AW Deutsche - Juni 2016

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D i e i n t e r n a t i o n a l e Z e i t s c h r i f t f ü r S i e b e n t e n - Ta g s - A d v e n t i s t e n

Ju n i 2 01 6

14 Gerechtigkeit für alle 16 An vorderster Front 26 Ein Zufluchtsort

Ich war ein

Fremder … a d v e n t i s t i s c h e

k i r c h e

Weltflüchtlingstag

Sabbat, 18. Juni

siehe seite 10


Juni 2016

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T I T E LT H E M A

I M

Ich war ein Fremder

Das Schwerpunktthema dieser Ausgabe ist die Heraus­ forderung, im Namen Christi den Millionen von Menschen zu dienen, die vor Gewalt und Unterdrückung in ihren Heimatländern fliehen müssen.

10 Weltflüchtlingstag – Warum?

Von Benjamin D. Schoun

So lange es Flüchtlinge gibt, haben Christen eine Verantwortung.

16 An vorderster Front

B L I C K P U N K T

Vollkommene Barmherzigkeit

Von Ted N. C. Wilson

Der barmherzige Christus ist mehr als ein Ideal. Er ist ein Vorbild.

12 Der Korb

A N D A C H T

Von Melak Alemayehu

Wir dürfen unseren eigenen Status als Flüchtlinge nicht vergessen.

14 Gerechtigkeit für alle

G L A U B E N S Ü B E R Z E U G U N G E N

Von Maja Ahac

Wahre Geschichten über das Bemühen, zu helfen.

20 Ich war ein Flüchtling

Von Blia Xiong, nacherzählt von Terri Saelee

Jesus liebt uns, noch bevor wir ihn kennen.

24 Flüchtlingskinder

Von Stefan Höschele

Gott ist ein Gott der Gerechtigkeit: Es ist gut, wenn wir uns angesichts der Ungerechtigkeit dieser Welt immer wieder daran erinnern.

22 Trauma und Verlust G E L E B T E R

G L A U B E

Von L. Ann Hamel

Die Nöte von Flüchtlingskindern sind immens.

Von Julian Melgosa

Unsere Verpflichtung denen gegenüber, die fast alles verloren haben.

RESSORTS 3 K I R C H E

I N

A K T I O N

F R 26

A G E N ­B I B E L

Z U R

3 Aus aller Welt 6 Blick in die Welt

11 G E S U N D H E I T Die Flüchtlingsmisere

27 B I B E L S T U D I U Gib niemals auf

E L 21

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L E N W H I T E E N T D E C K E N

Ein Zufluchtsort

L E S E R F O R U M

Schwierigkeiten in der Gemeinde www.adventistworld.org In 12 Sprachen online

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Adventist World | Juni 2016

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Deine Unterstützung wird dringend gebraucht. Am besten hilft man mit Geldspenden, weil sie Hilfsteams die Möglichkeit geben, schnell auf sich ändernde Umstände zu reagieren. Die Möglichkeit zu spenden, gibt es auf

ADRA.org/refugees Deutschland: http://adra.de/spendenformular; Österreich: adra.at, Schweiz: adra.ch. Die Broschüre Gemeinsam für Flüchtlinge der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland kann man sich unter http://bit.ly/1VtPK1V kostenlos herunterladen.

t i t e l f O T O :

