Der Landesbehindertenbeauftragte

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Der Landesbehindertenbeauftragte

Freie Hansestadt Bremen

Landesbehindertenbeauftragter Am Markt 20 28195 Bremen

Auskunft erteilt Herr Dr. Steinbrück

Bremer Straßenbahn AG Herr Steuer Flughafendamm 12 28199 Bremen

Bremische Bürgerschaft Raum 310 Börsenhof A Tel. (0421) 361-18181 Fax (0421) 361-18184 E-Mail: office@behindertenbeauftragter.bremen.de Datum und Zeichen Ihres Schreibens Mein Zeichen ABP 50/08 Bremen, 7. November

Stellungnahme zu dem geplanten Gleisersatzbau in der Straße Vor dem Steintor (Römerstraße Lüneburger Platz) im Rahmen des Verfahrens zur Anhörung der Träger öffentlicher Belange

Als Landesbehindertenbeauftragter nehme ich zu dem geplanten Gleisersatzbau in der Straße Vor dem Steintor (Römerstraße - Lüneburger Platz) im Rahmen des Verfahrens zu Anhörung der Träger öffentlicher Belange auf der Grundlage der mir mit Schreiben vom 29.08.2008 überlassenen Unterlagen wie folgt Stellung: I. Nach § 8 Abs. 2 des Bremischen Behindertengleichstellungsgesetzes (BremBGG) sind sonstige bauliche oder andere Anlagen des Landes und der Stadtgemeinden, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personennahverkehr nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften barrierefrei zu gestalten. Gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 des Bremischen Landesstraßengesetzes (BremLStrG) haben die Träger der Straßenbaulast nach ihrer Leistungsfähigkeit die Straßen so zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder zu verbessern, dass sie dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügen. Dabei sind die sonstigen öffentlichen Belange einschließlich des Umweltschutzes sowie Behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen mit dem Ziel, möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen, zu berücksichtigen. Nach § 4 Abs. 3 S. 2 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Bremen (BremÖPNVG) ist den Belangen von behinderten Menschen und von Frauen bei der Beschaffung von Fahrzeugen sowie bei der Planung und Ausgestaltung von Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs in geeigneter Weise Rechnung zu tragen. Beim Betrieb und Bau von Straßenbahnen gehören nach § 3 Abs. 5 der Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) zu den baulichen Anforderungen auch Maßnahmen, die Behinderten, älteren oder gebrechlichen Personen und Fahrgästen mit kleinen Kindern die Benutzung der Betriebsanlagen und Fahrzeuge ohne besondere Erschwernis ermöglichen. II. Aus den genannten rechtlichen Bestimmungen ergibt sich, dass bei dem geplanten Gleisersatzbau und den damit verbundenen Änderungen im Bereich des Straßenzuges Vor dem Steintor zwischen der Römerstraße und dem Lüneburger Platz auf eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit hinzuwirken ist. Hierbei ist die „Richtlinie zur barrierefreien Gestaltung baulicher Anlagen des öffentlichen Verkehrsraums, öffentlicher Grünanlagen und öffentlicher Spiel- und Sportstätten" zu berücksichtigen, in der unter anderem die Anforderungen an eine barrierefreie Gestaltung von Straßen, Wegen, Plätzen und Straßenbahnhaltestellen im Einzelnen geregelt werden.

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1. in der Straße Vor dem Steintor zwischen Römerstraße und dem Lüneburger Platz sollen die Gleise der Straßenbahn ersetzt werden. Dabei soll der Gleisersatzbau so gestaltet werden, dass die Schienen auch von den neuen Straßenbahnen mit einer Breite von 2,65 m befahren werden können. Deshalb erfolgt in dem Abschnitt zwischen der Römerstraße und dem Lüneburger Platz eine Ausweitung des Gleisabstandes von gegenwärtig 2,75 m auf 3,05 m. Im Abschnitt zwischen Römerstraße und Brunnenstraße soll dies durch eine Verschiebung des stadteinwärtige Gleises um 30 cm nach Norden und im Abschnitt zwischen der Horner Straße bis zum Lüneburger Platz durch eine symmetrische Verschiebung der Richtungsgleise um jeweils 15 cm in Richtung Fahrbahnrand erreicht werden. Das gegenwärtige Pflaster im Straßenbereich soll durch eine Asphaltdecke ersetzt werden. Begleitend zu dem notwendigen Ersatzbau sollen auch Umbauarbeiten an den Nebenanlagen vorgenommen werden. Die vorhandenen Parkbuchten sollen erhalten bleiben und in den übrigen Straßenabschnitten sollen die Borde bis auf 1,85 m bis an die Gleisachse herangezogen und der Gehwegbereich entsprechend verbreitert werden. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Parkplätze soll unverändert bleiben. Die Haltestelle Brunnenstraße soll weiterhin ein taktiles Blindenleitsystem erhalten. Die abmarkierten Parkflächen auf der nördlichen Straßenseite sollen so umgebaut werden, dass die Fahrzeuge künftig aufgesetzt in markierten Parkflächen abgestellt werden. Die Form und Ausführung ist an die Bauweise im Ostertorsteinweg angelehnt. Wie während der öffentlichen Anhörung des Beirates Östliche Vorstadt am 07.10.2008 deutlich wurde, sollen Radfahrer zukünftig zwischen den Schienen fahren. 2. Aus Sicht des Landesbehindertenbeauftragten ist die mit dem Gleisersatzbau einhergehende geplante Umgestaltung im Bereich zwischen der Römerstraße und dem Lüneburger Platz grundsätzlich zu begrüßen. Durch die geplante stellenweise Gehwegerweiterung in dem in Rede stehenden Straßenzug wird die Situation für Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen grundsätzlich dadurch verbessert, dass die Bewegungs- und Begegnungsflächen vergrößert werden. Auch wird durch die geplante Asphaltdecke die Überquerung der Straße Vor dem Steintor an allen (geeigneten) Stellen für Personen erleichtert, für die das zurzeit vorhandene Großpflaster Probleme schafft, weil sie beispielsweise einen Rollstuhl oder Rollator nutzen. Im Einzelnen sollte bei den geplanten Änderungen jedoch folgendes beachtet werden: a) Neben der vorhandenen Querungsstelle an der Fußgängerampel Brunnenstraße sollte mindestens eine weitere Querungsmöglichkeit mit Bordsteinabsenkung auf ein Niveau von 3 cm vorgesehen werden. Aufgrund der Bedeutung dieses Bereichs sollte diese Furt am Ziegenmarkt/Extra Markt angelegt und im Interesse von Menschen mit Behinderungen zusätzlich abgesichert werden, z.B. durch einen Zebrastreifen. b) In den Bereichen, in denen aufgesetztes Parken vorgesehen ist, soll ein 40 cm breiter Trennstreifen aus Kleinpflaster den Parkstreifen vom Gehweg abtrennen. Hierdurch soll auch blinden und hochgradig sehbehinderten Personen ermöglicht werden, die Grenze zwischen Gehweg und Parkstreifen zu erkennen. Bei der Bauausführung sollte darauf geachtet werden, dass hier entsprechend der „Richtlinie zur barrierefreien Gestaltung baulicher Anlagen des öffentlichen Verkehrsraums“ bruchraues Kleinpflaster verwendet wird, dessen Fugen nicht voll vergossen werden. Eine solche Bauausführung ist erforderlich, damit der Trennstreifen taktil auch tatsächlich erfasst werden kann. c) Im Bereich zwischen Römerstraße und Lüneburger Platz sollte der im Gehweg vorhandene „Kopenhagener Verband" (ein zur Zierde angelegter Kleinpflasterstreifen) beseitigt werden, damit dieser von blinden und hochgradig sehbehinderten Personen nicht mit dem Trennstreifen zwischen Gehweg und Parkstreifen verwechselt werden kann. d) Auf der nördlichen Seite der Straße Vor dem Steintor ist westlich der Horner Straße auf einer Länge von ca.13 m aufgesetztes Parken vorgesehen. Der Parkstreifen soll eine Breite von 2 m erhalten. Der Gehweg soll von Parkstreifen durch einen taktilen Kleinpflasterstreifen mit einer Breite von 40 cm abgetrennt werden. Die verbleibende Restgehwegbreite würde in diesem Am Markt 20 28195 Bremen

