Die Wandmalerei in der Allerheiligenkapelle im Esslinger Stadtarchiv

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Die Wandmalerei in der Allerheiligenkapelle im Esslinger Stadtarchiv Die Arbeit Die Arbeit befasst sich mit einer gotischen Wandmalerei in der Allerheiligenkapelle im Stadtarchiv in Esslingen am Neckar. Die damals zweistöckige Allerheiligenkapelle war zu früheren Zeiten die Friedhofskapelle der Stadt. Nach vielen Umbauten des Gebäudes und Umnutzung der Kapelle als Archiv, wird der Raum heute als Archivraum genutzt, weshalb die Malerei für Publikumsverkehr schlecht zugänglich ist. Es handelt sich hierbei um die größte und wichtigste Wandmalerei im Raum Esslingen. Um die Malerei zu verstehen und auf eventuellen Verlust durch Schäden reagieren zu können, entstand der Wunsch, die Malerei in ihrer Beschaffenheit zu untersuchen und den jetzigen Stand zu dokumentieren. Die Untersuchung gliedert sich in zwei Arbeiten: eine Semesterarbeit zur Bestands-, Zustands- und Schadenserfassung sowie Quellenforschung im Sommersemester 2019 und eine Masterarbeit zur Erstellung eines Konservierungs- und Präsentationskonzepts im Sommersemester 2020. Beide Arbeiten wurden in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Esslingen (vertreten durch Dr. Joachim Halbekann) und dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg (vetreten durch Dr. Dipl.-Rest Dörthe Jakobs) durchgeführt, denen an dieses Stelle herzlich für die Ermöglichung gedankt sei. Beschreibung des Objekts Die Wandmalerei in der Allerheilgenkapelle ist vermutlich1444 entstanden, wie eine Datierung in der Malerei verrät. Sie befindet sich auf der kompletten Wandfläche der Südwand von 5 Meter x 8 Meter. In ihrer Darstellung kann die Malerei in drei Abschnitte gegliedert werden: Links befindet sich übereinander der Marientod, die Marien Himmelfahrt mit Registern von Heiligen und Engeln und die Marienkrönung, in der Mitte über einem Umriss des ehemaligen Altars die Kreuzigung Christi mit Maria und Johannes und rechts das Jüngste Gericht mit Christus als Weltenrichter, den Aposteln und darunter die Auferstehung der Toten. Untersuchungen Durch Quellenforschung und genaue Beobachtung konnte der Aufbau der Wandmalerei ermittelt werden: Auf das dicke Sandsteinmauerwerk wurde ein erster flächiger Putz aufgetragen, auf dem sich eine erste Wandmalerei befindet. Was diese darstellt, kann nicht gesagt werden, da sie von der heute sichtbaren Malerei überdeckt ist. Über die erste Malerei wurde eine weitere Putzschicht aufgetragen, auf der sich die heute sichtbare Wandmalerei befindet. An Hand von Querschliffen einiger Proben konnte der Aufbau der Malerei und durch mikrochemische Tests die Materialität weitestgehend bestimmt werden: Auf dem Putz befindet sich zuerst eine dünne weiße Kalktüncheschicht, darauf folgt eine Unterzeichnung mit Rötel zur Anlage der Malerei. An Hand der Querschliffe konnte auch festgestellt werden, dass es sich hierbei um kein Fresko handelt, bei dem die Pigmente in den frischen Putz eingebunden werden, sondern um eine Sekkomalerei, die aufgetragen wird, wenn der Putz schon abgetrocknet ist. Es ist auch die Verwendung von Konstruktionshilfen, wie beispielsweise einem Zirkel zur Anlage der Kreise zu erkennen. Durch die Untermalung konnten die Lokaltöne, die Grundtöne, aufgebracht werden, auf denen die feine Modellierung der Körperteile und Gewänder ausgeführt wurde. Die Heiligenscheine zeigen eine Ölvergoldung mit Blattgold. Eine Untersuchung der verwendeten Pigmente mit Raman-Spektroskopie in situ, Polarisationsmikroskopie an Hand von Mikroproben und ergänzender Multispektralfotografie ergab die üblich mittelalterliche Palette: Bleiweiß, Kohleschwarz, Azurit, Malachit, natürlicher Zinnober, Mennige, gelber Ocker und Bleizinngelb. Durch viele Umbauten am Gebäude, Umgestaltungen im Raum und dem Bilderstrum in der Reformationszeit im 15 Jhd. hat die Malerei Schaden erlitten. Im Jahre 1610 wurde ein Tonnengewölbe in den Raum eingebaut und der


untere Teil der Malerei übertüncht. Als man 1939 das Tonnengewölbe auf Grund von statischen Problemen wieder rückbaute und die Wandmalerei wieder freilegte, wurde viel unbeabsichtigt zerstört und durch viele, in den darauffolgenden Jahren durchgeführte Restaurierungen versucht wiederherzustellen. Das Erscheinungsbild der Wandmalerei ist daher unruhig, undeutlich und zum Teil fragmentarisch. Alterungsspuren an der Malerei zeigen sich unteranderem durch freiliegenden Putz, veränderte Kittungen, Kratzspuren und Bestoßungen, Farbveränderungen der Pigmente in der Malerei und der retuschierten Kittungen und einer Verschmutzung der Oberfläche durch losen Schmutz und Spinnweben. Die Schäden zeigen sich in Form von Rissen, die sich dunkel durch die Darstellungen ziehen, sandender und hohlliegender Putz und Kittungen sowie aufstehende und lose Malschichtschollen. Die einzelnen Phänomene von Bestand, Zustand und Schaden wurden dokumentiert und fotografiert sowie in einen Katalog eingepflegt. Zudem wurden Bildgrundlagen der Wandmalerei erstellt und die Phänomene zur Übersicht der flächigen Verteilung kartiert. Weiteres Vorgehen Auf Grund des unruhigen Erscheinungsbildes und auch des ermittelten Zustands und der Schäden der Wandmalerei wird zur Erhaltung und zur Präsentation der Malerei im Stadtarchiv in Rahmen einer Masterarbeit ein Konservierungskonzept erarbeitet und beprobt sowie ein Konzept für den Umgang mit früheren Ergänzungen und Retuschen erörtert. Dazu soll die Bestandsaufnahme vollständig abgeschlossen werden und alle weiter aufgetretenen Fragestellungen hinsichtlich Materialität und Vorgehensweise der Herstellung der Malerei sowie der Restaurierungen geklärt werden. Anschließend sollen Vorschläge erarbeitet werden, in welchem Maße die Konservierung, sprich die Erhaltung der Malerei durchgeführt werden soll und welche Maßnahmen mit welchen Materialien umsetzbar sind. Hierzu soll eine Probeachse angelegt werden. Für die ästhetische Wirkung der Wandmalerei, bzw. für die Erscheinung der Malerei für einen Betrachter sollen Möglichkeiten erörtert werden, wie die Präsentation gestaltet werden kann. Hier soll nicht die Wiederherstellung der Darstellung im Vordergrund stehen, sondern die Bedeutung der Wandmalerei als zeitliches Dokument angesprochen und deutlich gemacht werden.


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