B e n e d i c t E

Do r n o n v i l l e


Zuflucht in stürmischen Zeiten Sein ganzer Körper bebte vor Schluchzen, als ich meinen Arm um seine Schultern legte. Er hatte versucht, sich zu beherrschen, als er mir seine fast unglaubliche Geschichte von Bedrohung, Gewalt, Flucht und Asylsuche erzählte. Doch das Gebet ließ die letzten Dämme brechen, denn nichts ist verborgen „vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben“. (Hbr 4,13 EB) Nach dem Gebet umarmte Halim1 mich mit einem Griff, der wortlos bat: „Bitte, lass mich nicht los.“ Nach Monaten der Einsamkeit, der Angst und des Wartens war er in eine kleine, lebendige Adventgemeinde gelangt – interessanterweise durch die Freundlichkeit eines Pfingstlers – und die Freude, die er bei seinen adventistischen Glaubensgeschwistern fand, machte sich auf seinem verweinten Gesicht bemerkbar. „Ich bin so glücklich bei ihnen“, flüsterte er. Als die Gewalt des Mobs und die Vergeltungsmorde junge Christen in seiner entfernten Nachbarschaft ins Visier nahmen, floh er mit einigen Angehörigen und beschloss schließlich, in Europa Asyl zu suchen. Wenn er die Möglichkeit hätte, würde er seine Frau und seine sechs Monate alte Tochter nachkommen lassen. Zehn Monate und viele Formalitäten später wartet er auf die Großzügigkeit einer Regierung, die von der unerwarteten Menge an Flüchtlingen überfordert ist. Hoffnung findet er im Kreis der Adventgläubigen, die ihn aufgenommen haben und ihn lieben. Halims noch unvollendete Flüchtlingsgeschichte rückte hunderte von Zeitungsartikel und Bilder für mich in ein neues Licht. Wir sehen, wie Menschen in großen Mengen in Boote steigen, an Landesgrenzen zurückgewiesen werden, in endlosen Schlangen warten. Wir zählen Tausende und Abertausende. Doch jeder einzelne hat seine einzigartige Geschichte von Verlust, Gefahr, Hoffnung und Nichtstun. Wenig überraschend ist, dass auch unsere adventistischen Glaubensgeschwister unter denen sind, die von dem wirtschaftlichen und politischen Chaos fortgerissen wurden, das gegenwärtig ganze Regionen der Welt in ihrem Griff hat. Auch sie wurden gegen ihren Willen in eine Zukunft voller Fragezeichen gestoßen. Ihre Geschichten vermischen sich mit Millionen Geschichten von Menschen, die etwas anderes oder auch gar nichts glauben – sie alle sind „Fremde“, die zu lieben und denen zu dienen wir gerufen sind. Wenn du diese besondere Ausgabe von Adventist World liest, lass den Heiligen Geist dein Herz berühren, mehr zu tun als nur zu lesen. „Lasst uns jede Gelegenheit nutzen, allen Menschen Gutes zu tun, besonders aber unseren Brüdern und Schwestern im Glauben.“ (Gal 6,10 NLB)

