Tauben im einem Zeitraum von Februar bis November ihre Jungtiere großziehen, da sie nicht auf eine bestimmte Nahrungsquelle angewiesen sind. Für den Menschen hatte die Taube jahrhundertelang eine großen Bedeutung. Wegen ihrer Heimatverbundenheit und ihrem ausgezeichneten Orientierungssinn wurde sie lange Zeit als Brieftaube eingesetzt. Es war ein schneller Weg, um wichtige Nachrichten zu verschicken, und auch sehr zuverlässig. Aber auch als Fleischquelle war der Vogel lange Zeit begehrt. Zum Einen, wegen der Größe einiger Taubenarten, und natürlich wegen Tatsache, dass die Jungen bei Tauben schnell wachsen und die ausgewachsenen Tiere mehrmals im Jahr legen, was eine sichere und langfristige Fleischquelle garantierte.

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Was ist eine Taube?

Die klassische StraĂ&#x;entaube. Man erkennt gut ihre schwarzen FlĂźgelbinden und den metallischen Schimmer in ihrem Nacken.

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Tauben allgemein

Taubenarten

Bei der Taube ist größentechnisch von der Lerche bis zum Huhn alles dabei

Die Familie der Tauben ist weit verbreitet und breit gefächert. Als kleinste Taube der Welt gilt heute das Diamanttäubchen mit ihren 9,5 Zentimetern Körperlänge und knapp 45 Gramm Körpergewicht. Die größte Taubenart ist die Fächertaube. Sie wiegt drei bis vier Kilogramm bei knapp 30 Zentimeter Körpergröße. Die mehr als 300 Arten finden sich überall verteilt auf dem gesamten Globus. Die meisten davon kennen wir hier in Deutschland nicht. In unserer Umgebung kommen fünf Arten in freier Wildbahn lebende Arten am häufigsten vor. „Schwarzer Ring, weißer Fleck, grüner Fleck.… Am Nacken lassen sich unsere wild lebenden Taubenarten am besten identifizieren.“ [2]

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Taubenarten

Sie unterscheiden sich nicht nur im Aussehen, sondern auch was die Futtersuche, die Lebensart und die Eigenschaften angehen. Auch die Lebensräume müssen sich nicht zwangsläufig überschneiden. Die hier lebenden Taubenarten sind die Stadt oder Straßentaube, die Ringeltaube, die Hohltaube, die Türkentaube und die Turteltaube. Auf den folgenden Seiten werde ich die eben genannten Taubenarten vorstellen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten beschreiben und zeigen, dass auch hier in Deutschland unterschiedlichste Taubenarten heimisch sind.

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Tauben allgemein

Die StraĂ&#x;entaube hat rotbraune Augen und einen metallischen Farbglanz am Hals. Ihr graues Gefieder ist heller als das am Kopf und sie hat schwarze FlĂźgelbinden.

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Taubenarten

Die Straßentaube

Die meisten Menschen mit denen ich redete meinten wenn sie von „Tauben“ redeten die Straßentaube.

Sie ist der Grund für dieses Buch. „Ein Problem in Stuttgart“ richtet sich hauptsächlich auf diese Taubenart aus, denn sie hat nun mal hier viele Probleme, mit denen sie zu kämpfen hat, aber dazu später im Buch mehr. Die Stadt- oder auch Straßentaube genannte Taubenart ist die wahrscheinlich bekannteste Vertreterin, zumindest wenn man in den Städten fragt. Schätzungen zufolge Leben etwa 500 Millionen Straßentauben weltweit in den Städten und den umliegenden Ortschaften. Die Straßentaube ist eine direkte Nachfahrin der Felsentaube und wurde schon seit Jahrhunderten vom Menschen gehalten. Sie ist eines der am besten an dem Men-schen angepasste Tiere. Die Felsentaube ist sie nicht in der Lage in Bäumen oder Büschen zu nisten, sondern benötigt für den Nestbau eine Ebene Fläche wie etwa einen Felsvorsprung oder eben an ein Gebäude. „Nahrung findet sich reichlich in Form von Essensresten, Markt-, Hafen- und Schulhofabfällen, Brauereien, Fütterungen oder Abfällen der Futter- und Nahrungsmittelindustrie.“ [3]

Die meisten Taubenabwehrvorrichtungen richten sich allein gegen die Straßentaube.

Die Straßentaube ist bedingt durch ihren Lebensraum und die Nahrungsquellen nicht besonders scheu und traut sich auch an größere Menschenmengen heran. Sie sucht sich in der Regel ihre Nistplätze in der Nähe ihrer Nahrungsquellen und zieht wenn möglich mehrmals im Jahr Junge auf.

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Tauben allgemein

Die Ringeltaube hat eine gelbe Iris und einen relativ kleinen Kopf. Sie hat eine rundliche Brust. Am Nacken hat sie eine grĂźnliche Stelle und einen weiĂ&#x;en Halsseitenfleck.

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Taubenarten

Die Ringeltaube Im Gegensatz zur Straßentaube lebt die Ringeltaube bevorzugt in Grünanlagen, Parks oder Gärten. In größeren, dicht bebauten Innenstädten ist sie daher nur selten anzutreffen. Sie nistet bevorzugt in Nadelbäumen, ist aber auch vereinzelt in dichteren Laubbäumen zu finden, in denen sie dann im Frühjahr brütet. Beide Eltern wechseln sich beim Brüten ab, wobei die Mutter etwas mehr Zeit im Nest verbringt. „Der ursprüngliche Lebensraum der Ringeltaube setzt sich aus offenen Landschaften mit kleineren Waldflächen oder Feldgehölzen zusammen.“ [4] Sie zählt zu den größeren Arten hier in Deutschland und ist auch von der Statur gut von den anderen Arten zu unterscheiden. Die Ringeltaube sieht der Mensch nicht als Plage oder als Krankheitsträger, und so lässt er sie meist unbehelligt nisten. Der typische Ruf der Ringeltaube, den sie im Frühjahr vermehrt als Reviermarkierung von sich gibt, ist unverwechselbar und unüberhörbar. Die Taube zeigt dadurch wo genau ihr Revier verläuft, um andere Artgenossen davon abzuhalten ihr Nest zu nah an der eigenen Heimat zu bauen. Der Mensch begegnet ihr mittlerweile mit einem gewissen Desinteresse, wobei die Ringeltaube, trotz ihrer eigentlich sehr in der Natur verwurzelten Lebensweise, immer mehr die Scheu vor dem Menschen verliert.

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Tauben allgemein

Die Hohltaube hat ein ähnlich gräuliches Gefieder wie die Straßentaube, dunkle Augen und die Flügel sind im gleichen Blaugrau wie der Kopf: Zusätzlich einen grünen Nackenfleck.

