SteuerExpress E-Paper KW 15/2012

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Das wรถchentliche Steuer-Update

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KW

2012

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Das wöchentliche Steuer-Update

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Inhalt KW152012 Beiträge

Steuerrecht – Einkommensteuer Depotübertragungen auf ein Depot desselben Steuerpflichtigen – Erlass zur „KESt-neu“ (Teil 2) (StExp 2012/102) .......... 2 Unentgeltliche Übertragungen auf ein Depot eines anderen Steuerpflichtigen – Erlass zur „KESt-neu“ (Teil 3) (StExp 2012/104) ................................................................................................................................................................................ 3 Steuerrecht – Abgabenverfahren/Finanzstrafrecht Neuer BMF-Erlass zu Berufungszinsen (StExp 2012/101)

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Steuerrecht – Gebühren und Verkehrsteuern Gebührenpflicht auch für unstrittige Ansprüche bei einem Generalvergleich (StExp 2012/105) ..........................................

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Steuerrecht – Lohnabgaben/Sozialversicherung/Arbeitsrecht Kein Pendlerpauschale bei Nebenwohnsitz am Arbeitsplatz (StExp 2012/99) ...................................................................... Ist ein garantiertes Trinkgeld steuerfrei? (StExp 2012/100) .................................................................................................. Familienbeihilfe nur bei rechtmäßigem Aufenthalt in Österreich (StExp 2012/103) .............................................................

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Entscheidungen kompakt

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KW Steuerrecht – Einkommensteuer

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Depotübertragungen auf ein Depot desselben Steuerpflichtigen – Erlass zur „KESt-neu“ (Teil 2) StExp 2012/102. Im zweiten Teil der Serie zum „KESt-neu“-Erlass wird die Übertragung auf ein Depot desselben Steuerpflichtigen besprochen. Doris Bauer/Sandra Ehart

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ine Depotentnahme bzw -übertragung von sog „Neubestand“ ist gem § 27 Abs 6 Z 1 lit a EStG grundsätzlich wie eine Veräußerung als steuerpflichtiger Vorgang zu sehen. Abhängig davon, welche Art von Wirtschaftsgütern sich in dem Depot befinden, wird eine Entnahme entweder Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen iSd § 27 Abs 3 EStG oder Einkünften aus Derivaten iSd § 27 Abs 4 EStG gleichgestellt. Bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen entfällt die Realisationsfiktion, sodass eine Besteuerung unterbleiben kann. Es werden folgende Grundfälle unterschieden: • die Übertragung auf ein anderes Depot desselben StPfl; • die unentgeltliche Übertragung auf ein Depot eines anderen StPfl (wird in Teil 3 dargestellt).

Übertragung auf ein Depot desselben StPfl

• Fall 1: Übertragungen auf ein anderes Depot bei derselben depotführenden Stelle: Hier kommt es nicht zur Änderung der depotführenden Stelle. Der Ausnahmetatbestand erfasst neben inländischen Sachverhalten, bei denen sich an der Verfügbarkeit der für den KEStAbzug relevanten Daten nichts ändert, auch ausländische Sachverhalte, sofern die ausländische depotführende Stelle die relevanten Anschaffungskosten weiterführt. Ist dies durch die ausländische depotführende Stelle nicht möglich, hat der Depotinhaber eine Meldung an das FA vorzunehmen (siehe Fall 4) – um eine Steuerpflicht der Depotübertragung zu vermeiden. • Fall 2: Übertragung auf ein Depot einer (anderen) inländischen depotführenden Stelle: Unter diesen Tatbestand fallen sowohl Übertragungen von einer inländischen Stelle auf eine andere inländische Stelle, als auch die Übertragung von einer ausländischen auf eine inländische Stelle. Der Depotwechsel wird nur dann als nicht steuerbarer Vorgang behandelt, wenn der Depotinhaber das übertragende Kreditinstitut beauftragt, der übernehmenden Stelle die Anschaffungskosten der Depotbestände mitzuteilen. Da mit der Beauftragung der inländischen Bank die Entbindung vom Bankgeheimnis einhergeht, hat diese schriftlich zu erfolgen. Die erforderlichen Daten müssen der übernehmenden Stelle tatsächlich und inhaltlich richtig mitgeteilt werden, anderenfalls ist die Depotübertragung steuerpflichtig. Die übernehmende Stelle darf die Übernahme der Daten nur ablehnen wenn begründete Zweifel an der

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Richtigkeit bestehen. Ist dies der Fall, hat das Kreditinstitut – sofern der Depotinhaber die Anschaffungskosten nicht nachweist – diese gem § 93 Abs 4 EStG pauschal anzusetzen. Die Ausnahmebestimmung der Nichtbesteuerung des Depotwechsels kommt dennoch zur Anwendung. • Fall 3: Übertragung auf ein Depot einer ausländischen depotführenden Stelle: Von diesem Tatbestand werden jene Fälle erfasst, in denen der StPfl Wertpapiere von einem inländischen Depot auf ein ausländisches überträgt. Dieser Vorgang unterliegt nicht der Steuerpflicht, sofern der Depotinhaber die übertragende inländische Bank beauftragt, bestimmte Daten innerhalb eines Monats elektronisch an das für sie zuständige Betriebsstättenfinanzamt zu übermitteln. Erteilt der Investor keine Zustimmung zur Übermittlung der Daten, oder erfolgt die Mitteilung verspätet, unvollständig oder inhaltlich unrichtig, so hat die inländische Bank bei Depotübertragung KESt einzubehalten. Die Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten: – den vollständigen Namen des StPfl (bzw Firmenwortlaut oder Bezeichnung), – seine Steuer- oder seine Sozialversicherungsnummer (wenn vorhanden), – seine Adresse und sein Geburtsdatum (soweit bekannt), – die eindeutig identifizierbare Bezeichnung der übertragenen Wirtschaftsgüter (inklusive ISIN, Anzahl und/oder Nominale), – die Anschaffungskosten der übertragenen Wirtschaftsgüter und – die übernehmende depotführende Stelle. • Fall 4: Übertragung auf ein Depot bei einer anderen ausländischen depotführenden Stelle: Unter diesen Tatbestand fallen Depotübertragungen von einer ausländischen depotführenden Stelle auf eine andere ausländische depotführende Stelle. Erfasst sind dabei sowohl Übertragungen innerhalb desselben Staats als auch Übertragungen auf ein Depot in einem anderen Staat. Der Vorgang ist nur dann nicht steuerpflichtig, wenn der Depotinhaber selbst die Übertragung innerhalb eines Monats an sein Wohnsitzfinanzamt meldet. Der Umfang der zu übermittelnden Daten entspricht grundsätzlich jenen bei Übertragungen ins Ausland (Fall 3). Erfolgt die Übermittlung nicht, verspätet, unvollständig oder inhaltlich unrichtig, so kommt die Ausnahmebestimmung nicht zur Anwendung und der StPfl hat die Übertragung in seiner Veranlagung zu erklären.

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• Arbeitshilfe Übersicht zur Übertragung auf ein anderes Depot desselben Steuerpflichtigen

• BMF 7.3.2012, BMF-010203/0107-VI/6/2012

• § 27 EStG; § 93 Abs 4 EStG

• Depotübertragung


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KW Steuerrecht – Einkommensteuer

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Unentgeltliche Übertragungen auf ein Depot eines anderen Steuerpflichtigen – Erlass zur „KESt-neu“ (Teil 3) StExp 2012/104. Im dritten Teil wird die unentgeltliche Übertragung auf ein Depot eines anderen Steuerpflichtigen besprochen.

Doris Bauer/Sandra Ehart

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ei Verfügbarkeit der entsprechenden Daten für eine zukünftige Besteuerung sind auch unentgeltliche Übertragungen auf ein Depot eines anderen Steuerpflichtigen steuerfrei zu behandeln (siehe schon Teil 2). Die Bestimmungen sind für sog „Neubestand“ anwendbar.

Unentgeltliche Übertragung im Inland bzw ins Ausland Unter diesen Tatbestand fallen alle unentgeltlichen Übertragungen von einem inländischen Depot. Erfasst sind daher sowohl Übertragungen von einem inländischen Depot auf ein anderes inländisches Depot als auch Übertragungen von einem inländischen auf ein ausländisches Depot eines anderen Steuerpflichtigen. Damit die Ausnahmebestimmung zum Tragen kommt, muss entweder der übertragenden Stelle die Unentgeltlichkeit des Vorgangs nachgewiesen werden (Notariatsakt, Schenkungsvertrag, Einantwortungsbeschluss oÄ) oder der Depotinhaber beauftragt die übertragende Stelle eine entsprechende Meldung an ihr Betriebsstättenfinanzamt zu machen. Die Meldung hat innerhalb eines Monats in elektronischer Form zu erfolgen. Die Meldung hat folgende Daten zu enthalten: • den vollständigen Namen des Steuerpflichtigen (bzw Firmenwortlaut oder Bezeichnung), • seine Steuer- oder seine Sozialversicherungsnummer (wenn vorhanden), • seine Adresse, • die eindeutig identifizierbare Bezeichnung der übertragenen Wirtschaftsgüter (inklusive ISIN, Anzahl und/oder Nominale), • die Anschaffungskosten der übertragenen Wirtschaftsgüter, • die übernehmende depotführende Stelle und • den eindeutig identifizierbaren Steuerpflichtigen, auf den übertragen wird. Bei einer Übertragung von Todes wegen ist eine Beauftragung durch die Erben zulässig. Erfolgt die Übermittlung nicht, verspätet, unvollständig oder inhaltlich unrichtig, so kommt die Ausnahmebestimmung nicht zur Anwendung und der Steuerpflichtige hat die Übertragung in seiner Veranlagung zu erklären. Weiters ist zu prüfen, ob durch die Übertragung das Besteuerungsrecht der Republik Österreich eingeschränkt wird (Wegzugsbesteuerung). Dies wäre zum Beispiel dann gegeben, wenn eine Übertragung auf ein Depot eines nicht in Österreich unbeschränkt Steuerpflichtigen erfolgt. Dieser Tatbestand hat Vorrang gegenüber der

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Depotentnahme. In der Praxis wird von den österreichischen Banken wohl aus Haftungsgründen bei der Übertragung auf ein ausländisches Depot einer vom bisherigen Depotinhaber unterschiedlichen Person von einem Wegzug und somit von einem Realisierungsvorgang (inkl KEStAbzug) ausgegangen werden.

Unentgeltliche Übertragung im Ausland bzw ins Inland Unter diesen Tatbestand fallen alle unentgeltlichen Übertragungen von einem ausländischen Depot. Erfasst sind daher sowohl Übertragungen von einem ausländischen Depot auf ein anderes ausländisches Depot, als auch Übertragungen von einem ausländischen auf ein inländisches Depot. Damit der Ausnahmetatbestand zur Anwendung gelangt, hat der Depotinhaber den Übertragungsvorgang innerhalb eines Monats an sein Wohnsitzfinanzamt zu melden. Der Umfang der zu übermittelnden Daten entspricht grundsätzlich jenem, der im vorherigen Punkt erwähnt wurde. Bei einer Übertragung von Todes wegen ist eine Meldung durch die Erben zulässig. Erfolgt die Übermittlung nicht, verspätet, unvollständig oder inhaltlich unrichtig, so kommt die Ausnahmebestimmung nicht zur Anwendung und der Steuerpflichtige hat die Übertragung in seiner Veranlagung zu erklären.

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• Arbeitshilfe Übersicht zur unentgeltlichen Übertragung auf ein Depot eines anderen Steuerpflichtigen

• BMF 7.3.2012, BMF-010203/0107-VI/6/2012

• § 27 EStG • Depotübertragung


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KW Steuerrecht – Abgabenverfahren/Finanzstrafrecht

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Neuer BMF-Erlass zu Berufungszinsen StExp 2012/101. Im März 2012 veröffentlichte das BMF einen Erlass zu den neuen Berufungszinsen gem § 205a BAO. Der Erlass erläutert insbesondere die Antragsvoraussetzungen und Einzelheiten zur Berechnung der Berufungszinsen.

Robert Rzeszut

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it dem Abgabenänderungsgesetz 2011 (AbgÄG 2011) wurde der neue § 205a BAO betreffend Berufungszinsen eingeführt. Diese stellen das Gegenstück zu Aussetzungszinsen dar und sollen die bisherige Schieflage im Zusammenhang mit dem einseitigen Zinsrisiko bei Berufungen ausgleichen, da dieses im Rahmen der Aussetzungszinsen bislang alleine vom StPfl getragen wurde. Wurde der Berufung hingegen stattgegeben und der streitgegenständliche Abgabenbetrag wieder rückgezahlt, erhielt der StPfl keine Zinsen. Dies hat sich mit Einführung der Berufungszinsen für bereits entrichtete berufungsgegenständliche Abgabenschulden nunmehr geändert. Der neue § 205a BAO trat mit 1. 1. 2012 in Kraft. Nunmehr hat das BMF einen erläuternden Erlass zu der Bestimmung veröffentlicht.

Anwendungsvoraussetzungen Eine Festsetzung von Berufungszinsen setzt voraus, dass Abgabenschulden entrichtet wurden, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt und diese Abgabenschulden in Folge der Berufung herabgesetzt wurden; weiters muss ein Antrag des Abgabepflichtigen vorliegen. Die Berufungszinsen sind daher nur insoweit festzusetzen, als ein Bescheid in Punkten angefochten wird, die vom zugrundeliegenden Anbringen (zB Abgabenerklärung) abweichen oder wenn amtswegig ein Bescheid erlassen wird, dem kein Anbringen zugrunde liegt (zB Haftungsbescheid).

§ 307 BAO oder Berichtigungen nach § 293 BAO, § 293b BAO oder § 293c BAO.

Antragstellung Berufungszinsen sind nur auf Antrag festzusetzen. Anträge sind schriftlich zu stellen und unterliegen der Entscheidungspflicht. Eine Befristung für die Antragstellung ist nicht vorgesehen; diese ergibt sich lediglich aus der Verjährung des Anspruchs auf Berufungszinsen (fünf Jahre ab Ablauf des Jahres, in dem der herabsetzende Bescheid zugestellt wurde). Im Antrag ist insbesondere der Tag der Entrichtung der Abgaben und der Tag der Bekanntgabe (Zustellung) des die Abgabe herabsetzenden Bescheids anzugeben. Weiters sind die gegenständliche Berufung und der herabsetzende Bescheid zu bezeichnen, sowie die Bemessungsgrundlage der Zinsen anzugeben. Bei fehlerhaften Anträgen ist ein Mängelbehebungsauftrag zu erteilen.

Zuständigkeit Für die Festsetzung von Berufungszinsen ist immer die Abgabenbehörde erster Instanz zuständig. Dies gilt auch dann, wenn die Berufungserledigung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz erfolgte.

Inkrafttreten Berufungszinsen werden erstmals für ab 1. 1. 2012 erfolgte Abgabenherabsetzungen gewährt; die Verzinsung erfolgt zudem nur für Zeiträume ab 1. 1. 2012.

Herabsetzung in Folge einer Berufungserledigung Berufungszinsen sind auch für herabgesetzte Abgabenschulden in abgeleiteten Bescheiden festzusetzen, wenn sich die Berufung gegen den Grundlagenbescheid gerichtet hat (zB: Berufungszinsen für im Einkommensteuerbescheid herabgesetzte Beträge, die sich aus geänderten Gewinntangenten in Folge der Berufung gegen den Feststellungsbescheid ergaben). Die Voraussetzung einer „Herabsetzung in Folge einer Berufung“ bezieht sich nicht nur auf die Berufungserledigung selbst, sondern auch auf Bescheide, die im Ergebnis dem Berufungsbegehren Rechnung tragen. Solche Bescheide wären ua Änderungen nach § 295 BAO bzw § 295a BAO, neue Sachbescheide in Folge einer Aufhebung nach § 299 BAO oder einer Wiederaufnahme nach

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• Arbeitshilfe Berechnungsbeispiele zu Berufungszinsen

• BMF 21.3.2012, BMF-010103/0071-VI/2012

• § 205a BAO; § 323 Abs 29 BAO

• Abgabenschuld; Berufungserledigung; Berufungszinsen; Herabsetzung


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KW Steuerrecht – Gebühren und Verkehrsteuern

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Gebührenpflicht auch für unstrittige Ansprüche bei einem Generalvergleich StExp 2012/105. Ein Vergleichsvertrag ist als einheitliches Ganzes zu sehen. Folglich zählen auch unstrittige Ansprüche zur gebührenrechtlichen Bemessungsgrundlage, zumal einzelne Punkte nicht herausgenommen werden können. Jürgen Reinold Sachverhalt In der gegenständlichen UFS-WienEntscheidung war die Bemessungsgrundlage für die Gebührenpflicht eines außergerichtlichen Vergleichs gem § 33 TP 20 Abs 1 lit b Gebührengesetz zweifelhaft. Das FA hatte sowohl strittige als auch unstrittige Forderungen der Parteien in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen. Nach Ansicht der Bw wären hingegen nur strittige Forderungen der Gebühr zu unterwerfen, weshalb die Festsetzung der Gebühr für den nie in Zweifel stehenden Anspruch zu Unrecht erfolgt sei.

Entscheidung des UFS Wien Der UFS Wien entschied, dass für das Vorliegen eines Vergleichs jede Partei zu einer Leistung positiver oder negativer

Art verpflichtet ist. Die Höchstgerichtsjudikatur und hL erachtet dabei den Umstand des beiderseitigen Nachgebens für wesentlich. Einschränkend sei erwähnt, dass dieses Nachgeben nicht in jedem einzelnen Punkt der als Vergleich zu qualifizierenden Einigung erfolgen muss; es genügt das Nachgeben auch in nur einem von mehreren Punkten. Ferner ist ein Vergleichsvertrag (iSv § 1380 ABGB) rechtlich als einheitliches Ganzes anzusehen. Mit Verweis auf VwGH 19. 6. 1989, 88/15/0167 hält der UFS Wien fest, dass das Herausnehmen einzelner Punkte aus einem Vergleich, wie es der Bw anstrebt, unzulässig ist, weil gerade das für einen Vergleich wesentliche Nachgeben beider Teile, jeweils für sich allein betrachtet, in einem Anerkenntnis oder einem Verzicht bestehen kann, welche Rechtsinstitute für sich gesehen der Gebührenpflicht nach

§ 33 TP 20 GebG nicht unterliegen, und eine solche Betrachtungsweise der zitierten Gesetzesstelle in solchen Fällen ihren Anwendungsbereich nehmen würde. Die unstrittige Forderung war folglich – auch aufgrund eines fehlenden Vorbehalts, dass bestimmte Ansprüche nicht mitverglichen werden sollen – in die gebührenrechtliche Bemessungsgrundlage miteinzubeziehen.

• UFS Wien 8.2.2012, RV/2802-W/08 • § 33 TP 20 Abs 1 lit b Gebührengesetz • außergerichtlicher Vergleich; strittige Forderung; unstrittige Forderung

Steuerrecht – Lohnabgaben/Sozialversicherung/Arbeitsrecht

Kein Pendlerpauschale bei Nebenwohnsitz am Arbeitsplatz StExp 2012/99. Der UFS Wien verneinte das Pendlerpauschale bei Vorliegen eines Nebenwohnsitzes, welcher mit dem Arbeitsplatz ident ist. Bernhard Geiger

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rundsätzlich sind die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten. Darüber hinaus steht ein Pendlerpauschale nur dann zu, wenn entweder der Arbeitsweg eine Entfernung von mindestens 20 km umfasst, oder die Benutzung eines Massenbeförderungsmittels zumindest auf dem halben Arbeitsweg nicht zumutbar ist und der Arbeitsweg mindestens 2 km beträgt. Damit ein Pendlerpauschale im Rahmen der Werbungskosten berücksichtigt werden kann, müssen die entsprechenden Verhältnisse im Lohnzahlungszeitraum überwiegend gegeben sein (ein Überwiegen liegt nach Ansicht der Finanzverwaltung dann vor, wenn die Strecke Wohnung – Arbeitsstätte

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– Wohnung an mehr als zehn Tagen im Kalendermonat zurückgelegt wird). Gegenständlich beantragte ein Arbeitnehmer das Pendlerpauschale, da sein Familienwohnsitz rund 420 km von der Arbeitsstätte entfernt liegt. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens stellte sich heraus, dass der Arbeitnehmer an der Adresse seiner Arbeitsstätte einen Nebenwohnsitz unterhält. Es wurde angenommen, dass auf Grund der großen Entfernung zum Familienwohnsitz durchschnittlich nur eine Heimfahrt pro Woche erfolgt ist. Der Arbeitnehmer konnte nicht glaubhaft machen, dass er im Lohnzahlungszeitraum tatsächlich überwiegend von seinem Familienwohnsitz zu seiner Arbeitsstätte gefahren ist. Vielmehr ergab sich aus seinen Angaben, dass er die Fahrten zu seiner Arbeitsstätte fast ausschließlich von seinem Nebenwohnsitz, welcher

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ident mit der Arbeitsstätte ist, angetreten hat. Aus der vorliegenden Entscheidung des UFS Wien kann daher gefolgert werden, dass bei einem Nebenwohnsitz am Arbeitsplatz das Pendlerpauschale idR zu verneinen sein wird, es sei denn, es kann schlüssig dargelegt werden, dass der Arbeitsweg tatsächlich überwiegend vom Familienwohnsitz aus angetreten wird.

• UFS Wien 17.2.2012, RV/3639-W/10 • § 16 EStG; § 20 EStG

• Nebenwohnsitz am Arbeitsplatz; Pendlerpauschale


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KW Steuerrecht – Lohnabgaben/Sozialversicherung/Arbeitsrecht

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Ist ein garantiertes Trinkgeld steuerfrei? StExp 2012/100. Der VwGH hatte kürzlich zu entscheiden, ob ein dienstvertraglich garantiertes Trinkgeld auf Grund der Norm des § 3 Abs 1 Z 16a EStG als steuerfrei anzusehen ist.

Bernhard Geiger

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emäß § 3 Abs 1 Z 16a EStG sind ortsübliche Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritter Seite (zB von einem Gast) freiwillig gegeben werden, steuerfrei. Gegenständlich wurde mit Spielleitern von Kartenspielen dienstvertraglich vereinbart, dass diese für 30 Wochenstunden ein monatliches Fixum iHv € 310,– zwölfmal jährlich erhielten. Zusätzlich wurde vom Arbeitgeber garantiert, dass das Trinkgeld zumindest € 500,– pro Monat betragen wird. Die erhaltenen Trinkgelder mussten aufgezeichnet und bis zum 10. des Folgemonats dem Dienstgeber mitgeteilt werden. In einer Zusatzvereinbarung wurde festgehalten, dass die Garantie des Trinkgelds iHv € 500,– zusteht, wenn der Dienstnehmer wegen

Urlaub oder Krankheit diesen Betrag während seiner Dienstzeit in einem Monat nicht erreicht. Diesfalls würde dieses Geld jedoch als Ausfallsentgelt bezeichnet werden und könne nicht mehr als steuerfrei behandelt werden. Nach der Rechtsansicht des VwGH liegt die Wurzel des Trinkgelds im Verhältnis Arbeitnehmer – Kunde, und nicht im Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer. Den Trinkgeldern liegt sohin ein freigiebiges Verhalten des Kunden zugrunde. Die Höhe des Trinkgelds ist daher typischerweise vom persönlichen Einsatz des Dienstnehmers gegenüber dem Kunden abhängig. Daraus folgt, dass auf Trinkgelder naturgemäß kein Rechtsanspruch bestehen kann. Werden vom Arbeitgeber daher bestimmte Trinkgeldbeträge garantiert, so mangelt es am freigiebigen Verhalten der

Kunden und an einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem persönlichen Einsatz des Dienstnehmers gegenüber dem Kunden. Auf Grund des garantierten Trinkgelds und der Informationsverpflichtung des Dienstnehmers über die laufend erhaltenen Beträge, wurden diese Beträge vom VwGH als nicht „außerhalb“ des Dienstverhältnisses bezogen qualifiziert. Die Steuerbefreiung des § 3 Abs 1 Z 16a EStG wurde daher zu Unrecht angewendet.

• VwGH 26.1.2012, 2009/15/0173 • § 3 Abs 1 Z 16a EStG • Trinkgeld

Steuerrecht – Lohnabgaben/Sozialversicherung/Arbeitsrecht

Familienbeihilfe nur bei rechtmäßigem Aufenthalt in Österreich StExp 2012/103. Fremde haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich rechtmäßig in Österreich aufhalten. Ein rechtmäßiger Aufenthalt kann auch dann vorliegen, wenn der für die Erteilung eines Aufenthaltstitels notwendige Reisepass bereits abgelaufen ist. Andreas Gerhartl

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em gegenständlichen lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Bw, eine türkische Staatsbürgerin, hält sich seit zumindest 1987 in Österreich auf. Die Gültigkeit ihres Reisepasses endete am 8. 11. 2006 und eine Verlängerung erfolgte erst am 5. 7. 2007. Nach neuerlichem Ablauf der Gültigkeit mit 7. 11. 2009 erfolgte die Verlängerung erst am 16. 4. 2010. Strittig war, ob sie zur Rückzahlung der Familienbeihilfe für 1. 12. 2006 bis 30. 6. 2007 und 1. 12. 2009 bis 31. 3. 2010 verpflichtet war.

Entscheidung des UFS Der UFS gab der Berufung gegen den Rückforderungsbescheid des FA aus folgenden Gründen Folge: Gem § 3 Abs 1 FLAG haben Personen, die nicht österrei-

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chische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 NAG und § 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten. Der Bw wurde im Jahr 1993 eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung erteilt, die gem § 11 Abs 2 NAG und § 11 Abs 3 NAGDurchführungverordnung (BGBl II 2005/451) als Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG“ nach dem NAG weitergilt. Gemäß § 20 Abs 4 NAG erlischt der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG“ aber erst, wenn sich der Fremde länger als zwölf aufeinander folgende Monate außerhalb des EWR aufhält. Dies war bei der Bw aber nicht der Fall. Auch wenn für die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung im Jahr 1993 die Vorlage des Reisepasses Voraussetzung war, hängt die Weitergeltung dieses Titels daher nicht von der Gültigkeitsdauer des Reisepasses ab.

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Da die verspätete Verlängerung des Reisepasses das Vorliegen eines gültigen Aufenthaltstitels nicht berührte, hielt sich die Bw auch seit Inkrafttreten des NAG durchgehend rechtmäßig in Österreich auf. Die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe iSd § 3 Abs 1 FLAG waren daher erfüllt.

• UFS Innsbruck 17.1.2012, RV/0549-I/10 • § 3 FLAG; § 20 NAG

• Aufenthaltsbewilligung; Familienbeihilfe; Reisepass


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