A U S A L L E R W E LT Von Andrew McChesney

Saw Samuel

Neu gewählter Präsident der Südasien-Pazifik-Division

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er neu gewählte Präsident der Südasien-Pazifik-Division, Saw Samuel, erklärte zu Beginn seiner Amtszeit, er werde nach neuen Wegen suchen, um die vielen Buddhisten und Muslime in seiner Region zu erreichen. Dazu erbitte er Weisheit von Gott, um jeden Tag als ein kostbares Geschenk zu schätzen und weise damit umzugehen. Saw wurde am 22. März 2016 einstimmig vom Verwaltungsausschuss der Generalkonferenz, dem höchsten Verwaltungsgremium der Kirche der Saw Samuel mit Frau Orathai Siebenten-Tags-Adventisten gewählt. Er folgt dem im Januar an einer selteChureson und Kindern nen Rückenmarkserkrankung verstor­Amanda (12) und Sorawin (10). benen Leonardo R. Asoy. S S D Saw, der zuvor als Sekretär der Südasien-Pazifik-Division diente, erklärte, dass es ihm ein besonderes Anliegen sei, das Evangelium den unerreichten Völkern in seiner Division zu bringen. Zur Südasien-Pazifik-Division gehören 14 Länder mit insgesamt einer Milliarde Einwohnern, von denen nur 1,3 Millionen Siebenten-Tags-Adventisten sind. „Mein Hauptanliegen ist es, unsere jungen Leute sowie alle anderen Gemeindeglieder einzubeziehen und zur Mitarbeit zu bewegen, um die unerreichten Chinesen, Buddhisten, Hindus, Muslime und säkularen Stadtbewohner zu erreichen“, so Saw. „Auch die Gemeindeglieder, die nicht mehr in die Gemeinde kommen, liegen mir sehr am Herzen.“ Saws Aussagen deuten seine Absicht an, den Kurs von Asoy weiter zu verfolgen, der bei der Vollversammlung der Generalkonferenz in San Antonio im Juli 2015 zum Präsidenten gewählt worden war, und anlässlich seiner Wahl erklärt hatte, dass ihm besonders viel daran lag, Möglichkeiten zu finden, Buddhisten und Muslime zu erreichen. Asoy war als Nachfolger für den kranken Alberto C. Gulfan Jr. gewählt worden, der zwölf Jahre als Divisionspräsident gewirkt hatte und am 26. September 2015 im Alter von 64 Jahren an einer Krebserkrankung verstorben war. Asoy selbst litt am Myelodysplastischen Syndrom, einer seltenen Krankheit, bei der das Knochenmark nicht mehr in der Lage ist, vollständig funktionsfähige Blutzellen zu bilden und erlag dieser Erkrankung nach Komplikationen am 12. Januar 2016 im Alter von 56 Jahren. Saw ist der erste aus Birma stammende adventistische Divisionspräsident. Seine Vision für die Südasien-Pazifik-Division ist nach eigenen Worten, die Ressourcen an jungen Leuten, Fachkräften, Gemeindegliedern, Medien und Tech-

1 Der Name wurde geändert.

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nik, die Gott der Gemeinde gegeben hat, zu nutzen, um das Evangelium zu verbreiten. Sein Lieblingsabschnitt in der Bibel ist das Gebet des Mose in Psalm 90, und hier besonders der Vers 12, wo es heißt: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ „Das Leben ist kurz und kostbar“, sagte er. „Wir brauchen Weisheit von Gott, um unsere Zeit und Gesundheit, unsere Kraft und die Ressourcen, die Gott uns gegeben hat, gut zu nutzen.“ Seit Januar 2016 versah Saw die Aufgaben des Divisionspräsidenten geschäftsführend; bereits seit 2010 war er Sekretär der Division gewesen. Zuvor hatte er zwei Jahre als Predigtamtssekretär des Südost­ asien-Missionsverbands in Singapur gewirkt. Seine vorherige Berufslaufbahn als Pastor und Administrator verbrachte er in Thailand. Im März schloss er sein postgraduelles Studium am Adventist International Institute of Advanced Studies auf den Philippinen mit dem Doctor of Ministry (Praktische Theologie) ab. Seine Frau, Orathai Chureson, ist die Leiterin der Abteilungen Kinder sowie Ehe und Familie. Sie haben zwei Kinder: Amanda (12) und Sorawin (10). „Er ist ein sehr geistlicher, ehrfürchtiger, demütiger und missionsorientierter dienender Leiter, den Gott über alle Maßen gebrauchen wird, wenn alle Mitglieder im Divisionsteam und alle Gemeindeglieder in dieser großen Division ihren Blick auf Christus als Leiter der Gemeinde gerichtet halten“, sagte der Präsident der Weltkirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten, Ted N. C. Wilson. Er ermutigte Saw, stark im Herrn zu sein und demütig in dem Werk voranzugehen, das ihm aufgetragen wurde. „Er wird es brauchen, sich jeden Tag auf Christus zu stützen und die Verheißung in Jakobus 1,5 in Anspruch zu nehmen, so wie ich es auch tue“, sagte Wilson weiter. „Nur durch Gottes Weisheit können wir demütig und effektiv arbeiten.“n

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f o t os : TED

A U S A L L E R W E LT

Links: Flüchtlinge lernen in Schweden Ski zu fahren. Rechts: Bei einer adven­ tistischen Veranstaltung backen Flüchtlingskinder Stockbrot am Lagerfeuer.