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Taubenarten

Die Hohltaube Die Ähnlichkeiten zu Straßentaube sind auf den ersten Blick nicht von der Hand zu weisen. Beide haben ein gräuliches Gefieder, wobei es bei der Hohltaube deutlich ins bläuliche geht. Im Gegensatz zu ihrer Artgenossin ist sie aber deutlich scheuer. Dadurch, dass sie hauptsächlich in Wäldern und Wiesen lebt, ist sie kaum an die Anwesenheit von Menschen gewohnt, weshalb sie sich in deren Nähe auch kaum sehen lässt. Ihre Ernährung besteht größtenteils aus Samen, Früchte und Beeren, welche sie hauptsächlich in Wäldern findet. „Brutbestand in Deutschland 49.000 bis 82.000 Paare. Klassischer Waldvogel, der auch auch in Ortschaften brütet.“ [2] Menschen bekommen die Hohltaube kaum zu Gesicht. Sie lebt ein abgeschiedenes und friedliches Leben in der Wildnis und hat weder Ambitionen noch Motivationen sich dem Menschen anzunähern.

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Tauben allgemein

Die T체rkentaube hat dunkle Augen und ein grau-beiges Gefieder. Sie ist leicht an ihrem schwazen Nackenring und der br채unlichen Verf채rbung am R체cken zu erkennen.

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Taubenarten

Die Türkentaube Diese äußerst gesellige Taubenart hat sich im letzten Jahrhundert hier in Europa eingefunden. Vor ihrem Umzug war sie hauptsächlich südasiatischen Halbwüsten und Steppen ansässig. In Deutschland lebt sie aber vor allem in Dörfern oder Parks. „Außerhalb der Brutzeit leben Türkentauben sehr gesellig und bilden Schlafgemeinschaften. Sie sind vornehmlich Jahresvögel, einige Tauben streifen jedoch weit umher, wobei sie Entfernungen bis über 700 Kilometer zurücklegen können.“ [5] Die Türkentaube ist ein sehr geselliger Vogel. Wo die anderen Taubenarten ihr Leben meist nur mit ihrem Partner und zeitweise den Kindern verbringen, lebt die Türkentaube in kleineren Schlafgemeinschaften. Sie ist Artgenossen gegenüber nicht scheu und auch nicht so territorial geprägt wie andere Vogelarten. Auch dem Menschen gegenüber zeigt sie keine Scheu. Aktiv sucht sie die Nähe zu dem Menschen, ohne aber Ihre Verbindung zu dem eher wilderen Lebensraum zu verlieren. Sie nimmt gerne ausgestreutes Futter an, ernährt sich aber sonst hauptsächlich von Samen und Körnern. Außerdem verlässt sie uns, im Gegensatz zu anderen Taubenarten im Winter, um in wärmeren Gebieten die kalte Jahreszeit zu überstehen.

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Tauben allgemein

Die Turteltaube hat rostrot gesäumten Flügelfedern mit einem dunklen Kern. Sie hat gelbe Augen, eine rötliche Verfärbung darum und einen blauschwarzen Nackenfleck.

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Taubenarten

Die Turteltaube Die kleinste Taube hier in Deutschland ist der „Vogel des Jahres 2020“, eine kleine Berühmtheit also. Sie ist aufgrund ihres liebevollen Miteinanders als Turteltaube benannt. Leider gehen in Deutschland die Bestände immer weiter zurück, seit 1980 haben wir in Deutschland gut 90 Prozent des Bestands verloren. Da sie hauptsächlich an Waldrändern und in kleineren Wäldchen nistet, ist sie von der Ausbreitung der Landwirtschaft in diesen Gebieten stark bedroht. „Doch auch ein zweiter Punkt bedroht die Turteltaube. Als einzige Langstreckenzieherin unter unseren Tauben verbringt sie ihren Winter in Afrika. Doch durch illegale und legale Jagd ist sie auf ihrem Zugweg massiv gefährdet.“ [6] Wie ihre Artgenossen ernährt sie sich hauptsächlich von Samen und Körnern. Den Menschen lässt sie nur selten an sich heran, sie bevorzugt das Leben in der Wildnis. In Anwesenheit von Menschen ist sie zurückhaltend, und versteckt sich daher gerne in Baumwipfeln und Geäst. Trotz ihres scheuen Gemüts ist sie bei uns als Zeichen von Liebe und Treue bekannt.

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Tauben allgemein

Die Sache mit der Gesundheit

Die meisten Menschen die der Meinung waren, dass Tauben Krankheiten verbreiten, konnten mir keine genauen Angaben machen, um welche Krankheiten es sich handelt.

„Tauben verbreiten Krankheiten und zerstören unser Stadtbild.“ Diese Aussage hört man oft, gerade wenn die Leute gezielt nach ihrer Meinung zu den Vögeln gefragt werden. Eine Frau berichtet mir, dass sie immer einen großen Bogen um Stadttauben mache, weil diese für einen großen Teil der Infektionen in der Stadt verantwortlich seien. Ein älterer Herr antwortet auf meine Frage, was er über von den Tauben hält nur, dass ihm „die blöden Viecher gestohlen bleiben können“, denn sie würden immer sein Auto zuscheißen, und Taubenkot wäre besonders ätzend und zerstöre deshalb sämtliche Materialien, vom Lack bis hin zur Hausfassade. Diese und so ähnliche Aussagen bekomme ich sehr oft zu hören. Viele fürchten sich vor dem Kot der Tiere, ein Großteil sogar vor den Vögeln. Aber wieso eigentlich? Stimmt es, dass Tauben Krankheiten verbreiten oder tragen sie den Namen „Ratten der Lüfte“ zu unrecht? Die meisten Auskünfte über die gesundheitlichen Schäden durch Tauben finden sich tatsächlich auf der Website von Schädlingsbekämpfer. Es wird eine ganze Palette von Krankheitserregern genannt, von harmlos aber nervig bis hin zu potenziell tödlich. Knapp zwei Drittel der Leute die ich fragte halten Tauben für wahre Bakterien- und Vierenverbreiter. Gut zehn Prozent sind fest davon überzeugt, dass man mit ernsten gesundheitlichen Schäden rech­nen muss, wenn man mit einer Taube in Berührung kommt. Jemanden aus seinem Umfeld nennen, der mit den Folgen einer Taubeninfektion kämpfen musste konnte mir allerdings so gut wie keiner. Nur eine Dame meinte, mal etwas in der Zeitung davon gelesen zu haben, konnte mir aber leider den Artikel oder die Zei-

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Die Sache mit der Gesundheit

tung nicht nennen. Was ist wirklich dran solchen Behauptungen, die überall kausieren? Norbert Kummerfeld forscht schon seit gut zwei Dekaden an Stadttauben. Für den Spiegel erklärte er im Jahr 2017 einen Teil seiner Forschung im Bezug auf das gesundheitliche Risiko der Tiere. „Da war der Mann, der sich aus Angst vor Krankheiten nicht traute, eine junge Taube zu retten, die vor seinen Augen in einem Fluss ertrank. Da war der Polizist, der einem Mann im Anzug zurief, eine verletzte Taube sofort fallen zu lassen, um sich nicht bei ihr anzustecken. Inge Prestele kennt viele solcher Fälle. Sie glaubt, dass Tauben ein schlechtes Image verpasst wird weil sich damit Geld verdienen lässt.“ [7] So sind, laut dem Artikel, ein großer Teil der Krankheiten, die sich bei Stadttauben ausbreiten, wirtsspezifisch und können sich so nicht auf den Menschen übertragen. Die Vögel selbst stellen also keine gesundheitliche Gefahr dar. Der Kot der Vögel ist aber, gerade in größeren Mengen, durchaus gefährlich. Deshalb soll man, laut Spiegel, auf jeden Fall beim Entfernen von Taubenkot eine Maske tragen. Woher kommen dann diese Vorurteile gegenüber der Stadttaube? Der Artikel verweist mehrfach auf die Seite eines Schädlingsbekämpfers, welcher eine Vielzahl an Krankheiten auflistet, die durch Tauben übertragen werden sollen. Dabei handelt es sich allerdings hauptsächlich um taubenspezifische Krankheitserreger. Die Krankheit namens Kryptokokkose, welche durch

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Tauben allgemein

Pilze im Taubenkot übertragen werden, und wirklich ein Problem darstellen, werden allerdings nicht genannt. Auch von der Taubenzecke, welche damals in der DDR ein größeres Problem darstellte, wurde in den letzten zehn Jahren kein einziger Fall mehr gemeldet. Dann ist da noch das Thema mit den Schäden an Häusern und Fassaden durch Taubenkot. Viele der Menschen berichteten mir, dass die Tauben mit Ihrem Kot ja sämtliche Denkmäler und denkmalgeschützte Gebäude beschädigen würden. Auch einige Autobesitzer fluch-

Denken Sie, dass Tauben Krankheiten verbreiten?

Ist die Berührung einer Taube gefährlich?

Kennen Sie wen, der durch eine Taube infiziert wurde?

Würden Sie einer Taube in Not helfen?

Mögen Sie Tauben allgemein?

Die Umfrage wurde im November 2019 auf der Königsstraße in Stuttgart durchgeführt. Insgesamt befragte ich 34 Menschen in der Stuttgarter Innenstadt sowie 25 in meinem persönlichen Umfeld. Über soziale Netzwerke bekam ich noch mal 48 Antworten und Meinungen zusammen und hatte somit 107 Antworten, welche in die oben gezeigte Statistik flossen. Die Befragten waren sowohl Männer als auch Frauen und von unterschiedlichsten Altersgruppen, wobei zu erwähnen ist, dass die 48 Antworten aus Social Media hauptsächlich von 16 bis 35 Jährigen stammt, diese also in der Statistik überrepräsentiert sind.

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Die Sache mit der Gesundheit

ten, wenn man sie auf das Thema ansprach. Aber ist der Kot wirklich so ätzend auf Oberflächen wie Stein oder Lack auf den Autos? Als erstes eine Entwarnung: „Hausbesitzer [...] müssen sich höchstens um die Optik ihres Gebäudes sorgen. Einer Untersuchung des Instituts für Massivbau der Universität Darmstadt zufolge richtet frischer Vogelkot an Material wie Beton, Granit, Nadelholz und Sandstein keine Schäden an.“[7]

„Die Tauben verbrachten fünfmal mehr Zeit damit, sich selbst zu putzen, als sich von anderen putzen zu lassen.“ [8]

Anders sieht es jedoch bei Autos aus. Der Kot der Vögel kann den Lack des Autos angreifen und bleibende Schäden hinterlassen, wenn er nicht zeitig entfernt wird. Die gesundheitlichen Risiken der Taube werden überschätzt. Zwar sollte man gerade bei Taubenkot auf sich und sein Auto achtgeben, die Vögel an sich bergen für den Menschen allerdings keine so große Gefahr, wie es von einigen Seiten beschrieben wird. Auch weil Tauben eigentlich sehr reinliche Tiere sind, die sich regelmäßig putzen und waschen. Auch gegensätzig putzen sie sich, ähnlich wie man es bei Affen kennt. Hier daher eine kleine Bilderstrecke einer sich putzenden Taube:

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Tauben allgemein

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Die Sache mit der Gesundheit

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Tauben allgemein

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Die Sache mit der Gesundheit

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„Es gibt ja schon viel ekliges. Aber wenn in Bad Cannstatt eine Taube Essensreste aus Erbrochenem pickt, ist das noch mal ein ganz neues Level an eklig...“



Ăœberkapitel

Am Nordbahnhof sind einige Street Art Kunstwerke. Dort sitzen auch sehr gerne die Stadttauben und warten darauf, dass jemandem versehentlich seine Brezel aus der Hand fällt.

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Tauben in Stuttgart 35


Tauben in Stuttgart

Die Stuttgarter Tauben In Stuttgart sind sie wirklich überall: Im Hauptbahnhof, auf dem Schlossplatz, auf den allerorts präsenten Baukränen und -fahrzeugen und natürlich vor sämtlichen Restaurants die einen Außenbereich haben: Straßentauben. Mal klein und scheu, mal groß und kräftig. Dick, dünn, von gesund bis todkrank; gefühlt in allen Formen und Farben sitzen sie in der Innenstadt. Und das ist erst mal nichts ungewöhnliches. Die meisten großen Städte in Deutschland und der Welt nennt die Taube mittlerweile ihr Zuhause. Doch ebenso wie man sich an den Anblick der Vögel gewöhnt hat, gewöhnt man sich auch Stück für Stück an die Überall aufgestellten Spikes auf Denkmälern oder Vorsprüngen. Sie sollen die Tauben am Nisten hindern und die Population nach unten treiben. Der Erfolg dieser Abwehrmaßnahmen sind mehr als umstritten. Ich möchte in diesem Kapitel zeigen, welche Probleme die Straßentaube hier in Stuttgart hat und was zu einer Lösung beitragen könnte. Es gibt deutlich effektivere und Tierfreundlichere Maßnahmen, als die aktuell ergriffenen. Denn, sie ist hier genauso heimisch wie die Stuttgarter selbst.

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Unterkapitel

Stuttgarter StraĂ&#x;entaube beim Landeanflug. Sobald sie irgendwo Essen erspähen landen sie meist direkt in einem ganzen Schwarm.

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Tauben in Stuttgart

Probleme der Stadttauben

Stadttauben wurde antrainiert, mehrmals im Jahr zu brüten, egal ob genügend Futter oder geeignete Nistplätze zur Verfügung stehen.

Brutzwang Der Mensch hat schon sehr früh angefangen Tauben zu züchten. Sie waren zum Einen als Nahrungsmittelquelle (Fleisch und Eier) gehalten, und zum Anderen als Brieftauben genutzt. Da es gerade bei den für den Verzehr gedachten Tauben nicht ausreichte, wenn sie einmal im Jahr Junge aufzogen, wurde ihnen ein Brutzwang antrainiert, damit sie mehrmals im Jahr Eier legen und diese ausbrüten. Bei den heutigen Stadttauben führt das dazu, dass sie, egal ob sie einen geeigneten Nistplatz oder genug Futter haben, Kriterien, die bei den meisten anderen Vögeln dafür sorgen, dass sie keine Eier legen, immer wieder Nester bauen müssen und mehrmals im Jahr versuchen dort ihre Junge aufzuziehen. Die Lösung hierbei besteht darin, den Tauben sichere und saubere Nistplätze mit artgerechtem Futter anzubieten. Dort können dann die Eier durch Attrappen ausgetauscht werden, damit die Tiere nur noch einmal im Jahr ihre Jungen großziehen müssen.

Die Tiere finden in den Städten kaum nährstoffreiche Nahrung und fressen daher alles was auf dem Boden landet.

Nahrung Zu den natürlichen Nahrungsquellen gehören bei der Taube, wie bei vielen Vogelarten, hauptsächlich Körner und Samen. Sie sind die Grundlage dafür, dass die Vögel alle wichtigen Nährstoffe und Vitamine bekommen, die sie zum Überleben brauchen. In den Großstädten können die Tauben allerdings kaum Samen oder Körner finden und essen daher alles, was so auf dem Boden landet, egal wie ungesund und nährstoffarm es auch sein mag. Von Brezeln, die fallengelassen wurden, über fettige Pommes bis hin zu Resten

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Probleme der Stadttauben

Eigentlich ernährt sich die Straßentaube von Samen und Gräsern. Aber wenn es an Alternativen fehlt, tut es auch mal eine Brezel.

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Tauben in Stuttgart

aus Erbrochenem. Wichtig ist, dass Tauben in den Städten nicht mehr gefüttert werden und, dass Essensreste nicht lange auf der Straße liegen bleiben. Zusätzlich muss sich auch um artgerechtes Futter in den Taubenschlägen gekümmert werden, damit die Tiere eine Alternative haben und nutzen können.

Da die Stadttauben nicht in Bäumen nisten können, sind sie gezwungen zusammenzurücken.

Platz Die Stadttaube stammt ursprünglich von der Felsetaube ab. Im Gegensatz zu der ebenfalls hier ansässigen Ringeltaube kann sie daher nicht einfach in Bäumen nisten, sondern braucht für ihre Nester eine kleine ebene Flächen. In den Städten findet sie diese hauptsächlich an Hausfassaden und im Mauerwerk größerer Bauten. In den meisten Städten, auch in Stuttgart, werden an einem Großteil der potenziell nutzbaren Flächen allerdings Spikes aufgestellt, um die Tauben am Nisten zu hindern. Dadurch sind die Tiere dazu gezwungen immer weiter zusammenzurücken und, wenn kein andrer Platz verfügbar ist auch zwischen Spikes zu nisten, denn aufgrund ihres Brutzwangs müssen sie zwanghaft mehrmals jährlich Eier legen. Das führt dazu, dass die jungen Tauben oft die ersten Tage nicht überstehen und die Eltern sich beim Brüten an den Spikes verletzen. Zucht- und Hochzeitstauben Viele der gezüchteten Brief- oder Hochzeitstauben kehren von ihren Flügen nicht wieder zurück. Sie landen bei den Stadttauben und vergrößern die Population. Auch deshalb haben die Stadttauben kein so eindeutiges Erscheinungsbild wie die restlichen Taubenarten. Kommen Tauben von Züchtern hinzu verändert sich das Aussehen der

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Probleme der Stadttauben

„Suche[n Sie] nicht nach alternativen Tieren wie beispielsweise Schmetterlinge. Auch sie sind laut der Tierschutzombudsstelle Wien großen Gefahren ausgesetzt und können nach der Freilassung nur schwer überleben.“ [9]

Tauben immer weiter. Aber auch für die gezüchteten Tauben ist das neue Leben auf der Straße nicht leicht. Bekamen sie seit ihrer Geburt immer ausreichend Wasser und gesunde Nahrung, müssen sie sich auf einmal selbst um das Überleben kümmern, auch mit Nahrungsmitteln die sie ohne akute Not nicht anrühren würden. Die Lösung Betreute Taubenschläge würden den Tauben in ihrer aktuellen Situation extrem helfen. So haben sie einen sicheren Rückzugsort, die Eier können gegen Attrappen getauscht werden und sie haben ausreichend Platz und gesunde Nahrung. In Stuttgart werden die Taubenschläge vom „Stadttauben-Projekt Stuttgart“ betreut, aber dazu später mehr. Die Tauben brauchen einfach ein sicheres Umfeld in dem sie nisten und leben können. Das würde auch den Innenstädten helfen. Solange die Tauben ausreichend gesunde Nahrung bekommen können, rühren sie in der Regel weder fettige Essensreste noch sonstigen Müll an, der auf den Straßen liegt an. In den Taubenschlägen können sie außerdem gesundheitlich versorgt und notfalls mit Medikamenten und Verbänden verarztet werden. So sinkt die Gefahr für ernsthafte Verletzungen bei den Tieren erheblich und steigert die Lebensqualität.

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Tauben in Stuttgart

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Laufende Tauben

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Tauben in Stuttgart

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Laufende Tauben

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Tauben in Stuttgart

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Füttern verboten!

Füttern verboten!

Am 16. März 2017 stimmte der Gemeinderat Stuttgart der Polizeiverordnung des Fütterungsverbots zu. [10]

Wer in Stuttgart Tauben füttert, dem muss es finanziell wirklich gut gehen, sonst macht er das nicht lange. Wie in mittlerweile vielen Großstädten ist das Taubenfüttern in Stuttgart untersagt. Beim ersten Mal kommt man mit 35 Euro Bußgeld noch ganz gut weg, wer allerdings öfter in den Genuss kommen möchten auf einen Schlag ganz viele gefiederte Freunde zu haben, der muss mit einer Geldstrafe von bis zu 5.000 Euro rechnen. Auf der Seite der Stadt Stuttgart wird das Verbot folgendermaßen begründet: „Das Fütterungsverbot zielt darauf, den Taubenbestand im Stadtgebiet zu reduzieren bzw. auf einem niedrigen Niveau zu stabilisieren sowie Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung, Verunreinigung bzw. Beschädigung von Bauwerken und Denkmälern durch Taubenkot zu verringern.“[10]

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Tauben in Stuttgart

Das Stadttauben-Projekt Stuttgart

Das Logo des StadttaubenProjekts Stuttgarts. Es zeigt einen Taubenkopf und den Stuttgarter Fernsehturm dahinter.

„Stadttauben Stuttgart“ ist ein Projekt des Tierschutzverein Stuttgart und Umgebung e.V. Sie setzen sich seit 2008 für die hier ansässigen Stadttauben ein. In den mittlerweile zwölf jährigen Bestehen des Projekts wurden bis heute knapp ein Dutzend Taubenschläge in ganz Stuttgart verteilt geplant und auch errichtet. „Im Sommer wurde am Seilerwasen in Bad Cannstatt ein von innen begehbarer Taubenturm eröffnet, als Ersatz für das Taubenhaus Mühlgrün“ [11]. 2019 wurde am Bahnhof Zuffenhausen die bisher letzte Taubeneinrichtung aufgebaut und eingeweiht. In den Taubenschlägen und Einrichtungen können die Tauben leben, nisten, bekommen sauberes Wasser und artgerechtes Futter. Auch werden ihre Eier durch Gipseier ersetzt, um die Population auf ein gewisses Maß zu reduzieren, ohne den lebenden Tauben Schaden zufügen zu müssen. Über 45.000 Eier hat das Projekt seit seiner Gründung nach eigenen Angaben bisher austauschen können. „Unter anderem ist es der Stadttaubeninitiative inzwischen gelungen, die durch die großflächigen Umbauprojekte des Hauptbahnhofes heimatlos gewordenen Stadttauben in einen neu errichteten Taubenschlag in Bahnhofsnähe erfolgreich umzusiedeln.“[12] 2015 hat die Kooperation dafür den mit 1.000 Euro dotierten Tierschutzpreis für ihre Arbeit und ihr Engagement im Bezug auf die Stuttgarter Stadttauben erhalten.

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„Diese Jungtauben haben Menschen hier am Baum entsorgt. Sie wurden auf einem Balkon geboren und als die Besitzer vom Urlaub zurück kamen waren sie lästig. Die Taubeneltern päppeln ihre Jungen gemeinsam bis zu ca. 6 Wochen. Erst dann fressen sie alleine und werden in den Taubenschwarm integriert. Futter finden sie allerdings sehr wenig oder gar nicht in den Städten.“ Taubenbeauftragte: Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer

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Taubenhaus auf der Stadtkämmerei

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Stadttauben-Projekt

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Gesammelte Taubeneier

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Stadttauben-Projekt

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Tauben gelten als Symbol des Friedens

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Tauben in Stuttgart

Taubenturm am Max-Kade-Weg im Stadtgarten

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Stadttauben-Projekt

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Taubenhaus auf der KriegsbergstraĂ&#x;e

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Stadttauben-Projekt

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Tauben in Stuttgart

Tauben in den Städten! – Hochpolitisch Nach meinen Recherchen zum Thema Stadttauben in Stuttgart und dem Stadttauben-Projekt Stuttgart entschloss ich mich bei der Taubenbeauftragte des Projektes zwecks eines Interviews anzufragen. Silvie BrucklacherGunzenhäußer betreut das Projekt schon sehr lange und setzt sich ebenso lange für die hiesigen Taubenschläge ein. Für ihre Arbeit und ihr Engagement wurde sie 2015 sogar mit der Ehrenmedaille der Stadt Stuttgart ausgezeichnet [13] Im folgenden Interview Frage befrage ich sie zu Ihrer Arbeit im Rahmen des Stadtauben-Projekts. Da man vom Ehrenamt an sich nicht wirklich Leben kann, ist meine erste Frage zu Ihnen persönlich, was machen Sie neben Ihrer Tätigkeit im Stadttaubenprojekt Stuttgart? Ich bin Fotografin. Und natürlich, das ist ein Ehrenamt, in dem man eher Geld investiert als dass man etwas bekommt. Deutschland ist eines der Länder mit den meisten Ehrenamtlichen, etwas, was sehr löblich ist. In das Ehrenamt wächst man irgendwie rein und dann kommt man auch nicht mehr raus. Aber ich muss auch sagen, ich bin schon im Rentenalter und habe mich mein ganzes Leben schon wahnsinnig gerne um Tiere gekümmert und wenn du älter wirst, ist das Ehrenamt ja etwas ganz belebendes. Ich möchte nicht alt werden und dann nichts machen. Deshalb: Wenn man älter wird und noch etwas machen kann, finde ich es eine ganz tolle, bereichernde Sache und im Tierschutz sind auch

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Stadttauben-Projekt

viele Leute so ab 50 oder 60, die da sehr engagiert sind. Ohne diese Leute ginge es auch gar nicht. Wie ist das Stadttauben-Projekt Stuttgart entstanden, bzw. was war die Idee die zur Entstehung geführt hat? Als Mitglied des Verwaltungsrat des Stuttgarter Tierschutzverein habe ich verfolgt, dass bis 2000 die Stadttauben jährlich von den Städten vergiftet wurden. Das wurde dann in Deutschland verboten. Stadttauben wurden von uns Menschen so gezüchtet dass sie ca. 6 mal im Jahr 2 Eier legen müssen. Wir haben Sie gegessen, die Eier verwendet, die Federn, den Kot als Dünger und als Freizeithobby als Brieftauben. Inzwischen wollen wir sie nicht mehr, sie sind uns lästig. Deswegen habe ich 2008 mit der Stadt zusammen das Taubenprojekt gegründet. Wir Tierschützer machen den ganzen aktiven Teil, tägliche Versorgung der inzwischen 11 Taubenhäuser und Türme, von der Stadt bekommen wir einen finanziellen Zuschuss vom Gemeinderat genehmigt. Und wie läuft die Zusammenarbeit mit der Stadt? Im Grunde ist es so, dass die Zusammenarbeit mit der Stadt recht gut funktioniert. Stuttgart ist eine von ca. 70 Städten, die das Taubenthema positiv aufgegriffen haben. Wir vom Tierschutzverein sind froh darüber, auch wenn unsere Vorstellungen öfters auseinander gehen. Es gibt viele Tierschutzvereine in Deutschland, die uns um unsere guten Kontakte zur Stadt beneiden.

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Tauben in Stuttgart

Ich habe im Zuge der Recherche eine kleine Umfrage unter den Menschen in Stuttgart und meinem Umfeld durchgeführt und da hatten viele Menschen kein gutes Bild der Taube, Stichwort „Ratten der Lüfte“. Wie bewerten Sie das? Also diese Geschichte mit den „Ratten der Lüfte“ ist anscheinend von einem amerikanischen Journalisten in den 50er Jahren in die Welt gesetzt worden. Und das klingt so lässig, das sagt man so schnell. Das war zur gleichen Zeit als sich der Wohlstand in den Städten z.B. in Form von Cafés ausgebreitete. Die Menschen, die Taubenschläge hatten, weil sie die Tiere und die Eier gegessen haben, die haben ihre Taubenschläge oft einfach zu gemacht. Die Tauben saßen daher auf der Straße. Dadurch, dass man die damaligen Haustiere verstoßen hat, wie in anderen Ländern heute Katzen oder Hunde, mussten sie sich ihr Futter auf einmal auf der Straße suchen und so kam das mit den „Ratten der Lüfte“. Was ich so hasse ist die Ungerechtigkeit. Wie man die Tauben aus warmen Ländern gefügig gemacht hat und dann so genmanipuliert hat, dass sie sechs mal im Jahr zwei Eier legt, welches Wildtier macht denn so etwas? Selbst bei Minus 20 Grad müssen sie Eier legen, und das hat auch nichts mit dem Futter zu tun. Die Stadttauben sind Felsentiere und brüten an steinigen Wänden, Häusern, Balkonen, nicht auf Bäumen. Deswegen sind sie uns lästig und es wurde ein regelrechter Hass gegen diese Tiere aufgebaut.

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Stadttauben-Projekt

Tauben haben ja im Gegensatz zu den Ratten auch keine Epidemien wie beispielsweise die Pest ausgelöst. Die WHO hat seit 1989 die Taube von der Schädlingsliste genommen, denn man hat festgestellt, dass die Taube genauso wie jedes andere Tier: Pferde, Hunde, Katzen, gesundheitlich gefährlich oder ungefährlich sein kann. Das Einzige ist, dass bei dieser „Massentierhaltung“ z.B. in Städten, in denen die Tauben wegen den Abwehrmaßnahmen teilweise in kleinen Nischen 20 Nester bauen müssen, sich dann durch den Kot Milben bilden. Aber das ist bei allen Arten der Massentierhaltung ein Problem. Dort wo nicht sauber gemacht wird, vermehren sich Milben, und die können sich auch auf den Menschen übertragen, aber das passiert so gut wie nie. Jetzt hat die Stadt ja ein Verbot verhängt die Tauben zu füttern, weil das dazu führen würde, dass die Tiere eher in den Innenstädten bleiben. Ist die Begründung gerechtfertigt? Tauben sind standorttreue Tiere. Die können gar nirgends anders leben, als dort wo sie geboren wurden. Deshalb gibt es ja dieses unsägliche Geschäft mit den Brieftauben. Die werden mit dem Bus nach Paris gefahren, dort werden sie rausgeschmissen, und dann sollen sie zurückfliegen nach Wien oder sonst wo und da genau in ihren Taubenschlag zurückkommen. Der Sieger kriegt dann 1.000 Euro und so weiter. Das ist ein Naturtrieb, den die Tauben haben und der hat

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Tauben in Stuttgart

mit dem Futter rein gar nichts zu tun. Tauben sind standorttreu und bleiben immer da, wo sie geboren werden. Also wenn sie auf deinem Balkon geboren werden, egal ob siebter Stock oder Erdgeschoss, dann wollen sie ihr Nest auch genau dort machen. Das ist in der heutigen Situation für Mensch und Tier ein Drama. Der Taubenschlag am Hauptbahnhof wurde ja im Rahmen von Stuttgart 21 geschlossen. Wie geht es den Tauben die bis dato dort lebten? Das war der erste Schlag, den ich damals betreut habe, der war fantastisch und wir haben sehr lange keinen Ersatz gefunden. Ich durfte dann zwei Jahre lang die Tauben, die da in Not waren auf dem Dach gegenüber füttern, dort wo dieses ehemalige Bahngebäude immer noch steht. Dann hat man sich endlich entschlossen in der Kriegsbergstraße, die dort am Bahnhof endet, ein sehr großen Taubenhaus zu bauen. Dort füttern wir jeden Tag um die 400 Tauben. Und wie wurde das neue Taubenhaus angenommen? Es wurde sehr gut angenommen, trotzdem gibt es noch viele Tauben im Hauptbahnhof, die oben brüten, wo auch kein Mensch hinkommt. Und diese Woche werden dort Netze und Spikes angebracht und die Tauben wissen dann nicht mehr wohin. Sie sitzen dann unten in der Schalterhalle. Für die Jungen in den bestehenden Nestern haben wir jetzt angeboten, dass wir die dann übernehmen, sonst will sie keiner haben.

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Stadttauben-Projekt

Obwohl der Mensch sie erst in die Städte gebracht hat? Ja, die Tauben haben uns damals gerettet. Sie sind seit Jahrtausenden Begleiter der Menschen, weil wir Menschen sie rundum verbrauchen konnten. Vom Fleisch über die Eier, selbst der Kot. Wir hatten ein paar türkische Mitbürger, die holten sich jahrelang den Kot von den Schlägen für ihren Garten als Dünger ab. Eine Freundin von mir war tatsächlich im Tal der Tauben in der Türkei. Da werden sie immer noch als Nutztiere gehalten. Das Ziel der Taubenschläge hier ist ja nicht die Zucht, sondern die Eier der Tauben gegen Attrappen auszutauschen, einfach, weil du sonst die Zahl der Tauben nicht reduziert bekommst. Das ist auch der einzige Grund, warum wir von der Stadt unterstützt werden. Die Täubchen werden mit fünf sechs Wochen flügge, aber die Eltern müssen sie immer noch füttern. Und zwar durch eine Kropffütterung, die müssen ihren Schnabel in ihren Kropf stecken. Im Kropf wird das Futter vorverdaut und kommt erst dann in den Magen. Alles ein bisschen kompliziert. Und deswegen, wenn wir Tauben mit fünf sechs Wochen finden, dann müssen wir sie mit einer Kropffütterung füttern, das ist alles wahnsinnig zeitaufwändig. Bis sie erwachsen sind müssen wir sie wirklich jeden Tag füttern, betreuen und verpflegen und das ist gar nicht so einfach, besonders dann, wenn man noch nicht oft Taubenjunge aufgezogen hat.

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Tauben in Stuttgart

Was macht man denn am Besten, wenn man junge oder verletzte Tauben findet? Bei mir rufen täglich Menschen an, die eine Taube gefunden haben. Die finden ein Täuble, das unten im Garten liegt. Dann fährt da jemand aus unserem kleinen Team abends noch hin und holt die Taube ab. Wenn die Taube noch sehr jung ist hast du sie an der Backe. Dann musst du sie füttern bis sie zwei Monate alt ist. Und dann müssen wir sie in einen Schlag integrieren. Sprich, wir tun es in eine Voliere in einem unserer Taubenschläge und dann gewöhnt es sich an diesen Schwarm und darf dann in dem Schwarm mitleben. Stehen denn aktuell neue Projekte an, sprich sind gerade neue Taubenschläge, -häuser oder -türme geplant? Ja klar, wir brauchen mindestens 30 oder besser 40 in Stuttgart und Umgebung. Aktuell wird das alte Rathaus Wangen ausbaut, wir werden das dann auch besichtigen. Und das letzte Projekt war in Zuffenhausen am Bahnhof, da steht an Gleis zwölf ein Taubenhaus. Und wir müssen weitermachen. An jedem Bahnhof. In Vaihingen ist die Not sehr groß oder auch an der Liederhalle bräuchten wir dringend irgendwo auf einem Dach etwas. Oder auch der Charlottenplatz ist so ein Hotspot. In der Straßenbahnunterführung, das ist ja so ein großer Bahnhof unter der Erde. Das ist ideal für Tauben, um sich da zu verkriechen. Wir wollen ja keine Taubenzucht, wir wollen sie ja vielmehr im Griff behalten.

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Unterkapitel

„Stadttaubenküken , 3 Wochen alt, aus dem Nest gefallen , werden bei mir aufgepäppelt bis sie 2 Monate alt sind“

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Tauben in Stuttgart

Wir brauchen in der Innenstadt noch mindestens zehn und in den Außenbezirken ebenso. Und das Schlagwort ist betreute Taubenschläge. Das ist natürlich ein wahnsinniger Aufwand. Die sind meist sehr hoch, nur mit Treppen oder Leitern und dann heißt es Futter und Wasser hochschleppen, Kot runterschleppen. Und die Futtersäcke sind nicht leicht, die sind meistens um die 25 Kilo schwer. Und es ist wirklich anstrengend. Und mit jedem neuen Taubenschlag brauchen Sie natürlich auch mehr Leute, die helfen. Selbstverständlich. Also die Wochenenden machen immer Ehrenamtliche. Wir haben aktuell fünf Angestellte in Teilzeit vom Tierschutzverein, die die Stadt mitfinanziert. Die arbeiten von Montag bis Freitag. Nur werden die halt auch mal krank oder haben Urlaub, also machen die Ehrenamtlichen die Arbeit am Samstag und Sonntag sowie die Urlaubsvertretung oder springen bei Krankheitsfällen ein. Auch die unzähligen Meldungen von Tauben in Not werden von ihnen übernommen. Und wissen sie, nach zwei, drei Jahren sind die Helferinnen, es sind meistens Frauen, auch müde mit dem Ehrenamt. Es ist brutal. Bei Regen auf einen Taubenturm hochzusteigen oder an einem Sonntag um 12 Uhr, wo alle es schön haben, in die Stadt zu fahren und Tauben zu füttern, das ist auf lange Sicht nicht so witzig und da hast du irgendwann auch die Schnauze voll. Es ist wirklich anstrengend. Ich mache das jetzt

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Stadttauben-Projekt

elf Jahre und habe so viel gelernt und auch 2015 den Tierschutzpreis bekommen, weil es in der Tat eine wichtige Sache für Mensch und Tier ist. Die Meinung der Menschen hier ist teilweise noch viel zu negativ den Tauben gegenüber, die meisten Leute fühlen sich von den Tauben immer noch gestört. Die Kosten, die die Privatleute und die Stadtverwaltung für Taubenabwehr hat gehen in die Millionen, anstatt dass sie Taubenhäuser bauen. Und das ist etwas, an dem wir konsequent weiter arbeiten müssen. Ich möchte mich an dieser Stelle sehr bei Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer dafür bedanken, dass sie sich die Zeit für meine Fragen genommen hat. Das Gespräch war wirklich informativ und interessant, auch wenn es, aufgrund der aktuellen Situation, nur telefonisch stattfinden konnte.

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Tauben in Stuttgart

Der Taubenturm am Seilerwasen in Cannstatt

GroĂ&#x;e TaubenfĂźtterung auf dem Dach

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Stadttauben-Projekt

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„In der Eisdiele hat eine junge Taube mal versucht am Nachbartisch zu landen, da der Tisch aber nass war, ist sie einmal der Länge nach ausgerutscht. Sie war aber unverletzt.



Überkapitel

Ein Taubenschwarm im Tal der Tauben in der Türkei. Hier werden die Tauben aktiv gehalten und gezüchtet und haben hier eine natürliche Heimat mit genug gesunder und nahrhafter Nahrung.

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Unterkapitel

Tauben anderswo 75


Tauben anderswo

Tauben gibt es überall Tauben gibt es überall. Das ist erst mal nichts besonders. Viele Tiere haben auf fast allen Kontinenten eine Gattung von ihnen vertreten. Bei den Tauben trifft das erst mal auch zu. Die gut 300 Arten der Tauben sind beinahe überall verstreut zu finden, nur braucht man gar nicht ihre Artenvielfalt aufzufächern, um in den unterschiedlichsten Ländern auf Tauben zu stoßen, hier reicht die Straßentaube völlig aus. Sie ist in so gut wie jeder größeren Stadt vertreten. Von Venedig über New York bis hin zu Tokyo und schließlich Berlin, überall findet sich der fast schon zahme Vogel. Andere Länder, andere Sitten. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen Mensch und Taube. Wo mancherorts Tauben vertrieben und gejagt werden, wird anderswo die Taube als Nutz- oder Haustier gehalten. Jede Stadt hat ihre eigenen Ideen, wie sie mit den Tieren umgehen wollen und jeder Ort setzt diese anders um. In diesem Kapitel möchte ich aus Stuttgart rausgehen und mich in anderen Teilen Deutschlands und der Welt umsehen, wie dort mit Tauben umgegangen wird. Zuerst aber eine kleine Bilderserie zu der Stadttaube auf den verschiedenen Kontinenten.

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Tauben gibt es Ăźberall

Es gibt mehr als 300 Taubenarten auf der Welt. Trotzdem reicht der Blick zur StraĂ&#x;entaube, um zu sehen wie weit verbreitet eine einzelne Taubeart sein kann

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Ăœberkapitel

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Afrika

SĂźdafrika Kapstadt

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Asien

Nepal

Kathmandu 80


Unterkapitel

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Ăœberkapitel

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Nord. amerika

USA

New York City

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Europa

Frankreich

Paris

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Unterkapitel

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Ăœberkapitel

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SĂźd. amerika

Bolivien

Santa Cruz de la Sierra

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Aus tralien

Australien Sydney

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Unterkapitel

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Tauben anderswo

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Tal der Tauben

Pigeon Valley, Tal der Tauben oder Gvercinlik vadisi

Die durch das Nisten entstehenden Exkremente werden vorwiegend als Düngemittel verwendet.

Die Haupteinnahmequelle der Einheimischen ist nach wie vor die Landwirtschaft, auch wenn der Tourismus eine immer größere Rolle spielt.

Das hier wird ein Apell für das Reisen im Winter (in die Türkei natürlich!) und das Füttern von Tauben. Weil es kein schlechtes Wetter, sondern nur falsche Kleidung gibt, und weil sie nicht nur niedlich, sondern nützlich sind. Minus drei Grad Celsius, bleigrauer Himmel, durch diesen Himmel fliegt ein riesiger Schwarm Tauben. Noch gestern hat es geschneit, doch heute ist nur eine dünne Schneeschicht über den Tälern von Kapadokya (Kappadokien) übrig geblieben unter der diese Vögel nach Futter suchen. Es sind Touristen hier, weil inzwischen in jedem Teil der Welt zu jeder Jahreszeit Touristen in Bussen herumgefahren werden, doch kaum ein Japaner bleibt länger stehen als er muss um ein kurzes Foto zu machen, dafür sorgt der eisige Wind. Wir sind im Pigeon Valley in Kapadokya, eine steinige Berglandschaft in Zentralanatolien in der Türkei. Berühmt ist die Region für die vielen Wohnhöhlen, die von den ersten Bewohnern bereits viele tausend Jahre vor Christus in das weiche Tuffgestein gehauen wurden. Als Tourist kann man in der schönen Landschaft spazieren oder wandern und bei gutem Wetter bei Sonnenaufgang die Felsformationen der Täler vom Heißluftballon aus von oben in voller Schönheit betrachten. Das Tal der Tauben liegt zwischen den Städten Göreme und Uçhisar. Das Tal selbst beeindruckt nicht durch Steine in Form von Tieren oder dem männlichen Geschlechtsorgan, wie manch andere, ist aber trotzdem jeden Besuch wert. Es befinden sich hier hunderte kleine Verschläge, Höhlen und Ecken in den lockeren Felswänden, in denen tausende Tauben leben. Einige mögen natürlichen Ursprungs sein, doch die meisten der Taubenschläge sind hier be-

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Tauben anderswo

wusst von Menschen angelegt worden. Von den ursprünglichen Bewohnern dieser Region wurden die Tauben aus verschiedenen Gründen gehalten. Als Brieftauben transportierten sie Nachrichten schneller als Menschen es in diesem unwegsamen Gelände konnten. Ihre Exkremente wurden als billiger und effizienter Dünger auf den Feldern genutzt und am Ende ihres Lebens dienten sie den Bauern als einfache Mahlzeit. Auch heute noch nutzen einige Landwirte die Hinterlassenschaften der Tauben zum Düngen und schwören darauf, dass dies der Grund dafür ist, dass Früchte aus Kapadokya als die süßesten und saftigsten der Türkei gelten. Hier an dieser Stelle oben am Rand des von Tauben bevölkerten Tales kann man als Tourist Vogelfutter und taubenförmige Kühlschrankmagneten kaufen. Das tun wir natürlich auch, denn in dem kleinen Laden ist es zumindest warm. „Es ist wirklich interessant zu sehen, wie Tiere, die bei uns als Schädlinge bezeichnet werden, hier wirklich gezüchtet und geschätzt werden.“

Was früher als Behausungen der Menschen diente, haben heute die Tauben für sich entdeckt.

Zu dutzenden drängen sich die Vögel trotz der Kälte hier um ihren Teil der Körner abzubekommen. Zwischen den hauptsächlich grauen Vögeln tummeln sich auch ein paar schneeweiße, anmutige Filmschönheiten, bei denen man nicht viel Fantasie braucht um sich vorzustellen, das ihre Vorfahren vor tausend Jahren wichtige Botschaften überbracht haben. Diese Illusion wird erst dann zerstört als sich zwei dieser Schönheiten über die Reste eines Döners hermachen. Für schöne, malerische Urlaubsfoto eignet sich diese Szene nicht, doch auch da weiß man

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Tal der Tauben

sich abzuhelfen. Zweimal laut in die Hände geklatscht und der gesamte Schwarm erhebt sich in die Luft und kehrt dann in geordneter Formation friedvoll wieder zurück, als wäre nichts gewesen. Fast alleine laufen wir dann in der bitterkalten aber klaren Luft den kleinen Pfad in das Tal hinunter und genießen den Blick auf Berghänge mit Schnee, Taubenhöhlen und Tauben. So ungestört, wie man hier wohl nur Mitte Dezember sein kann.

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„Mir hat mal eine ältere Dame erzählt, dass den armen Tauben bei der Geburt immer die Zehen abgezwickt würden. Irgendwie eine interessante Vorstellung“



Ein Problem in Stuttgart Es gibt viele Probleme in Stuttgart, und das ist nichts ungewöhnliches, aber gehört die Gesundheit der hier ansässigen Stadttauben wirklich dazu? Im Verlauf meiner Recherchen über dieses Thema gab es eindeutige Punkte, in denen sich wirkliche Probleme zeigten. Zum Einen in der öffentlichen Wahrnehmung. Ich habe zwar keine statistisch relevante Zahl an Menschen dazu befragen können, trotzdem gehen viele Meinungen zur Taube in eine sehr negative Richtung. Auch die beschriebenen Probleme der Straßentaube sind nach wie vor real und stellen eine Gefahr für die Gesundheit der Tiere dar. Und trotzdem geht es den Tauben in Stuttgart durch das hier ansässige Stadttauben-Projekt und den gebauten Taubenschlägen besser als in manch anderer Großstadt. Es ist jedoch noch Luft nach oben, und es gibt auch hier noch viel zu tun. Jetzt, ein dreiviertel Jahr nach dem Beginn der Projekte und meinen Recherchen bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich sehe, dass die Gesundheit der Taube kein Problem ist, dass nur Stuttgart allein betrifft. Städte auf der ganzen Welt kann der Vogel seine Heimat nennen, und überall wird er anders empfangen. Doch der Ton ist in den letzten Jahrhunderten schärfer geworden, und ich denke, es wird Zeit, dass wir die Taube als das sehen was sie ist: Ein vom Menschen in seine Städte getragenes Tier, dass dort ebenso sein Zuhause gefunden hat wie seine ehemaligen Halter. Taubenschläge bringen so viel mehr als Gift, Spikes oder sonstige Taubenabwehrmaßnahmen, daher sollten Stück für Stück mehr von ihnen in den Städten gebaut und betreut werden. Zum Wohl von Mensch und Tier.

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Quellen [1] Charles Victor Daremberg und Friedrich Anton Reuß (1810–1868). S. Hildegardis Abbatissae Subtilitatum Diversarum Naturarum Creaturarum Libri Novem. Physica, Buch VI (De avibus), Kapitel 30: Columba. Kapitel 31: Turtur. Migne, Paris 1855. Sp. 1299 (Digitalisat). Übersetzung: Marie-Louise-Portmann, Basel 1991: Von der Taube [2] https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/stunde-der-gartenvoegel/voegel-bestimmen/13777.html [3]

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/helfen/05991.html

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/stunde-der-gartenvoegel/vogelportraets/03733.html

[4]

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/stunde-der-wintervoegel/vogelportraets/13059.html

[5]

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/vogel-des-jahres/turteltaube/

[6]

https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/tauben-schaedlingsbekaempfer-schueren-angst-vor-voegeln-a-1165237.html

[7]

[8] https://www.wissenschaft-aktuell.de/artikel/Mehr_als_nur_soziales_Kraulen__ Warum_sich_Tauben_beim_Gefiederputzen_gegenseitig_helfen1771015590177. html

https://utopia.de/ratgeber/hochzeitstauben-wieso-du-deine-hochzeit-ohne-sie-feiern-solltest/

[9]

[10]

https://www.stuttgart.de/fuettern-verboten

[11]

https://stadttauben-stuttgart.de/?page=1,0,0,Chronik+%26+Fakten

https://www.kessel.tv/2016/08/tauben-fuettern-verboten-bussgeld-bis-5000-euro/

[12]

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stille-helden-die-taubenfee-lebe-wesen.bd589742-9544-49af-a407-5e412352fa91.html

[13]

[14]

https://unsplash.com/

Bilder Selina Cevik Nicole Hintz Stadttauben-Projekt Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer kessel.tv Tobias Reich [14]

S. 01, 26 - 29, 40 - 43

Rohan Reddy [14] Yu-chuan Hsu [14] Fabrizio Verracchia [14] Isabel Cuasace [14] Mitchell Luo [14]

S. 81

S. 05, 06, 09, 32, 35, 37, 72, 75, 88, 91, 95 S. 46, 49, 51, 53, 55, 57 S. 47, 65, 68, 69 S. 44 S. 78

S. 82 S. 85 S. 86 S. 89

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Impressum

© 2020 Selina Cevik Klasse Gerwin Schmidt, 3./ 4. Semester Kommunikationsdesign Fotografie für den Umschlag: Nicole Hintz Vielen Dank an: Gerwin Schmidt Nicole Hintz Kay Bauer Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer Karin Steibli

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Ăœberkapitel

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Überkapitel

Die Tauben in den großen Städten haben es nicht leicht, auch nicht in Stuttgart. Sie haben den Ruf als „Ratten der Lüfte“ unsere Innenstädte unsicher zu machen und mit ihrem Kot Denkmäler oder Fassaden zu beschädigen. Doch die Tiere haben ihre ganz eigenen Probleme. Getrieben von dem Verhalten, welches ihnen vor Jahrhunderten vom Menschen antrainiert wurde, versucht sie auf der Straße zu überleben und genügend Nahrung für sich und ihre Junge zu finden. Das Thema der Stadttauben ist hochpolitisch und jede Stadt geht anders mit ihnen um. Mit dem Stadttauben-Projekt hat Stuttgart einen großen Schritt nach vorne gemacht, trotzdem gibt es noch eine Menge Handlungsbedarf.

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