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Bereich 1,91 m betragen. Am Kopf und am Ende des Parkstreifens sind jeweils drei Poller vorgesehen. Aus Sicht des Landesbehindertenbeauftragten ist die an dieser Stelle verbleibende Restgehwegbreite zu gering. Deshalb sollte bei der weiteren Planung geprüft werden, ob die vorgesehenen Parkplätze nicht an einer anderen Stelle untergebracht werden können, z. B. im Bereich zwischen der Mecklenburger Straße und der Straße Im Ring oder auf der gegenüberliegenden nördlichen Seite der Straße Vor dem Steintor. e) Im Bereich des Straßenzuges Vor dem Steintor zwischen Römerstraße und Lüneburger Platz sollten insgesamt mindestens zwei Behindertenparkplätze vorgesehen werden. Hierbei sollte wie schon am Ostertorsteinweg - bei der baulichen Ausführung darauf geachtet werden, dass sofern die Behindertenparkplätze im „Aufgesetzten Parken" liegen sollten - das Bord im Bereich dieser Parkplätze auf nahezu Null abgesenkt wird, um Personen mit Rollstuhl auch auf der Fahrbahnseite des Fahrzeuges ein ein- und aussteigen ohne besondere Erschwernis zu ermöglichen. f) Bei der Ausgestaltung des taktilen Bodenleitsystems für blinde und hochgradig sehbehinderte Personen im Bereich der Haltestelle sollte der Auffangstreifen über die gesamte Gehwegbreite einschließlich des Haltestellenbereichs bis hin zum Aufmerksamkeitsfeld an Tür eins voll ausgestaltet werden und nicht - wie vorgesehen - zwischen Auffangstreifen und Aufmerksamkeitsfeld auf Höhe der Tür eins nur ein Rillenstreifen eingebaut werden. Letzteres hätte nämlich zur Folge, dass der Auffangstreifen und damit der vordere Einstiegsbereich der Haltestelle überlaufen werden könnte, wenn eine blinde und hochgradig sehbehinderte Person den Auffangstreifen „nicht erwischt", weil sie sich zu sehr in Richtung auf die Fahrbahn hin orientiert. g) Als zusätzliche Maßnahme sollte im Bereich der beiden Haltestellen am Sielwall jeweils ein Auffangstreifen nach der „Richtlinie zur barrierefreien Gestaltung baulicher Anlagen des öffentlichen Verkehrsraums“ eingebaut werden. Ein tatsächlich gut erkennbarer Auffangstreifen wird nach Kenntnis des Landesbehindertenbeauftragten bereits seit Jahren vom Verkehrsausschuss des Blinden- und Sehbehindertenvereins Bremen gefordert und ist bisher dort nicht vorhanden. Wenn auch an der Haltestelle Sielwall Auffangstreifen eingebaut würden, hätten - mit Ausnahme der Haltestelle „Theater am Goetheplatz" alle Haltestellen vom Brill an bis hin zur Brunnenstraße einen auch für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen gut auffindbaren taktil gekennzeichneten Einstiegsbereich. 3.Diskussion alternativer Gestaltungskonzepte Zu den in der Öffentlichkeit zurzeit diskutierten Gestaltungskonzepten für den Bereich zwischen der Römerstraße und dem Lüneburger Platz ist aus Sicht des Landesbehindertenbeauftragten folgendes anzumerken: Soweit in der öffentlichen Diskussion gefordert wird, indem in Rede stehenden Straßenzug das gegenwärtig bereits vorhandene Großpflaster beizubehalten, wäre dies aus Sicht des Landesbehindertenbeauftragten allenfalls dann akzeptabel, wenn es an keiner Stelle zu einer Verringerung von Gehwegbreiten käme. Außerdem müsste an mindestens zwei Stellen des Straßenzuges für Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen, insbesondere auch Rollstuhl- und Rollatorennutzer und -nutzerinnen, ein erschütterungsfreies überqueren bei auf 3 cm abgesenkten Bordsteinen ermöglicht werden. Dem vorgelegten Konzept, das eine Erweiterung der Bewegungsflächen im Gehwegbereich vorsieht, ist allerdings aus dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit eindeutig der Vorzug zu geben. Aus Sicht des Landesbehindertenbeauftragten ist auch nicht erkennbar, wie das zurzeit diskutierte Konzept der „Begegnungsstraße" an der vorgenannten Bewertung etwas zu ändern vermag.

Dr. Hans-J. Steinbrück - Der Landesbehindertenbeauftragte Am Markt 20 28195 Bremen

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