Flüchtlinge erhalten

Von Göran Hansen

kostenlosen Skiunterricht Schwedische Adventisten heißen 100 Flüchtlinge mit offenen Armen willkommen

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ls die Gemeindeglieder der kleinen Adventgemeinde im schwe­ dischen Nyhyttan erfuhren, dass eine Gruppe von Flüchtlingen in ihrer Stadt aufgenommen werden sollte, beschlossen sie, sie mit offenen Armen und kostenlosem Skiunterricht willkommen zu heißen. Die Gemeindeglieder taten sich mit anderen Organisationen zusammen und suchten nach Möglichkeiten, ihren neuen Nachbarn zu helfen, sich an das Leben in Schweden zu gewöhnen. Sie beschlossen, Schwedischunterricht, Kurse in schwedischer Kultur und Waldspaziergänge anzubieten sowie kostenlos Kleidung über einen Laden zu verteilen, der Spenden von der Bevölkerung erhielt. Die Pläne wurden im vergangenen September in die Praxis umgesetzt, als etwa hundert Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Irak und Eritrea in ein Flüchtlingsheim zogen, das vom Staat betrieben wurde. Das Gebäude war früher im Besitz unserer Kirche und diente als Gesund­ heits­­zentrum. Doch das Leben in Schweden erwies sich als ganz anders als es die Flüchtlinge aus ihren Heimatländern gewohnt waren – besonders als es Winter wurde. Daraufhin liehen die Einwohner den Flüchtlingen Skiausrüstungen, Schlittschuhe und Winterkleidung und gaben ihnen kostenlosen Unterricht.

„Es war etwas kalt und ungewohnt für sie, mit den Skiern und Schlittschuhen, aber es hat ihnen auch einen Menge Spaß gemacht“, sagte Lars Gille, ein pensionierter adventistischer Pastor und einer der städtischen Koordinatoren für die Flüchtlinge. Als der Schnee schmolz, tauschten die Flüchtlinge die Skier gegen Fahrräder und Fußbälle. Die Räder wurden ihnen über einen kostenlosen Verleih zur Verfügung gestellt, und Fußball wurde zu einem beliebten Sport. Die adventistische Pfadfindergruppe von Nyhyttan wird nun durch 25 Flüchtlingskinder verstärkt; die Gemeinde hat eine Vorschule für kleinere Kinder gegründet. Zunächst waren die Flüchtlinge miss­ trauisch, als die Gemeinde begann, Veranstaltungen auf dem Gemeindegelände abzuhalten, doch das änderte sich im Laufe der Zeit. Etwa 40 Flüchtlinge kamen zu einem Weihnachtskonzert in die Gemeinde, andere besuchen ein Café, das von der Gemeinde betrieben wird, um sich mit anderen zu treffen und zu reden. Regelmäßig werden die Flüchtlinge von den Gemeindegliedern zu sich nach Hause eingeladen, damit sie den schwedischen Lebensstil aus erster Hand erleben können. Einige Flüchtlinge haben Gille gefragt, welchen Beruf er hat. Wenn sie hören, dass er Pastor ist, sind sie überrascht, doch aus der Überraschung ist auch Respekt erwachsen. n


Von Victor Hulbert

Adventisten helfen Flüchtlingen,

die nach England wollen Eine Gruppe von Ehrenamtlichen fährt jede Woche acht Stunden in ein Flüchtlingslager in Dünkirchen

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asha Becejac, einem von vier Leitern in der Newbold-Adventgemeinde im Süden Englands macht es nicht viel aus, um vier Uhr morgens aufzustehen und sich auf eine lange Autofahrt inklusive Kanalüberquerung per Fähre zu machen. Jeden Sonntag lädt er Helfer, Essen und Kleidung in sein Auto und fährt in ein Flüchtlingslager nach Dünkirchen in Frankreich – hin und zurück eine Fahrt von acht Stunden. Gemeinsam mit Adventisten aus der kleinen Adventgemeinde in Dünkirchen, bringen sie einigen der Tausenden von Flüchtlingen, die – oft illegal – versuchen, über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu gelangen, um dort Asyl zu beantragen, ein Mittagessen, liebevolle Zuwendung und ein offenes Ohr. Während die adventistischen Helfer Essen kochen und frisches Obst verteilen, ist es ihr Hauptziel, emotionale erste Hilfe f o t os : TED

Links: Omar (45) aus dem Irak sucht nach einem besseren Leben. Rechts: Mohammed (15) ebenfalls aus dem Irak, vor seinem Zelt.

zu leisten, „indem wir ihnen einfach sagen, dass sie nicht allein sind, dass es in England, dem Land, in das sie verzweifelt gelangen wollen, eine ganze Kirchengemeinde gibt, die für sie betet“, so Becejac. Wie reagieren die Flüchtlinge darauf? „Die meisten sind Muslime, einige sind Christen“, erklärt Bedejac. „Aber wenn man monatelang in einem von Ratten verseuchten Morast lebt, ist es einem ziemlich gleichgültig, zu welcher Religion die Leute gehören, die für dich beten, solange sie tatsächlich da sind, vor dir stehen und dir sagen, dass du ihnen nicht egal bist und dass sie beten.“ Einige Leute stellen die Frage, warum Adventisten sich in einem Flüchtlingslager einsetzen, in dem viele leben, die sich offen dem Gesetz widersetzen und versuchen, illegal nach Großbritannien einzureisen, anstatt in dem Land um Asyl nachzusuchen, in dem sie zum ersten Mal euro­ päischen Boden betreten. Manche wenden ein, dass die Hilfe lediglich Schlepperei und andere illegale Machenschaften unterstütze. Besejac nimmt diese Sicht ernst. „Viele Ehrenamtliche sind nicht überzeugt, wenn sie kommen, einige sind auch dann noch nicht überzeugt, wenn sie wieder gehen. Sie finden, die Flüchtlinge sollten sich besser organisieren, das Lager sauberer halten“, sagt er. „Ich richte nicht über die Meinung anderer. Alles, was ich weiß, ist Folgendes: Je länger ich bei diesen Leuten bin, die inmitten von Schmutz und Elend leben und trotzdem noch ansehnlicher aussehen, als ich es meist tue … umso mehr erkenne ich, dass sie genau so sind wie wir. Sie sehnen sich einfach nach einem besseren Leben und nach einer Zukunft.“

Oben: Tim Den Hertog (rechts) hilft beim Austeilen von Obst im Flüchtlingslager von Dünkirchen. Unten: Adventistische Ehren­ amtliche bahnen sich einen Weg durch den Schlamm, um Flüchtlinge im Lager von Dünkirchen zu besuchen. f o t os : TED

Der 15-jährige Mohammed steht im Schlamm vor seinem Zelt. Er erzählt, dass seine Eltern im Nordirak von Kämpfern des IS getötet wurden. Trotz der trostlosen Umgebung, in der er hier lebt, spricht er davon, dass er eine Hoffnung für die Zukunft hat und dass die Hilfe der adventistischen Freiwilligen eine Rettungsleine für ihn ist. Omar, ein anderer Bewohner des Flüchtlingslagers, lebt seit vier Monaten in Dünkirchen. Er ist 45 Jahre alt, sieht jedoch älter aus. In der Nähe seiner Heimatstadt Mala Abdullah im Irak ist eine Bombe explodiert, erzählt er. Und, dass er nach etwas Besserem sucht. Becejac erklärt, dass es diese Sehnsucht von Omar und anderen Flüchtlingen ist, die ihn und die anderen Leiter aus Newbold – Tim Den Hertog, Jeff Muckle und einen Pastor von Newbold, Vili Costescu – motiviert, die wöchentlichen Fahrten in das Lager weiterhin zu organisieren. „Das ist der Grund, weshalb ich mich gedrungen fühle, diesen Menschen zu helfen“, erklärt er. „Weil sie einfach Menschen wie wir sind, die versuchen, eine bessere Zukunft zu finden.“ n

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B L I C K I N D I E W E LT

Ein Flüchtling und

Von Ruben Grieco

seine adventistische Freundin Ein Mann aus Eritrea erzählt, warum er nach Deutschland geflohen ist, und eine Deutsche erklärt, warum sie ihm hilft.

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er sind die Flüchtlinge in Deutschland und wer sind die Adventisten, die ihnen helfen? Ich habe Antworten auf diese beiden Fragen in einem Gespräch mit Ermias, einem Flüchtling aus Eritrea, der Ende 20 ist, und Sylvia Kontusch, einer Adventistin, die ehrenamtlich die adventistische Flüchtlingshilfe im Süddeutschen Verband koordiniert, gefunden. Wir unterhielten uns auf dem Flüchtlingstreff in unserer Adventgemeinde, wohin die Flüchtlinge eingeladen werden, damit sie ihre Deutschkenntnisse verbessern können.

Das Interview mit Ermias

Ermias, wie kam es dazu, dass du beschlossen hast, alles zurückzulassen und aus Eritrea zu fliehen? In Eritrea wurde ich zum Militär eingezogen. Ich hätte lieber als Mechaniker gearbeitet, aber ich hatte keine andere Wahl, da mein Vater im Jahr 2000 im Krieg gestorben ist und ich mich um meine Mutter und meine vier Schwestern kümmern musste. Ein Ereignis hat mein Leben total verändert. Während eines Waffentransports explodierte ein Lastwagen. Vier meiner Kameraden waren sofort tot, ein anderer verlor einen Fuß. Ich selbst war ein ganzes Jahr im Krankenhaus. Auch heute noch habe ich Metallsplitter im Bein und eine lange Narbe am Kopf. Auf einem Ohr bin ich fast taub. Für meine Hochzeit wurde ich einige Tage vom Militärdienst beurlaubt. Als ich

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den Urlaub auf fünf Tage ausdehnte, um ein wenig Geld für meine Mutter zu verdienen, wurde ich bei meiner Rückkehr zur Armee in ein Gefängnis gesteckt. Das Gefängnis bestand aus fünf Containern ohne Fenster, ohne Wasser und ohne Toiletten. In jedem der Container waren 38 Menschen eingesperrt. Im ersten Monat hatte ich Handschellen an. Dreimal wurde ich von den Soldaten nach draußen geholt, zu Boden geprügelt, mit kaltem Wasser übergossen und völlig durchnässt wieder in den Container zurückgebracht. Während meiner achtmonatigen Gefangenschaft bekam ich morgens zwei Scheiben Brot und einen Becher Tee. Abends teilten wir uns zu zehnt ein sehr einfaches Abendessen. Auf die Toilette durften wir nur einmal am Tag, morgens um 6.30 Uhr. Mir wurde klar, dass ich wahrscheinlich entweder im Gefängnis oder bei einem Fluchtversuch sterben würde. Deshalb entschloss ich mich zur Flucht, weil ich nicht aufgeben wollte. Ich wollte wieder ins Leben zurückkehren. Wie sah deine Flucht aus? Die Gefängniscontainer waren von Soldaten umstellt. Eines Morgens hatte ich mit einem Freund besprochen, dass wir gleichzeitig in verschiedene Richtungen weglaufen wollten. Ich habe mir die Soldaten genau angeschaut und bin in die Richtung von dem Soldaten gelaufen, der hoffentlich am schlechtesten zielen konnte. Die Solda-

ten zielten auf unsere Beine, aber sie trafen uns nicht. Ich kam zu Freunden, die mir eine Hose, eine Jacke und das Geld für die Busfahrt zur äthiopischen Grenze gaben. Von dort aus bin ich drei Tage lang zu Fuß in die Hauptstadt Addis Abeba gegangen. In der Zwischenzeit wurde meine Mutter festgenommen und kam für zwei Monate ins Gefängnis. In der äthiopischen Hauptstadt griff mich das Militär auf und brachte mich in ein Flüchtlingslager. Nach sechs Monaten im Flüchtlingslager kehrte ich wieder in die Hauptstadt zurück und suchte mir eine Arbeit, um Geld für die Reise in den Sudan zu verdienen. Wie bist du nach Deutschland gekommen? Im Sudan hörte ich von einem Freund, der in Deutschland war. Er erzählte mir, dass er in Frieden und Sicherheit lebte und eine gute Zukunft hätte. Da wurde mir klar, dass meine Hoffnung in Deutschland lag. Ich arbeitete sieben Monate lang als Kraftfahrer, um das Geld für die Reise zu sparen. Für eine siebentägige Fahrt durch die Sahara in einem Lastwagen mit 148 Kindern, Frauen und Männern aus dem Sudan habe ich 1600 US-Dollar bezahlt. In Libyen wurde der Lastwagen vom Militär aufgehalten. Sie nahmen uns alles weg, was wir noch hatten: unser restliches Geld, Handys und alle Papiere und Identitätsnachweise. Ich war fünf Monate lang mit 400 anderen Eritreern im Gefängnis. Einige von ihnen mussten Bomben und Waffen auf Fahrzeuge laden. Ein Freund


von mir trug eine Bombe auf dem Rücken, als sie explodierte. In einer Nacht gelang mir die Flucht, und ich ging zu Fuß bis zur Küste, um von dort mit einem Boot nach Italien zu kommen. Zwei Tage lang war ich mit 329 Menschen auf einem kleinen Boot unterwegs, bis wir von der italienischen Küstenwache nach Italien gebracht wurden. Drei Tage später konnte ich mit dem Zug nach München fahren. Von dort aus wurde ich nach Meßstetten zur Erstaufnahmestelle gebracht und dann zur Sammelunterkunft, in der ich jetzt wohne. Wie bist du zu den Flüchtlingstreffen in der Gemeinde gekommen? Freunde im Heim haben mir erzählt, dass in der Gemeinde Konversationskurse abgehalten werden. Dort habe ich Sylvia kennengelernt. Ohne Sylvia hätte ich den Deutschkurs nie geschafft. Ohne ihre Hilfe wäre ich wieder nach Italien zurückgeschickt worden, und das hätte ich nicht überstanden. Sylvia hat mich zu einem Arzt gebracht, der mir helfen konnte. Jetzt komme ich jede Woche zu den Treffen in der Gemeinde. Ich warte auf die Entscheidung, ob ich in Deutschland bleiben darf. Was wünschst du dir für die Zukunft? Ich habe immer wieder Angst davor, zurückgeschickt zu werden und die ganzen schlimmen Erfahrungen, vor denen ich geflohen bin, wieder durchleben zu müssen. Ich hoffe, dass ich bleiben kann und bald Arbeit finde. Und ich wünsche mir, dass meine Frau nachkommen kann und ich meine vierjährige Tochter kennenlernen darf, die ich noch nie gesehen habe. Als sie geboren wurde, war ich im Gefängnis. Wofür bis du dankbar? Während meiner Flucht habe ich nachts immer zu Gott gebetet. Ich danke Gott, dass er mich auf meiner Odyssee nach Deutschland beschützt und mich bis hierher begleitet hat.

Das Interview mit Sylvia Kontusch

nommen, da begleite ich Flüchtlinge oft zu Ärzten oder Behörden.

Wie kamst du dazu, dich für Flüchtlinge zu engagieren? Ich hatte immer den Aufruf in Jeremia 29,7 im Hinterkopf: „Sucht den Frieden der Stadt, in die ich euch gefangen weggeführt habe, und betet für sie zum HERRN! Denn in ihrem Frieden werdet ihr Frieden haben.“ (EB) Dazu kamen Fernsehberichte über die Flüchtlinge, die mich sehr bewegt haben. So bin ich auf die Stadtverwaltung zugegangen und habe dort mit der Integrationsbeauftragten gesprochen. Dieses Engagement passt zu meinem Glauben. Da muss ich mich nicht irgendwie verbiegen. Das bin ich. E U D

Sylvia Kontusch koordiniert ­ehrenamtlich die Füchtlingsarbeit im Süddeutschen Verband. Wie sieht deine Arbeit mit den Flüchtlingen aus? Meine ehrenamtliche Arbeit ist so etwas wie eine Teilzeitbeschäftigung geworden. Montags- und Dienstagsmorgens gehe ich mit einem Sozialarbeiter in ein Flüchtlingsheim. Mittwochsnachmittags helfe ich bei dem Konversationstreff, bei dem in kleinen Gruppen Gespräche in Alltags­ situationen geübt werden oder bei der Übersetzung von Briefen oder Anträgen unterstützt wird. Manchmal kochen wir zusammen oder wir verteilen Kleidung. Ich habe selber auch Patenschaften über-

Was denkst du über deine Arbeit? Für mich ist es sehr bereichernd, wenn ich ein dankbares, fröhliches Lächeln im Gesicht eines Flüchtlings sehe. Und ich freue mich über Erfolgsmomente wie ein gutes Arztgespräch oder wenn eine Anhörung gut gelaufen ist oder ich bei der Bewerbung für eine Arbeitsstelle helfen konnte. Ich bin froh, wenn ich merke, dass ich etwas für Flüchtlinge bewegen konnte. Was sind besondere Herausforderungen für dich? Meine Familie und meine „richtige“ Arbeitsstelle mit meinem Engagement für Flüchtlinge unter einen Hut zu bringen (lacht)! Welchen Rat würdest du Leuten geben, die sich ebenfalls gerufen fühlen, in der Flüchtlingshilfe mitzuhelfen? Ich bin überzeugt davon, dass es nicht funktioniert, wenn man versucht, allein aktiv zu werden. Wichtig ist, den Bedarf einer Stadt zu ermitteln und sich dann im Rahmen bestehender Netzwerke und Strukturen einzubringen. Aufgrund unserer Kirchenstruktur mit eigenen Räumen und freiwilligen Helfern haben wir als Adventisten einen großen Vorteil. Und unsere soziale Einstellung ist die richtige für diese Arbeit. Das ist ganz wertvoll. Momentan sind es vor allem junge Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen. Mein Rat ist: Nehmt sie einfach in eure Gruppe mit auf und lasst sie an eurem sozialen Leben teilhaben.1 n 1 Mittlerweile gibt es in Deutschland etwa 80 Flüchtlings­ projekte mit adventistischer Beteiligung, weitere sind in Planung. Über das in den Interviews genannte Projekt der Adventgemeinde Böblingen erschien bereits ein Artikel in Adventisten heute, Ausgabe Dezember 2015, S. 18f. In Österreich beteiligen sich etwa zehn Adventgemeinden an Flüchtlingsprojekten, in der deutschsprachigen Schweiz sind es fünf. Auch in diesen Ländern sind weitere Aktivitäten der Kirche für Geflüchtete in Vorbereitung.

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B L I C K P U N K T

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Vollkommene

ines der großartigsten Themen in der Bibel ist die Barmherzigkeit. Immer wieder begegnet sie uns auf den Seiten der Bibel, besonders wenn das Wesen Gottes beschrieben wird. „Du aber, Herr, Gott, bist barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue.“ (Ps 86,15) „Ja, der HERR wird seinem Volk Recht schaffen, über seine Knechte wird er sich erbarmen.“ (Ps 135, 14 EB) „Gnädig und barmherzig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.“ (Ps 145,8) Einer der schönsten Verse ist wohl Micha 7,18–19: „Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die übrig geblieben sind von seinem Erbteil; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er ist barmherzig! Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.“ Ein Geschenk für alle

Es ist interessant, dass eines der ersten Male, bei denen das Wort verwendet wird, im Zusammenhang mit einer heidnischen Frau geschieht. In 2. