Großstadtabfallprodukt – Konflikte gesellschaftlicher Gruppen im öffentlichen Raum

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Großstadtabfallprodukt – Konflikte im öffentlichen Raum


Inhalt


Entstehung

Akteure

Geschichten

Konflikt

8

70

130

170

Stadtentwicklung

10

Automobilisierung

20

Un-Ort

32

Atmosphären

40

Aufmerksamkeit

52

Facetten

62

Stadtlücken

72

Stadtregal

90

Boulderblock

118

Arbeiten

126

Heimat

134

Krankheit

140

Dasein

146

Freundschaft

152

Großstadtabfallprodukt

158

Streetfight

164

Integration

172

↗ 10

1960

↗ 40

2016

↗ 90

2019

↗ 172

2020


Entstehung

8

Entstehung

Stadtentwicklung

10

Automobilisierung

20

Un-Ort

32

Atmosphären

40

Aufmerksamkeit

52

Facetten

62


Durch den wirtschaftlichen Aufschwung ab 1950 galt es in Stuttgart, die mobile Anbindung zum Stadtkern der steigenden Anzahl der innerstädtischen Geschäfte gerecht zu werden. Das Auto entwickelt sich zum Hauptfortbewegungsmittel breiter Bevölkerungsschichten, sodass die Stadtverwaltung vor dem Problem steht, das Straßennetz dem entsprechenden Verkehrsaufkommen gerecht zu werden. Die Zahl der Stellplätze in der Innenstadt sind bald aufgebraucht und dementsprechend entscheidet sich die Stadt für den Ausbau der innerstädtischen Straßennetze. Es wurden Baumaßnahmen zum Ausbau des Verkehrsnetz um die gesamte Stadt herum geplant und umgesetzt. Somit folgt auch der Bau der nördlichen City-Tangente mit dem Friedrichstraßendurchbruch und der Verbreitung der Rote Straße. Daraufhin startete der Ausbau, der teilweise als Hochstraße geführten Paulinenstraße mit darunterliegenden Parkplätzen. Die Schließung des Cityrings bildet der Österreichische Platz. 9

Entstehung

1960


Stadtentwicklung

„Stuttgart hätte nie Stadt werden sollen.“ Ein häufig zitierter Satz des Landeshistoriker Otto Borst, dass Stuttgart hätte niemals Stadt werden dürfen, bleibt in der Theorie nicht ohne Begründung. Die geografischen Gegebenheiten, sprich die naturräumlichen Vorraussetzungen stellen keine optimalen Bedingungen für eine gut gelegene Stadt. Die Kessellage und die steilen Hanglagen, sowie die Ferne zum Neckar setzen keine gute Grundlage für eine urbane Entwicklung. Doch die im Laufe der Jahre anhaltende Entwicklung der Kesselstadt setzt sich dieser Theorie entgegen. 1

1

Geschichte der Stadt Stuttgart,

Hansmartin Decker-Hauff,

Die Benennung der Stadt Stuttgart stammt aus dem Ursprung des berühmten Stu-

tengartens, einem Gestüt, das sich im 10. Jahrhundert um 1229 im unteren Nesenbachtal befand und um welches sich eine Siedlung aufgrund einer vorhandenen Wasserburg bildete. In den darauffolgenden Jahren kam es zu einer Ausbreitung der Siedlung und folglich zu einer Teilung in zwei Richtungen. Dadurch entstanden zunächst die Leonhardt- und Esslingervorstadt, die ursprünglich Kranken, Juden und Armen zugeteilt war. Daraufhin folgten 1450 weitere Erweiterungen, darunter die sogenannte reiche Vorstadt. Diese Zusammenstellung hielt bis ins 19. Jahrhundert 10

Entstehung

Stadtentwicklung

Band 1: Von der Frühzeit bis zur Reformation, Stuttgart 1966


und lässt sich auch heute noch anhand archivierter Pläne gut ablesen. Der heutige österreichische Platz war zu dieser Zeit noch nicht Teil dieser Siedlung und befand sich noch außerhalb der damals vorhandenen Grenzen.

Die Hauptstätter Straße, die auch heute noch vom Österreichischen Platz ausgeht,

führte zur damaligen Zeit zum Hauptstätter Tor und von dort bogen die Straßen dann nach Tübingen und zum Bopser ab. Der Name Hauptstätter Tor -und Straße leiteten sich von einer Richtstätte an der Todesverurteilungen durch Enthauptungen vollzogen wurden ab.

Ein Stadtplan aus 1782, lässt erkennen dass die Dreiteilung der Stadt bis zu Beginn

des 19. Jahrhundert erhalten blieb. Der heute bekannte österreichische Platz ist zu dieser Zeit nicht als Platz zu erkennen und liegt weit außerhalb der Stadttore. Eine Veränderung des Stadtbildes tritt erst 1806 zu Beginn der Erhebung Württembergs zum Königreich auf und es ist ersichtlich wie sich daraus die ersten einprägsamen Bauten, wie das neue Schloss und die dazugehörige Parkanlagen, die sich bis nach Cannstatt ausdehnten, entstanden. In der heutigen Bolzstraße entstand zur Jahrhundertmitte der erste Bahnhof, der sogenannte Alte Centralbahnhof. Um 1850 hatte die Stadt Stuttgart etwa 50.000 Einwohner und stieg bis ins Jahr 1890 rasant auf 140.000 an. 1910 waren es bereits 286.000. Durch das rasante Wachstum der Bevölkerung entstanden in den erwähnten Jahren die jeweiligen Stadtviertel, wie der Stuttgarter Westen und der Stadtteil Cannstatt, Untertürkheim und Wangen im Jahr 1905. Auch das Gebiet um den österreichischen Platz entwickelte sich zu dieser Zeit und es ist zu entnehmen, dass der Begriff Lindle häufig auftauchte.

Diese Benennung ist nicht etwa dem Platz zuzuordnen, sondern nach Angaben

aus dem Stadthistoriker Gustav Wais veröffentlichten Buch »Alt-Stuttgarts Bauten«, dass es sich dabei um eine im Sprachgebrauch verbreitete Bepflanzung mit Lindenbäumen handelt. Der Autor weist darauf hin dass an diesem Platz die „Ulrichs-Linde“ gestanden haben soll, die Herzog Ul2 Gustav Wais, Alt-Stuttgarts Bauten im Bild, Stuttgart 1951 S. 127

11

rich zu seiner Flucht aus Stuttgart im Jahr 1519 gepflanzt haben soll. 2 An diesem Platz wurde im Jahr 1822 auch das Tübinger Tor, das aus zwei Wachgebäuden bestand errichtet und die

Entstehung

Stadtentwicklung

1960


Hauptstätter Straße darauf zulief. 1864 riss man das Tor wieder ab und der Platz blieb als Lindle bestehen. Aus Kartenausschnitte aus den Jahren 1841–1855 ist zu erkennen dass innerhalb dieser Jahre mehr und mehr Gebäude an diesem Platz errichtet wurden.

Der Platz ist dabei nach wie vor als der Lindle Platz zu erkennen und in 1907 war

eine starke Bebauung allgegenwärtig. Ebenso entstand im Jahre 1894 das durch den Stuttgarter Architekten Karl Engerer erbaute Geschäftshaus, unter dem Namen Lindenhof an diesem Platz. Es handelte sich dabei um ein fünfgeschossiges Gebäude im Neorenaissance- und Barockstil. Zu dieser Zeit war es eines der repräsentativsten Gebäude der Stadt, wovon heute nur noch Abbildungen auf historischen Postkarten und Fotografien übrig blieben.

Das stattliche Gebäude beinhaltete Wohnungen, Geschäfte und ein im Erdgescho-

ss befindliches Restaurant, ebenfalls unter dem Namen Lindenhof. Auf Postkarten wurde das Lindenhof Restaurant mit einem Wirtschaftsarmen mit Wasserfontänen, Palmen und Platz für 400 Personen beworben. 3

3

Zu der bereits genannten Zeit entstanden unter Anderem weitere charakteristische Gebäude die

Riederer (Hg.), Autostädte im 20.

das Stadtbild bis heute formen. Unter Anderem auch die in der Tübinger Straße befindliche Mari-

Schrumpfungsprozesse in globaler

Vgl. allgemein Martina Heßler/Günter Jahrhundert. Wachstums- und Perspektive, Stuttgart 2014.

enkirche, die in den Jahren von 1871 bis 1879 errichtet wurde. Drei Jahre später begann der Bau des Karlsgymnasiums in unmittelbarer Nähe der Kirche.

Zu Zeiten der Jahrhundertwende ist noch keine Automobilisierung des Platzes

aus archivierten Bildern und Postkarten auf dem Lindle Platz zu erkennen. Erst ab 1920 ist ein Aufschwung der vorhandenen Kraftfahrzeuge zu entnehmen und es wurde im Jahr 1924 eine Anzahl von 2.968 Autos in der Stadt verzeichnet, welche dann bis ins Jahr 1938 auf mehr als 30.000 anstieg. 4

4 Zahlen nach Roland Müller, Stuttgart in der Zeit des Nationalsozialismus, Stuttgart 1988, S. 258.

12

Entstehung

Stadtentwicklung


Zu Zeiten des Krieges wurde Stuttgarts Bauten stark Beschädigt und auch das Lindle Gebäude wurde 1943 größtenteils durch Luftangriffe zerstört. Am Ende des Krieges war von dem Gebäude kaum etwas übrig.

Bereits vor der Zerstörung im zweiten Weltkrieg spielten die NS-Mitglieder mit

der Idee zur Bebauung eines City-Ring-Systems. Diese Ideen wurden mit der Neuorientierung und des Wiederaufbaus der Stadt erneut aufgenommen. Somit legte man in dieser Zeit einen Grundstein zur Planung und Ausbau des gesamten Verkehrsnetzes in und um die Stadt Stuttgart, wie bereits auf den vorherigen Seiten erwähnt wurde.

Die Bebauung des heutigen Österreichischen Platzes begannen somit im Jahr

1954. Spannend ist zu entnehmen dass es bereits zu dieser Zeit einen Gegner der Automobilisierung der Stadt gegeben hatte. Es handelte sich um den Bäckermeister Gotthilf Kächele der seine Bedenken gegenüber der entstehenden, mit Autos verstopften Innenstadt, aufgrund des Ausbau eines City-Rings und der Parkplätze entgegenwirkte.

Er begründete seine Bedenken während einer Versammlung des Gemeinderats

im Juli 1959 wie folgt: „Die Parkplätze werden mit Autos verstopft sein, Tag und Nacht wird man dort das Gerassel haben. Sie fahren oben drüber, sodass man kein Fenster mehr aufmachen kann, weil sonst die Autofahrer in die Schlafzimmer hereinschauen können. Das das eine wesentliche Beeinträchtigung und für uns nicht erfreulich ist, das möchte ich doch zum Aus5 Protokoll der öffentlichen Sitzung der Vollversammlung des Gemeinderats am Donnerstag, den 2. Juli 1959, 16 Uhr, im

druck bringen.“ 5 Der Ausbau der Brücke wurde dennoch vollzogen und endete im Jahr 1960 und wurde somit die längste Straßenbrücke der Stadt Stuttgart.

Rathaus, Großer Sitzungssaal.

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Entstehung

Stadtentwicklung

1960


1924 2.968 Autos

01

↑ Anzahl der Autos im Jahr 1924 auf der Fläche Stuttgarts

14

Entstehung

Automobilisierung


1938 30.000 Autos

02

↑ Anzahl der Autos im Jahr 1938 auf der Fläche Stuttgarts

15

Entstehung

Automobilisierung

1960






Automobilisierung

„Das Schaffen einer autogerechten Stadt.“ „Ich hing über Wolkenbetten und wohl über dem Michigansee, dann riß der Himmel auf, Detroit lag im Sonnenschein, Automobile wuchsen wie Pflanzen unter Glas, Edsel Ford wandelte mir zu Füßen und durch sein Reich, er sah die Motorkräfte sich finden, sah Räder zu Räder kommen, er stiftete eine Million für eine Universität in Berlin und schenkte Fünfhunderttausend für die Erhaltung des alten Klosters in Cluny.“1

1

Getreu dem Zitat „Automobile wuchsen wie Pflanzen unter Glas“ aus einer Publi-

Stuttgart 1959, S. 253.

Wolfgang Koeppen, Amerikafahrt,

kation des Schriftstellers Wolfgang Köppen in 1959, der im Frühjahr 1958 während einer Reise von Chicago nach Boston, seinen Eindruck aus der Luft auf die Stadt Detroit schilderte, lassen sich einige Parallele auf die Stadt Stuttgart und deren Automobilentwicklung projizieren.

Eine in dieser Zeit weit verbreiteten Wachstumseuphorie rückt den technischen

Vorgang der Produktion eines Automobils, dem naturähnlichen Vorgang, welche wie Pilze aus der Erde schossen nach. Detroit galt zu dieser Zeit als Blaupause der Automobilisierung und war Ende 1950 noch Zukunftsmusik für spätere Autostädte. Außerhalb jeglicher Vorstellungskraft 20

Entstehung

Stadtentwicklung


verwandelte sich die US amerikanische Stadt in den darauffolgenden Jahren ins Gegenteil. Wirtschaftlicher Rückgang, Pleiten, Verfall und urbaner Niedergang waren die Konsequenz einer einst funktionierenden Stadt.

Die Entwicklung des Autos trägt tatsächlich einen wesentlichen Beitrag zur Verän-

derung unserer gesamten Lebenswelt und verändert Mitte des 20. Jahrhunderts gesamte städtische aber auch ländliche Infrastrukturen. Es entstanden Tankstellen, Autohäuser und Waschanlagen, die ersten Drive-In-Restaurants, Auto Kinos und Shopping Malls bilden neue Lebensstandards. Dementsprechend mussten auch Straßen ausgebaut und vervielfältigt werden, wozu es oft zu verstopften Stadtzentren kam.

Es war von Anfang an schlichtweg zu wenig Platz für die wachsende Anzahl der

Autos und die negativen Auswirkungen, die in vielen Städten bald zu erkennen waren, halten bis Heute stand oder werden gar zu einem massiven Problem – von dem sich auch die Stadt Stuttgart längst nicht mehr zurückziehen kann. Trotz der Folgen, gilt das Auto mit identitätsschaffender Funktion als Mittel für soziale, Wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen.

Die Stadtplanung und der Städtebau wurden ab 1945 in Deutschland zunehmend

durch das Auto bestimmt und es ging in erster Linie darum, eine Stadt so autogerecht wie möglich zu gestalten. Der Begriff des Schaffens einer „autogerechten Stadt“ wurde durch den Stadt2 Hans Bernhard Reichow, Die autogerechte Stadt. Ein Weg aus dem Verkehrschaos, Ravensburg 1959

planer Hans Bernhard Reichow in seiner Publikation im Jahr 1959 eingefordert. 2 Die deutschen Straßen in und um die Städte herum sind von den Autos bestimmt und ausschließlich für den Vierradverkehr ausgerichtet. Ein Paradebeispiel einer solcher Entwicklung und ein Abschlag der Geschichte Detroits ist der in Stuttgart dementsprechend aus dieser Zeit entstandene Österreichische Platz.

An diesem Ort lassen sich Aufstieg und Niedergang der Automobilen Kultur wie

an keinem anderen Ort in der Stadt ablesen. Ein Grund weshalb dieser Ort sehr spannend ist.

Dieser Rückgang könnte ganz wesentlich mit dem schnell wachsenden Fortschritt des Automobils zu tun haben. Eine Grundlage für die heutige Autokultur bietet somit bereits die Entwicklung der Stadt Detroit wie sie auch der Soziologe John Urry beschrieb: „The Car is a way of life and not just a transport sytem for getting from one place to another.“ 21

Entstehung

Stadtentwicklung

1960


Anfang 1946 wurde die städtische Bauverwaltung neuformiert, es entstand die

Zentrale für den Aufbau der Stadt Stuttgart (ZAS), an deren Spitze ein Generalbaudirektor stand. 1947 beauftragte der Gemeinderat die ZAS mit der Ausarbeitung eines Aufbauplans, der mit dem Generalbebauungsplan vom Mai 1948 bzw. Juli 1951 seine Umsetzung fand. Hier wurde die bereits in der NS-Zeit entwickelte Idee eines City-Ring-Systems wiederaufgenommen. 3

Generalbaudirektor Walther Hoß (1900–1993) legte in einem programmatischen

3 Das Stuttgarter Stadtzentrum im Aufbau. Architektur und Stadtplanung 1945 bis 1960, Tübingen 1991

Vortrag, den er Anfang Oktober 1954 vor der Jahresversammlung der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung im Gustav-Siegle-Haus gehalten hatte, die Grundsätze der Stuttgarter Verkehrsplanung dieser Jahre dar: „Das in unserer Zeit am meisten interessierende Kernstück des kombinierten Straßensystems ist der City-Ring mit seinen Längs- und Queradern. Wir sind überzeugt davon, daß es unerläßlich ist, gerade in der Innenstadt ein richtig bemessenes Hauptstraßennetz, dessen Maschenweite nicht zu groß, aber auch nicht zu klein sein darf, anzulegen. Durch Verkehrsanlagen in mehreren Ebenen sind die Knotenpunkte leistungsfähig zu machen und so nach innen und außen anzuschließen, daß alle wichtigen Fahrziele auch von Fremden leicht erreicht werden.“ 4

4

Innerhalb dieser Überlegungen kam dem späteren Österreichischen Platz eine

wichtige Funktion im Ring um die Innenstadt zu. Seine eigentliche Planung begann am Jahresende 1954, als der Gemeinderat eine Änderung des Bebauungsplans für das Gebiet Paulinenstraße, Hauptstätter Straße, Kurze Straße, Tübinger Straße, Fangelsbachstraße, Silberburg- und Marienstraße beschloss. 5 Am ehemaligen Lindle – so der Ausgangspunkt der Planungen – gabeln

„Planung und Aufbau in Stuttgart. Vortrag von Generalbaudirektor Professor Walther Hoss auf der Jahresversammlung der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung am 2. Oktober 1954 im Gustav-Siegle-Haus in Stuttgart“, in: Amtsblatt der Stadt Stuttgart, Nr. 42, 21.10.1954, S. 1–3, hier S. 2.. 5 „Zentrale für den Aufbau der Stadt

sich zwei Hauptverkehrsstraßen, von Süden die B14, die den Ostrand der City tangiert und Rich-

Stuttgart. Bebauungsänderungen“, in:

tung Cannstatt führt, sowie die Verbindung zur B27 über die Paulinenstraße, die Richtung Pragsa-

7.1.1955, S. 11.

Amtsblatt der Stadt Stuttgart, Nr. 1,

ttel nach Norden führt. Das Lindle wurde in dieser Argumentation als Knotenpunkt interpretiert, der umso sorgfältiger geplant werden müsse, weil es ”auf einen flüssigen Verkehrsablauf gerade an dieser Stelle besonders ankommt.“ 6

6

Verteilerring mit Unterführung der

Im Sommer des Jahres 1959 konkretisierten sich diese Planungen, die zunächst

im Technischen Ausschuss des Gemeinderates beraten wurden.

22

„Planung für den Knotenpunkt Lindle.

Entstehung

23

Hauptstätter Straße bei der Einmündung der Paulinenstraße“, in: Amtsblatt der Stadt Stuttgart, Nr. 6, 10.2.1955, S. 1.

Automobilisierung


Zugleich sollte der Hauptverkehr der B14 in einer Unterführung etwa 3 Meter unter die bestehende Höhe geführt werden, um den Verkehr kreuzungsfrei unter dem Verteilerring hindurchzuführen. Aus Sicht der Verkehrsplaner der 1950er Jahre stellte diese Planung eine glänzende Idee dar, der auch im Technischen Ausschuss des Gemeinderates allgemeine Anerkennung fand. In einem Bericht über die Sitzung hieß es: „In der Aussprache wurde die nun vorgesehene vollstän7 „Zur Diskussion über den Ausbau des Oesterreichischen Platzes“, in: Amtsblatt der Stadt Stuttgart, Nr. 26, 2.7.1959, S. 2.

dige Bereinigung dieses wichtigen Verkehrsknotenpunktes allgemein begrüßt.“24

Außerdem wiesen Generalbaudirektor Hoß und Baudirektor Heeb darauf hin, dass

man zwar die Entwicklung des Verkehrs nicht voraussagen könne, „mit größter Wahrscheinlichkeit“ aber anzunehmen sei, dass diese Lösung dem Verkehr der nächsten zwanzig Jahre gewachsen sei.

23

Entstehung

Protokoll der öffentlichen Sitzung der Vollversammlung des Gemeinderats am Donnerstag, den 2. Juli 1959, 16 Uhr, im Rathaus

8

„Die Parkplätze werden mit Autos verstopft sein, Tag und Nacht wird man dort das Gerassel haben. Sie fahren oben drüber, so daß man kein Fenster mehr aufmachen kann, weil ja sonst die Autofahrer in die Schlafzimmer herein schauen können. Daß das eine wesentliche Beeinträchtigung und für uns gar nicht erfreulich ist, das möchte ich doch zum Ausdruck bringen.“ 8

Der Gemeinderat folgte diesen Überlegungen und beschloss in seiner Sitzung vom 2. Juli 1959 den Ausbau des Österreichischen Platzes nach den Plänen des Tiefbauamtes. Einzige zaghafte Kritik kam von Bäckermeister Gotthilf Kächele, der für die Unabhängige Bürgerliste (UBL), einem Vorläufer der heutigen Freien Wähler, im Gemeinderat saß. Obwohl er selbst in Birkach wohnte, machte er sich zum Anwalt der Anwohner der Paulinenstraße. Fast visionär führte Kächele am Schluss der Ratssitzung folgendes aus: „Die Parkplätze werden mit Autos verstopft sein, Tag und Nacht wird man dort das Gerassel haben. Sie fahren oben drüber, so daß man kein Fenster mehr aufmachen kann, weil ja sonst die Autofahrer in die Schlafzimmer hereinschauen können. Daß das eine wesentliche Beeinträchtigung und für uns gar nicht erfreulich ist, das möchte ich doch zum Ausdruck bringen.“ Allerdings schloss sich auch Kächele der Mehrheit des Rates an, der seinen Beschluss für den Ausbau einstimmig fasste. Die Umsetzung wurde in verschiedenen Abschnitten realisiert: Erster Abschnitt war die auf acht Stahlbetonstützen ruhende 222 m lange Paulinenhochstraße, die bei ihrer Eröffnung am 23. August 1960 die längste Straßenbrücke der Stadt war.

Automobilisierung

1960


Amtsblatt der Stadt Stuttgart, Nr. 34, 25.8.1960, S. 1f.

Stuttgarter Zeitung, 23.8.1960, S. 14;

21

„Acht Stahlbetonstützen ruhende, 222 Meter lange Paulinenhochstraße, die bei ihrer Eröffnung am 23. August 1960 die längste Straßenbrücke der Stadt war.“1

24

Entstehung

Automobilisierung


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Entstehung

Automobilisierung

1960



03


4 John Urry, Mobilities, Cambridge 2007, S. 115

�The Car is a way of life and not just a transport sytem for getting from one place to another.“4 28

Entstehung

Automobilisierung


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Entstehung

Automobilisierung

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←↑ Aufnahmen mit einer Slitscan Kamera am Österreichischen Platz, Januar 2020

1960




Un-Ort

Kriminalität und Verfall beherrschten den Platz weitgehend Bereits die vorangehenden Informationen aus der Recherche zum Österreichischen Platz geben Ausschluss wie Umfangreich und Facettenreich die Geschichte des Platzes ist. Man könnte sagen der Platz hat sich über sämtliche Jahre immer wieder neu gestaltet und eine bereits große Wende der allgemeinen Atmosphäre des Platzes folgte in den kommenden Jahren.

Was bisher als Verkehrswunderwerk anerkannt wurde, wandelte sich in einen

„Un-Ort“ der Stadt. Die Bedenken einer Überforderung des Straßennetzes bzw. einer Überfüllung des Verkehrsaufkommens, die bereits durch KÄCHELE↗ angesprochen wurden, trafen schnell ein. Der einst gelobte City-Ring wurde dem Kapazitätsproblem nicht gewachsen. Eine Rückwärtsentwicklung wie sie in der Stadt Detroit bereits zu erkennen war wurde an diesem Platz nun unmittelbar sichtbar und zum Problem.

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Entstehung

Un-Ort

↗ S.29


Zur Folge standen der urbane Verfall und die Verbreitung der Kriminalität und in Beschlagnahme des Platzes durch die sozialen Unterschichten. Die Lage des City-Rings und die dazugehörige innerstädtische Tankstelle unter der Paulinenbrücke, eine unterirdisch befindliche öffentliche Toilette, sowie die insgesamt 220 vorhandenen Parkplätze stellten somit eine gute Grundlage zur Ausbreitung einer kriminellen Szene und soziale Randgruppen dar.

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Entstehung

Un-Ort

1960


Die Atmosphäre der Paulinenbrücke hat sich seit den 50er Jahren mit dem Ausbau des Straßennetzes bis zur heutigen Zeit erheblich geändert. Was zuvor aus einer Bewegung zur Verbesserung und Verbreitung des Automobilaufkommens entstand veränderte sich im Laufe des Jahre zu einem umgekehrten Verlangen, weniger Autos und einer alternativen Nutzung der städtischen Plätze. Zu Beginn stand die Atmosphäre des österreichischen Platzes bzw. der Paulinenbrücke für einen revolutionären Neubeginn. Der Ausbau der Straße führte zur Vernetzung der Stadtteile und verknüpfte die Stadt miteinander. Die Wirtschaftlichkeit der Stadt nahm zu und die Stadt entwickelte sich mehr und mehr zu einer Autostadt, wie wir sie auch heute noch wahrnehmen. Industrialisierung und Fortschritt trugen namentlich der Atmosphäre der Stadt Stuttgart bei. Dabei war die Entstehung der Brücke, bzw. des österreichischen Platzes von hohem Stellenwert. Im Laufe der Jahre expandierte die Stadt in allen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bereichen sowie auch in ihrer geografischen Lage. Neue Stadtteile entstanden schnell und etablierten sich durch ihre eigenen Atmosphären. Ein Platz wie es der Österreichische Platz bzw. die Paulinenbrücke oder auch „Paule" genannt darstellte, wurde schnell zu einem Umschlagplatz der Szene. Zu Zeiten der Tankstelle führte es vermehrt dazu, dass sich auch Menschen aus sozial schwächeren Milieus an Orten wie diesem aufhielten. Somit kam es schon in den 80er Jahren zu einer Aneignung des Platzes der „Szene“. In deren Sprachgebraucht kannte man den Platz als „Paule" und dieser war weit über die Stadtgrenzen ein verbreiteter Begriff. Hier gab es für die Menschen der Straße einen Zufluchtsort. Durch die Tankstelle, die Rund um die Uhr geöffnet hatte, war es möglich an Alkohol und Lebensmittel zu kommen. Auch eine unterirdisch gebaute Toilette war für Menschen in sozialem Notstand von großer Wichtigkeit. Dies führte demnach zu einer ungleichen Vereinnahmung dieser gesellschaftlichen Gruppen und lässt den Platz als Un-Ort der Stadt wirken. Der Konsum und Handel von Drogen sowie Überfälle und Kriminalität standen als tägliche Ereignisse an der Tagesordnung des Platzes. Die Bürgerinnen und Bürger der oberen Schichten mieden den Platz und es war unvorstellbar sich dort aufzuhalten. Mit der Schließung der Tankstelle und der Bebauung der Brücke veränderte sich jedoch auch das Erscheinungsbild des Platzes. Die Menschen der Szene konnten nun keinen Alkohol und Tabak mehr in der Tankstelle kaufen, sonder mussten sich auf andere Stadtgebiete oder Plätze umsiedeln. Auch die öffentlichen Toiletten wurde entfernt, somit stellte dieser Raum keine Vorteile zur grundsätzlichen Befriedigung der Grundbedürfnisse mehr dar, galt dennoch aber als zentraler Ort um sich unter einem geschützten Dach für einige Stunden zu treffen. Somit hielten sich vermehrt trotzdem einige Menschen an dem Platz auf. Sie pflegten einen gemeinsamen Garten und waren in friedlicher Absicht darauf Bedacht, den Ort in ihrer eigenen Gruppe zu erhalten. Betrachtet man den Platz zu dieser Zeit aus einer neutralen Position, strahlt er eine kühle, unentdeckte und für die meisten Stadtbewohner unsichtbare Atmosphäre aus. Man kannte den Platz kaum, er war lediglich eine in der U-Bahn erwähnte Haltestelle und bot Platz für ein paar Parkplätze für die umliegenden Geschäfte. Erst mit der aktiven Auseinandersetzung von Stadtlücken wurde der Platz ins Bewusstsein der Menschen gebracht. Die gezielten Strategien die Stadtlücken dabei anwendeten und die mit unterschiedlichen Akteuren vor Ort bespielt und umgesetzt wurden, krönen den heutigen Erfolg dieser Intervention. Und bestätigen in vollen Zügen wie gut ein Miteinander in der Stadt und demnach das Leben einer Demokratie funktioniert. Was aus dem Wunsch einzelner Personen heraus entstand, der Stadt Stuttgart dem Image der Autostadt, der Privatisierung und des Kommerz entgegen zu wirken, funktionierte mit Hilfe der Kreativität der einzelnen Bürger und Bürgerinnen als Großes Projekt – und bildet nun den Grundstein für weitere Nutzungen und Umgestaltungen von Lücken in der Stadt und des öffentlichen Raums.

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Entstehung

Un-Ort


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Entstehung

Un-Ort

1960


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Entstehung

Un-Ort


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Entstehung

Un-Ort

1960




Aufmerksamkeit

Die Wahrnehmung und das Erzeugen der Aufmerksamkeit. Die Entscheidung die STADTLÜCKEN↗ im Sommer 2016 getroffen haben, den Platz unter der

↗ S.78

Paulinenbrücke aktiv und mit Hilfe der einzelnen Bürger und Bürgerinnen der Stadt zu verändern, war ein großer Schritt und letztendlich Auslöser einer städtischen, gesellschaftlichen aber auch politischen Veränderung. Was zuerst nur als Parkfläche genutzt wurde, wurde als Freiraum für Kreativität und zur Entfaltung vieler persönlicher Bedürfnisse.

Die Autos wurden aus dem vorderen Bereich an der Tübinger Straße entfernt, um

Platz für studentische Pilotenprojekte wie das Stadtregal, der Verwirklichung eines langersehnten Projektes wie dem BOULDERBLÖCKLE↗, einer Kinoleinwand, Tischtennisplatten, Wohnzimmersesseln, Kaffeekannen und viele andere kreative Ideen zu schaffen.

Dies war der Grundstein für ein neues, freies Handeln der Bewohner, regte zum po-

litischen Umdenken an und veranschaulichte wie der öffentliche Raum zu einem gemeinsamen Treffpunkt vieler unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen wurde. Für die einen war es ein Wohnzimmer, für die anderen ein Kino. Man traf sich zum Kaffee trinken und zum Brettspiele spielen. 40

Entstehung

Aufmerksamkeit

↗ S.124


Es wurde gemeinsam getanzt und gekocht und die ein oder andere Angelegenheit führte bei einer offenen Diskussionsrunden zu einem gemeinsamen Nenner. Und das besondere daran war schlichtweg, die Freiheit jedes einzelnen, mitzubestimmen was an diesem Ort passiert, der eigentlich der Stadt gehört – und somit auch jedem einzelnen Stadtmitglied.

Stadtlücken legte mit ihrer Intervention zur Veränderung eines öffentlichen Plat-

zes eine Basis zu einer neuen Atmosphäre an einem Platz. Der Begriff Atmosphäre ist vielseitig und nach dem Philosophen Gernot Böhme Teil der neuen Ästhetik. Dabei erörtert Böhme in seiner Publikation „Atmosphäre, Essays zur neuen Ästhetik“, dass die traditionelle Ästhetik wie wir sie bereits von Adorno und Kant kennen, nicht nur eine an Kunst und an dem Kunstwerk orientierte Ästhetik existiert, vielmehr einer Ästhetik des Realen und Gegenwärtigen entspricht. Er begründet dies durch die rasante Entwicklung der modernen Kunst, die die traditionelle Ästhetik längst überholt hätte.

Die neue Ästhetik wird versuchen, Erfahrungen mithilfe des Atmosphärenbegriffs

zu analysieren und sprachfähig zu machen. Böhme spricht dabei von einem „atmosphärisch getönten Raum“ anstelle des eigentlichen Kunstwerkes, eines Gemäldes oder einer Skulptur und existiert nur in der aktuellen Wahrnehmung. Dabei entsteht ein breiter öffentlicher Diskurs zur neuen Ästhetik und dem Begriff der Atmosphäre aus den Bereichen der gesellschaftlichen Wirklichkeit, der Beziehung zur Natur und der Kunst.

Ebenso einflussreich zur Entstehung einer neuen Ästhetik ist der Einfluss der

Postmoderne und die Entwicklung der neuen Medien.

Anzumerken ist auch dass Böhme in seinem Werk auf den Aspekt der ästhetisieren des Realen hinweist. Im Kapitel „Ökologische Naturästhetik und die Ästhetisieren des Realen“ beschreibt er die Beziehung der Natur und Umwelt zur menschlichen Leiblichkeit wie folgt: „Wir müssen anerkennen, dass wir in und mit der Natur leben, gewissermaßen im Durchzug der natürlichen Medien. Erde, Wasser und Luft ziehen durch uns hindurch, und wir können nur Leben in diesem Durchzug. Mit dieser Erfahrung wurde plötzlich deutlich, dass der Mensch nicht allein oder primär ein Vernunftwesen ist, sondern dass er ein leibliches Wesen ist. Das Umweltproblem ist deshalb primär eine Frage der Beziehung des Menschen zu sich selbst. Es stellt die Aufgabe, die Natur, die wir selbst sind, d.h. den menschlichen Leib in unser Selbstbewusstsein zu integrieren. Diese Aussagen entsprechen dem Handeln in einer freien Demokratie wie wir sie kennen und auszuüben lernen sollten. Die Bühne dieses Handeln stellen demnach, die aus dem Zitat erwähnte „Umwelt“ projiziert auf den öffentlichen Raum, somit den österreichischen Platz, die Maßnahmen und Intension des Stadtlücken Vereins dar. 41

Entstehung

Aufmerksamkeit

2016


in diesem Durchzug. Mit dieser Erfahrung wurde plötzlich deutlich, dass der Mensch nicht allein oder primär ein Vernunftwesen ist, sondern dass er ein leibliches Wesen ist.

Das Umweltproblem ist deshalb primär eine Frage der Beziehung des Men-

schen zu sich selbst. Es stellt die Aufgabe, die Natur, die wir selbst sind, d.h. den menschlichen 1

Leib in unser Selbstbewusstsein zu integrieren.“ 1

Wenn Menschen ihre Umgebung als ein Ort ihrer selbst bestimmten Entwicklung, in deren eigenes Bewusstsein integrieren, ist ein Umgang im Einklang mit allen dazugehörigen Gegebenheiten von tieferer Bedeutung und Wertschätzung. Eine Fremdbestimmung Seitens der Regierung, Politik oder Behörden führen gegensätzlich zu einer passiven Übereinstimmung der einzelnen Bürger und Bürgerinnen und stehen somit nicht in Bezug jedes einzelnen Individuums. Eine Atmosphäre zu schaffen, bzw. Wie es im Fall des österreichischen Platzes der Fall ist, den Raum für eine neue Atmosphäre bereitzustellen ist dabei der wichtigste Schritt zu einer demokratischen Entwicklung. Dies führt im Endeffekt oder Umkehrschluss zur Verbesserung einer politischen Atmosphäre und ist deshalb ein wichtiger Schritt für eine Stadt wie Stuttgart. 42

Entstehung

Aufmerksamkeit

Edition Suhrkamp, 3. Auflage 2017, S. 14

natürlichen Medien. Erde, Wasser und Luft ziehen durch uns hindurch, und wir können nur Leben

Gernot Böhme, Atmosphäre, Essays zur neuen Ästhetik,

„Wir müssen anerkennen, dass wir in und mit der Natur leben, gewissermaßen im Durchzug der


↗ S. 58

Doch was bedeutet der Begriff der ATMOSPHÄRE↗ denn konkret? Die Verwendung des Begriffs Atmosphäre beruht nach Aussagen Böhmes auf einer Verwendung in der Alltagssprache und ist Ausdruck zur Anwendung auf Menschen, Räume und der Natur „Beim Betreten eines Raumes kann man sich gleich von einer gemütlichen Atmosphäre umfangen fühlen, aber man kann auch in eine gespannte Atmosphäre hineingeraten.“

Projiziert man diese Aussagen auf den Österreichischen Platz als Raum, so ist defi-

nitiv zu erkennen dass sich eine drastische Veränderung der allgemeinen Atmosphäre wohl an keinem anderen Ort so stark äußert. Der Grund dieser Veränderung der Atmosphäre eines Raumes oder in diesem Fall eines Ortes sind demnach die Menschen, die diesen Ort nutzen und bespielen. Dabei gibt es einige interessante Bedingungen, die dazu beitragen, dass ein Ort oder Raum mit einer angenehmen Atmosphäre wahrgenommen wird. Diese sind unter anderem Materialität, Licht und Gegenstände aber auch Menschen und deren Ausstrahlungen. Im Folgenden wird beschrieben wie das Herstellen einer Atmosphäre nach Böhme aussieht und was diesen Ort so beliebt macht. Sich in einer guten Atmosphäre zu befinden bedeutet, leiblich zu spüren, wie es sich in einer Umgebung in der man sich befindet, anfühlt und einem zumute ist. Dabei spielen Form, Farbe und Gerüche eine wesentliche Rolle und unterscheiden die einzelnen Umgebunden oder Dinge voneinander. 2 Gernot Böhme, Atmosphäre, Essays zur neuen Ästhetik, Edition Suhrkamp, 3. Auflage 2017, S. 32

Der Philosoph Isaac Newton betont dabei, dass zum Ding wesentlich seine Wahr-

nehmbarkeit gehört. 2 Wahrnehmung und die Funktion unserer Sinne sind demnach die erste Instanz zur Erkennung der uns umgebenden Atmosphäre. Umgekehrt würde dies bedeuten, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen, entscheidet darüber was wir fühlen und empfinden. Demnach beschreibt der Begriff Atmosphäre eine Wechselwirkung aus Wahrnehmung und Empfindung oder auch die gemeinsame Wirklichkeit des Wahrnehmenden und des Wahrgenomme-

3 Gernot Böhme, Atmosphäre, Essays zur neuen Ästhetik, Edition Suhrkamp, 3. Auflage 2017, S. 34

nen, wie Böhme es in seinen Essays erläutert. 3

Dies entspricht auch der Methode wie sie am Österreichischen Platz angewandt

wurde. Es stand zu Beginn der erste Schritt, die Aufmerksamkeit für diesen Platz zu erregen. Die Stadtbewohner kannten diesen Platz mehr oder weniger als Parkfläche, womöglich auch nur ein kleiner Bruchteil der ganzen Gesellschaft. Manche kannten den Platz bis zum heutigen Zeitpunkt noch gar nicht oder haben ihn eben nicht wahrgenommen. Die Aufgabe der Stadtlücken bestand also zunächst darin, dies zu kommunizieren.

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Entstehung

Aufmerksamkeit

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↑ Neuen Bodenkennzeichnungen, das „Ö“ für Österrei-

chischen Platz von Stadtlücken

↑ Eine „Was passiert hier?“ Girlande von Statdlücken unter der Paulinenbrücke

Daraus resultierte eine kleine Aktion mit dem Aufruf „Wo ist überhaupt dieser Österreichische Platz“ im Spätsommer 2016. Die Aktion startete auf unterschiedlichen Social Media Kanälen, sowie in Form von Plakaten und einer Webseite. Wie man der Dokumentation entnehmen kann, stand der Verein zu Beginn vor folgenden Fragen „Wie beginnt man ein Gespräch über einen vergessenen Platz? Und wie zeigt man Möglichkeiten zur Umgestaltung auf?“.

Die Antworten darauf liegen schlichtweg in der Erzeugung der Aufmerksamkeit,

dem verteilen von Informationen, das Fördern der Kommunikation, Aktionen ins Leben zu rufen und dem Unterstützen von Ideen. Ebenso wichtig war es den Akteuren sich für einen gewissen Zeitraum an diesem Ort zu platzieren und präsent zu sein, als sichtbare Initiative, überraschende Interventionen, Irritation und Interesse im öffentlichen Raum zu zeigen und zu erzeugen.

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Alles was zu diesem Zeitpunkt, innerhalb der zweiwöchigen Test-Präsenszeit an diesem Ort bereits passierte, basierte auf einem wechselnden Programm um die Alternativnutzung an diesem Platz zu erproben. Dazu gehörte neben der aktiven Initiative der Vereinsmitglieder auch das Involvieren der Passanten. Die Geburtsstunde des heute sehr bekannten Österreichische Platzes entstand somit vom 8. September bis zum 24. Oktober 2016 und tritt ab diesem Zeitpunkt verstärkt in die Köpfe der Mitmenschen. ↗ S.86

Aktionen wie das temporäre KIOSK↗, an dem man Souvenirs vom Österreichischen

Platz, wie Postkarten, Stickersets, Bierdeckel, Flaschenöffner, Feuerzeuge, Taschen und einen obligatorischen Fanschal gegen eine Spende erwerben konnte. Zum Kioskbetrieb wurden zusätzlich Veranstaltungen unterschiedlichster Bereiche, wie Konzerte, Lichtinstallationen, Puppentheater und Kräuterkunde-Kurse angeboten. Stadtlücken gestaltete dabei lediglich die Rahmenbedingungen, die einzelnen Aktionen an sich wurden von unterschiedlichen Akteuren und Künstlern aufbereitet. Die Aktive Mitgestaltung der Passanten stand von Anfang an an erster Position, somit wurden mit öffentlichen Tafeln die Fragen enthielten am Platz aufgestellt. Passanten und Mitwirkende konnten sich an den Fragestellungen beteiligen und ihre Antworten direkt vor Ort auf den Schildern hinterlassen.

Dabei wurden Fragen wie „Was macht Stuttgarts Plätze aus?“, „Wollen Sie den Ös-

terreichischen Platz nutzen?“, Wo werden sie in der Stadt aktiv?“ veranschaulicht. Außerdem war es von großer Wichtigkeit die Bürgerinnen und Bürger in die gemeinsame zukünftige Planung des Platzes miteinzubeziehen, woraufhin es eine Umfrage zur Ideensammlung gab. Jede und Jeder konnte seine Ideen auf eine Postkarte schreiben und in eine vorgesehene Box einwerfen. Am Ende der Einreichung hatte der Verein ein großes Sammelsurium an Ideen zur Neugestaltung des Österreichischen Platze, wie Urban Gardening, ein Skatepark, Künstlerateliers oder ein Schaukelparadies. Zur Stuttgartnacht am 22. Oktober 2016 beendete man schließlich die erste Aktion 4 Stadtlücken, Dokumentation der

und präsentierte die Resultate im Stuttgarter Rathaus. 4

zweiwöchigen Veranstaltungsreihe, Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, S.6

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Der erste Grundstein war gesetzt, ab diesem Zeitpunkt war der österreichische Platz nicht mehr nur eine Parkfläche. Er rückte in das Bewusstsein der Menschen und erste Gedanke zur Mitwirkung und Umgestaltung wurden gestreut. Was somit einst eine triste, unbemerkte Fläche zum Parken für Autos war, hat durch die Aufmerksamkeit von Stadtlücken und allen involvierten Akteuren einen neuen „Glanz“ erhalten.

Was an diesem Platz somit geschah beschreibt Böhme in seiner Publikation als

die Wirklichkeit des Wahrgenommenen, die synthetische Funktion der Atmosphäre und widerlegt an einem Beispiel der Redeweise, dass ein Blatt nicht die objektive Eigenschaft besitzt, grün zu sein. Er beschreibt dies wie folgt. „Auch ein Blatt kann nur grün genannt werden, insofern es eine Wirklichkeit mit einem Wahrnehmenden teilt. Genau genommen beziehen sich solche Ausdrücke wie heiter oder grün auf diese gemeinsame Wirklichkeit, und man benennt sie nur einmal mehr von der Gegenstandsseite und einmal mehr von der Seite des Wahrnehmenden.“ 5 Im Fall

5

des Stadtlücken Vereins und auf den Österreichischen Platz bezogen, kann man diese Arbeit wie

zur neuen Ästhetik, Edition Suhrkamp,

Gernot Böhme, Atmosphäre, Essays 3. Auflage 2017, S. 34

vorangehend erwähnt auf die unterschiedlichen involvierten Berufs- und Fachgruppen auslegen. Jedes Mitglied erschafft durch seine eigene spezifische Expertise, eine eigene Art der Ästhetisierung der Realität und somit dem Schaffen einer Atmosphäre. Hierzu gehören Bereiche wie Design, Musik, Theater und auch Bühnenbild, sowie Werbung, Architektur und Kunst.

Aus allen Bereichen werden Objekte, Dinge und/oder Gegenstände, auch die je-

weiligen Menschen an sich als Instrumente zum Erschaffen einer Atmosphäre an diesem Platz eingesetzt. Böhme beschreibt diese Art der Ästhetik anhand des englischen Gartens oder Landschaftsparks aus Hirschfelds fünfbändigem Werk, wie folgt: „…welche Auswahl von Gegenständen, von Farben, Geräuschen usw. Szenen bestimmter Gefühlsqualität hervorgebracht werden. Interessant ist dabei die Nähe zur Bühnenbildnerei.“ 6

6 Gernot Böhme, Atmosphäre, Essays zur neuen Ästhetik, Edition Suhrkamp, 3. Auflage 2017, S. 36, aus Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, 5 Bde., Leipzig 1779-85.

Daraus erschließt sich, dass am Beispiel des Österreichischen Platzes ein Ort nicht angenehm oder trist genannt wird, weil es dem Begriff entspricht oder etwas ähnelt, sondern weil er eine derartige Atmosphäre ausstrahlt und ein jeweiliges angenehmes oder tristes Gefühl in den Menschen hervorruft. Diesen Aussagen entsprechend kann unter dem Begriff Atmosphäre jedes beliebige Gefühl assoziiert oder verknüpft werden und somit mahnt auch Böhme, dass es neben der in der klassischen Ästhetik vorkommenden drei bzw. vier Atmosphären, dem Schönen, dem Erhabenen, das Pittoreske und die charakterlose Atmosphäre, noch viele weitere Atmosphären gibt. Somit könnte man sagen dass Alltagsgegenstände, Objekte, Kunstwerke, Elemente der Natur und auch Personen eine jeweilige Atmosphäre ausstrahlen. Dennoch ist es nicht einfach so einem Gegenstand oder Objekt gegeben, dass es eine Atmosphäre ausstrahlt. Vor allem in der heutigen Zeit kann man ein Objekte als Instrument zum Erschaffen einer Atmosphäre gezielt einsetzen um dadurch, wie Böhme es bezeichnet „Atmosphäre zu machen“. Konkret bezeichnet er es als Arbeit, bzw. als ästhetische Arbeit, an Gegenständen, Dingen, Umgebungen, Plätze und Menschen Eigenschaften zu verleihen, von denen dann eine Atmosphäre auszugehen ist. 46

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Des Weiteren wird erwähnt, dass das Schaffen von Atmosphären auch ein kritisches Potenzial bürgt. Hier ist gemeint, dass Einsatzbereiche oder Instrumente die zur gezielten Erzeugung einer Atmosphäre eingesetzt werden, vor allem in der Werbung seinen Betrachter unterbewusst steuern und auch negativ beeinflussen können. Die klassische Werbung spielt daher andauern unterbewusst mit diesen Waffen zur Manipulation der Verbraucher. Es wird durch einen Gegenstand oder zu einem Gegenstand ein Gefühl erzeugt, eine Atmosphäre in dessen Betrachter hervorgerufen, welches ihn so stark manipuliert, dass das Gefühl entsteht er müsste diesen Gegenstand besitzen, um befriedigt und erfüllt zu sein. Aber nicht nur die Werbung bedient sich solcher Herangehensweisen, ebenso die Politik, Wirtschaft und Religion. 47

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Durch den Kiosk, die Tafeln, die Veranstaltungsreihen und Umfragen waren bereits verschiedene Strategien, die Stadtlücken nutzte um weitere Prozesse einzuleiten und zu begleiten, vorhanden. In diesen zwei Wochen wurde dadurch ermöglicht, die Aufmerksamkeit zu erzeugen und eine Bühne für die lokalen Akteure bereitzustellen.

Die Souvenirs sollten die Atmosphäre positiv beeinflussen, an die emotionale Qua-

lität von Stadträumen erinnern und die Absurdität dieses „Un-Orts“ Österreichischer Platz aufräumen. Durch die Veranstaltungen sollten mehr Menschen auf den Platz aufmerksam werden und auch konkret aufgefordert sein, diesen zu besuchen. Die Tafeln und Umfragen runden die Strategie zu einer aktiven Aufforderung und Mitgestaltung der Passanten ab.

Die Auswertung der Umfrage nach Ideen, die am Platz angewandt werden können,

leitet die nächste Etappe zur Veränderung einer kleinen Geschichte der Stadt Stuttgarts ein.

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Atmosphäre

Das Schaffen einer neuen Atmosphäre Die Reaktionen der Passanten am Österreichischen Platz waren sehr positiv. Das Interesse war bei den meisten Menschen sehr groß und es kamen einige Ideen zusammen. Ab diesem Zeitpunkt verfügte der Verein Stadtlücken auch über einen zweijährigen Pachtvertrag über den vorderen Teil unter der Paulinenbrücke.

Dieser Vertrag entstand mit der Stadt Stuttgart und erlaubte dem Verein den

Platz für zwei Jahre zu bespielen. Dass der Vertrag um ein Jahr verlängert werden würde, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand.

Zu Beginn waren die Vereinsmitglieder überwältigt der großen Anzahl an Men-

schen aus unterschiedlichen Gruppen, die sich bei der Umfrage zur Ideenfindung beteiligten. Das Mitteilungsbedürfnis war enorm. Antworten zu den Fragen, was den Mensch in der Stadt Stuttgart fehlen würde oder welchen Eindruck sie vom Österreichischen Platz und der Paulinenbrücke haben, waren überwiegend negativ behaftet. Vielen Menschen fehlt es sich grundsätzlich mit der Stadt identifizieren zu können. Vor allem aber der Österreichische Platz galt für viele 52

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sogar als „Angstraum“, als Ort an dem sie sich nicht gerne aufhalten oder der sie nicht interessierte. Ein Obdachloser der sich auch unter der Paulinenbrücke aufhielt, hinterließ folgende Nachricht auf einer der ausgestellten Tafeln: „Ein Platz, wo sich Menschen treffen können, 1 Stadtlücken, Dokumentation der zweiwöchigen Veranstaltungsreihe, Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, S.7

ohne wie Abschaum angesehen zu werden, und man auch mal sein eigenes Ich zeigen kann.“1 Diese Aussage war von komplett anderer Bedeutung als die restlichen Aussagen. Denn für die Gruppe der sogenannten „Szene“ hat dieser Un-Ort eine weitaus wichtigere Bedeutung und dient als unverzichtbarer Treffpunkt.

Wie bereits erwähnt spricht man bei er Erstellung einer Atmosphäre auch über

die Kunst des Bühnenbildes, also einem inszenierten Raum oder einem Klima, welches auf der Bühne erzeugt wird. Ähnlich kann man sich den Prozess der „Atmosphäre machen“ vorstellen. Für Stadtlücken galt es nun eine Atmosphäre zu schaffen die aus den Ideen der Mitmenschen für die Mitmenschen entstehend, benutzt und weiterentwickelt werden konnte. Erstaunlich war es dabei zu beobachten, dass die Reaktionen zur Neugestaltung des Platzes je nach Umständen der einzelnen Befragten sehr unterschiedlich ausfielen. Die umliegenden Gastronomen, die Kirchengemeinde und die Besitzer des Einzelhandels begrüßten jede alternative Nutzungsart. Ebenso die Anwohner und Passanten. Die Leute der sozialen Randgruppen zeigten sich einer Umgestaltung gegenüber sehr skeptisch und verängstigt und fürchteten einer Vertreibung oder Vernichtung ihres gewohnten Umfeldes. Mit einem Kompromiss, ihnen als Gruppe einen Platz für weitere Treffen einzuräumen, stimmte aber auch Sie am Ende für eine Umgestaltung der Parkfläche. Auch wenn die Interessen und Meinungen der Bürger und Bürgerinnen grundlegend verschieden waren, galt es für Stadtlücken einen Raum für alle Menschen aus allen sozialen Schichten zu schaffen. Somit wurden die ersten Planungen in Gange gesetzt. Man könnte in diesem Fall von einer entspannt, heiteren Atmosphäre sprechen und diese für den Platz verallgemeinern. Es ist nun bekannt dass eine Atmosphäre laut Böhme aus einer mehr oder weniger absichtlichen Handlung heraus „gemacht“ werden kann.

Sich in einer guten Atmosphäre zu befinden bedeutet, leiblich zu spüren, wie es sich in einer Umgebung in der man sich befindet, anfühlt und einem zumute ist. Dabei spielen Form, Farbe und Gerüche eine wesentliche Rolle und unterscheiden die einzelnen Umgebunden oder Dinge voneinander. Der Philosoph Isaac Newton betont dabei, dass zum Ding wesentlich seine Wahrnehmbarkeit gehört. Wahrnehmung und die Funktion unserer Sinne sind demnach die erste Instanz zur Erkennung der uns umgebenden Atmosphäre. Umgekehrt würde dies bedeuten, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen, entscheidet darüber was wir fühlen und empfinden. Demnach beschreibt der Begriff Atmosphäre eine Wechselwirkung aus Wahrnehmung und Empfindung oder auch die gemeinsame Wirklichkeit des Wahrnehmenden und des Wahrgenommenen, wie Böhme es in seinen Essays erläutert. 53

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Dies Verwandelt den einst tristen, unschönen Ort in einen Ort der Leichtigkeit. Jeder kennt den Begriff Atmosphäre und verwendet ihn, dennoch ist er weitaus komplexer als zu erwarten ist. Böhme beschreibt das Schaffen von Atmosphären an einigen Beispielen und unterscheidet dabei von der Atmosphäre in Stimmungen, Synästhesien, Bewegungssuggestionen und kommunikative und gesellschaftliche Atmosphären. Atmosphären haben einen Charakter und rühren bestimmte Gefühle in uns. Eine ernste Atmosphäre stimmt uns tendenziell ernster und eine kalte Atmosphäre lässt uns unwohl und kühl zumute sein.

Die wissenschaftliche Begründung der Atmosphäre birgt laut den Untersuchun-

gen aus der Publikation von Hubert Tellenbach »Geschmack und Atmosphäre« eine psychologische Verwendung. Es wird dabei beschrieben, dass mit der Verwendung des Begriffs ein heimatliches Klima oder ein „Nestgeruch“, eine Umgebung der Vertrautheit und Sicherheit spürbar nachvollziehbar ist und zugrunde liegt.

Dieser Nachweis ist gut auf den Österreichischen Platz und die heimische Atmos-

phäre die dort entstanden ist zu beziehen. Die Phänomenologie der Atmosphären wurden inzwischen weiterhin erforscht und findet weitgehend gebrauch in den Bereichen der Architektur, der Stadtplanung, der Werbung, der Kunst und des Bühnenbilds und auch im Rundfunk, Film und Fernsehen. Übergreifend kann man heute sagen, dass Atmosphären überall ein Thema sind, wo etwas inszeniert wird oder wo es um Design und Gestaltung geht. Des Weiteren ist die Wahrnehmung einer Atmosphäre durchaus subjektiv, um ihren Charakter zu beschreiben und es sinnlich zu erfahren muss man sich dessen aussetzen.

Bezieht man nun alle bereits erwähnten Gegebenheiten, kann man aus den Aktio-

nen am Österreichischen Platz in allen Bereichen eine parallele ziehen. Die Veranstaltungen mit Musik, Tanz und Theater erzeugen eine heitere Stimmungsatmosphäre. Menschen sind in Kommunikation und Bewegung miteinander. Doch auch die Lage des Platzes in der Stadt, unter einer Brücke spielen dabei eine wesentliche Rolle der dort herrschenden Atmosphäre in Bezug der Architektur. Die Überdachung durch die Brücke bringt den Schutz vor Witterung und schließt den Raum nach oben. Trotzdem ist der Platz zu den Seiten geöffnet, was nicht einengend und räumlich begrenzt wirkt. Ein Kommen und Gehen ist jedem selbst und frei überlassen. Auch die Lage in der Stadt macht diesen Ort zu etwas besonderem, da er sich zentral in der Stadtmitte und in Richtung Stuttgart Süd befindet. Einkaufsmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe sind ebenso von Vorteil um an diesem Platz spontan mehrere Stunden zu verbringen.

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Nach der Umfrage war ein Skatepark die beliebteste Umbaumaßnahme für den Platz. Da die Stadtlücken durch den Pachtvertrag allerdings auch die Haftung des Platzes und alles was darauf passierte übernehmen und dafür aufkommen musste, entschloss man sich letztendlich gegen einen risikoreichen Sportpark, wie es eine Skateanlage dargestellt hätte. Die darauffolgenden Jahre waren geprägt von zahlreichen unterschiedlichen Veranstaltungen. Von Konzerten über Dj-Acts, Kunstausstellungen, Installationen, gemeinsames Kochen der Foodsharing Gruppe Commons Kitchen, Kinoabenden, Vorlesungen und Theatervorführungen, lockten die unterschiedlichsten Menschen an diesen Platz. Zur Feier des Christopher Street Days wurde der Platz feierlich geschmückt und mit unterschiedlichen Acts bespielt. Die Menschen kamen zusammen um zu tanzen und sich zu treffen. Man nutzte den öffentlichen Raum der Stadt um Freunde zu sehen, Kaffee zu trinken oder ein Brettspiel zu spielen. Die Tischtennisplatten waren quasi dauerhaft belegt und man richtete sich mit Teppichen und Sofasesseln ein kleines Wohnzimmer ein. Teilweise gab es Veranstaltungen wie Kleidertauschparties, wobei der nichtkommerzielle Austausch von Gegenständen und der Aspekt der Nachhaltigkeit stets im Vordergrund stand. Es gibt in Stuttgart kaum einen anderen Ort als Eigentum der Stadt, den Menschen nicht kommerziell nutzen dürfen. Dies bringt eine Atmosphäre der Freiheit, denn die Stadtbewohner können ihre eigenen Getränke mitbringen, sich dort aufhalten wann und wie lange sie wollen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, sich nicht kommerziell an der Sache zu beteiligen. Das Gegenteil ist der Fall, denn dieser Platz lebte durch diese unkonventionelle und nichtkommerzielle Nutzung und war stets notwendig. Ideen für weitere Veranstaltungen waren sehr willkommen und erwünscht bei den Stadtlücken und man versuchte einen möglichst guten Rahmen für die Ideen bereitzustellen und zu ermöglichen. Die Stimmung am Platz war durchweg gut und es kam kaum zu Auseinandersetzungen oder negativer Ereignisse. Dies spricht durchaus für die Arbeit der Stadtlücken und die involvierten Menschen die diesen Platz des öfteren aufsuchten. 55

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Auch das Licht spielt eine wichtige Rolle wenn es um Atmosphären geht. Man könnte behaupten Licht ist sogar der Ursprung, bzw. die notwendigste Zutat zur Wahrnehmung einer Atmosphäre. Das Licht lässt uns Farben erkenn und macht Dinge in gewisser Maßen erst sichtbar, die wir dann voneinander unterscheiden können.

Lichtstimmungen werden durch unterschiedliche künstliche Lichter innerhalb von

Räumen gezielt platziert und eingesetzt. Man spricht von indirektem und direktem Licht und es beeinflusst uns in unserem Gemütszustand enorm. Ein grelles, weißes Licht lässt uns eher unbehaglich fühlen, wobei ein weiches, gelbes Licht uns durch Gemütlichkeit bereichern kann. Wenn, wie es im vorherigen erwähnt, von Angsträumen gesprochen wird, so ist anzunehmen dass dies auch ein Grund mit der Situation des Lichtes in einer Stadt haben könnte. Menschen fühlen sich tendenziell unwohl wenn es dunkel ist und gerade in einer Stadt möchten sich die wenigsten an einem dunklen, unbekannten Ort aufhalten. Dort könnten Gefahren lauern und man möchte solche Plätze so gut es geht vermeiden. Ausgeleuchtete Straßenteile und Plätze sind dagegen etwas behaglicher und die Menschen haben durch den Einfluss des Lichtes in der Nacht ein nicht ganz so starkes Gefühl des Unbehaglichen und der Angst. Mit diesem Problem hatte auch der Österreichische Platz zu Zeiten vor Stadtlücken, als es noch eine Parkfläche war zu kämpfen. Menschen versuchten diesen Ort zu meiden, weil er ihnen unheimlich erschien. Hinzu kommt das starke Aufkommen der Menschen aus der bereits erwähnten Szene, die sich dort generell aufhalten.

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Facetten

Veränderung bringt Aufmerksamkeit, schafft Atmosphären und neue Facetten Was demnach ursprünglich nicht Teil der Stadtsiedlung war, sich dann zu einem inoffiziellen Platz, benannt nach einem stattlichen Gebäude bzw. eines Restaurants entwickelte, sich durch die steigende Automobilisierung und Vernetzung aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs zu einer der ersten Bauprojekte der Straßenbebauung ergründete und das Stadtbild Stuttgarts heute als wesentlichen Bestandteil prägt, ist weit mehr als nur ein Knotenpunkt zur Verbesserung des innerstädtischen Straßenverkehrs.

Die U-Bahn Haltestelle Österreichischer Platz verweist unterirdisch schon auf den

Platz der als zentraler Mittelpunkt, die Stadtteile Süd und Mitte, Heusteigviertel und Gerberviertel vereint. Der Platz befindet sich exakt unter dem Verkehrskarussell, welches in Luftaufnahmen und Kartenansichten als Kreis hervorsticht. Kaum ein anderer Platz in der Stadt hat sich über so viele Jahre in so unterschiedliche Richtungen entwickelt. Diese Entwicklung entstand durch unterschiedliche Gesellschaftliche, wie auch wirtschaftliche Veränderungen. Aus einem Parkplatz wurde ein subkultureller Treffpunkt, ein Spielplatz oder auch ein Wohnzimmer. 62

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Einer solchen Veränderung liegen die Bedürfnisse einzelner Menschen zugrunde, die das Potenzial eines Platzes für andere Zwecke, als er ursprünglich genutzt wurde austesten wollten. Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Stadt Stuttgart wie bereits im vorherigen erwähnt mehr und mehr als Autostadt. Diese Entwicklung beruht sowohl auf den hiesig ansässigen Automobilherstellern, sowohl an der geografischen Lage der Stadt. Und dass sich die Stadt als Arbeiterstadt für die umliegenden großen Firmen etablierte, macht sie außerdem zu einer Pendlerstadt. Demnach ist gewiss, dass ein hohes Verkehrsaufkommen der stetig wachsenden Anzahl der Fahrzeuge in der Stadt gerecht werden muss. Parkplätze und Straßen platzen aus allen Nähten. Baustellen sorgen nachhaltig für einen Fortbestand dieses funktionierenden Straßennetzes um die Stadt so mobil wie es nur geht zu halten und zu entwickeln.

Probleme wie die starke Schadstoffbelastung der Luft und der hohe Feinstaub-

gehalt sind ein Indiz der Überbelastung des hohen Verkehrsaufkommen in der Stadt. Demnach gibt es immer mehr Gegner einer noch autogerechteren Stadt. Der Wunsch nach einem geringeren Verkehrsaufkommen, mehr Platz durch weniger Fahrzeuge und weniger Parkflächen, treibt viele Menschen dazu sich aktiv für andere Benutzungsformen im öffentlichen Raum einzusetzen. Somit entstehen an Hochschulen in gestalterischen-, sozialen- und geisteswissenschaftlichen Studiengängen vermehrt Projekte, die auf eine neue Lebensform und einen neuen Umgang in der Gesellschaft abzielen.

Organisationen und Vereine gründen sich aus diesen Initiativen und verbreiten

sich schnell in den gleichgesinnten Gefilden. Somit entstand eine wohl ausschlaggebendste Aktion der Initiative des gemeinnützigen Vereins Stadtlücken, welches den Platz in seiner wesentlichen Form stark veränderte. Der Verein Stadtlücken entstand bereits im Jahr 2016 und besteht aus Stadtplanern, Architekten und Gestaltern. Mit dem Bedürfnis den städtischen Lebensraum, vielmehr den öffentlichen Raum zu betrachten, Aufmerksamkeit für ihn zu wecken und gemeinsam mit der Stadtgesellschaft neu zu gestalten. Dafür suchen sie in der bebauten Stadt nach Orten und Räumen deren Potenzial noch unentdeckt und unbenutzt blieb, um unkonventionelle Ideen umzusetzen und das gesellschaftliche und soziale Leben in Stuttgart zu verbessern.

Die Herangehensweise an diese Intension besteht durch ein bereitgestelltes

Netzwerk, indem die Bürgerinnen und Bürger selbstbestimmt ihre gefundenen Plätze mitteilen können. Dazu gibt es eine Webseite www.stadtlücken.de die diese daraus entnommenen Informationen sammelt und öffentlich bereitstellt. Daraufhin werden gezielte Aktionen an dem auserwählten Ort gestartet, um die Aufmerksamkeit der Menschen auf diesen Ort zu lenken. Dazu zählen meist Aktionen und Veranstaltungen die sehr untypisch für einen Ort wie beispielsweise unter einer Brücke sind, um auch ein Umdenken und unterschiedliche Reaktionen hervorzurufen. Dabei besteht das Ziel, diesen Raum temporär für Diskussionen und Jedermann zu öffnen und dann Prozesse und Herangehensweisen zu entwickeln, wie man zukünftig damit umgehen kann. Die Umsetzung dieser Aktionen und Prozesse werden dann durch Studenten, Engagierte und 63

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auch Experten gemeinsam entworfen. Dabei wird stets bedacht auch die Anwohner, Bürgerinnen und Bürger zu involvieren und dazu ermutigen mitzugestalten.

Um ein stärkeres Bewusstsein der einzelnen Bürger gegenüber derer Stadt zu er-

zeugen, veranstaltet der Verein ein einmonatiges, öffentliches Treffen, das „Einmal im Monat – wem gehört die Stadt“ gennant wird. Dabei geht es um ein öffentliches Zusammentreffen für Alle, die ihre Ideen austauschen möchten oder zur Vernetzung beitragen wollen. Vorträge schaffen dabei die Grundlage zu einem gemeinsamen Kennenlernen und einer offenen Diskussionsrunde. Stadtlücken fokussiert sich dabei stets auf eine Erarbeitung gemeinsamer Wertvorstellungen, sowie der Manifestierung eines nachhaltigen Verantwortungsbewusstseins. Die meisten öffentlichen Räume in der Stadt sind kommerziell oder profitorientiert ausgerichtet und die Behörden behandeln diese Freiräume meist nicht mit dem Gedanken zur Erfüllung der sozial- und Individualbedürfnissen vieler Bewohner.

Die Privatisierung ist dabei ein Vorgehen der Behörden um den öffentlichen Raum

für private Unternehmen zu nutzen. Die Begründung der Privatisierung liegt dabei in der besseren Wirtschaftlichkeit dieser Unternehmen und der Bereitstellung kostengünstigerer Leistungen. Privatisierung von öffentlichem Vermögen hilft, die Defizite in öffentlichen Haushalten zu verringern. Dies bringt für Städte und Kommunen kurzfristig einen finanziellen Vorteil, auf längere Sicht gesehen, verlieren sie dadurch ihre Planungshoheit.

Außerdem nimmt man den einzelnen Bürgern somit das Recht ihrer eigenen Be-

dürfnisse, zur Mitbestimmung und Gestaltung ihres städtischen Lebensraums. Doch bedeutet es in einer Demokratie zu leben eben genau das; Ein selbstbestimmtes Handeln der einzelnen Bürgerinnen und Bürger zu fordern und zu gewährleisten. Und um dieses handeln in einer Stadt auch umzusetzen, braucht es Freiräume und öffentliche Plätze die dies zulassen.

Die Stadt Stuttgart bietet im Vergleich zu anderen Deutschen Städten in dieser

Hinsicht ein eher geringes Angebot, denn viele Orte sind kommerziell genutzt, privatisiert oder durch Straßenbauprojekte in Beschlag genommen. Doch genau aus dieser Herausforderung ergab sich die Intervention des Stadtlücken Vereins; das Aufsuchen freier Flächen um für alle Stadtbewohner eine Bühne zur kreativen Entfaltung, demokratischen Handelns zu schaffen. Dabei ist zu erwähnen, dass der Verein keiner bestimmten politischen Partei zugehörig ist und als freie, unabhängige Initiative handelt. Sie sehen sich in ihrer Position eher als Fragesteller, anstatt als Antwortgeber und sind sich der Vielzahl der unterschiedlichen Bedürfnisse der gesellschaftlichen Gruppen bewusst. 1

1 Stadtlücken, Dokumentation der zweiwöchigen Veranstaltungsreihe, Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, S.3

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Akteure

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Akteure

StadtlĂźcken

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Stadtregal

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Boulderblock

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Arbeiten

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Kaum ein anderer Platz in Stuttgart birgt so viele Facetten wie der Österreichische Platz. Die vergangenen Jahre zeigten wie vielseitig die unterschiedliche Nutzung des öffentlichen Raums sein kann und wie stark sich diese Veränderungen auf die gesellschaftlicheund soziale Substanz einer ganzen Stadtbevölkerung auswirkt. Die Gründung des Stadtlücken Vereins und deren Initiative, einer Veränderung der einst tristen Parkfläche entgegenzuwirken, brachte diesen Stein erst ins rollen. Was bis zu der Neugestaltung als Angstraum und Un-Ort galt, war plötzlich ein Ort an dem sich viele Menschen wieder gerne aufhielten. Wie auf den vorangehenden Seiten beschrieben, ist eine Veränderung der Aufmerksamkeit resultierend aus dem Erschaffen neuer Atmosphären und letztendlich eine Umgestaltung eines Platzes notwendig um dies zu erreichen. Das folgende Kapitel veranschaulicht die einzelnen Akteure die den Österreichischen Platz umgestaltet, genutzt und zu dem gemacht haben, was er heute darstellt und wir ihn erleben. 71

Akteure

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Stadtlücken

„Wir leben in diesem Kapitalismus und alle Probleme die wir haben rühren daher, meiner Meinung nach. Und wir können uns eher das Ende der Welt vorstellen als eine Welt ohne Kapitalismus. Das wird immer mehr Leuten bewusst, das ist gut und daran muss man was ändern. Die Begegnung unterschiedlicher Menschen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen kann zu Konflikten führen. Zu Konflikten, die aus abweichenden Interessen bezüglich der Transformation des Ortes oder aus Nutzungskonflikten wie beispielsweise Lärmbelastung entstehen. Hierbei ist das Ziel, ein Gleichgewicht zwischen räumlicher Begegnung und notwendiger Trennung zu schaffen, das eine bewusste und aktive Auseinandersetzung mit Meinungsunterschieden und Konflikten voraussetzt. Diese Auseinandersetzung sollte im Rahmen einer institutionell geförderten Begegnung durch zivilgesellschaftliche Partner unterstützt und gegebenenfalls konkret betreut werden.“ 72

Akteure

Stadtlücken


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Akteure

StadtlĂźcken

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RV

Warum habt ihr Euch diesen Platz ausgesucht?

INTERVIEW

SL Es war ein bisschen auch ein glücklicher Zufall, dass wir da überhaupt gelandet sind, würde ich sagen. Es hätte jeder Platz sein können, der kein Platz sozusagen ist. Es geht da ja auch um die Frage, wem gehört der Raum und was ist eigentlich der öffentliche Raum. Und um das mal sichtbar zu machen und es mal wieder ins Bewusstsein der Stadt zu bringen, was es eigentlich bedeutet, öffentlichen Raum für jeden zugänglich zu machen, was es eigentlich bedeutet wenn privatwirtschaftliche Unternehmen diesen Raum markieren oder selber besetzen und damit Geld verdienen, der eigentlich allen Bewohnern gehört.

RV

Woher kam die Idee zu Eurem Projekt?

ßig Leute und jeder hat seinen Anknüpfungspunkt gefunden, wo er sich einbringen kann ohne da komplette Ganze machen zu müssen.

Ja, und da lernen wir auch tagtäglich dazu, wie das eigentlich alles gehen kann. Es gab halt nie diesen fertigen Plan, wir haben einfach immer weiter gemacht. Als wir diesen Kiosk gemacht haben, haben wir nicht gedacht dass wir tatsächlich irgendwann diesen Parkplatz da bespielen – und bestimmt nicht gedacht dass wir da vier Jahre später immer noch sitzen. 2016 haben wir Angefangen und im Februar sind es dann vier Jahre als wir die Masterarbeit präsentiert haben. Am 3. Februar war das und am 4. haben wir dann den ersten Einmal im Monat gemacht. Und seitdem machen wir das. Also es ist langsam wirklich lange. Und Anfangs war es noch nicht unterstützt von der Stadt. Dieser Kiosk hat ja überhaupt erst die Diskussion losgetreten. Der Kiosk war im Oktober 2016, dann kam das Projekt St. Maria in dem Sommer und im Herbst kam dann die Entscheidung im Gemeinderat –dass wir Parkplätze in der Stadt reduzieren wollen, bzw. wir wollen sie am Österreichischen Platz reduzieren. Und dann haben wir das im Bürgerhaushalt beantragt. Die Frage war dann – „Was könntet ihr euch da vorstellen?“, und wir haben dann gedacht, „ja stimmt, was wollen wir da eigentlich machen?“ Und dann haben wir diesen Zeitstrahl entwickelt, als Strategie. Und da wir auch nicht wussten das da passieren wird haben wir es als Experimentierphase ausgelegt, um einfach zu schauen was dabei rauskommt. Wir haben quasi ein zweijähriges Experimentierfeld und testen unterschiedliche Nutzungen. Und das haben wir jetzt eben gemacht und jetzt ist der Zeitpunkt an dem man eben aufhört zu experimentieren, sondern wirklich das Konzept kooperativer Stadtraum umzusetzen. Wir nennen es auch immer von temporär zu legendär. Wie schafft es ein temporäres „Aufspringen“ zu etwas, was dann längerfristig da steht. Und was dann natürlich auch der ganzen Haltung entspricht, die man verfolgt wenn man so ein Projekt anstößt. Man könnte unter der Brücke auch eine super Shoppingmall bauen, das würde mit Sicherheit super funktionieren. Aber das ist eben genau das, worin wir als Gestalter die Verantwortung sehen, dass das nicht passiert. Was Hanna vorhin gesagt hat, dass ganz viele Leute auf diesen Platz aufmerksam werden – und den auf dem Schirm haben, macht ihn ja wertvoll – indem Moment wo mehrere Leute ihn haben wollen. Und da muss man jetzt schauen, dass man das in Bahnen haltet. Deshalb auch die Auseinandersetzung mit der Idee des kooperativen Stadtraums. Ganz spannend ist zu beobachten, dass das was man da vor drei Jahren geschrieben hat, genau so passiert ist. Das ist auch etwas gruselig. Was steht da als Ende eigentlich? Als Ende steht da: Evaluirung, Zusammenfassung und Ausblick, Wie geht es weiter?, Ausschreibung eines Wettbewerbs, Öffnung der Fläche, Bestätigung des Reallabors, Bestätigung des Experimentierfelds? Verlängerung oder lieber einen Parkplatz.

SL Basti war drei Jahre in London und hat Olympia 2012 mit der schleichenden Privatisierung der Stadt miterlebt. Ich war davor in Istanbul ein Jahr mit ein paar Proteste, wo auch dieser Kampf um den öffentlichen Raum statt gefunden hat und so kamen wir beide zurück nach Stuttgart mit dem Bedürfnis was zu machen, was nicht in der Schublade landet. Und sagten – da ist ein großes Problem da basiert unsere Bürokratie drauf, unser Zusammenleben und wir wollen uns dafür einsetzen. Und das ist so die Grundintension von Allem entstandenen und start unserer Masterarbeit gewesen. Und dann sind wir eben über das Thema Spacesharing zu der Frage gekommen – so einen Raum kann man eben aufteilen, jeder ist für sich – wie ein Stück Kuchen, so ist es im Moment. Raum gemeinsam nutzen. Das ist der Öffentliche Raum und wie nutzen wir den gemeinsam und da das eben so kompliziert ist, und in den letzten Jahren macht man das eben über Privatisierung und dann können eben nicht alle teilnehmen oder er wird eben vernachlässigt. Und dann ist daraus die Stadtlücken Idee entstanden, dass man gesagt hat so ein Stadtsystem wie Stuttgart ist total eng, alles ist verkauft aber es gibt doch immer noch Lücken. Dann haben wir erst Zeitlücken entdeckt und Baulücken und haben aber auch festgestellt, es gibt ebenso Soziallücken und rechtliche Lücken. Und so haben wir es irgendwann Stadtlücken genannt und einfach mal geschaut, welche gibt es in der Stadt, und diese gesammelt. Und dann haben wir den einmal im Monat gegründet, als monatlicher Treffpunkt für alle die sich dafür einsetzen wollen und haben dann diskutiert; Eigentlich ist die größte Lücke in Stuttgart der Österreichische Platz. Die Mutterlücke, die offensichtliche. Und wenn man was machen will, und es war klar dass wir was machen wollen und nicht nur reden, dann ist es der ÖP. Und so hat es angefangen mit dem Kiosk. Es gibt diesen Platz aber keiner weis eigentlich wo er ist, man kennt nur die Haltestelle und der Kiosk hat auf eine ironische Art und Weise quasi darauf aufmerksam gemacht. Mit Souvenirs zum Platz, den keiner kennt. Und dann hat das angefangen. Für mich ist die jetzige Intension, weil ich mich das auch immer wieder frage; für mich – also ich mache daran jetzt weiter und möchte daran weiterarbeiten, Das krasse ist halt schon, dass sich gezeigt hat, wieviel man wirkweil ich wirklich glaube und rausfinden möchte, wie kann man das anders ma- chen. Also wie kann man dieses System, indem wir alle so gefangen sind, in lich bewegen kann wenn man was macht, wenn man raus geht, Aufmerksamdiesem kapitalistischen fuck-System ändern, sodass wieder eine gerechtere keit schafft und wenn man auch vor allem dann dran bleibt. Es geht auch viel Welt, ein sozialer Austausch entstehen kann und eben Menschen sich nicht ge- um Vertrauen, uns rufen jetzt Ämter an und fragen uns was sie jetzt machen genseitig ausgrenzen und sortieren müssen, sondern wieder eine Begegnung sollen. Da entstand so ein Verhältnis zwischen den ganzen unterschiedlichen entsteht. Das ist vielleicht so ein utopischer Glaube und Hoffnung an was Institutionen, die eigentlich auch nur versuchen etwas gutes für die Stadt zu aber das ist meine Grundintension, weil ich irgendwo die Hoffnung habe, es tun, das ist quasi deren Beruf. Da gibt es mittlerweile so viele Kooperationen könnte sich noch was ändern oder zumindest das Gefühl habe, da könnte ich oder halt auch Gespräche dass man voll mittendrin ist. Experte für diese bekloppte Brücke. Brückenbaumeister. an sowas arbeiten – denn ich will nicht am anderen System arbeiten.

RV

W omit habt ihr dann angefangen etwas umzusetzen?

SL Also wir haben ganz am Anfang das zu zweit angefangen darüber nachzudenken was man jetzt machen kann und dann kamen aber so nach und nach einfach Freunde und Bekannten und Mitstudierende und Partner dazu. Schon während der Masterarbeit hat das angefangen, dass sich so eine Gruppe gebildet hat, weil sich eben ganz viele Leute die Frage gestellt haben – „hey, jetzt sind wir halt hier in Stuttgart was können wir hier machen.“ Viele sind auch schon gar nicht mehr da aber man hat ja so diesen gesunden Gerechtigkeitssinn als Gestalter, nur weis man oft nicht wo man ihn sozusagen einsetzen soll oder einen Anknüpfungspunkt findet. Und darum ging’s eben auch, so viele Anknüpfungspunkte wie möglich zu schaffen. Mittlerweile sind wir drei-

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Akteure

RV Wie kam dann die Kooperation mit dem Boulderblöckle zustande?

SL Ailin kam irgendwann dazu, Basti kannte sie – und hatte die Idee von einer Boulderwand am ÖP und wir fanden dass es voll die gute Idee ist, damit es nicht nur Tischtennisplatten gibt. Und dann hat Sie das quasi mit Basti zusammen entwickelt. Wir hatten ja so Ideenzettel, als wir die Grundidee entwickelt haben, haben wir festgelegt dass wir ein Experiment daraus machen wollen. Ein Experiment an die Stadt. Und der österreichische Platz steht dabei als Experimentierfeld und eine Art Petrischale, wo wir in diesem Raum Spielregeln festlegen, nach denen dort Projekte um gesetzte werden können. Wir selbst sehen uns dabei eher als Helfer, den Leuten unter die Arme zu greifen um ihre Projekte umzusetzen. Und daraufhin haben wir mit den Ämtern alles abge-

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Und das ist die große Frage der Verantwortung, denn jeder könnte die Fläche pachten und sie benutzen aber in dem Moment wo man checkt, was für eine enorme Verantwortung dahinter steckt, hören die Leute ganz schnell auf solche Dinge zu tun. Wenn man andere Leute, die ähnliche Sachen machen in anderen Städten, dann kommt es irgendwann raus, dass die die es checken ganz klare Regeln fahren und dann ist da nicht mehr viel mit Freiheit und wir machen einfach mal. Da ist das ganz klar geplant, wer was entscheidet. Und andere Vereine sind sich noch nicht so sicher und haben sich mit der Haftungsfrage nicht ausreichend auseinandergesetzt und deshalb ist da immer noch ein bisschen Chaos. Wenn nichts passiert ist das auch kein Problem aber sobald etwas passiert gilt die Privathaftung. Und wenn man diese Erkenntnis einmal hatte, bekommt man sie nicht mehr so schnell los! Und Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. Stadtlücken hätte im Extremfall also dafür gehaftet, weil das Stadtregal auf der von uns gepachteten Fläche stand. Angenommen das Stadtregal hätte gebrannt, die Flammen wären an die Decke und hätten den Stahlbeton beschädigt, die Brücke hätte gesperrt und womöglich komplett erneuert werden müssen – was kostet so eine Brücke, die Umleitungen. Mit 10 Millionen Euro bist du da mal locker dabei – und das ist krass. Und solche Punkte versteht man eben auch erst wenn man selbst mal Teil eines solchen Projektes war und von Anfang an verantwortet.

INTERVIEW

stimmt, welche Fläche könnten wir haben usw. Dann haben wir die Einmal im Monat Treffen gemacht um uns drarauf vorzubereiten, was da jetzt passieren könnte und haben da aber schon aktiviert und versucht mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Einmal diese Spielräume festzulegen und was es unserer Meinung nach an dem Ort braucht – ein Platz ohne Konsumzwang, es ist öffentlicher Raum der frei zugänglich für Jeden ist. Frei von Diskriminierung, Sexismus, Nationalismus und Rassismus. Eigenverantwortung, Selbstinitiative, Austausch. Parallel haben wir dann diese Zettel ausgegeben „Deine Idee für die Nutzung am österreichischen Platz“, wo dann jeder rein schreiben konnte was er für eine Idee hat. Zur Umsetzung, Beobachtung oder Förderung, was auch immer jeder Einzelne braucht und machen will. Und Ailin kam da wie die Tischtennis Crew an, und natürlich viele andere Sachen wie Bingo oder vieles mehr. Und ihr Projekt war eben das Raumgreifendste, Größte aber auch Komplizierteste und Teuerste. Die Tischtennisplatten haben auch nicht wir aufgestellt, da hat sich auch ein Team drum gekümmert. Und das hat bei manchen eben gut funktioniert dass das so eine eigene Gruppe geworden ist und bei manchen Sachen eben auch weniger. Aber dadurch dass alles ehrenamtlich passiert ist, konnte man dem dann auch nicht genügend Aufmerksamkeit schenken. Man konnte auch nur Ideen annehmen, wo man Leute annähernd kannte, weil man dann eben wusste dann ist es auch machbar. Wenn das nicht ehrenamtlich ist, kann man die Teilhabe auch viel weiter öffnen, weil man nicht alles schnell schnell und nebenher leisten muss, sondern weil man sich viel mehr Zeit dafür nehmen muss. Und manchmal gar es den Vorwurf, das ist ja eh nur so ein Hipsterkreis, der sich da bewegt, was sich natürlich auch ein wenig so ergeben hat weil es natürlich auch immer Freunde von Freunden usw. waren. Aber da haben wir ja schon auch immer versucht drauf zu achten, dass wir das durchmischen. Somit gab es auch was für Ältere, Kinder und Geflüchtete. Aber es musste eben auch immer jemand Spaß daran haben, da alles nur über ein Ehrenamt funktioniert. Und wenn eben niemand von uns Lust hatte eine Teezeremonie zu betreuen, dann konnte die halt leider nicht stattfinden. Das Land für öffentliche Ordnung schreibt uns als Veranstalter vor, dass immer jemand von uns vor Ort sein muss. Wenn wir nicht da wären und es würde etwas passieren, dann wäre das ein Problem weil es eben nicht öffentlicher Raum ist, sondern nur scheinöffentlicher Raum, den wir gepachtet haben und dadurch eben die Verantwortung hatten. Wir haben es aber als öffentlichen Raum betrachtet, damit halt jeder hin kann. Eigentlich ist es rechtlich dadurch aber kein öffentlicher Raum mehr, der eigentlich ohne unsere Anwesenheit durch eine Absperrung gesperrt hätte sein sollen. Das war eben auch das spannende, dass wir uns getraut haben und gesagt haben, wir wollen das nicht absperren. Dieses Risiko sind wir eingegangen, was vielleicht auch etwas wagemutig ist. Aber in der Zeit ist dort nichts passiert, toi toi toi. Und das ist die Krux des öffentlichen Raums, vielleicht ist das das Problem und vielleicht sieht er deshalb auch so aus wie er aussieht, weil man halt alles so gestaltet dass nichts passiert. Und sich somit auch niemand dort aufhalten kann, weil es so streng geregelt ist. Weil Versicherungen mittlerweile alle unsere Regularien diktieren, sieht halt der öffentliche Raum so aus wie er aussieht. Weil eben alles versichert ist oder eben dann doch nicht und dann für irgendwelche Rechtsdinge eingeklagt werden kann. Jedes Geländer ist gedint, jeder Belag ist genormt. Weil – was wir auch gelernt haben – die Leute die es sozusagen planen, mit einem Bein immer im Knast stehen, weil sie die persönliche Haftung dafür tragen. Siehe Loveparade, wo am Schluss dann die Bauleute, bzw. das Amt für öffentliche Ordnung die zuständigen waren, die das genehmigt haben, was auch total blödsinnig war und den Vorfall nicht mindert.

RV War das Stadtregal dann auch ein Teil von Stadtlücken?

SL Das Stadtregal war ja dann ein Teil des Reallabors, also ein Studierendenprojekt aber genau wie der Boulderblock, dass eben die Fläche dafür zur Verfügung stand. Wir haben denen dann auch ganz viel Freiheit gelassen und andererseits stand auch die Frage der Haftung, was dann nicht immer so einfach war, denn am Ende haftet der Vereinsvorstand. Wir haben die Fläche quasi schon vorbereitet und die ganze Verantwortung drumrum getragen. Das wäre an einem anderen Ort nicht so machbar gewesen. Das Projekt hätte bestimmt an keinem anderen Platz so umgesetzt werden können. Doch wir wollten das Risiko eingehen, weil wir das Projekt gut finden aber manchmal wars dann krass das auszuhalten wenn da jemand mit nem Schwert rumrennt.

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Was macht diesen Platz so besonders?

SL Wie gesagt, durch diese Komplexität, weil da einfach unheimlich viel aufeinandertrifft. Grenzen, Verkehr, Milieus, soziale Schichten, es ist ein Verkehrsknoten, drei Stadtviertel treffen hier aufeinander. Die Bundesstraße oben, die Stadt unten, die wiederum geteilt wird. Die Säulen die nach unten gehen und alles was einen Meter um die Säulen herum geht, gehört auch dem Bund. Die U-Bahn die entlang schießt, der Nesenbach der drunter durch geht. Und natürlich die ganzen sozialen Träger die sich drum herum geortet haben, wie zum Beispiel die Franziskusstube, die Tafel und trotzdem diese Neuentwicklung des Kalaidos, die Kirche St. Maria, das Gerber. Allerdings kaum Wohnraum drum herum, eher Geschäfte und Versicherungen. Und am Ende kommt noch das Thema der autogerechten Stadt. Der Verkehr muss durch das Nadelöhr. Es wurde auch immer wieder darüber nachgedacht ob man die Brücke abreißt aber man braucht eben diese Straße und es ist immer noch besser wenn sie oben drüber geht und nicht drunter. Das Gerber wurde zum Beispiel so geplant dass man die Brücke abreisen kann. Das ist total crazy und im Endeffekt ist die Brücke ein Symbol dafür was wir vorhin gesagt haben, die Trennung von Menschen – was damals die Haltung hinter der Gestaltung der Brücke war, den versuch die Fußgänger von den Autos zu trennen, Wohnen und Arbeit zu trennen und alles muss mit dem Auto zu erschließen sein – tada, Paule. Diese Bauwerk war quasi die Idee der Zukunft, was auch total spannend ist.

RV

ie würdet ihr das Problem an diesem Platz W in einem Wort beschreiben?

SL Es ist kein Problem es ist eine Chance. Jedes Problem ist natürlich eine Chance, es kommt nur darauf an wie man es betrachtet. Für mich ist es aber vor Allem diese Komplexität, was mit sich bringt dass es lange dauert sich damit auseinander zu setzen. Wir wollen natürlich immer alles so einfach wie Möglich haben. Dabei ist Komplexität aber wichtig für einen natürlichen Kreislauf, Monokultur ist scheiße. In diesem Projekt manifestiert sich alles, egal ob wir über soziales Sprechen, über das Klima, wie wir mit Baukultur umgehen, wie wir mit Planungsstrukturen umgehen, mit Partizipation und mit der Stadt allgemein. Das alles steckt in dieser ÖP-Kiste.

Text: Romina Vetter (RV) im Interview mit Hanna Noller und Sebastian Klabautermann von Stadtlücken e.V., am 16.01.2020.

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„Und es ist so ein bisschen, an einem fertigen System rütteln. Weil das ist ja so das größte Problem, was wir gerade haben, dass gefühlt alles schon fertig ist. Seit dreißig Jahren steht dieser Ort da und keiner traut sich mehr ran. Das ist so wie wenn du irgendjemanden was sagen willst und du sagst es ihm nicht. Und dann zögert es sich so weit nach hinten raus, bis du es ihm gar nicht mehr sagst. Und das ist da gerade das spannende, dass man mit so kleinen Nadelstichen einfach auch dieses System ins wanken bringen kann.

Also mit ganz gezielten kleinen strategischen Architekturen, die aber ganz viel be-

wegen. Wir haben da ja nicht viel gemacht. Wir haben da ein Kiosk hingestellt, ne Frage aufgehängt, bisschen Bodenbemalung gemacht, ne Kletteranglage hingestellt und Tischtennisplatten. Aber das alles hat so eine Diskussion drumrum ausgelöst und so eine Bewusstsein für dieses Thema und diesen Ort geschaffen und den auch wieder sichtbar gemacht, auf ne Karte gebracht, dass wir anhand dessen jetzt dinge diskutieren können, die wir dafür nicht diskutiert haben. Ja, und deshalb machen wir das auch immernoch.

Und man hat halt auch irgendwas angefangen, wo man halt auch nicht davon weg-

laufen kann. Wenn man etwas angefangen hat, dann muss man es auch zu Ende bringen oder an

Aus dem Gespräch mit Stadtlücken, Sebastian Klabautermann, 16.01.2020

jemanden weitergeben, so diesen Stecken weiterreichen und die Verantwortung weitergeben.“

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„Das krasse ist halt schon, dass sich gezeigt hat, wieviel man wirklich bewegen kann wenn man was macht, wenn man raus geht, Aufmerksamkeit schafft und wenn man vor allem dann dran bleibt.“ Stadtlücken

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↑ Kiosk mit Souvenirs zum Österreichischen Platz

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↑ Kiosk mit Souvenirs zum Österreichischen Platz

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↓→ Ö sterreichischer Platz Fanschal undTasche aus dem Kiosk

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↑ Die Abschlussveranstaltung im Stuttgarter Rathaus, am Ende der zweiwöchigen Experimentierphase

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↑ Zwei Mädchen vor den Umfragetafeln am ÖP

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↓ Eine Theaterperformance am Platz


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↑ Tafeln mit Fragen an die Passanten zur Neugestaltung des Platzes

Ganz spannend ist zu beobachten, dass das was man da vor drei Jahren geschrieben hat, genau so passiert ist. Das ist auch etwas gruselig. Was steht da als Ende eigentlich? Als Ende steht da: Evaluirung, Zusammenfassung und Ausblick, Wie geht es weiter?, Ausschreibung eines Wettbewerbs, Öffnung der Fläche, Bestätigung des Reallabors, Bestätigung des Experimentierfelds? Verlängerung oder lieber einen Parkplatz. 83

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↑ Auswertung der Umfrage an die Passanten, zur Umgestaltung am ÖP


→ Flyer mit Fragen an die Stadtbewohner zur Ausstellung im Rathaus

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↑ Anzeige zu den Geschehnissen am ÖP im Sommer 2017

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„Das Projekt Stadtregal entstand im Zuge meiner Masterarbeit. Es ist eine offene Küche mit integriertem Schlafplatz und Fächern für den Foodsharing Faiteiler. Jeder kann sich daran bedienen und das Stadtregal nutzen. Das gesamt e Objekt ist frei zugänglich, man kann sich in eine Liste eintragen, wenn man es zu einem bestimmten Zeitpunkt nutzen möchte. unter dem Schlafraum befindet sich auch ein Lastenrad, das jeder nach Absprache nutzen kann. Es verfügt über elektronische Geräte, einen Elektroherd, einen Kühlschrank und es gibt einen Wasseranschluss und einmal am Tag wird Kaffee gekocht. Wir testen das erstmal, also es befindet sich aktuell in der Pilotenphase in den kommenden vier Wochen.

Dann wird entschieden ob, und wo es sich in Zukunft befinden kann. In erster Linie

geht es darum die Bedürftigen Menschen, also die Szene, die sich am Platz aufhält, zu integrieren und ihnen die Möglichkeit geben das Stadtregal zu nutzen. Der Schlafplatz wurde direkt benutzt. Micha übernachtet schon die zweite Nacht oben drin. Er hat sich auch direkt dazu bereit erklärt hier jeden morgen Kaffee für alle zu kochen und sich um die Bewirtschaftung zu kümmern. 90

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Bei uns war halt eine zentrale Frage, was passiert, wenn eine Fläche die früher als Parkplatz genutzt wurde jetzt zum öffentlichen Raum wird. Und wer hat dann da das Recht, zu bestimmen was draus wird. Wem gehört diese neue Fläche? Es ist, glaube ich auch ein Phänomen was jetzt auch viel öfter passieren wird, dass in Städten Flächen von Autos frei werden und wieder für Menschen zur Verfügung stehen. Und das wichtigste ist, sich mit dieser Frage auseinander zu setzen – wem gehören diese Flächen – diese neuen Flächen in unserer Stadt? Und was wir versuchen hier zu experimentieren, ist mit unterschiedlichen sozialen Trägern sozusagen zu gucken, wie diese Flächen für unterschiedliche Menschen von unterschiedlichen Menschen genutzt werden können.

Und wie die dann zusammenkommen können. Es ist natürlich eine räumliche

Frage, also wo in der Stadt treffen sich die Leute gerne. Andererseits ist es auch eine Frage, wo gibt es immernoch konsumfreie Räume, wo man sich aufhalten kann ohne konsumieren zu müssen. Denn hier gegenüber, vorm Gerber zum Beispiel, da kann man sich auch aufhalten aber die haben ja ihre Hausordnung, dass man davor zum Beispiel nicht trinken darf. Also keinen Alkohol trinken. Die nächste Frage, die man sich stellen muss ist; Was passiert, wenn an bestimmten Orten, so bestimmte Gruppen sich sammeln, weißt du, wo fängt das an? Dass hier unter der Paulinenbrücke zum Beispiel dieser Treffpunkt wird für diese Szene. Ist es Aufgabe der Stadt? Hast du Regeln? Hast du Steuern? Irgendwo kann man auch sagen, da trifft sich diese Szene und dann kommen keine normalen Menschen mehr dorthin oder ist es halt ein verlassener Ort oder ein nicht gepflegter Ort.

Ist es sozusagen versagen von der Stadt, dass so ein Ort entsteht und da halten

sich Leute nicht gerne auf und deshalb passiert da irgendwas. Und was ist dann die Rolle von Gestaltung und Organisation an diesen Plätzen. Das macht diesen Ort hier aus, dass so viele unterschiedliche Menschen und Gruppen beteiligt sind, die sich darum kümmern dass hier so viel passiert. Ich weis nicht, wieviel du über Stadtlücken weißt, über das Konzept. Ja, wie der Name schon sagt, die suchen immer so Lücken in der Stadt und versuchen das zu beleben. Die haben bei der Kirche angefangen. Die haben den Kirchenraum wieder geöffnet zur neuen Nutzung, neue Nutzergruppen. Und was die Stadtlücken immer machen, was ich auch sehr gut finde, sie bespielen einen Raum für eine bestimmte Zeit, versuchen sich dann auch irgendwann mal zurück zu ziehen. Dass Menschen wieder selber aktiv werden und den Raum weiter selber bespielen. Und die Vision für den Österreichischen Platz ist es, soweit ich weiß – darauf einen kooperativen Stadtraum zu machen. Und es steht gerade zur Diskussion, welche Leute da einen kooperativen Stadtraum gestalten. Was entwickeln sich da für Regeln, wie geht man mit Konflikten um.“ Ali Haji, Stadtregal Stuttgart, aus einem Gespräch am 10.07.2019 unter der Paulinenbrücke

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RV Mit welchen Fragen hast du dich während deiner Arbeit befasst?

RV Warum hast du dir für dein Projekt diesen Platz ausgesucht?

INTERVIEW

che Dynamik betrachtet, mit der sich eine Stadtgesellschaft aktiv auseinander setzen muss. In meine Abschlussarbeit habe ich versucht als Raumpraktiker dazu etwas beizutragen. Der aktuelle Konflikt besteht aus meiner Sicht AH Durch Transformation entstehen immer wieder Räume in der Stadt, heute darin, dass ein hoch erfolgreiches Projekt, das aus zivilgesellschaftlidie Nutzungsveränderungen und Zweckentfremdungen erleben. Diese Räume chem Engagement gewachsen ist mit einem belastetem stadtpolitischem machen unter anderem die gesellschaftliche Veränderungen und Dynamiken Thema in räumlichen Konflikt geraten ist. Man steht somit vor dem Dilemma, im Raum sichtbar und spürbar. Wer entscheidet aber, wie diese Räume ge- ob man den Erfolg diese Projektes aufs Spiel setzt und sich mit diesem Probnutzt werden? wer hat das Recht die notwendige Regeln zu stimmen, die in lem hier und jetzt auseinander setzt. Die unter anderem durch unsere Arbeit dieser Übergangssituation benötigt werden? Wie wird es mit den Konflikten sichtbar gewordene Konflikte machen es heute für alle beteiligte schwer das Thema zu meiden und sich dazu nicht positionieren zu wollen. bezüglich der Nutzung des öffentlichen Raums umgegangen? In unsere Arbeit schlagen wir eine räumliche Intervention vor, die in RV Was war das Ziel deiner Arbeit, was Form eines multifunktionales Stadtmöbels als Mittel versucht unterschiedli- war dir dabei besonders wichtig? cher Nutzergruppen zusammenzubringen und damit die Frage nach soziale Gerechtigkeit der Flächennutzung im öffentlichen Raum aufzuwerfen. Über Zugrunde unserer Arbeit liegt die Integration der so genannten die Räumliche Ebene hinaus, berührt das Stadtregal auf eine soziale und eine AH diskursive Ebene. Das Stadtmöbel wird von unterschiedlichen zivilgeselschaf- „Szene“ am Platz. Unsere Strategie war dabei erstens durch eine Räumliche tlichen Partnern getragen und betrieben und erzielt damit, Synergien zwischen Intervention menschlichen Kontakt zu fördern und damit Ängste abbauen. den Akteuren und fördert eine mikropolitische Beteiligung. Somit wurden auf Zweitens durch die Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren Bündnisse zu schafder sozialen Ebene Konflikte nicht als Gefahr sondern als eine unverzichtbare fen, die sich für einen offenen und solidarischen Umgang einsetzen und dritPotenzial verstanden, die eine dissensbasierte Kollaboration ermöglichen. tens eine Diskussion über die Situation auf gesellschaftliche sowie stadtpoliAuf der diskursiven Ebene haben wir im Rahmen dieser Arbeit eine konfliktof- tische Ebene zu fördern. fene und inklusive Diskussion bezüglich des „Rechts auf Stadt“ in dieser ganz RV W ie sieht aus deiner Sicht eine konkreten Situation aktiv gefördert.

AH Der Österreichischer Platz und die Paulinenbrücke in Stuttgart ist für mich ein typischer „urbaner Transformationsraum“, in dem eben durch die Transformation grundlegende gesellschaftliche Wertediskussionen physisch erlebbar werden. Durch das Engagement vom Verein Stadtlücken hat sich die ehemalige Parkfläche zu einer Art pop-up öffentlicher Raum gewandelt. Der Raum wurde plötzlich von Bürgerinnen und Bürgern ganz anders wahrgenommen und genutzt. Was bedeutet aber diese Transformation, für die dort sich seit vielen Jahren aufhaltende „Szene“ der Obdachlosen und Drogen- und Alkoholabhängige Menschen? Diese Fragestellung war meine persönliche Intension um auf diesen Platz etwas zu machen.

RV Was macht deiner Meinung nach diesen Platz so besonders?

AH Der Österreichischer Platz bildet für mich eine Art mikro-politischen Kosmos, der ganz großen und schwer fassbaren gesellschaftlichen Diskussionen und Fragen in sich abbildet. Ein Raum, den sich Stuttgarter Stadtgesellschaft wiedererobert hat. Jetzt fordert uns dieser Raum auf sich immer weiter damit auseinander zu setzen und dafür miteinander zu Kollaborieren.

RV Welche Konflikte ergeben sich aus deiner Sicht aktuell am Platz?

AH Im Sommer 2018 habe ich auf dem Platz beobachtet, wie die vielfältigen Aktionen des Vereins Stadtlücken viele Menschen auf dem Platz zusammengebracht haben. Diese waren immer ohne Konsumzwang und offen für alle. Die Zweckentfremdung des Platzes durch Veranstaltung-basierte temporäre Nutzung hat langsam die Koexistenz 2 Parallelwelten auf dem Platz verschärft. Auf der einen Seite die meisten Junge kreative Menschen, die die neue Veranstaltungen am ÖP besucht haben und auf der anderen Seite die alte und bekannte „Paule-Szene“. Dies habe ich als eine ganz natürli-

Integration/Umgang mit Obdachlosen und Drogenabhängigen im öffentlichen Raum aus?

AH Ich bin fest davon überzeugt, dass wir erst dann zu einem produktiven Miteinander gelingen können, wenn wir uns davon befreien diese Menschen als eine Gruppe wahrzunehmen und behandeln zu wollen. Ich betrachte in diesem Zusammenhang unsere Arbeit nicht als einen Lösungsansatz sondern als ein Versuch ein neues Licht auf die Situation zu werfen und dafür auf stadtpolitische Ebene Gehör zu verschaffen. In einer zukünftigen „kooperativen Stadtraum“ wünsche im mir aber, dass jeder Person abgesehen von seiner sozialen Bezugsgruppe weiterhin die Möglichkeit hat sich zu engagieren, als Menschen wahrgenommen zu werden oder einfach da zu sein. Wie romantisiert oder banal das sich anhören mag liegt aus meiner Sicht die Lösung darin dieses einfache Prinzip ehrlich und Konsequent durch zu ziehen aber auch, wenn Konflikte vorkommen sollen. Es handelt sich um ein langfristiges Zusammenspiels zwischen institutionalisierte Stadtentwicklung und ehrenamtliches Engagement, das sich in einem demokratischen Rahmen fort bewegt und immer solidarisch auf Ausgrenzung reagiert. Das Dilemma in Bezug auf Umgang mit Obdachlosen und Drogenabhängigen am österreichischen Platz liegt darin, dass diese Menschen einerseits mit ihren Bestimmten Bedürfnissen und Rahmenbedingungen wahrgenommen werden sollten aber auf der anderen Seite nicht als eine Gruppe über einen Kamm geschoren werden dürfen. In Praxis bzw. auf der Räumlichen Ebene würde es für mich bedeuten, diesen Menschen mit entsprechenden Nutzungsangeboten und Organisationsstrukturen entgegenzukommen aber dabei immer an Integration in weiteren Angeboten und Strukturen zu denken und bewusst Schnittstellen gestalten, die Zusammenkunft fördern und Normalität werden lassen.

RV Welche Definition bringt das Problem am Platz auf den Punkt?

AH Wir sollten uns einig sein, dass wir uns nicht einig sind. Und mit dieser Situation umgehen lernen. (Chantal Mouffe)

Text: Romina Vetter (RV) im Interview mit Ali Haji (AH), Stadtregal, 14.06.2020

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Schaubild Stadtregal Frontansicht aus der Umsetzung der Präsentation der Masterarbeit von Ali Haji,

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Wie kann Architektur und Städtebau die soziopolitischen Aspekte der Raumproduktion an einem Ort beeinflussen? Um diese Frage beantworten zu können, muss man zwei essenzielle Aspekte der architektonischen und städtebaulichen Tätigkeit neudenken. Die Rolle der Architektur und des Städtebaus beschränkt sich nicht auf das passive Reagieren auf gesellschaftliche sowie politische und ökonomische Veränderungen. Über das Entwerfen der funktionalen, definierten Orte hinaus sollen Architekten und Städtebauer ihre Aufgabe darin verstehen, Dynamik dieser Transformationen zu verstehen und kritisch zu intervenieren. Somit kann Architektur und Städtebau die Gesellschaft bei Transformationsprozessen begleiten. Um diese reflektierte und kritische Rolle vertreten zu können, benötigen Architekten und Städtebauer alternative Rollenverhältnisse zu den anderen Akteuren der Raumproduktion. Jenseits der konventionellen Auf-traggeber-/Dienstleister-Verhältnisse müssen wir zu neuen Kollaborationen gelangen, die einerseits eine aktive Beteiligung an den soziopolitischen Aspekten der Raumproduktion ermöglichen, andererseits Verantwortung für große Entscheidungen übernehmen und bereit sind, sich mit deren Konsequenzen auseinanderzusetzen. 1 (Markus Miessen, Albtraum Partizipation). Der andere Aspekt, der an dieser Stelle neu gedacht werden muss, ist die Fokussetzung der architektonischen und städtebaulichen Tätigkeit. Architekten und Städtebauer müssen sich zum einen jenseits des Gestaltungsdranges mehr mit den Konsequenzen der Raumpraxis beschäftigen. Das heißt, über den Willen nach Entwerfen und Bauen hinaus die soziale Auswirkung der Auseinandersetzung mit räumlichen Fragen als Teil eines Prozesses zu verstehen und zu bedenken. Zum anderen, anstatt sich mit Visionen für die Zukunft eines Ortes zu beschäftigen, sollte der Fokus auf die Gegenwart des Raums gelegt werden. 2 Diese Art von Tätigkeit beschränkt sich nicht auf die narrative Herangehensweise der konventionellen Architektur und Stadtplanung, die sich über das Herstellen der Zukunftsvisionen eines Ortes definiert, sondern öffnet eine neue Plattform, auf der sich die mit Architektur und Städtebau verbundenen Diskurse ausweiten können und neue Ausgänge gefunden werden, um neue Formen der Raumpraxis zu erforschen. 3

Das Konzept: Ein adaptives Prinzip

Das Satdtregal als Prinzip kann an urbanen Transformationsräume in unterschiedlichen Maßstäben impliziert werden. Diese Räume sollten nicht nur als städtische Planungsaufgabe verstanden werden, um die Stadt an die Veränderungen anzupassen. sondern als eine Möglichkeit für die Stadtgesellschaft sich mit der Transformationen an einem konkreten Ort auseinanderzusetzen. Eine Chance unter kontrollierbare Rahmenbedingungen gemeinsam den Prozess der Transformation physisch zu erleben. Das adaptive Prinzip ist eine zeitlich begrenzte Intervention, die die Stadtgesellschaft bei Transformationsprozessen an einem konkreten Ort begleitet. Dies darf nicht als ein langfristiger Lösungsansatz verstanden werden, sondern als ein Mittel des praktischen Städtebaus, das durch kritisches Intervenieren eine gemeinsame Entscheidungsgrundlage für die zukünftige Entwicklung des Ortes liefert. Diese Intervention wird auf drei Ebenen konzipiert und praktiziert. Über die räumliche Dimension hinaus sind für diese Herangehensweise auch die Diskursebene sowie die Partnerschaftsebene von einer entscheidenden Bedeutung. In Bezug auf diese drei Ebenen der Konzeption und Umsetzung hat das Prinzip die folgenden Ziele: 1. Zusammenkunft unterschiedlicher Sozialgruppen am Ort fördern. Das adaptive Prinzip schlägt vor, mit einer ergebnisof-fenen Herangehensweise Menschen aus unterschiedlichen Sozialgruppen die Möglichkeit zu geben, Transformationsprozesse an einem konkreten Ort physisch zu erleben. 2. Entstehung ortgebundener sozialer Strukturen fördern und damit niederschwellige mikropolitische Beteiligung in der Raumproduktion er-

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möglichen. Durch die Kollaboration mit Akteuren aus der Zivilgesellschaft wird versucht, die soziale Struktur am Ort zu erkennen und zu ermächtigen. 3. Kollektives Wissen zum Ort generieren und verbreiten. Das kritische Intervenieren stützt sich auf das Wissen über den Ort sowie auf ein kontextualisiertes, transdisziplinäres Verständnis der Transformation. Das generierte Wissen ist nicht nur ein Mittel zum planerischen Zweck und damit Eigentum der Planenden, sondern sollte als Gemeingut verstanden werden, das über unterschiedliche Wege weiter verbreitet werden soll. Somit kann dieses Wissen auch die gesellschaftlichen Diskurse zu den jeweiligen Themen am Ort voranbringen.

KONZEPT

Architekturverständnis: Ein Mittel zum sozio-politischen Aktivismus

Letzte Bausteine der offenen Stadt:

Urbanität ist immer mit Unordnung, funktionaler Heterogenität und Vielfalt verbunden. In diesem Sinne sollten die urbanen Transformationsräume nicht als Lücken verstanden werden, die es zu füllen gilt, oder als das Überbleibsel, das in die bestehenden fest definierten Strukturen der Stadt einzuschließen ist. Stattdessen verfügen sie die durch Instabilität und Undefiniertheit über eine wesentliche Eigenschafft der Stadt: ihre Offenheit und Unberechenbarkeit. „Die Existenz dieser Räume der Ungewissheit ist eine Erleichterung, aberauch ein Versprechen. Zwar zeugen sie von dem ewigen menschlichen Wunsch, auf unmenschlichem Terrain zu siedeln, sind aber genauso wenig definiert wie wir selbst. In unserem Versuch, das Chaos zu strukturieren, das der Raum anfänglich ist, werden die Ränder zum letzten Zeugnis dessen, was wir sind. Sie sind die Heimat des anderen, und sie bestimmen die Gegensätze, aus denen sich unsere Scheinwelten zusammensetzen.“ 4

Begegnung gestalten:

Die Gestaltung zielt darauf ab, menschlichen Kontakt zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen am Ort durch zwei Strategien zu fördern. Einerseits sollte die Architektur durch eine bewusste Nutzungsakkumulation die Zusammenkunft unterschiedlicher Menschen an einem Ort anstreben. Diese festen Nutzungen ergeben sich aus der mit den zivilgesellschaftlichen Partnern entwickelte Lesart des Ortes. Dabei ist das Ziel, durch das räumliche Angebot eine Struktur zu schaffen, die von gezielten Nutzergruppen gemeinsam genutzt und organisiert wird. Der Fokus muss hierbei darauf gelegt werden, den Nutzern ein Gefühl gemeinschaftlichen Eigentums zu vermitteln. Diese Struktur muss aber auch eine gewisse Offenheit für neue und spontane Nutzungen anbieten. Diese weichen Nutzungen sind dabei nicht zwangsläufig vorhersehbar und sorgen dafür, dass sich weitere Menschen mit der Etablierung neuer Nutzungen in die Struktur integrieren können. Andererseits sollten durch die Architektur physische Begegnungen zwischen den Nutzern sowie den Organisatoren gefördert werden. Die Begegnung unterschiedlicher Menschen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen kann zu Konflikten führen. Zu Konflikten, die aus abweichenden Interessen bezüglich der Transformation des Ortes oder aus Nutzungskonflikten wie beispielsweise Lärmbelastung entstehen. Hierbei ist das Ziel, ein Gleichgewicht zwischen räumlicher Begegnung und notwendiger Trennung zu schaffen, das eine bewusste und aktive Auseinandersetzung mit Meinungsunterschieden und Konflikten voraussetzt. Diese Auseinandersetzung sollte im Rahmen einer institutionell geförderten Begegnung durch zivilgesellschaftliche Partner unterstützt und gegebenenfalls konkret betreut werden.

Potenzielle Handlungsplattform:

Prozesshafte Entwicklungen der urbanen Transformationsräumebieten der Stadtgesellschaft unter anderem die Möglichkeit, sich mittels Engagement als Person oder Gruppe an dem soziopolitischen Geschehen an einem konkreten Ort zu beteiligen. Diese Räume können als städtische Labore in unterschiedlichen Maßstäbenverstanden werden, die eine Plattform für aktive Beteiligung anbieten, als Ausgangspunkte für zielgerichteten Aktivismus.

Stadtlücken


tion gewonnene Verständnis ist nicht disziplinbegrenzt und damit nicht nur für Architekten nützlich, sondern sollte als ortbezogenes Gemeingut in der Öffentlichkeit verbreitet und weiter diskutiert werden.

KONZEPT

Raumpraxis als Geburtshilfe:

Das Konzept setzt eine aktive Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Partnern und Akteuren vor Ort voraus. Dabei spielt die Architektur zunächst eine koordinierende Rolle, die ihre Bedeutung darin sieht, örtliche Vielfalt zu erkennen und zu akzeptieren. Sie verpflichtet sich mit einer ergebnisoffenen Herangehensweise die Entstehung der Mischung zu unterstützen. Diese Haltung sollte sich durch die gesamte Intervention ziehen. Dabei bedeutet Mischung nicht nur die Nutzungsmischung des Raums, sondern zunächst, dass die Architekten durch das Arbeiten mit Menschen, die sich vor Ort schon engagieren, eine tiefergreifende, transdisziplinäre und vielseitige Leseart zum Ort entwickeln können. Im Laufe der Intervention bezieht sich die Mischung auf die Organisationsstruktur. Die offene und flexible Struktur der Organisation sollte die Möglichkeit bieten, dass sich unterschiedlichen Menschen möglichst niederschwellig beteiligen können, indem sie einen selbstgewählten Beitrag leisten können. Diese Beiträge sind im Verantwortungsgrad unterschiedlich. Es wird immer Akteure geben, die sich stärker engagieren und zum Kümmerer werden. So bekommen sie im Laufe der Zeit mittels des Wissens, das sie gesammelt haben eine unersetzliche Rolle. Somit spielt die Architektur eine Rolle, die sich am besten mit dem Sinnbild der Geburtshilfe beschreiben lässt. Die sich daraus entwickelnde Architektur muss in diesem Sinne eine Nutzungsungewissheit und Offenheit anbieten.

Stadtgesellschaftliche Rissstelle:

Für die Stadtgesellschaft sind die Transformationen als Übergangsphase zwischen zwei Ordnungen und Wertesystemen unmittelbar mit Wertediskussionen verbunden. Sei es die Mobilitätswende, die Digitalisierung oder die Globalisierung – Veränderungen werden in den urbanen Transformationsräumen sichtbar und bekommen eine unmittelbare Bedeutung für das Leben der Menschen. Diese schnelle Veränderung kann von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen politischen Meinungen und persönlichen Lebenseinstellungen unterschiedlich wahrgenommen werden. Aber sie fordern die Menschen somit dazu auf, Stellung zu nehmen und eine Position zu beziehen. Unter diesem Gesichtspunkt kann das Geschehen an urbanen Transformationsräumen auch als Katalysator für die gesellschaftliche Polarisierung fungieren. Besonders, wenn der Umgang mit diesen Räumen nicht transparent und prozesshaft gestaltet wird. In diesem Sinne können die urbanen Transformationsräume als gesellschaftliche Rissstellen verstanden werden, an denen dringender Handlungsbedarf besteht.

Für die Kontinuität – Das Entstandene sorgfältig weitergeben:

Eine zeitlich begrenzte Intervention im Stadtraum kann zwar vieles bewirken und anstoßen, was passiert aber danach? Was passiert mit den aufgedeckten Situationen und angesprochenen Themen? Und welche Rolle spielen die Architekten im weiteren Geschehen am Ort nach der Intervention. Das Konzept Stadtregal schlägt vor, diese Fragen unter Berücksichtigung der drei genannten Ebenen zu durchdenken. Raumebene: Wenn wir eine Schlussbilanz ziehen sollten, so ist das Ziel, das uns in unseren Bemühungen geleitet hat, eine höhere Sensibilität in Bezug auf die Möglichkeiten, die die urbanen Transformationsräume und ihr Gebrauch bieten. Obwohl der Schritt von dieser experimentellen Stadtforschung hin zu einer konsistenten Entwurfspraxis alles andere als selbstverständlich ist, können die zugrunde liegenden Motive dazu anregen, über eine andere städtebauliche Praxis nachzudenken: eine Praxis, die ein realistisches Verständnis des Bestehenden entwickelt, zugunsten einer offeneren und stärkeren Zukunft. Partnerschaftsebene: Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die positiven Konsequenzen der Räumlichen Intervention auch nachhaltige Wirkungen für das sozio-politische Geschehen des Ortes haben können, ist eine strukturierte Trägerschaft. Das Ziel ist hierbei, die Struktur zivilgesellschaftlicher Träger, welche sich während der Intervention herauskristallisierte, zu pflegen und zu ermächtigen. Durch eine starke, ortsgebundene Trägerschaftsstruktur wird einerseits Gentrifizierung am Ort verhindert, andererseits werden durch die Bündnisse, die innerhalb der Struktur entstehen, für die aktiven zivilgesellschaftlichen Akteure Bottom-Up-Zugänge in die bestehenden politischen Machtstrukturen geschaffen. Diskursebene: Das aus der Intervention gewonnene Wissen zum Ort sollte der Öffentlichkeit verständlich gemacht werden. Dabei sollte der Fokus auf milieu- und disziplinübergreifende Arbeit gelegt werden. Mit einer gerechten Zusammenstellung der Pro- und Kontrameinungen zur Intervention selbst, aber auch zu etwaigen, mit der Transformation des Ortes verbundenen Themen, sollte eine gemeinsame Diskursbasis für die politische Entscheidungsfindung generiert werden. Dieser Prozess muss auch von Experten-Input zu den jeweiligen Themen begleitet werden, damit die Entscheidungsgrundlage über eine fachliche und transdisziplinäre Tiefe verfügt.

Wissen über den Ort und kontextualisiertes Wissen als Allgemeingut:

Den gesellschaftlichen Konflikten sowie städtischen Nutzungskonflikten liegen oft unter anderem offene und belastete Wertediskussionen zugrunde. In diesem Konzept wird die Transformation der urbanen öffentlichen Räume als eine nicht verhandelbare Chance verstanden, die zu diesen Diskussionen beitragen und sie voranbringen kann. Dies kann gelingen, indem den Menschen die Möglichkeit gegeben wird, die Transformation physisch mitzuerleben und durch die aktive Beteiligung mitzusteuern. Das Intervenieren, bzw. das sich Einmischen in eine Situation, fängt mit einer Fragestellung an, die sich aus einer Unzufriedenheit über das soziale und politische Geschehen an einem Ort ergibt. Hierbei ist es für die Intervention bzw. die Initiatoren ausschlaggebend, im Laufe der Zeit selbst eine gemeinsame und klare, politische und soziale Position zu beziehen. Diese Position kann nur legitim sein, wenn sie einerseits auf spezifischem Wissen über den Ort basiert. Andererseits setzt es auch ein transdisziplinäres Verständnis des Kontexts voraus. Hiermit sind die Architekten darauf angewiesen mit Vertretern anderer Wissensgebiete zu kollaborieren. Dies bereichert die Auseinandersetzung mit den urbanen Transformationsräumen um eine diskursive Ebene. Das durch die Kollabora-

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Text: Konzept der Masterarbeit, Präsentiert in der Ausstellung im Stadtpalais Stuttgart, Oktober 2019

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Markus Miessen, Albtraum Partizipation

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Kenny Cuppers und Markus Miessen, Spaces of uncertainity

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Markus Miessen, Crossbenching,toward participation as critical spatial practice

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Kenny Cuppers und Markus Miessen, spaces of uncertainity

Stadtlücken

2019


Schon während des Experimentes sind drei Zeitungsartikel über das Experiment erschienen. Nach der Pdiumsdission ist das Experiment in witeren Beiträge unter anderem in einer Radiosendung und Badenwürttemberg weite Presse thematisiert worden.

UMSETZUNG

[1] Provisorische Architektur Im Zuge des Seminars „Provisorische Architektur“ im Wintersemester 201819 ist an der Fakultät der Architektur und Stadtplanung der Universität Stuttgart das Realexperiment Stadtregal entstanden. Als ein von drei Siegerprojekten dürfte das Stadtregal im Sommer 2019 im Rahmen vom„Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur realisiert werden. Mobilitätswende und gerechtigkeit der Flächennutzung in der Stadt Im Zuge der Mobilitätswende distanzieren wir uns mehr und mehr vom Konzept der autogerechten Stadt und nehmen wieder den Menschen als Maß für unsere Planung. Das bedeutet einerseits, dass die bis jetzt von Autos besetzen Flächen, mehr und mehr frei werden - Parkplätze, die bis jetzt für ein Auto und eine Privatperson zu Verfügung standen, können nun für andere Mobilitätsarten und somit für mehrere Bürger zu frei nutzbaren Flächen werden. Andererseits bringt diese Situation die Frage mit sich: Wem gehören diese „neuen Flächen“ mitten in unserer Stadt und wer hat das Recht die neuen Nutzungen zu gestalten? Wir sehen die große Umstellung unserer Mobilitätskultur nicht nur als Notwendigkeit, sondern vielmehr als Chance um neue Werte zu schaffen und zu etablieren. Gleichzeitig dient diese Wende einer Optimierung der Aufteilung des öffentlichen Raums und soll bezüglich der sozialen Gerechtigkeit zum Nachdenken anstoßen. Das Prinzip Regal Regal ist ein Möbel, welches zur offenen Aufbewahrung diverser Gegenstände benutzt wird. Der durch das Regal gefasste Raum wird dabei, zum Zwecke der Gliederung, durch Einlagen in mehrere Aufbewahrungsflächen unterteilt. Wer entscheidet, wie wir den öffentlichen Raum gliedern und nutzen? Wer setzt die Spielräume fest und in welcher Sprache werden diese vermittelt? Wie werden die Interessenkonflikte moderiert? [2] Raumebene Ein multifunktionales Stadtmöbel, das menschlichen Kontakt durch Gleichgewicht zwischen Trennung und Begegnung ermöglicht.

[3]

Partnerschaftsebene

[4]

Diskursebene

Diese Ebene beschreibt alle im Projekt einbezogenen Personen und deren Aufgaben während der Testühase. Durch die Auseinandersetzung mit zum Teil besonders sensiblen Themen hat sich die Notwendigkeit für die „Projektgruppe“ dargestellt, dass parallel zur Entwicklung der Räumlichen Intervention sich zu den jeweiligen Themen zu positionieren und darüber viele Diskussionen zu führen. Informative Veranstaltungen Unterm Himmel: Schon vor dem Beginn des Experimentes wurde am 27.04.2019 eine Auftaktveranstaltung am österreichischem Platz organisiert, wo gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Partnern sowie interessierten Anwohner/innen über das Vorhaben diskutiert wurde. Die interaktive Infowand „Denkregal“ stand nach dieser Veranstaltung vier Wochen auf dem Platz und damit sind Meinungen von Menschen vor Ort zu jeweiligen Nutzungen des Stadtregal gesammelt worden. Wir müssen reden Als Abschlussveranstaltung wurde am 07.08.2019 in einer Podiumsdiskussion gemeinsam mit Experten aus der Universität, Politik und den zivilgesellschaftlichen Partnern gemeinsam die erste Ergebnisse des Experimentes diskutiert.

Interviews Im Rahmen der Arbeit sind drei Interviews mit Experten aus unterschiedlichen Disziplinen geführt worden, um die soziale Aspekte der Situation abzudecken und einen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskurs um die sozialen Themen am Ort zu leisten. Ausstelung Diese Ausstellung sollte nicht als Präsentation eines fertigen Produktes verstanden werden sondern als ein Mittel, um die Erkenntnisse aus dem Experiment Milieu- und disziplinübergreifend darzustellen. Somit ist die Ausstellung als einen weiteren Beitrag zum Diskurs um das gemeinsamen Leben in der Stadt konzipiert.

[5] Konsequenz Die Erkenntnisse des Realexperimentes als ein Mittel der Stadtforschung begrenzen sich nicht auf die objektive Betrachtung von Nutzung des räumlichen Angebotes sondern umfassen sie auch und die sozialen Konsequenzen der Intervention. Objektive Ergebnisse Wer ist vor Ort? Im Experimentierzeitraum hielten sich durchschnittlich 27 Personen auf dem Platz auf – deutlich mehr als die durchschnittlich 16 Personen zuvor. Vor allem vormittags zwischen 8–9 Uhr und 9–10 Uhr während des Experiments war der Platz belebter als vorher (durchschnittlich 15 zu 22 Personen). Während und nach Veranstaltungen am Platz (z.B. Kochen von Commons Kitchen 16.7.19), wurden vergleichsweise viele Personen gezählt, jedoch gab es zu weiteren Zeitpunkten ohne Veranstaltungen ein ähnlich hohes Aufkommen. Die beobachteten Personen(gruppen) sind bunt gemischt, darunter: Personen die sich unterhalten, zusammensitzen/stehen, Alkohol trinken, Touristen, Sportler, Studenten, Engagierte vom Verein Stadtlücken, Obdachlose, vermeintlich arbeitslose, Sozialarbeiter. Was passiert? Welche Angebote werden genutzt? Küche, Fairteiler und Schlafgelegenheit wird an allen Beobachtungstagen genutzt Das Medmobil kommt an einem Beobachtungstag zum Einsatz Das Lastenrad wir zu keinem Beobachtungszeitpunkt ausgeliehen(5 Mal im Laufe des Experimentes) Sitzgelegenheiten werden sofern vorhanden immer genutzt Regelmäßig kontrolliert die Polizei, teils gibt es lautstarke Konflikte. Die Küche wird aufgeräumt und geputzt, der Platz gefegt, der Fairteiler kontrolliert und der Schlafplatz in Ordnung gehalten; bemängelt wird, dass die Mülltonnen überfüllt sind.

igeninitatives Handeln der Nutzer/innen E des Stadtregals:

Die Feldbeobachtungen belegen den Eindruck, dass der Platz während der Bereitstellung des Stadtregals stärker frequentiert war als zuvor. Bis zu 50 Personen halten sich zeitgleich dort auf. Die Angebote des Stadtregals werden angenommen. Die verschiedenen Nutzungen, Schlafen, (Kaffee) Kochen, Unterhalten, Treffen, Trinken, sind oft zeitgleich beobachtbar.Einige Passanten schauen interessiert, sehr wenige sprechen die Anwesenden an, fragen nach dem Stadtregal.

Presse

Text: Umsetzung der Masterarbeit, Präsentiert in der Ausstellung im Stadtpalais Stuttgart, Oktober 2019

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Schaubild Stadtregal Rückansicht aus der Umsetzung der Präsentation der Masterarbeit von Ali Haji,

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ca. 20 Personen auf dem Platz

Kümmerling hat sich zum Chillen mit seiner Freundin in den erhöhten Schlafplatz zurückgezogen als die Familie den Platz verlässt.

Melitta, Sophie und ein paar andere Platzbewohner*innen umschwirren das Kleinkind und Semih gibt Erklärungen zum Österreichischen Platz.

Gerüchte kursieren. Der Whisky war geklaut und die Freundin war schon häufiger verlobt.

Schon im Mai hatte Conny, eine Fahrlehrerin und Sozialarbeiterin, die sich allgemein für Straße interessiert, mit Kaffe kochen angefangen. Nach ein paar Tagen war den Platzbewohner*innen klar, für sie muss keiner Kaffe kochen, sie brauchen einfach nur eine Kaffeemaschine. Seit dem Projektstart haben im Wechsel unterschiedliche Personen morgens Kaffe gekocht. Heute muss ich mal wieder ins Gerber neuen Kaffe kaufen. Alle anderen haben Hausverbot.

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13.30 sonnig ca. zehn Personen auf dem Platz Die Freundin von Leo geht und er schläft auf der Bank.

Melitta und Sophie haben Besen organisiert um den Platz zu fegen. Dreck und Vandalen wollen sie in ihrem Wohnzimmer nicht haben. Eine erzählt von damals als sie noch neben der Tankstelle auf der anderen Straßenseite ein Beet angelegt und alle Namen der Verstorbenen auf eine Tafel geschrieben hatten. Die Siegerprämie aus dem gewonnen Urban Gardening Wettbewerb teilten sie auf. 100 Euro gingen an die Franziskusstube und für die restlichen 100 haben sie neue Pflanzen gekauft. Als die Tankstelle abgerissen werden sollte wurde ihnen versprochen dass sie ihr Beet behalten könnten aber dann war alles von dem einen auf den anderen Tag verschwunden.

Die 24-Stunden Fotodokumentation wird von Felix Hausmann im Juli 2019 aufgenommen. Jetzt hat Doni Lust Tischtennis zu spielen.

Er befand sich während der gesamten Aufnahmen am Platz und positionierte sich stündKIRCHE ST. MARIA

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lich an jewiligen Stellen um die Geschehnisse um das Stadtregal herum fotografisch zu T&L von Linken

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dokumentieren. Die Ereignisse wurden ebenso zu jeder vollen Stunde notiert. Das ErgebMed. Mobil

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nis wurde auf Dibondplatten gedruckt und bei der Ausstellung im Stadtpalais präsentiert. r he k ntlic hran sc Öffe ider Kle

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SONNIG, 10 PERSONEN AUF DEM PLATZ Die Freundin von Leo geht und er schläft auf der Bank. Melitta und Sophie haben Besen organisiert um den Platz zu fegen. Dreck und Vandalen wollen sie in ihrem Wohnzimmer nicht haben. Eine erzählt von damals, als sie noch neben der Tankstelle auf der anderen Straßenseite ein Beet angelegt und alle Namen der Verstorbenen auf eine Tafel geschrieben hatten. Die Siegerprämie aus dem Urban Gardening Wettbewerb teilten sie auf. 100 Euro gingen an die Franziskusstube und für die restlichen 100 haben sie neue Pfl anzen gekauft. Als die Tankstelle abgerissen werden sollte wurde ihnen versprochen, dass sie ihr Beet behalten könnten aber dann war alles von Heute auf Morgen verschwunden. Doni hat Lust Tischtennis zu spielen.

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Jetzt ist eine Freundin von Leo gekommen. Sie sitzen auf der Bank und unterhalten sich vertraut. Frieden kehrt ein.

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SONNIG, 10 PERSONEN AUF DEM PLATZ Die Idee, morgens Kaffe zu kochen, ist schon während des Aufbaus entstanden. Küche auf, Spendentasse raus und jeden Tag ein Verantwortlicher. Semih ist heute gestresst, nur Probleme mit dem Amt und dann ist ihm auch noch gestern der Fernseher beim Saugen runtergefallen. Heute kocht er Kaffe. Im Mai hatte Conny, mit Kaffe kochen angefangen. Nach ein paar Tagen war den Platzbewohner*innen klar, für sie muss keiner Kaffe kochen, sie brauchen einfach nur eine Kaffeemaschine. Seit dem Projektstart haben im Wechsel unterschiedliche Personen morgens Kaffe gekocht. Heute muss ich mal wieder ins Gerber neuen Kaffe kaufen. Alle anderen haben Hausverbot.

Semih ist heute gestresst, nur Probleme mit dem Amt und dann ist ihm auch noch gestern der Fernseher beim Saugen runtergefallen. Heute kocht er Kaffe.

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Zwei Studentinnen auf Fahrrädern nähern sich dem Stadtregal als Leo mit seinem Stock gegen das Stadtregal schlägt. Die Situation wirkt bedrohlich. Die Studentinnen haben Angst und bleiben fern.Die Platzbewohner*innen sind empört, einige gehen. Ricardo sagt er soll sich entweder beruhigen oder er kriegt Platzverbot.

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Die Idee, morgens Kaffe zu kochen, ist schon während des Aufbaus entstanden. Küche auf, Spendentasse raus und jeden Tag ein Verantwortlicher.

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Leo legt wieder los. Die Platzbewohner*innen schlichten den Streit, bedeuten dass sie so nicht miteinander umgehen und die Situation beruhigt sich zusehends.

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Leo feiert heute seine Verlobung und teilt großzügig teuren japanischen Whisky; trotz Kaffe und Frühstück schon richtig betrunken. Als Kümmerling behauptet dass seine Verlobte mit jedem poppt der ihr Koks organisiert wird’s laut. Doch als ein Vater mit Kleinkind im Tragetuch, einer wild rumspringenden Vierjährigen und dem Großvater auf Krücken auf das Stadtregal zulaufen ist es schlagartig wieder ruhig auf dem Platz.

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SONNIG, 20 PERSONEN AUF DEM PLATZ Leo legt wieder los. Die Platzbewohner*innen schlichten den Streit. Die Situation beruhigt sich zusehends. Gerüchte kursieren. Der Whisky war geklaut und die Freundin war schon häufiger verlobt. Zwei Studentinnen auf Fahrrädern nähern sich dem Stadtregal als Leo mit seinem Stock gegen das Stadtregal schlägt. Die Situation wirkt bedrohlich. Die Studentinnen haben Angst und bleiben fern. Die Platzbewohner*innen sind empört, einige gehen. Ricardo sagt, er soll sich entweder beruhigen oder er kriegt Platzverbot. Eine Freundin von Leo ist gekommen. Sie unterhalten sich.

SONNIG, 20 PERSONEN AUF DEM PLATZ Leo feiert heute seine Verlobung und teilt großzügig teuren japanischen Whisky; trotz Kaffe und Frühstück schon richtig betrunken. Als Kümmerling behauptet dass seine Verlobte mit jedem poppt der ihr Koks organisiert wird’s laut. Doch als ein Vater mit Kleinkind im Tragetuch, einer wild rumspringenden Vierjährigen und dem Großvater auf Krücken auf das Stadtregal zulaufen ist es schlagartig wieder ruhig auf dem Platz. Melitta, Sophie und ein paar andere Platzbewohner*innen umschwirren das Kleinkind und Semih gibt Erklärungen zum Österreichischen Platz.

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SONNIG, 20 PERSONEN AUF DEM PLATZ Die mobile Jugendarbeit ist zum Kochen gekommen. Nach einer kurzen Einweisung in die Küche, gehe ich kurz ins Gerber um mal kurz allein zu sein. Als ich zurück komme sind vier Jugendliche da. Es riecht nach Spaghetti Bolognese unter der Paulinenbrücke. Ein paar vom Platz fragen für wen sie kochen und ob sie mitessen dürfen.

SONNIG, 10 PERSONEN AUF DEM PLATZ Nach getaner Arbeit, trinken die Stadtlücken Bier und unterhalten sich untereinander. Ein Foodsaver kommt vorbei und bringt Lebensmittel für die Veranstaltung am Abend. Die Platzbewohner bieten Hilfe beim Ausladen an. Albert, vom Platz, unterhält sich, nachdem alles verräumt ist, mit dem Foodsaver, nimmt sich ein paar Paprika und geht heim. Auf die Frage des Foodsavers, ob die Platzbewohner am Abend bei Commons Kitchen dabei sein werden wissen sie keine Antwort.

14:30, SONNIG, 20 PERSONEN AUF DEM PLATZ Nach getaner Arbeit, trinken die Platzbewohner*innen Bier und unterhalten sich untereinander. Mich spricht eine Frau an die sich aus dem Fairtailer, welcher von Nachbarn aus der näheren Umgebung betrieben wird, bedient. Wir unterhalten uns über die 70er Jahre, Musik, Zeitung und Lobbyismus. Sie hält sich häufi ger auf dem Platz auf und hat hier schon einige Leute kennengelernt. Sie stellt fest dass hier einige ein Drogenproblem haben aber an sich umgängliche Menschen sind. Lena, Mark und Martin von Stadtlücken, sind auf den Platz gekommen um einen Film zu drehen.

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ca. zehn Personen auf dem Platz

Nach getaner Arbeit, trinken die Stadtlücken Bier und unterhalten sich untereinander. Ein Foodsaver kommt vorbei und bringt Lebensmittel für die Veranstaltung am Abend. Die Platzbewohner bieten Hilfe beim Ausladen an. Albert, vom Platz, unterhält sich, nachdem alles verräumt ist, mit dem Foodsaver, nimmt sich ein paar Paprika und geht heim. Auf die Frage des Foodsavers, ob die Platzbewohner am Abend bei Commons Kitchen dabei sein werden wissen sie keine Antwort.

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Die mobile Jugendarbeit ist zum Kochen gekommen. Nach einer kurzen Einweisung in die Küche, gehe ich kurz ins Gerber um mal kurz allein zu sein.

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Als ich zurück komme sind vier Jugendliche da. Es riecht nach Spaghetti Bolognese unter der Paulinenbrücke. Ein paar vom Platz fragen für wen sie kochen und ob sie mitessen dürfen.

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Das sechste Mal Commons Kitchen am Stadtregal beginnt. Teilnehmer die schon häufiger am Österreichischen Platz waren bauen eigenständig Tische und Stühle auf, stellen die Essenskisten neben die Küche und fangen an zu schnippeln und das Gebäck zu vernichten. Leo bietet sich als Koch an und diskutiert mit Benni was es geben könnte und fängt daraufhin an zu kochen.

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Christoph Die neuen Leute integrieren sich mehr und mehr in die Gruppe, bauen weitere Tische Ernährrungsauf, helfen beim Kochen, die Leute schnippeln, lernen sich kennen und unterhalten beraterin sich. Eine Person liegt im Schlafplatz und chillt.

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Es kommen mehr und mehr Leute auf den Platz.

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Lena, Mark und Martin von Stadtlücken, sind auf den Platz gekommen um einen Film zu drehen.

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18:30, WECHSELHAFT, 30 PERSONEN AUF DEM PLATZ Das sechste Mal Commons Kitchen am Stadtregal beginnt. Teilnehmer die schon häufi ger am Österreichischen Platz waren bauen eigenständig Tische und Stühle auf, stellen die Essenskisten neben die Küche und fangen an zu schnippeln und das Gebäck zu vernichten. Leo bietet sich als Koch an und diskutiert mit Benni was es geben könnte und fängt daraufhin an zu kochen.

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Sie stellt fest dass hier einige ein Drogenproblem haben aber an sich umgängliche Menschen sind.

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19.30 Abendsonne

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Mich spricht eine Frau an die sich aus dem Fairtailer, welcher von Nachbarn aus der näheren Umgebung betrieben wird, bedient. Wir unterhalten uns über die 70er Jahre, Musik, Zeitung und Lobbyismus. Sie hält sich häufiger auf dem Platz auf und hat hier schon einige Leute kennengelernt.

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SONNIG, 20 PERSONEN AUF DEM PLATZ Leo ist wach geworden und berät jetzt, als ehemaliger Sternekoch, die mit den nagelneuen Senkers von der mobilen Jugendarbeit. Als das Essen fertig ist, essen die Jugendlichen und die Platzbewohner räumlich getrennt aber teilweise auch zusammen. Die zweite Lieferung von Foodsharing kommt auf den Platz. Die Küche ist schon aufgeräumt und einzelne Platzbewohner unterhalten sich mit den Mitarbeitenden der mobilen Jugendarbeit. Ein Großteil der Szene geht nach Hause während sich einzelne dazu entschlossen haben bei Commons Kitchen dabei zu sein.

Nach getaner Arbeit, trinken die Platzbewohner*innen Bier und unterhalten sich untereinander.

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19:30, ABENDSONNE, 40 PERSONEN AUF DEM PLATZ Es kommen mehr und mehr Leute auf den Platz. Die neuen Leute integrieren sich mehr und mehr in die Gruppe, bauen weitere Tische auf, helfen beim Kochen, die Leute schnippeln, lernen sich kennen und unterhalten sich. Eine Person liegt im Schlafplatz und chillt.

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Leo ist wach geworden und berät jetzt, als ehemaliger Sternekoch, die mit den

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ca. 100 Personen auf dem Platz

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Die Stimmung ist ausgelassen Alles ist abgebaut und viele tanzen zur Musik, unterhalten sich in Gruppen oder spielen Tischtennis.

Matthias hält eine Ansprache und erklärt die Regeln von Commons Kitchen. Kostenlos aber nicht umsonst. Das bedeutet dass jeder teilhaben darf aber zum Gelingen auch etwas beitragen sollte.

Die Polizei teilt uns mit dass es Beschwerden aufgrund der Lautstärke gegeben hat. Die Veranstaltung löst sich langsam auf, alle verhalten sich ruhiger und viele gehen nach Hause.

Mittlerweile sind über 100 Leute auf dem Platz als das Essen fertig ist. Die Stimmung ist entspannt, die Leute bouldern, spielen Tischtennis, die Person im Schlafplatz ist mittlerweile eingeschlafen und Leo scheint zufrieden. Steff veranstaltet Modenshows und organisiert heute spontan einen Kleidertausch am Stadtregal.

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Die meisten Sachen sind schon gespült, ein paar räumen auf, die meisten aber sitzen in Gruppen und unterhalten sich. Ein wandernder Musiker aus Australien fängt an ein spontanes Konzert zu spielen. Er ist seit 21 Jahren unterwegs und ist heute nach 10 Jahren zum zweiten Mal in Stuttgart. Einer vom Platz zeichnet Portraits, Kohle auf Papier, von den Menschen vor Ort und verschenkt dann die Skizzen.

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WECHSELHAFT, 80 PERSONEN AUF DEM PLATZ Die meisten Sachen sind schon gespült, ein paar räumen auf, die meisten aber sitzen in Gruppen und unterhalten sich. Ein wandernder Musiker aus Australien fängt an ein spontanes Konzert zu spielen. Er ist seit 21 Jahren unterwegs und ist heute nach 10 Jahren zum zweiten Mal in Stuttgart. Einer vom Platz zeichnet Portraits, Kohle auf Papier, von den Menschen vor Ort und verschenkt dann die Skizzen.

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BEWÖLKT, 60 PERSONEN AUF DEM PLATZ Die Stimmung ist ausgelassen Alles ist abgebaut und viele tanzen zur Musik, unterhalten sich in Gruppen oder spielen Tischtennis. Die Polizei teilt uns mit dass es Beschwerden aufgrund der Lautstärke gegeben hat. Die Veranstaltung löst sich langsam auf, alle verhalten sich ruhiger und viele gehen nach Hause.

ABENDSONNE, 100 PERSONEN AUF DEM PLATZ Matthias hält eine Ansprache und erklärt die Regeln von Commons Kitchen. Kostenlos aber nicht umsonst. Das bedeutet dass jeder teilhaben darf aber zum Gelingen auch etwas beitragen sollte. Mittlerweile sind über 100 Leute auf dem Platz als das Essen fertig ist. Die Stimmung ist entspannt, die Leute bouldern, spielen Tischtennis, die Person im Schlafplatz ist mittlerweile eingeschlafen und Leo scheint zufrieden. Steff veranstaltet Modenshows und organisiert heute spontan einen Kleidertausch am Stadtregal.

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ca. zehn Personen auf dem Platz

Es halten sich immer weniger Leute auf dem Platz auf. Der harte Kern von Commons Kitchen erledigt die letzten Aufgaben, das restliche Geschirr wird ins Lager des Stadtregals geräumt, der Müll wird entsorgt und die restlichen Lebensmittel werden verteilt. Der Platz ist fast leer. Es bleiben der Musiker, Lili und Max sowie zwei Paare die sich austauschen.

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sechs Personen auf dem Platz

Der Musiker und Lili tauschen sich über Australien, die Welt, Musik und ihre Gemeinsamkeiten aus.

SCHAUER, 6 PERSONEN AUF DEM PLATZ Der Musiker und Lili tauschen sich über Australien, die Welt, Musik und ihre Gemeinsamkeiten aus. Max und die zwei Paare verlassen den Platz. Die Person im Schlafplatz schläft friedlich. Eine Bierdose fällt klappernd auf den Boden. Ein betrunkener Mann fängt an zu schimpfen und bewegt sich langsam um das Stadtregal herum. Als er uns auf der Bank sitzen sieht spricht er uns an.

23:30

23.30 Schauer

SCHAUER, 10 PERSONEN AUF DEM PLATZ Es halten sich immer weniger Leute auf dem Platz auf. Der harte Kern von Commons Kitchen erledigt die letzten Aufgaben, das restliche Geschirr wird ins Lager des Stadtregals geräumt, der Müll wird entsorgt und die restlichen Lebensmittel werden verteilt. Der Platz ist fast leer. Es bleiben der Musiker, Lili und Max sowie zwei Paare die sich austauschen.

ilfe eH erst Box


Jetzt liegen sie zu zweit im Schlafplatz.

03:30

Die Brüder laufen vorbei. Manuel ist beunruhigt. Die Brüder sind Leute, denen man nachts nicht begegnen sollte, meint er. Sie sind Großdealer und gewalttätig. Die Sorte kriminell, die man nicht braucht. Wir sind alle erleichtert als sie unser Blickfeld verlassen. Echt ey, gut dass wir zu dritt sind sagt Manuel.

Wir fangen an über den Österreichischen Platz, kooperativen Stadtraum und einen Ort für alle zu sprechen.

KIRCHE ST. MARIA

Semih franziskusstube

ilfe eH erst Box

CA RIT AS VE R Release

Med. Mobil

Paul, ein Kommilitone, schaut vorbei. Er war im Galao und ist jetzt auf dem Nachhauseweg. Manuel spendiert eine Runde Bier, er gehört auch zu den Suchtkranken, ist aber eher selten am Österreichischen Platz. Er findet den Schlafplatz gut, schläft aber lieber daheim in seiner Wohnung, auch wenn sein Dach wegen irgendwelchen Platten wahnsinnig laut ist.

UN IV ER SIT ÄT

Release

T&L von Linken

Christoph

Med. Mobil

SCHLAF PLATZ

LASTENRAD GARAGE

ilfe eH erst Box

Steff

Food -sharing

N UT ZU N G E N

Inga

Semih franziskusstube

Marco von Stadtlücken

Commons kitchen

Johanna

ZIVIL TNER GESELLSC HAFTLICHE PAR

INSTITUT IONELLE PARTNER

04:30

D. von Mozarella Bar

n

p-upatio Poal st zi So

r he k ntlic hran sc Öffe ider Kle

Freies Lastenrad Stuttgart

Christoph Ernährrungsberaterin

iler

ir-Te

Fa

KÜCHE

Steff

Food -sharing

R&Co. aus der Nachbarschaft

N U T ZU N G E N Commons kitchen

Inga

Johanna

ZIVIL TNER GESELLSC HAFTLICHE PAR

INSTITUT IONELLE PARTNER

05:30

05.30 klar ca. 10 Personen auf dem Platz

Michi hat seine S-Bahn verpasst als er zwei alten Frauen geholfen hat. Jugendliche wollten deren Handtaschen klauen, an seiner Hose klebt etwas Blut. Wir rauchen. Er muss bald ins Gefängnis. Er will nicht gegen einen Freund aussagen und muss deshalb 1000 € Strafe zahlen. Er hätte gerne im Stadtregal geschlafen, aber jetzt liegen schon drei unter seiner Decke, also sucht er sich in der Umgebung einen anderen Schlafplatz.

KIRCHE ST. MARIA

BOR LLA REA

T AR TG UT ST

STADT STU TTG AR T CA RIT AS VE R

Cornelia Krieger

Stadtlücken e.V.

Semih franziskusstube

D N BA

UN IV ER SIT ÄT

KÜCHE

CA RIT AS VE R

Cornelia Krieger

Stadtlücken e.V.

Ernährrungsberaterin

iler

ir-Te

STADT STU TTG AR T

T&L von Linken

Release

Marco von Stadtlücken

Med. Mobil

SCHLAF PLATZ

LASTENRAD GARAGE

22

r he k ntlic hran sc Öffe ider Kle

T AR TG UT ST

D N BA

D. von Mozarella Bar

n

KIRCHE ST. MARIA

BOR LLA REA

ilfe eH erst Box

04:30, KLAR, 7 PERSONEN AUF DEM PLATZ Leo taucht mit einer Decke auf dem Platz auf. Er hatte versucht zu seiner Verlobten in einen Club zu gehen, wurde aber an der Tür abgewiesen. Jetzt sucht er sich einen Schlafplatz am Österreichischen Platz. Giovanni kommt müde auf den Platz und zwängt sich noch mit seinem Hund in den Schlafplatz. Michi hat Hunger und sucht im Fairtailer nach etwas Weichem zu essen. Er hat kaum noch Zähne und ist zufrieden als er ein Croissant findet.

UN IV ER SIT ÄT

Ein Flaschensammler räumt den Platz leer.

Commons kitchen

Inga

INSTITUT IONELLE PARTNER

p-upatio Poal st zi So

Freies Lastenrad Stuttgart

R&Co. aus der Nachbarschaft

N U T ZU N G E N

SCHLAF PLATZ

LASTENRAD GARAGE

Fa

R&Co. aus der Nachbarschaft

STADT STU TTG AR T

T&L von Linken

Sieben Personen auf dem Platz

Steff

Food -sharing

D N BA

Semih

KÜCHE

Johanna

Marco von Stadtlücken

03.30 klar

Christoph

Ernährrungsberaterin

iler

ir-Te

Fa

ZIVIL TNER GESELLSC HAFTLICHE PAR

Cornelia Krieger

franziskusstube

r he k ntlic hran sc Öffe ider Kle

Freies Lastenrad Stuttgart

Ein Platzbewohner der am Morgen schon da war sitzt in den Kinobänken und schaut einen Film auf dem Tablett. Er hat ein Tanktop und seine Wohlfühlhose an.

Stadtlücken e.V.

D. von Mozarella Bar

n

Wir unterhalten uns über den Schlafplatz und stellen fest, dass er gar nicht so betrunken ist. Er ist der Meinung wir sollten so ein Fotoprojekt einfach fälschen, da das ja total anstrengend ist. Der Musiker und Lilli gehen heim. Wir trinken Bier und unterhalten uns mit Manuel der sich noch eine Jacke vom Kleidertausch aussucht. Das ist bestimmt eine Designerjacke, die bestimmt mal 1000€ gekostet hat, meint er.

T AR TG UT ST

Release

Med. Mobil

SCHLAF PLATZ

LASTENRAD GARAGE

p-upatio Poal st zi So

Er heißt Manuel.

KIRCHE ST. MARIA

T&L von Linken

Marco von Stadtlücken

Was wir hier machen? Wer wir sind? Was das alles soll?

BOR LLA REA

CA RIT AS VE R

Cornelia Krieger

Stadtlücken e.V.

05:30, KLAR, 10 PERSONEN AUF DEM PLATZ Michi hat seine S-Bahn verpasst als er zwei alten Frauen geholfen hat. Jugendliche wollten deren Handtaschen klauen, an seiner Hose klebt etwas Blut. Wir rauchen. Er muss bald ins Gefängnis. Er will nicht gegen einen Freund aussagen und muss deshalb 1000 € Strafe zahlen. Er hätte gerne im Stadtregal geschlafen, aber jetzt liegen schon drei unter seiner Decke, also sucht er sich in der Umgebung einen anderen Schlafplatz.

fünf Personen auf dem Platz

UN IV ER SIT ÄT

01:30

01.30 bewölktPlatz

STADT STU TTG AR T

D N BA

BEWÖLKT, 5 PERSONEN AUF DEM PLATZ Was wir hier machen? Wer wir sind? Was das alles soll? Er heißt Manuel. Wir unterhalten uns über den Schlafplatz und stellen fest, dass er gar nicht so betrunken ist. Er ist der Meinung wir sollten so ein Fotoprojekt einfach fälschen, da das ja total anstrengend ist. Der Musiker und Lilli gehen heim. Wir trinken Bier und unterhalten uns mit Manuel der sich noch eine Jacke vom Kleidertausch aussucht. Das ist bestimmt eine Designerjacke, die bestimmt mal 1000€ gekostet hat, meint er. Ein Platzbewohner der am Morgen schon da war sitzt in den Kinobänken und schaut einen Film auf dem Tablett. Er hat ein Tanktop und seine Wohlfühlhose an.

BOR LLA REA

T AR TG UT ST

03:30, KLAR, 7 PERSONEN AUF DEM PLATZ Ein Flaschensammler räumt den Platz leer. Paul, ein Kommilitone, schaut vorbei. Er war im Galao und ist jetzt auf dem Nachhauseweg. Manuel spendiert eine Runde Bier, er gehört auch zu den Suchtkranken, ist aber eher selten am Platz. Er findet den Schlafplatz gut, schläft aber lieber daheim in seinem Bett, auch wenn sein Dach wegen irgendwelchen Platten sehr laut ist.

fünf Personen auf dem Platz

BEWÖLKT, 5 PERSONEN AUF DEM PLATZ zweit im Schlafplatz. Manuel ist beunruhigt. Die Brüder sind Leute, denen man nachts nicht begegnen sollte, meint er. Sie sind Großdealer und gewalttätig. Die Sorte kriminell, die man nicht braucht. Wir sind alle erleichtert als sie unser Blickfeld verlassen. Echt ey, gut dass wir zu dritt sind sagt Manuel. Wir fangen an über den Platz und kooperativen Stadtraum zu sprechen.

02:30

02.30 bewölkt

ilfe eH erst Box

D. von Mozarella Bar

n

p-upatio Poal st zi So

04.30105 klar

Sieben Personen auf dem Platz Manuel geht nach Hause.

Akteure

Stadtregal

r he k ntlic hran sc Öffe ider Kle

Freies Lastenrad Stuttgart

Christoph Ernährrungsberaterin

iler

ir-Te

Fa

KÜCHE

Steff

Food

2019


Die Straßenreinigung kommt und fegt den Platz. Sie kennen einige auf dem Platz und bleiben auch gelegentlich auf einen Kaffe.

Als er zurückkommt und Bananen dabei hat schlägt Michi vor Milchshakes zu machen. Vor ein paar Tagen hat er einen Mixer von daheim mitgebracht und dem Stadtregal für die Allgemeinheit geschenkt.

Semih

T&L von Linken

Release

Med. Mobil

SCHLAF PLATZ

LASTENRAD GARAGE

ilfe eH erst Box D. von Mozarella Bar

n

r he k ntlic hran sc Öffe ider Kle

Christoph Ernährrungsberaterin

iler

ir-Te

KÜCHE

Steff

Food -sharing

N UT ZU N G E N

Inga

KIRCHE ST. MARIA

Commons kitchen

STADT STU TTG AR T CA RIT AS VE R

Cornelia Krieger

Stadtlücken e.V.

Semih

franziskusstube

T&L von Linken

Med. Mobil

SCHLAF PLATZ ilfe eH erst Box D. von Mozarella Bar

n

p-upatio Poal st zi So

R&Co. aus der Nachbarschaft

Johanna

07.30 sonnig

r he k ntlic hran sc Öffe ider Kle

Freies Lastenrad Stuttgart

Christoph

sieben Personen auf dem Platz

Ernährrungsberaterin

iler

ir-Te

Fa

KÜCHE

Steff

Leo schlägt vor Kaffee zu kochen. Außerdem will er aus den geretteten Lebensmitteln des Fairtailers ein Frühstück zaubern.

Food -sharing

N U T ZU N G E N Commons kitchen

Inga

ZIVIL TNER GESELLSC HAFTLICHE PAR

Release

Marco von Stadtlücken

LASTENRAD GARAGE

p-upatio Poal st zi So

Freies Lastenrad Stuttgart

T AR TG UT ST

Aus einer Honigmelone, einem Kopfsalat und weiterem Gemüse entsteht ein Salat. Alle sind der Meinung dass er verzuckert ist aber keiner sagt was um keinen Stress anzufangen. Als Michi es dann doch anspricht meint Leo, dass sie das in der Sternegastronomie Zuckerkruste nennen würden.

Johanna

ZIVIL TNER GESELLSC HAFTLICHE PAR INSTITUT IONELLE PARTNER

KIRCHE ST. MARIA

BOR LLA REA

T AR TG UT ST

Semih franziskusstube

Marco von Stadtlücken

Med. Mobil

ca. 30 Personen auf dem Platz

ilfe eH erst Box

D. von Mozarella Bar

p-upation Poal st zi So

Semih ist erstmal r kocht aber arrangiert sich. In Freies Lastenradüberrascht, dass jetzt schon jemand he k Stuttgart ntlic hran sc Christoph Öffe den letzten Wochen hat er die Küche nicht mit jemandem teilen müssen. ider Kle Ernährrungsberaterin

iler

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Fa Alexanders Familie ist vorbeigekommen. Sie sitzen auf Bänken bei der Küche mit Steff einigen vom Platz zusammen. KÜCHE

Pünktlich erscheint MedMobil. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz,Food dass es keine -sharing R&Co. aus der Nachbarschaft Polizeikontrollen N U T ZU N G E N in dieser Zeit gibt. Immer mehr Menschen drängen sich vorCommons dem Stadtregal um sich kitchen Inga behandeln zu lassen und bei Sami einen Kaffe trinken. Irgendwer hat Eis mitgebracht welches jetzt auf dem Platz geschlotzt wird. Johanna ZIVIL TNER GESELLSC HAFTLICHE PAR INSTITUT IONELLE PARTNER

UN IV ER SIT ÄT

BOR LLA REA

T AR TG UT ST

KIRCHE ST. MARIA

CA RIT AS VE R

Cornelia Krieger

Stadtlücken e.V.

Semih

franziskusstube

Marco von Stadtlücken

Med. Mobil

e

ilf eH erst Box

D. von Mozarella Bar

p-upation Poal st zi So

r he k ntlic hran sc Öffe ider Kle

Freies Lastenrad Stuttgart

Ernährrungsberaterin

iler

Steff

Food -sharing

R&Co. aus der Nachbarschaft

N U T ZU N G E N

Inga

Commons kitchen

Johanna

ZIVIL TNER GESELLSC HAFTLICHE PAR INSTITUT IONELLE PARTNER

Leo ist wieder wach und weckt die anderen damit sie nicht zu spät zum Arzt kommen. Während alle so langsam wach werden erzählt er Geschichten von der Paule. Als

Christoph

ir-Te

Fa

KÜCHE

06.30 Morgensonne Akteure sieben Personen auf dem Platz

Release

T&L von Linken

SCHLAF PLATZ

LASTENRAD GARAGE

09:30

STADT STU TTG AR T

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SONNIG, 20 PERSONEN AUF DEM PLATZ Semih verspätet sich heute weshalb Michi das Kaffe kochen erstmal übernimmt. Der Platz füllt sich langsam. Alexander unterhält sich gelegentlich und bereitet alles vor. Leo ist jetzt auch Teil des Kochteams. Die Straßenreinigung kommt und fegt den Platz. Sie kennen einige auf dem Platz und bleiben auch gelegentlich auf einen Kaffe.

Release

T&L von Linken

SCHLAF PLATZ

LASTENRAD GARAGE

10.30 wechselhaft

106

CA RIT AS VE R

Cornelia Krieger

Stadtlücken e.V.

10:30

STADT STU TTG AR T

D N BA

UN IV ER SIT ÄT

INSTITUT IONELLE PARTNER

WECHSELHAFT, 30 PERSONEN AUF DEM PLATZ Semih ist erstmal überrascht, dass jetzt schon jemand kocht aber arrangiert sich. In den letzten Wochen hat er die Küche nicht mit jemandem teilen müssen. Alexanders Familie ist vorbeigekommen. Sie sitzen auf Bänken bei der Küche mit einigen vom Platz zusammen. Pünktlich erscheint MedMobil. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass es keine Polizeikontrollen in dieser Zeit gibt. Immer mehr Menschen drängen sich vor dem Stadtregal um sich behandeln zu lassen und bei Sami einen Kaffe trinken. Irgendwer hat Eis mitgebracht welches jetzt auf dem Platz geschlotzt wird.

Cornelia Krieger

franziskusstube

R&Co. aus der Nachbarschaft

Alexander leiht sich das Lastenrad aus um beim Naturgut Lebensmittel zu retten und dann am Stadtregal zu kochen.

BOR LLA REA

CA RIT AS VE R

Marco von Stadtlücken

Fa

08:30

Einige vom Platz tauchen auf und freuen sich, dass es schon einen Kaffe gibt. Entweder waren sie schon oder gehen gleich noch zum Arzt um sich ihr Methadon zu holen.

UN IV ER SIT ÄT

UN IV ER SIT ÄT

STADT STU TTG AR T

D N BA

Stadtlücken e.V.

ca. 15 Personen auf dem Platz

Jemand von Commons Kitchen ist auch gekommen und beteiligt sich am Kochen

KIRCHE ST. MARIA

BOR LLA REA

T AR TG UT ST

07:30

08.30 sonnig

Stadtregal

SONNIG, 15 PERSONEN AUF DEM PLATZ Einige vom Platz tauchen auf und freuen sich, dass es schon einen Kaffe gibt. Entweder waren sie schon oder gehen gleich noch zum Arzt um sich ihr Methadon zu holen. Alexander leiht sich das Lastenrad aus um beim Naturgut Lebensmittel zu retten und dann am Stadtregal zu kochen. Als er zurückkommt und Bananen dabei hat schlägt Michi vor Milchshakes zu machen. Vor ein paar Tagen hat er einen Mixer von daheim mitgebracht und dem Stadtregal für die Allgemeinheit geschenkt. Jemand von Commons Kitchen ist auch gekommen und beteiligt sich am Kochen

Semih verspätet sich heute weshalb Michi das Kaffe kochen erstmal übernimmt. Der Platz füllt sich langsam. Alexander unterhält sich gelegentlich und bereitet alles vor. Leo ist jetzt auch Teil des Kochteams.

SONNIG, 7 PERSONEN AUF DEM PLATZ Leo schlägt vor Kaffee zu kochen. Außerdem will er aus den geretteten Lebensmitteln des Fairtailers ein Frühstück zaubern. Aus einer Honigmelone, einem Kopfsalat und weiterem Gemüse entsteht ein Salat. Alle sind der Meinung dass er verzuckert ist aber keiner sagt was um keinen Stress anzufangen. Als Michi es dann doch anspricht meint Leo, dass sie das in der Sternegastronomie Zuckerkruste nennen würden.

ca. 20 Personen auf dem Platz

D N BA

MORGENSONNE, 7 PERSONEN AUF DEM PLATZ Leo ist wieder wach und weckt die anderen damit sie nicht zu spät zum Arzt kommen. Während alle so langsam wach werden erzählt er Geschichten von der Paule. Als Prostitution unter der Paulinenbrücke noch eine Rolle gespielt hat, haben sie sich immer die Kennzeichen der Freier aufgeschrieben. Wenn sie nach zwei Stunden nicht wieder da waren haben sie immer die Polizei gerufen. Man passt hier aufeinander auf. Michi ist froh dass seine Decke wieder frei ist und legt sich in den Schlafplatz.

06:30

09.30 sonnig


23

107


↑ Frühstück mit geretteten Lebensmitteln von Foodsharing und der Mozzarella Bar am Stadtregal, Paulinenbrücke, 13.07.2019

↑ Ali Haji während einem Gespräch mit einem der Platzbewohner, 13. Juli 2019

↑ Jemand nutzt den Schlafplatz, während Andere gemeinsam Kochen

Die Küchenzeile des Stadtregals war regelmäßig in Gebrauch. Ein Platzbewohner erklärt sich freiwillig als Zuständiger und kocht jeden Morgen Kaffee für alle die sich am Platz aufhalten. 108

Akteure

Stadtregal


↑ Ein junges Paar nutzt regelmäßig den Schlafplatz im Stadtregal, 13. Juli 2019

↑ Micha bei der Nutzung der Stadtregal Küche, 13. Juli 2019

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Akteure

Stadtregal

2019


↑ Zwei Platzbewohner beim Kaffeekochen, 13. Juli 2019

↑ Conny während einem Gespräch, 13. Juli 2019

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Akteure

Stadtregal


111

Akteure

Stadtregal

2019




↑ Bespannte Holzrahmen leiten durch die Ausstellung und präsentieren die bedruckten Tafeln 114

Akteure

Stadtregal


↑ Ali Haji während der letzten Vorbereitungen zur Präsentation seiner Masterarbeit im Stadtpalais

Die Ausstellung und somit auch die Präsentation der Masterarbeit von Ali Haji fand vom 25. Oktober bis 01. November im Stadtpalais Stuttgart statt. Das gesamte Konzept, die 24 Stunden Fotodokumentation und eine Tonaufnahme mit Geschichten um das Statdregal konnten innerhalb der einwöchigen Ausstellung angeschaut werden. 115

Akteure

Stadtregal

2019


↑ Model des Stadtregals im MaĂ&#x;stab 1:25

116

Akteure

Stadtregal


↑ An den Innenwänden um das Stadtregal befand sich die 24 Stunden Fotodokumentation

117

Akteure

Stadtregal

2019


Boulderblöckle

Das Projekt Boulderblöckle entstand mit dem Wunsch einer flexiblen, nichtkommerziellen Nutzung einer Sportanlage im öffentlichen Raum. Das Boulderblöckle wurde von der Architektin Aline Viola Otte geplant und gemeinsam mit Stadtlücken und einigen Freunden gebaut. Es ist frei zugänglich und kann von allen Stadtbewohnern genutzt werden. Mit einer zugehörigen App kann man unterschiedliche Routen in jeweiligen Schrierigkeitsgraden klettern. Die Routen können von den Nutzern auch selbst erweitert oder neu hinzugefügt werden. Dies führt zu einem mittlerweile breitem Sprektrum an unterschiedlichster Kletterrouten und bietet somit eine absolute Alternative für den Klettersport in der Halle. 118

Akteure

Boulderblöckle


RV Warum hast du dir für dein Projekt diesen Platz ausgesucht?

AO Stuttgart fehlen zentrale Sport- und Bewegungsflächen. Insbesondere für Jugendliche und Erwachsene. Angebote zum Skaten oder für Calisthenic finden sich in den äußeren Stadtbezirken. Bouldern und Klettern ist kostenlos nur an zwei Orten möglich: Seilklettern können geübte am ehemaligen Brückenpfeiler, dem Canstatter Pfeiler. Die einzige Möglichkeit zum Bouldern findet sich an der wirklich gut gemachten, aber auch abgelegenem Boulderanlage in Feuerbach. Ansonsten bleiben teure Kletterhallen mit weiten Anfahrtswegen. Dabei sollte sportliche Bewegung Teil unseres Alltags sein. Besonderes Bouldern eignet sich wunderbar, um während dem Sport ins Gespräch zu kommen und Freundschaften zu knüpfen, ganz unabhängig vom Leistungsniveau. Um nicht einzelne soziale Schichten auszuklammern, ist es aber wichtig, ein kostenloses und leicht erreichbares Angebot zu schaffen. Der Platz unter der Paulinenbrücke ist hierfür ideal. Am ÖP kann man wunderbar einfach mal in der Mittagspause, am Feierabend oder nach der Schule bouldern. Zentral gelegen kommen an diesem Nadelöhr viele Passanten vorbei und am Boulderblöckle mit dem Sport erstmals in Kontakt. Viele schauen nicht nur zu, sondern sind begeistert, den Sport auch einfach mal selbst ausprobieren zu können. Regen- und sonnengeschützt, um sich aufheizenden Kessel besonders wichtig, ist hier das Sportangebot auch dank der Beleuchtung quasi 24h und 365 Tage im Jahr nutzbar.

RV Was macht deiner Meinung nach diesen Platz so besonders?

AO Der Platz lebt von verschiedenen Nutzergruppen. Aktuell ist der Platz sicherlich vom Umbruch geprägt und der Planungsunsicherheit die damit einhergeht. Nachdem die Parkplätze verschwunden waren, ist ein Vakuum entstanden, das viele Möglichkeiten eröffnet hat, aber auch viele bestehende Missstände erst in seiner Dringlichkeit sichtbar machte. Die Veranstaltungen von Stadtlücken und die sehr gute Nutzung unserer Boulderanlage zeigen, wie groß der Bedarf nach „informellem“ Stadtraum ist. Der Platz bietet ein einmaliges Gegengewicht zu dem die Stadt bestimmenden Konsumorten. Diese untypische Nutzung wird dem Platz zugestanden, weil er an und für sich äußerst unattraktiv ist. Auch wenn die vielen Akademiker, die hier am Werk sind, zusammen mit den Studenten, Schülern und sozial engagierten Vereinen sich mit dem Müll-, Drogen- und Geruchsproblem versuchen zu arrangieren und in ehrenamtlicher Arbeit Abhilfe zu schaffen, ist dies kein Dauerzustand. Durch dieses Engagement wird der Ort jedoch aufgewertet und das Potential des Ortes für seine kommerzielle Vermarktung erkannt. Es gilt aber dieses Spannungsfeld auch in der zukünftigen Planung zu erhalten und nicht die gängige Gentrifizierung auch hier voranzutreiben. Für mich schien eben dieser Ort das Neben- und Miteinander ganz unterschiedlicher und widersprüchlicher Nutzer aushalten zu können.

RV Welche Konflikte ergeben sich aus deiner Sicht aktuell am Platz?

AO Akut war von Anfang an der Umgang mit den Obdachlosen und Drogenabhängigen vor Ort. Über die Winterhälfte, als der Verein Stadtlücken nicht aktiv war, hat sich die Situation soweit zugespitzt, dass es für den Verein, der die Boulderanlage verwaltet, nicht mehr möglich war, eine auch nur einigermaßen angenehme und saubere Atmosphäre herzustellen. Da die hölzerne umlaufende Sitzgelegenheit der Boulderanlage in Stuttgart eine Seltenheit geworden ist, zieht sie nicht nur zum kurzen Verweilen ein, sondern wurde von den Obdachlosen regelrecht zum Schlafplatz umgewandelt. Trotz der Kennzeichnung als Spielplatzerfuhren wir hier keine Unterstützung durch die Stadt und die Ordnungshüter, welche durchaus befugt gewesen wären, hier einzugreifen. Unsere Anlage wurde mit Matratzen, Sofas und von Alkohol verklebten Zeitungen in Beschlag genommen. Unser Ziel war es nicht, die Menschen zu vertreiben, die ein Dach über dem Kopf suchen. Wir wollten nicht unsere Sitzflächen so verkleinern oder modifizieren, dass man darauf nicht mehr liegen kann und in der gleichen Weise auf agieren, wie die Stadt Stuttgart in der Königsstraße. Denn das Problem der zunehmenden Gruppe an Obdachlosen und Drogenabhängigen am ÖP ist von der Stadt gemacht. Zeitweise waren 40 Menschen vor Ort, laut und randalierend. Einzelpersonen, die an diesem Freiraum zusammenkommen, weil sie sonst keinen Platz mehr in der Stadt finden, an dem sie geduldet werden. Kleine Gruppen lassen sich leicht integrieren und auch die „alten Leute von der Paule“ wären kein Problem gewesen, identifizieren sie sich doch mit dem Ort. Diese Politik der Verdrängung hat aber Spannungen erzeugt, welche sich nun auf dem Experimentier119

Akteure

feld entladen. Dass dies so kommt, hatte man nichterahnen können. Das Vakuum des freien Stadtraums hat das innerstädtische Problem wie gesagt nur sichtbar gemacht. Für eine vielschichtige Nutzung des Platzes und auch für die Annahme der Boulderanlage ist es wichtig, hier eine Lösung zu finden. Neben dem allgemeinen Umdenken der Stadt über ihren Umgang mit Obdachlosen und Drogenabhängigen wäre eine Fürsorge der Stadt für diesen Ort durch Sozialarbeiter und Reinigungspersonal wichtig. Problematische Gruppierungen an einem Ort zusammenzutreiben ist gewiss nicht die Lösung und ich vermute stark, dass sie auch in kürze weiter an den Rand der Stadt verdrängt werden sollen, wenn ihnen keine Perspektiven in der Stadt geboten werden.

INTERVIEW

RV Was war das Ziel deiner Arbeit, was war dir dabei besonders wichtig?

AO Mein Ziel ist mit der Boulderanlage Menschen über den Bouldersport zusammenzubringen. Mir geht es nicht darum einen Spielplatz für Kinder zu kreieren, sondern für alle, die eben zu alt für Spielplätze sind. Das boulderblöckle ist durchaus eine ernstzunehmende Sportanlage für Profis und Anfänger. Doch erst das Beobachten von erfahrenen Kletterern erzeugt die ge wünschte Wirkung – sie zieht Andere an und zeigt, was möglich ist. Beim Zuschauen von besseren Kletterern lernt man sehr viel. Daher brauch es diese ambitionierten Sportler, um das Projekt zu einem Erfolg zu machen. Sie warten und pflegen das boulderblöckle und sind auch diejenigen, die sich bereits beim Aufbau der Anlage engagiert haben. Ziel ist, dass hier nicht nur ein informeller Treffpunkt entsteht, sondern sich um die Anlage eine verantwortungsvolle Gruppe zusammenkommt, die dann weitere Entwicklungen für einen sportlichen Stadtraum mit anstößt. Das langfristige Ziel wäre dann, dass es irgendwann unterschiedliche Sportangebote unter der Paulinenbrücke aber auch an anderen innerstätischen Plätzen gibt.

RV

ie sieht aus deiner Sicht eine W Integration/Umgang mit Obdachlosen und Drogenabhängigen im öffentlichen Raum aus?

AO Integration fängt mit Respekt an. Am ÖP bedeutet dies, diese Gruppen als Nutzer des ÖP anzuerkennen und ihnen zumindest Sitzplätze und Tische anzubieten. Es kann nicht sein, dass es öffentliche Bänke nur für gut gekleidete Mitbürger gibt und Obdachlose auf dem kalten Asphalt sitzen sollen. Dieser Wunsch nach „eigenen“ Sitzgelegenheiten wurde an mich schon öfters herangetragen, dann würde man auch die Boulderanlage nicht in Beschlag nehmen. Und man müsste diesen Ort sehr viel öfter reinigen. Öffentliche Parks werden nach studentischen Feiern direkt am nächsten Morgen von der Stadt gereinigt. Am ÖP passiert das nur zwei Mal die Woche. Öffentlichen Raum zu vermüllen ist in beiden Fällen nicht entschuldbar, aber es scheint, als würde hier mit zweierlei Maß gemessen werden. Wichtig wäre, dass es einfach mehr Plätze in der Stadt für Obdachlose und Substituierte gibt, damit diese individuellen Gruppen nicht zusammengedrängt werden. Das erzeugt zusätzlich Spannungen und man wird den einzelnen Interessen der Gruppen nicht gerecht. Ab einer bestimmten Größenordnung ist das auch für die Anwohner und die Nachbarschaft nicht tragbar. Das heißt es benötigt Sozialarbeiter und Ansprechpersonen, die präsent sind und dadurch auch Drogenhandel unterbinden können. Das bedeutet, auch die Kontrolle durch die Polizei ist weiterhin wichtig. Denn Drogenkonsum und Drogenhandel kann meiner Meinung in keinerlei Form geduldet werden. Und natürlich: Ohne kostenlose öffentliche Toiletten die regelmäßig gereinigt werden, wird man immer Probleme vor Ort haben.

RV Welche Definition bringt das Problem am Platz auf den Punkt?

AO Auf dem Platz unter der Paulinenbrücke besteht aktuell die Chance neue Formen des Neben-und Miteinanders im öffentlichen Raum langfristig zu erproben, was immer auch Konflikt, Kompromiss, Integration aber auch Ausschluss von Möglichkeiten bedeutet. Zu einem Problem wird dies dann, wenn von städtischer Seite nicht die notwendige finanzielle und verwaltungsrechtliche Unterstützung kommt, um diese Herausforderung abseits kommerzieller Planungen als Chance für die gesamte Stadt zu begreifen. Text: Romina Vetter (RV) im Interview mit Aline Viola Otte (AO) vom Boulderblöckle, 16.06.2020

Boulderblöckle

2019


↑ Profikletterer beim Klettern einer Route am Boulderblöckle

120

Akteure

Boulderblöckle


121

Akteure

Boulderblรถckle

2019


122

Akteure

Boulderblรถckle


↑ Freunde die sich gemeinsam zum Tischtennis spielen und Bouldern am ÖP treffen

123

Akteure

Boulderblöckle

2019




Arbeiten

SARAH FRITSCHI studiert an der Universität Tübingen und setzt sich in ihrem Studiengang Empirische Kulturwissenschaften mit den Ereignissen am Platz auseinander. Zu den Recherchen befindet sie sich öfter am Platz und setzt sich mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt. 126

Akteure

Arbeiten


RV Worin lag der Schwerpunkt deiner Arbeit?

SF Mein Interesse lag zunächst darin herauszufinden, was zwischen den Jahren 2018 und 2019 am Österreichischen Platz passiert ist. Ich las in der Zeitung von Nutzungskonflikten zwischen verschiedenen Akteur-/innen mit unterschiedlichen Interessen. Ich wollte erfahren, wer sich hinter den Zitaten in der Zeitung verbirgt, von welchen Erfahrungen und Konflikten die Beteiligten berichten und wie es zu diesen kommen konnte. Im Laufe der Zeit fokussierte sich meine Forschung dann auf die Frage, welche Bedeutung die Akteur-/innen dem Österreichischen Platz zuschreiben, welche Narrative sie dabei verwenden und in welcher Form sie diesen als Stadtraum hervorbringen. In meiner Arbeit schreibe ich zum einen über die Vorstellungen, die sich die Akteur-/innen vom Österreichischen Platz machen bzw. gemacht haben und dort realisieren woll(t)en. Zum anderen geht es um die Erfahrungen, die sie während der Projektlaufzeit der Stadtlücken und dem StadtRegal mit anderen Akteur-/innen am Platz gemacht haben. Der letzte und auch zentralste Punkt sind die moralischen Aushandlungen, die unter der Paulinenbrücke stattfinden: Aushandlungen über ein „gutes“ Zusammenleben – besonders mit sozialen Gruppen wie der Paule-Szene sowie damit verbundenen Werten.

RV Was macht deiner Meinung nach diesen Platz so besonders?

SF Der Österreichische Platz ist zu einem Möglichkeitsort geworden, an dem die Bürger-/innen ihre individuellen Entwürfe eines guten Zusammenlebens in Stuttgart ausprobieren können. Da unterschiedliche Akteur-/innen den Platz nutzen, variieren auch die Entwürfe und stehen sich unter der Paulinenbrücke im wahrsten Sinne des Wortes gegenüber. Das Stadtregal warf die Frage auf, welches Recht die Paule-Szene auf das Zusammenleben an diesem Ort für alle hat. Dadurch wurde der Österreichische Platz zu einem Ort, an dem vor allem ein Thema verhandelt wurde: Wie gestaltet die Stadtgesellschaft das Miteinander mit Gruppen wie der Paule-Szene? Der Treppenbau inmitten deren Treffpunkt löste ja bereits heftige Diskussionen aus. Doch verbarg sich hinter dieser Maßnahme der abstrakte Akteur „Stadt“, dem man nur beding mit konkreter Kritik gegenübertreten kann. Anders bei den Beteiligten des Österreichischen Platzes: Sie waren persönlich anwesend und so konnten sie ihr Verhalten gegenüber der Paule-Szene gegenseitig gut beobachten und nach moralischen Gesichtspunkten bewerten. Im Gegensatz zu den Verantwortlichen des Treppenbaus treten sie unmittelbar in Aktion und werden damit (an)greifbarer.

RV

kommen fühlen.“ Dieses Gefühl wird durch den Umstand verstärkt, dass das Gerber gegen die meisten von ihnen ein Hausverbot ausgesprochen hat, um ihnen das Aufsuchen der dortigen kostenlosen Toilette zu verwehren. Auch von der Gleichgültigkeit vieler Politiker-/innen seien sie enttäuscht und bemängeln, dass diese sich noch nie selbst ein Bild von der Paule gemacht hätten und so ihre Lebenswelt nicht verstehen könnten. Auch Fragen nach der Verantwortlichkeit am Österreichischen Platz sind konfliktbehaftet. Manche Beteiligte sprechen dabei von Anstand und einer Bürger-/innenpflicht und sehen ein Miteinander mit der Paule-Szene als Selbstverständlichkeit an. Somit sehen sie auch gestalterische Disziplinen am Österreichischen Platz in der Pflicht, intensiven Kontakt zur Szene aufzubauen. Andere betonen, dass sie aufgrund fehlender Erfahrung mit der Lebenswelt der Szene an ihre Ausbildungs- und Kompetenzgrenzen kommen und verweisen auf das fachliche Know-How und die Erfahrung von Sozialarbeiter-/innen. Auch über die Notwendigkeit von Angeboten für die Paule-Szene gibt es unterschiedliche Ansichten. Indem das Stadtregal der Paule-Szene gewisse Annehmlichkeiten bereitete, warf es bei manchen Akteur-/innen die Frage auf wieviel Luxus Angehörigen der Wohnungslosen- und Drogenszene zugesprochen werden sollte. Diese Thematik ist unmittelbar mit der Schuldfrage gesellschaftlicher Exklusion verbunden: Werden die Lebensumstände der Paule-Szene, wie Drogenabhängigkeit oder Wohnungslosigkeit, als selbstverschuldet angesehen, legitimiert dies ihre gesellschaftliche Exklusion und lässt den Komfort von Liegestühlen am StadtRegal unverdient erscheinen.

INTERVIEW

elche Konflikte ergeben sich aus W deiner Sicht aktuell am Platz?

SF Die Konflikte drehen sich, wie bereits angedeutet, vor allen Dingen um ein moralisch richtiges und gutes Miteinander mit der Paule-Szene. Angehörige der Szene selbst erzählen, dass sie sich durch die Kommerzialisierung und den Konsumzwang rund um den Österreichischen Platz nicht mehr „will-

RV Was war das Ziel deiner Arbeit, was war dir dabei besonders wichtig?

SF Mein Ziel ist mit der Boulderanlage Menschen über den Bouldersport zusammenzubringen. Mir geht es nicht darum einen Spielplatz für Kinder zu kreieren, sondern für alle, die eben zu alt für Spielplätze sind. Das boulderblöckle ist durchaus eine ernstzunehmende Sportanlage für Profis und Anfänger. Doch erst das Beobachten von erfahrenen Kletterern erzeugt die ge wünschte Wirkung – sie zieht Andere an und zeigt, was möglich ist. Beim Zuschauen von besseren Kletterern lernt man sehr viel. Daher brauch es diese ambitionierten Sportler, um das Projekt zu einem Erfolg zu machen. Sie warten und pflegen das boulderblöckle und sind auch diejenigen, die sich bereits beim Aufbau der Anlage engagiert haben. Ziel ist, dass hier nicht nur ein informeller Treffpunkt entsteht, sondern sich um die Anlage eine verantwortungsvolle Gruppe zusammenkommt, die dann weitere Entwicklungen für einen sportlichen Stadtraum mit anstößt. Das langfristige Ziel wäre dann, dass es irgendwann unterschiedliche Sportangebote unter der Paulinenbrücke aber auch an anderen innerstätischen Plätzen gibt.

RV Welche Definition bringt das Problem am Platz auf den Punkt?

SF

Fehlende Koordination von Kommunikation.

Text: Romina Vetter (RV) im Interview mit Sarah Fritschi (SF) über ihre Masterarbeit, 13.02.2020

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Akteure

Arbeiten

2019


MARCO ZÖREN studiert an der DHBW Stuttgart und setzt sich in seiner Bachelorarbeit im Studiengang Soziale Arbeit mit den Ereignissen am Platz auseinander. Er ist ebenfall ein Teil des Vereins Stadtlücken und engagiert sich durch unterschiedliche Aktionen und gilt an Ansprechpartner vieler bedürftiger Menschen am Platz.

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Akteure

Stadtregal


RV Worin lag der Schwerpunkt deiner Arbeit?

MZ Die Thema der Bachelorthesis war "Die Entwicklung eines Soziokulturellem Zentrums auf dem Österreichischen Platz – Eine aktivierende Befragung im Sozialraum um den Österreichischen Platz. Die zentrale Fragestellung war „Sehen junge Bürger-/innen soziokulturelle Defizite im Sozialraum um den Österreichischen Platz und wie könnten Nutzungen dort gestaltet werden?”. Der Schwerpunkt wurde auf dieses Klientel gelegt, da diese Gruppe die Hauptzielgruppe ist, welche von den Aktionen der Stadtlücken angesprochen wird und der Rahmen einer solche Arbeit eingegrenzt werden muss. Dies heißt nicht, dass bei den konzeptionellen Ideen weitere Gruppen, besonders die von Ausgrenzung betroffenen, nicht mitgedacht oder einbezogen werden. Diese stellen einen ebenso großen, wenn nicht noch größeren Teil, bei der Erstellung von Konzeptionen dar. Zuerst wurde über den Verein Stadtlücken und das Projekt an sich referiert. Im Anschluss wurde ein Leitbild erstellt, in welchem die theretische Grundlagen (u.A. Partizipation, Empowerment, soziale Ausgrenzung, öffentlicher Raum, Sozialraumorientierung und soziokulturelles Arbeiten) der gesamten Arbeit erläutert worden. Folgend wurde die Methode der aktivierend Befragung beschrieben und anhand dieser Anleitung durchgeführt und die gesammelten Interviews geclustert und analysiert. Anhand der Aussagen der Expert-/innen und Bürger-/innen wurde ein mögliches Konzept skiziert, welches vor Ort umgesetzt werden könnte.

RV Warum hast du dir für deine Arbeit diesen Platz ausgesucht?

MZ Ich engagiere mich seit über zwei Jahren im gemeinnützigen Verein Stadtlücken und seit Beginn dieses Engagement intensiv mit dem Sozialraum um den Österreichischen Platz. Als Sozialarbeiter hat mich besonders dieses Projekt und die Herangehensweise der Stadtlücken begeistert. Die Gemeinwesenarbeit ist einer der Drei Säule der Sozialenarbeit, welcher aber die wenigste Beachtung bekommt, aber in unserem gesellschaftlichen Leben eine immer größere Relevanz erhält. Durch die Arbeit auf allen Ebenen rund um das Projekt und das persönliche Interesse an neuen Erkenntnissen für das Projekt und diese im Idealfall perspektivisch in zukünftige Planungen einfließen lassen zu können, war mir schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt klar, meine Bachelorthesis über den Österreichischen Platz schreiben zu wollen.

RV

as macht deiner Meinung nach W diesenPlatz so besonders?

MZ Die Nutzung des Sozialraumes von sehr vielen verschiedenen sozialen Millieus. Er befindet sich im pulsierenden Herzens Stuttgart, die Köningstraße mit dem Stadtteil Mitte zur einen und den Marienplatz mit dem Stadtteil Süd zur anderen Seite sind zwei den meist genutzten Ort Stuttgarts. Diese werden durch die Tübingerstraße verbunden. Diese erlebt in den letzten Jahren eine krasse Transformation im Zuge der Gentrifierzung des gesamten Gebietes. Das Gerber lockt Menschen von außerhalb in den Stadtkern, ein junges hippes Puplikum nutzt die Angebote der Tübingerstraße, sowie die Aktionen auf dem Österreichischen Platz. Die Szene vor Ort ist schon seit Jahrzehnten dort beheimatet und wiedersetzten sich bisher Bestrebungen der Vertreibung vehement. Anwohner-/innen und Gewerbetreibende sind hierbei nich zuletzt zu nennen. Diese unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse führen zu einem Spannungsfeld, welches durch das Experiment unter der Paulinenbrücke nicht größer, sondern sichtbarer und emotionaler wurde. Genau dieses Spannungsfeld unterschiedlicher Millieus sollen gemeinsam besprochen und bearbeitet werden, um Barrieren abzubauen und einen Begegnungsort für alle zu schaffen.

INTERVIEW

RV Was war das Ziel deiner Arbeit, was war dir dabei besonders wichtig?

MZ Der Rahmen meiner Arbeit waren immer die Spielräume des Österreichischen Platzes. Innerhalb dieses Rahmens wollten wir als Verein den Blickwinkel der Gesellschaft auf den öffentlichen Raum schärfen, welchen Stellenwert dieser gesamtgesellschaftlich betracht hat und wie er genutzt wird. Über unterschiedlichste Aktionen sollte somit die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Realität sichtbar gemacht werden. Es sollte nicht ein reiner Ort des Konsumierens von Kultur sein, sondern ein Ort für Selbstverwirklung erschaffen werden, bei welchem gleichzeitig ein Anrecht, sowie eine Pflicht der Gesellschaft thematisiert werden sollte. Dabei soll ein Ort für alle geschaffen werden, der möglichst alle über ein breites Angebot ansprechen soll, natürlich mit verschärftem Blick auf Randgruppen der Gesellschaft.

RV Wie sieht aus deiner Sicht eine Integration/Umgang mit Obdachlosen und Drogenabhängigen im öffentlichen Raum aus?

MZ Es gab Vorwürfe dem Verein gegenüber, dass die ansässige Szene vertrieben würde über das Projekt, gleichzeitig gab es Vorwürfe, wir würden die Szene hofieren und den Drogenkonsum stärken. Uns ist es wichtig alle Schichten einzubinden, besonders Betroffene von sozialer Ungleichheit. Dabei sind wir mehrmals im Rahmen des ehrenamtlichen Engagements an unsere Grenzen gestoßen und haben deshalb im Doppelhaushalt 20/21 zusätzlich zu der Planung und soziokulturellen Betreuung des Östereichischen Platzes in dem Antrag eine Stelle bewilligt bekommen, welche sich vor Ort für die Belange der Szene engagiert. Allgemein ist festzuhalten, dass diese Gruppe im gesamten Stadtgebiet täglich Repressionen ausgesetzt sind. Dies wurde im Verlauf von Corona nochmals deutlicher. Hierbei muss eine offene Stadtgesellschaft als Sprachrohr fungieren, was im Gesamtkontext der Vision des Kooperativen Stadtraumes als fester Anker vorgesehen ist und meiner Meinung nach bis jetzt in vielen Punkten funktioniert (hat), wenn natürlich nicht alles ideal geloffen ist. Aus diesen Erfahrungen müssen wir gemeinsam lernen, um für alle eine annehmbare Lösung zu finden. Deshalb ist die ständige Kommunikation mit allen beteiligten Akteuren unabdingbar.

RV Welche Definition bringt das Problem am Platz auf den Punkt?

MZ Ich würde ungern eine Beschreibung ausgehend von einem „Problem“ wiedergeben. Dieser Ort hat eine so lange Geschichte und ist so unglaublich facettenreicht, besonders in den letzten zwei Jahren. Ich würde die Geschehnisse vor Ort lieber als Chance ansehen. Über die Finanzierung für die nächsten zwei Jahre hat somit die Planungsgruppe Österreichischer Platz gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, der Stadtverwaltung, der Politik und allen Akteuren vor Ort die Möglichkeit eine Utopie des zukünfltichen zusammenleben gemeinsam oder Vision nennen wir Kooperativen auszuhandeln und somit diese Utopie Wirklichkeit werden zu lassen. Diese Utopie Stadtraum.

RV Welche Konflikte ergeben sich aus deiner Sicht aktuell am Platz?

MZ Dadurch dass sich innerhalb eines kurzes Zeitraumes die Umstände vor Ort geändert haben, wurde Probleme, welche seit den letzten Jahrzehnten vorhanden sind, sichtbarer. An diesem Ort bewegen sich viele verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Interessen, Belangen und Bedürfnissen. Diese stoßen momentan aufeinander und müssen adäquat moderiert werden. Text: Romina Vetter (RV) im Interview mit Marco Zören (MZ) über seine Bachelorarbeit, 15.05.2020

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Akteure

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Geschichten

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Heimat

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Freundschaft

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Junkies, Penner, Szene, Obdachlose, Platzbewohner, Paulaner, Bedürftige, Paule-Leute, Druffis. Wir teilen Menschen in soziale- und gesellschaftliche Gruppen ein um uns selbst zu sortieren und unseren eigenen Stellenwert in der Gesellschadt zu verteidigen. Die Menschen die sich bereits seit den 80er Jahren unter der Paulinenbrücke, oder auch besser bekannt als Paule aufhalten, gehören zu den sogenannten „gesellschaftlichen Randgruppen“. Durch ihr auffallendes Anderssein werden sie von Vorurteilen geprägt, gemieden und verachtet. Ihre Existenz ist für die meisten Stadtbewohner von keiner Notwendigkeit und Menschen wie diese werden in großem Bogen gemieden. Doch wer sind diese Menschen? Weshalb halten sie sich an diesem Platz auf? Und was haben sie zu sagen. All diese Geschichten beinhaltet das folgende Kapitel.

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Heimat

„Wo man sich wohlfühlt, wo man eigentlich nicht weg will.“ „In unserem Umfeld muss man sagen, ist sowas leider viel zu oft der Fall und gehört manchmal zum Teil schon dazu, so hart es klingt. Dass Partner weg sterben, Freunde weg sterben und so. Man erlebt das leider ein paarmal im Jahr. Da ist man dann schon froh, wenn man den nicht näher kannte. Meine Oma ist meine absolute Familie, da geht gar nichts drüber. Herzblut ohne Ende. Aber wenn wir jetzt da meine Mutter daneben stellen. Garnicht. Vom Gefühl her vielleicht wie eine Schwester. Sie meint ja auch immer, Ihre Eltern hätten mich ihr weg genommen. Da war keine Barbara, also sprich meine Erzeugerin da, wenn irgendwas war. Wie soll das dann meine Familie sein, vom Herzen? Was Heimat für mich bedeutet? Der Ort wo man sich wohlfühlt. Und Freunde, Bekannte sind. Wo man sich wohl fühlt wo man eigentlich nicht

weg will, wo man bleiben will. Das ist Heimat für mich. Es ist schwierig, weil die Familie ist nicht hier. Ok, die Freunde sind hier. Einfach wo man sich zuhause fühlt. Das kann sonstwo sein. Es kann in der letzten Pampa sein, aber wenn du dich da zuhause fühlst, dann ist das deine Heimat. Ich hab auch immer zurück gedacht irgendwie, an Chemnitz wo ich aufgewachsen bin 134

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Heimat


aber, da fühlt sich garnichts irgendwie so an. Klar, so nostalgische Gefühle wenn ich da so über die Plätze gehe, wo man sich halt früher aufgehalten hat oder wo meine Schule war und so. Aber ist das jetzt Heimat? Ne garnicht irgendwie. Weil auch die ganze Ecke, wo ich damals aufgewachsen bin ist leer, da Leben keine Menschen mehr. Da ist nichts mit Heimat für mich, meine Heimat ist hier. Ist einfach so. Heimat ist da wo dein Herz ist, ganz einfach.“

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Krankheit

„Du musst es mit Humor nehmen“ „Ich hab zwölf Diagnosen. Die Ärzte geben mir noch fünf Jahre. Sein oder nicht Sein. Das ist hier die Frage. Ich bin grade in so einer Notunterkunft. Von einer Notunterkunft in die Andere, in die Andere, in die Andere. Wie soll ich denn da gesund werden, wenn ich dauernd da, von da, von da.

Das Arbeitsamt stellt mir immer voll die Beine, weil ich den Rentenantrag durch-

kriegen muss. Dann sollen sie mir dabei helfen. Wie soll ich sagen. Jetzt hab ich den Faden verloren. Ist einfach alles saublöd. Ich werde von einem Ding in‘s andere gesteckt. Auf einmal werde ich raus geschmissen aus der Unterkunft. Du musst es mit Humor nehmen. Wenn du vieles nicht mit Humor nimmst, frisst es dich auf.“

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Christian, 21.06.2019

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Dasein

„Frage meines Daseins“ ”Frage meines Daseins. Ruhelos und viel getrieben, werde ich mich jemals kriegen? Meinungen gleich Fragen. Werdet ihr mir jemals sagen, warum mir auf dieser Welt, mein Dasein nicht gefällt? Warum Du und Ihr dieses Dasein raten mir? Da für euch, Beton und Stein, dieses Dasein machen fein. Doch für mich in diesem Raum, zählen Bach, Berg und Baum. Doch die gibt es leider kaum. Also was verflixt nochmal soll das Dasein da.

Als es mir da so dreckig ging, ja. Ähm. Wenn ich nicht über die Klinge spring,

werde ich dir ein Liedchen singen. Mir hat das gefallen, dass dir das so gefallen hat, meine Gedichte. Das sind Fragen die mich ja auch immer beschäftigen. Heimat. Das ist für mich Geborgenheit und bin ich noch so breit. Wie gesagt grad so Stichworte. Wenn ich hab das Leben satt, dann wünsche ich mir meine Heimat. Ne das finde ich klasse mit dir. Ne weißt, du bist hier in der Welt auch nicht frei. Weißt du wenn sie hier jeden Tag kommen die Bullen, ja, also jetzt in letzter Zeit war‘s öfter mal so, dann bist du auch nicht frei. 146

Geschichten

Dasein


Du musst die Schuhe ausziehen, und ich sag dann noch, ich bin hundert Prozent schwerbehindert. Dann zeig ich denen meinen hundert prozent Schwerbehindertenausweis, kann mich kaum halten und dann muss ich hier noch meine Schuhe ausziehen, weißte dann quälen sie einen noch mehr. Und das ist keine Freiheit, ne weiste das ist gequält, ja. Aber naja. Anderthalb Jahre war ich schonmal auf der Straße. Überleg mal. Nacht, Winter, musst du irgendwie ne Schlafmöglichkeit suchen, damit du nicht unter die Räder kommst. Irgendwann bin ich mal in die Tiefgarage runter, die hab ich Gott sei Dank gefunden.

Und da hab ich dann jeden Abend meine Platte gemacht. Mit meinem Schlafsack

und guter Laune. Wenn du bist ein fauler Sack, dann kaufste dir ein Schlafsack. Also wenn ich in meiner untersten Kategorie war, wenn ich gar nicht mehr weiter wusste, ja, dann bin ich zu meinem Sozialarbeiter in irgendeinem Büro und hab gesagt; wenn du dich nicht um mich kümmerst, dann erhänge ich mich morgen in der Tiefgarage am Strick oder so. Dann hab ich gesagt; ich kann nicht mehr, helft mir bitte. Auf der Straße hab ich die Leute angeschnorrt. Zehn Cent für ein Brötchen. Hast du zehn Cent, ich hab nen Kohldampf? Tagtäglich. Du verstehst das zwar nicht aber das ist ja auch egal, du hast ja sowas noch nie mitgemacht. Aber das finde ich auch so klasse bei dir, du willst das so rausfinden, was ist mit Martin, den21.06.2019 Leuten los. Finde ich klasse. Mit Zähne oder ohne? Weil ich habe gar keine Zähne mehr.“

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Freundschaft

„Die Paulinenbrücke ist für mich ein Ort wie Stonehenge.“ „Da war da drüben der Platz, den haben sie zu gemacht. Ganz früher war hier noch die Tanke. Die haben sie abgerissen. Als ich da war, war die Paule, waren da Bunker, da ist jetzt abgesperrt.

Da waren zwei Toiletten, waren total versifft. Da waren die Junkies und haben die

Spritzen runter geschmissen. Dann haben wir mal Sperrmüllmöbel organisiert und haben uns dort richtig gut eingerichtet. Mit Liege und mit Stuhl. Dann ist die Stadt gekommen und hat das wieder abgeräumt. Das war vor fünf oder sieben Jahren. Oder acht. Den Baum gibt es ja immernoch und wenn irgendeiner irgendwie verurteilt wurde oder irgendwas war, dann haben wir die Dinger immer Rückwärts an den Baum rangenagelt. Ich bin 2014 nach Stuttgart gekommen, mit einem Mercedes. 163 Kompressor PS mit Lachgas, der geht wie die Sau, fahre ich jedem Polizeiauto davon. Da hab ich mein ganzes Zeug rein und bin abgehauen von Heidenheim.

Ich war sieben Jahre mit einer Frau, mit einer sehr guten Frau, wahrscheinlich die

Beste bis jetzt die ich hatte, vom menschlichen her. Die hat mein Leben in den Griff bekommen. Die hat für mich gesorgt, das war alles gut und ich bin aber mit den Kindern nicht klar gekom152

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Freundschaft


men. Und dann ist es noch ein halbes Jahr gut gegangen, dann sind wir aber trotzdem auseinander, dann hab ich alles in meinen Mercedes rein, da gings mir noch gut, bin nach Stuttgart rein, hab im Mercedes gepennt und bin einfach hier geblieben. Und dann bin ich hier abgerutscht. Aber richtig. Dann hatte ich zum Schluss kein Geld mehr um den Mercedes zu tanken, dann habe ich ihn da drüben abgestellt und hab nur noch drin gepennt. Dann war irgendwann der Mecedes auch weg und dann haben wir hier unter der Brücke drei Sommer und drei Winter hier gepennt. Weißt du wie froh wir waren als da drüben die Kirche aufgemacht hat? Wo man jeden Morgen einen Kaffee kriegt. Im Winter eine Decke kriegt. Wo man pennen kann. Da ist genug für alle da. Das war immer der Retter, kurz nach Weihnachten. Da treffen sich die ganzen Jungs, da wird gekifft, da wird gehandelt, da wird gemacht. Da sind aber auch genug andere Samstage, Sonntage, wo man Flaschenpfand einsammeln kann, wo man dann wieder überleben kann. Dann gibt‘s genug Organisationen, wo man montags essen kann morgens, mittags, abends, oben in der Stadt. Du kannst ohne Geld in Stuttgart überleben, wenn du weißt wo du hin musst. Das musst du aber erst rausfinden. Das habe ich in drei Jahren Stück für Stück.

Vor sieben, acht Jahren. Hier hat‘s auch Schlägereien gegeben, hier ist auch mal

Einer verreckt, weil er irgendwie eine Überdosis erwischt hat. Wenn ein Material auf den Markt kommt, das einfach hochgradig ist, mit über siebzig Prozent die Jungs, die das dann noch strecken auf vierzig, dann ballern die sich das. Wenn sie das nicht wissen, dann verrecken sie auf der Straße, kannst nicht mehr helfen. Und so sind ein paar Jungs gestorben, bis ich gesagt hab; das Zeug das aus Holland kommt, das wird so lange gestreckt. Das Zeug was du über die Straße kaufst, das darfst nicht nehmen. Die Jungs wo hier sind, die kennen sich alle, jeder weiß der hat das Methadon Problem, der andere hat Lyrica, der nächste hat das, der nächste das. Hier kommt man in Austausch, man leiht sich auch mal nen Zwanziger, wenn man keine Verpflegung mehr hat. Die regeln ihre Sachen hier. Und es ist eine Gemeinschaft hier. Und das ist gut so. Hier kommt auch kein Fremder, weil die lassen den gar nicht rein, also hier ist jeder vorsichtig wenn Irgendeiner kommt und Stunk macht. Der fehlt. Fertig.

Und die wo schon lange dabei sind, da hilft man sich und wenn Einer mal im

Koma liegt, dann guckt man dass ihm nichts passiert und alles ok ist. Weil wir schon immer hier waren. Nur am Feiertag, da geht‘s in die Altstadt. Da treffen sich alle Junkies in der Altstadt an der Leonhardtskirche. Von Montag bis Samstag ist man hier und an Feiertagen und am Sonntag ist man an der Leonhardtskirche. Das musst du wissen. Da trifft man sich, weil hier kann man kein Bier kaufen. Bier kann man am Sonntag Morgen in der Altstadt kaufen. Da kann man um sechs ein Bier kaufen und dann nimmt man das mit auf den Platz und dann trifft man sich da und handelt, das was man braucht.Der Ort ist deswegen so wichtig, weil hier so viele Leute gestorben sind. Der Ort ist so wichtig, weil jeder weiß, von Montag bis Samstag trifft man hier die Leute und jeder denkt, dass es morgen sein kann dass du heute jemand triffst, der morgen stirbt. Das ist die Pauline, dass sich alle kennen, zusammenhalten, dass keiner den anderen 153

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Freundschaft

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übers Ohr zieht. Dass jeder über alle bescheid wissen. Dass jeder weiß wenn‘s einem zehnte. Und wenn du ein schlechter Mensch bist, dann überlebst du hier nicht. Das musst du dir auch merken. Das ist, ich könnte es so vergleichen; die Paulinenbrücke ist für mich ein Ort wie Stonehenge.

Da geht man immer hin und trifft sich zu gewissen Zeiten um Rituale abzu-

halten, um Leute zu treffen, um Informationen auszutauschen. Es gibt auch oft Situationen, in denen man sich zusammenschließt, wenn einer 500 Euro braucht undjeder legt ihm einen Zehner rein. Definier mal Heimat. Heimat ist da wo man sich wohl fühlt. Und die Leute hier die kommen zwar her aber die fühlen sich hier nicht

wohl. Die kommen hier her weil sie sich nach Gesprächen sehnen, nach Freundschaft sehnen, nach Liebe sehnen. Weil sie sich nach Kameradschaft sehnen. Da wo ich geboren bin, das ist nicht meine Heimat. Meine Heimat ist immer da wo ich mich wohl fühle. Ich war fünf Jahre in Frankreich, fünf Jahre in Dänemark, fünf Jahre in Ungarn, und ich war acht Jahre im Knast. Und Heimat ist immer da wo du Freunde hast, wo du dich wohl fühlst, wo du dich auf einen anderen verlassen kannst.

Ich hab in meinem ganzen Leben brutal viele Leute kennengelernt, gute

und schlechte. Ich war auch nicht der Beste. Werde ich auch nie sein, will ich auch gar nicht. Aber eins hab ich gelernt; ich hab nur drei Freunde auf die ich mich wirklich verlassen kann. Das sind zwei Antiquitätenhändler, ein Sozialarbeiter und meine Schwester. Sonst kann ich mich auf niemand verlassen, nicht mal auf meine Frau. Nicht auf meinen Vater. Wenn du im Knast sitzt und keiner kommt, dann bist du verloren.“

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Sigi, 11.07.2019

Freundschaft


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Großstadtabfallprodukt

„Unsere Heimat ist da wo der Stoff ist“ „Ich bin äußerst selten hier. Also es hat sich sehr viel getan, ist sehr angenehm. Ich bin positiv überrascht, dass es hier eine Kaffeeküche gibt. Was gleichermaßen heißt, dass nicht mehr ganz so viel Alkohol konsumiert wird, weil‘s ne Alternative gibt. Kennst du dich mit der Thematik aus? Der Platz hat einen sehr hohen Wert. Weils keinen Platz gibt wo wir uns treffen können. Wir sind ja sowas wie Großstadtabfallprodukt für die Stadt. Ähm, aber weg kriegen sie uns hier nicht. Es sei denn sie bringen uns um, dann sind wir weg.

Aber wenn sie uns nicht umbringen, sind wir da und wir kriegen überall Platzver-

bot. Ich habe jetzt in diesem Jahr bestimmt acht oder neun Platzverweise gekriegt. In der Stuttgarter Innnenstadt, so. Und ich bin weder Dealer noch ne bekannte Persönlichkeit oder so. Einfach, ich bin in eine Razzia reingekommen und ist ja klar, ich bin eingetragener Morphinist und dann musste ich den Platz verlassen. Wenn ich den Platz nicht verlasse, kriege ich ne Anzeige. Und wenn dann zu viele Anzeigen hageln, kommste ins Gefängnis. Wenn dir der Polizist sagt, du sollst nicht da sondern da drüben sitzen, so. Überleg mal der würde das mit dir machen. Die gehen 158

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Großstadtabfallprodukt


dann soweit, dass sie uns unsere Medikamente abnehmen und so und in Polizeigewahrsam sperren, so lange bis wir wirklich entzügig sind. Und irgendwann wird das ein lebensbedrohlicher Zustand. Und dann geht die Tür von der Zelle auf und dann sagt der Polizist; ich entscheide ob und wann du krank bist. Und dann geht die Tür wieder zu. Jaja, krass ne.

Wobei es seit 1968 eigentlich als Krankheit gilt. Sucht ist eine Krankheit. Unsere

Heimat ist da wo der Stoff ist. Ich bin da nicht stolz drauf, dass ich Morphinist bin. Ich bin seit über 30 jahren Morphinist, ja so ist es halt. Ich kann‘s nicht ändern. Ich war Schlagzeuger. Schlagzeug und Percussion in Dresden. Also vielmehr nicht in Dresden. Ich hab an der Felix Mendelssohn Bartholdy Universitätin Leipzig studiert. Das einzige was ich nicht machen darf, war Prüfungen ablegen, da brauchst du nochmal spezielle Kurse. Da brauche ich kein Führungszeugnis wenn irgendwelche bei mir was lernen wollen. Umso druffer ich bin, umso cooler finden sie das. Für ein richtiges Orchester brauchst du schon wieder ein Führungszeugnis. Wann war das. Das war bis 2012. Weil ich drauf war wie Sau.

Ja, also es gab ein Twist mit meiner Frau. Die hat mir mein Kind weg genommen,

das hab ich nicht gepackt. Dann hab ich mich in Opiate geflüchtet. Ich bin zugewandert aus Rumänien und 95, ne 94 bin ich weg. Erstmal nach Leipzig. Dort habe ich Montessori-Pädagogik gelernt, angefangen professionell Musik zu machen, weil mein Vater war Professor für Musik. Jep. Aber wo siehst du mich? Hat das was geholfen? Was bringt dir die ganze Bühne, wenn du mit dir selber nichts anfangen kannst. Ja, du hebst dich vielleicht ein Stück weit ab aber mehr auch nicht. Unterm Strich sind wir alle drauf.

Ich kümmere mich gerade viel um meine Mutter, die ist krank geworden. Die letz-

ten Jahre mit der würde ich ganz gerne haben, so. Mein Vater ist vor kurzem erst gestorben. Mit meiner Mutter mache ich den gleichen Fehler nicht und sage, jajaja, laber du nur. Verbringe die Zeit mit deiner Mutter so viel du kannst, weil das ist nicht mehr so viel. Es ist einfach so. Und irgendwann mal sind sie beide weg und damit musst du dann leben. Auf jeden Fall dachte ich, ich tu soviel wie es geht für sie und andererseits, ich war ja jetzt irgendwie 5 Jahre nicht im Programm. Am 26.11. letzten Jahres war ich das letzte mal im Programm und hab entgiftet.

Nach vier Monaten ging‘s mir aber immernoch nicht besser, dann habe ich wieder

angefangen was zu nehmen. Immer wieder und immer wieder. Und das Ende vom Spiel war dann, dass ich wieder richtig drauf war und ähm weil ich gar nicht so viel bekomme, hat meine Mutter meinen kompletten Methadonkonsum gesponsert. Und das fand ich mal richtig toll. Ich bin ja drauf seitdem ich 14 bin und ich werde dieses Jahr 47. Dann kannst du es dir ausrechnen wie lange ich drauf bin. Schule, sozialer Brennpunkt, Ausländerkinder. Ich musste als Schulbester in Förderunterricht gehen. Da war ich Schulbester. Damals galt es als ausländerfeindlich.

Wie können Ausländer denn klüger sein als Deutsche. Das war 1977 einfach so.

Ist ja egal. Auf jeden Fall haben sie mich dann auf die Hauptschule geschickt, dort wo ich dann hätte nicht hin gehört. Und auf der Hauptschule gab‘s einfach auf dem Schulhof Marihuana, 159

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Großstadtabfallprodukt

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Haschisch, Heroin, Kokain, Amphetamin. Und schwupdiwupp, war der Kleine drauf. Im nachhinein fand ich‘s verblüffend und lustig weil mein Bruder, der war auf dem Gymnasium und der hat damit gar nichts zu tun gehabt. Absolut nichts.“

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Cosma, 11.07.2019

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„Die haben mir mit einem Schlag die ganzen Zähne ausgeschlagen“ Auf mich haben sie schon mit 20 Mann eingeschlagen. Nur weil ich mich ausziehen wollte in der Zelle. Dann wollte ich denen meine Stiefel verkaufen damit sie härter zutreten können. Meine Hose wollt ich denen verkaufen. Wir sind in ihren Augen keine Menschen mehr. Manche gibt‘s schon noch die korrekt sind zu einem. Aber das sind ein Prozent, von hundert. Stück Heimat ist vielleicht übertrieben aber ich würde mal sagen unser Wohnzimmer.

Ich bin hier geboren. Die Stadt wird mich auch nicht los so schnell. Die müssen

mich schon rausschneiden aus dieser Stadt, sag ich mal. Ich bin so gut wie jeden Tag hier. Also ich bin nicht so lange hier. Ich hab aufgehört zu trinken vor drei Jahren und wenn dann das Publikum hier etwas zu voll ist, dann ist er unter Strom. Und wenn mein Rüde unter Strom ist, dann muss ich hier gehen, sonst gibt‘s nur Ärger. Und das möchte ich vermeiden, weil er soll ja nur die Leute packen die uns angreifen Nachts. Deshalb ist er ja da. Der wartet dann schon auf Kommando. Der ist ganz anständig. Man sieht seine Narben nicht, das ist das Gute. Durch das lange Fell. Sonst würde er genauso verheizt aussehen wie seine Mama. Gell Räuber. 164

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Streetfight


Ich war jetzt letztes Jahr mit ihnen zwei Monate in Schweden, da war ich dann mit dem Schlitten unterwegs. Mit 15 Tieren vorne dran. Das war voll sein Ding. Malamut Husky. Um sein Leben hab ich kämpfen müssen, sechs Stunden hab ich um sein Leben gekämpft.

Und dann hab ich‘s endlich hingekriegt, dass er das Fruchtwasser ausspuckt.

Dann hab ich gesagt ok, du bist jetzt meiner. Eigentlich wollte ich keinen behalten aus dem ganzen Wurf. Aber wie‘s der Zufall so wollte. Mein Baby. Cool, da helfe ich dir gerne weiter. Bei der Küche hab ich selber mitgeholfen. Bin doch gelernter Zimmermann. Habe ich auch von der Straße aus gemacht. Mit 1,0. Schwarz schaffen, über Wasser halten. Jetzt bin ich auch seit vier Jahren straffrei. Also ich fahr nicht mehr schwarz, box mich nicht mehr. Ich bin früher in die Tiefgaragen gegangen zum Streetfight machen. So habe ich mein Geld verdient, indem ich Leute auseinander genommen hab. Besser als sich hinsetzen und schnorren. Streetfighter, so wie ich. Da gibt‘s keine Regeln, kein nichts. Da geht‘s in die Tiefgarage, da trifft man sich, boxt man sich. Der Gewinner kriegt Geld und da Verlierer bleibt liegen. Und dann geht man einfach wieder seines Weges. Kann gefährlich werden. Umso später es wird umso gefährlicher wird‘s.

Weil dann kommen die Kaputten raus. Wenn die Kaputten draußen sind, dann ist

Polen offen. Die haben mir mit einem Schlag die ganzen Zähne ausgeschlagen. Komplett. Aber dank diesem wunderschönen Kokain, habe ich davon nichts gespürt. Jetzt hab ich den Salat, jetzt kann ich kaum was essen. Siehst du ja. Alles kaputt. Komplett zerlegt. Ich bin seit ich dreizehn bin obdachlos. Ich hab von der Straße aus mehr gepackt, als von zu Hause aus.

Ich hab meinen Zimmermann, meinen Gesellenbrief mit 1,0 abgeschlossen. Von

Platte aus. War viel unterwegs. Besonders mit ihr. Mit ihr hab ich zwei Jahre schon auf einem Schiff gelebt und dort gearbeitet. Stuttgart. Das ist meine Heimat. Wo ich mein Leben hab, allgemein. Ich gib halt immer das Beste. Mach immer das Beste draus, egal was ist. Ja aufgeben darf man sich nicht, das ist sinnlos. So viele Leute geben sich auf, nur weil sie auf der Platte sind. Wir nennen das Platte machen, das ist bei uns auf der Straße schlafen, ja. Und viele geben sich einfach auf, wenn sie merken, ok ich bin obdachlos jetzt, ich muss auf der Straße schlafen. Und zack, ich weiß ja was bei den meisten dann los ist im Kopf. Aber komischerweise krieg ich mehr geschissen, wenn ich von der Platte aus was mache, wie wenn ich von Zuhause aus was machen würde. Zuhause hab ich auch keins, brauch ich momentan auch nicht und ja.

Die haben uns schon vergiftet, alle drei. Da hab ich‘s grad gepackt meine Hunde

von Plochingen hier in die Hasenbergklinik zu transportieren. 35 Kilometer mit beiden, plus meinen Rucksack auf dem Rücken gehabt. Und dann an der Pforte, bin ich zusammengebrochen. Wurde mir schwarz vor Augen und ich war weg. Bin dann paar Tage später im Krankenhaus wach geworden. Nachdem ich 300 Gramm Rattengift gefressen hatte. Die Hunde und ich. Ein Hundehalter kam vorbei und hat uns Essen gebracht, dann hab ich das geteilt. Ich teile alles mit meinen Hunden, alles. Dann haben wir das gegessen, ja. Und dann Abends ging‘s meinen Hunden richtig elendig. Ja, der hat uns 300 Gramm Rattengift darein gepackt. Ich hab gegessen, meine Hunde 165

Geschichten

Streetfight

2019


haben gegessen. Und dann habe ich es geschafft meine Hunde von Plochingen, meine Hunde mitten in der Nacht, bin ich her gejoggt. Nach Stuttgart. 35 Kilometer mit meinen Hunden auf dem Rücken und meinem Rucksack. Ich hatte ungefähr knappe 140 Kilo auf dem Rücken. Und bin dann noch total vergiftet nach Stuttgart gelatscht. Ein Arschloch war das. Der hatte sogar einen Hund an der Leine, weißt du wie ich meine. Das war sogar ein Hundehalter.

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Geschichten

Cosma, 11.07.2019

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Konflikt

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Integration

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Die vergangenen Jahre zeigten wie vielseitig die unterschiedliche Nutzung des öffentlichen Raums sein kann und wie stark sich diese Veränderungen auf die gesellschaftliche und soziale Substanz einer ganzen Stadtbevölkerung auswirkt. Nach dem Ende des Pachtvertrags der Stadtlücken, stehen einige Fragen zum Platz und den Menschen die sich dort täglich aufhalten offen. Durch das Umgestalten des Platzes und das Aufeinandertreffen unterschiedlichster Menschengruppen wurden einige Konflikte sichtbar. Diese nun zu erkennen und als Chance für mehr Aufmerksamkeit und einer Verbesserung der Integration sozialSchwächeren zu sehen, ist von sehr hoher Notwendigkeit.

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18

Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 85

Ali Haji, Stadtregal Pläne aus der Präsentation der Masterarbeit, Oktober 2019 S. 93

22

21

Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 88

Felix Hausmann, Stadtregal 24 Stunden Fotodokumentation aus der Präsentation der Masterarbeit im Stadtpalais S. 102

180

Ali Haji, Stadtregal Pläne aus der Präsentation der Masterarbeit, Oktober 2019 S. 104

Bildquellen

Ali Haji, Stadtregal Pläne aus der Präsentation der Masterarbeit, Oktober 2019 S. 99

Ali Haji, Stadtregal Pläne aus der Präsentation der Masterarbeit, Oktober 2019 S. 106

04 08 12

03 07 11 Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 85

Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 81

Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 83

16

13 17

Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 84

Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 82

Karl Rothe, Pierrick BéraudSudreau, aus einem Projekt am ÖP des 1. Semesters Architektur an der ABK Stuttgart, 2020 S. 28

Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 86

20

Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 82

14

Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 82

Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 81

15

Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 80

10

09

Stadtlücken e.V Aus „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, Dokumentation der zweiwöchigwn Veranstaltungsreihe“, Oktober 2016 S. 76

Karl Rothe, Pierrick BéraudSudreau, aus einem Projekt am ÖP des 1. Semesters Architektur an der ABK Stuttgart, 2020 S. 26

19

05

06

Marco Vetter Anfangs- und Endbild der Simulation zur Veranschaulichung der steigenden Anzahl der Autos von 1924 bis 1938, S. 15

23

02

01 Marco Vetter Anfangs- und Endbild der Simulation zur Veranschaulichung der steigenden Anzahl der Autos von 1924 bis 1938, S. 14

Felix Hausmann, Stadtregal 24 Stunden Fotodokumentation aus der Präsentation der Masterarbeit im Stadtpalais S. 101


10–16

1 Hansmartin Decker-Hauff,

12–13

44–45

neuen Ästhetik, Edition Suhrkamp,

Band 1: Von der Frühzeit bis zur

3. Auflage 2017, S. 34

Reformation, Stuttgart 1966

4

2

Stadtlücken, Dokumentation der

Gustav Wais, Alt-Stuttgarts Bauten

zweiwöchigen Veranstaltungsreihe,

im Bild, Stuttgart 1951 S. 127

Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, S.6

Vgl. allgemein Martina Heßler/Günter

46–47

Gernot Böhme, Atmosphäre, Essays

Jahrhundert. Wachstums- und

zur neuen Ästhetik, Edition Suhrkamp,

Schrumpfungsprozesse in globaler

3. Auflage 2017, S. 34

Perspektive, Stuttgart 2014.

6

4

Gernot Böhme, Atmosphäre, Essays

Zahlen nach Roland Müller,

zur neuen Ästhetik, Edition Suhrkamp,

Stuttgart in der Zeit des Nationalsozia-

3. Auflage 2017, S. 36, aus Hirschfeld,

lismus, Stuttgart 1988, S. 258.

Theorie der Gartenkunst, 5 Bde., Leipzig 1779-85.

Protokoll der öffentlichen Sitzung der

52–53

Stadtlücken, Dokumentation der

Donnerstag, den 2. Juli 1959, 16 Uhr, im

zweiwöchigen Veranstaltungsreihe,

Rathaus, Großer Sitzungssaal.

Österreichischer Platz und Paulinenbrücke, S.7

Wolfgang Koeppen, Amerikafahrt,

64–65

1

Stuttgart 1959, S. 253.

Stadtlücken, Dokumentation

2

der zweiwöchigen Veranstaltungsreihe,

Hans Bernhard Reichow, Die

Österreichischer Platz und

autogerechte Stadt. Ein Weg aus dem

Paulinenbrücke, S.3

Verkehrschaos, Ravensburg 1959 3 Das Stuttgarter Stadtzentrum im Aufbau. Architektur und Stadtplanung 1945 bis 1960, Tübingen 1991 4 „Planung und Aufbau in Stuttgart. Vortrag von Generalbaudirektor Professor Walther Hoss auf der Jahresversammlung der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung am 2. Oktober 1954 im Gustav-Siegle-Haus in Stuttgart“, in: Amtsblatt der Stadt Stuttgart, Nr. 42, 21.10.1954, S. 1–3, hier S. 2.. 5 „Zentrale für den Aufbau der Stadt Stuttgart. Bebauungsänderungen“, in: Amtsblatt der Stadt Stuttgart, Nr. 1, 7.1.1955, S. 11. 6 „Planung für den Knotenpunkt Lindle. Verteilerring mit Unterführung der Hauptstätter Straße bei der Einmündung der Paulinenstraße“, in: Amtsblatt der Stadt Stuttgart, Nr. 6, 10.2.1955, S. 1. 7 „Zur Diskussion über den Ausbau des Oesterreichischen Platzes“, in: Amtsblatt der Stadt Stuttgart, Nr. 26, 2.7.1959, S. 2. 8 Protokoll der öffentlichen Sitzung der Vollversammlung des Gemeinderats am Donnerstag, den 2. Juli 1959, 16 Uhr, im Rathaus 1 Gernot Böhme, Atmosphäre, Essays zur neuen Ästhetik, Edition Suhrkamp, 3. Auflage 2017, S. 14 2 Gernot Böhme, Atmosphäre, Essays zur neuen Ästhetik, Edition Suhrkamp, 3. Auflage 2017, S. 32

181

1

Vollversammlung des Gemeinderats am

1

42–43

5

Riederer (Hg.), Autostädte im 20.

5

22–23

Gernot Böhme, Atmosphäre, Essays zur

Geschichte der Stadt Stuttgart,

3

20–21

3

Literaturnachweis



Impressum

Ein Projekt des 3./4. Semesters Kommunikationsdesign der Klasse Gerwin Schmidt, an der Akademie der bildenden Künste Stuttgart. Gestaltung und Typografie Romina Vetter

Texte

Romina Vetter

Günter Riederer, Stadtarchiv Stuttgart Der Knoten und der Fluss. Die Geschichte des Österreichischen Platzes in Stuttgart, Schriftliche Fassung eines Vortrags gehalten auf dem Workshop „Stuttgarts Auto-Biografie. Mensch – Mobilität – Stadtraum“, 25. April 2019 Statlücken e.V „Österreichischer Platz und Paulinenbrücke – Dokumentation der zweiwöchigen Veranstaltungsreihe Ali Haji, Stadtregal Präsentation der Masterarbeit

Bilder

Romina Vetter Stadtlücken e.V. Ali Haji und Felix Hausmann, Stadtregal Karl Rothe und Pierrick Béraud-Sudreau Marco Vetter

Illustrationen

Romina Vetter

Danke an Gerwin Schmidt für die Betreuung der Umsetzung und an alle beteiligten die mich während der Recherche unterstützt, für Interviews und Fragen bereit waren und ihren Teil dazu beigetragen haben. Danke vor Allem an Conny und den „Paule-Club“, für euer Vertrauen, die spannenden Geschichten und die Unterstüzung in während meines Projektes.




Dieses Buch beinhaltet die Geschichte des Österreichischen Platzes, der Paulinenbrücke oder in der „Szene“ auch Paule genannt. Kaum ein anderer Ort in Stuttgart birgt so viele Facetten wie der Österreichische Platz. Was als Paradebeispiel der städtebaulichen Entwicklung zählte, entwickelte sich zu einem Un-Ort und „Angstraum“ und wird ein zentraler Treffpunkt der Drogen- und Obdachlosenszene. Kriminalität und Zerfall beherrschen den Platz weitgehend. Dennoch gelingt es dem Verein Stadtlücken durch ihre Interventionen im Jahr 2016, diesem Platz einen neuen Glanz zu verleihen. Was zu dieser Zeit Experimentierfeld für ein neues Miteinander und eine Umgestaltung des öffentlichen Raums startete, führte bis Heute zu einer großen Veränderung einer gesamten Stadtatmosphäre und bringt Diskussionen bis in politische Reihen in Gange. Konflikte wie Integration von Bedürftigen wurden sichtbar. Dieses Buch veranschaulicht den Facettenreichtum des Platzes und wie gut ein Miteinander im öffentlichen Raum funktionieren kann. Sie trägt den Titel Großstadtabfallprodukt – diese Beschreibung stammt aus einem Gespräch mit einem Substituierten am Österreichischen Platz, der damit seine Existenz in der Gesellschaft beschreibt. Ich nutze es in meinem Projekt als Statement zur Aufmerksamkeit gegenüber gesellschaftlicher Randgruppen.


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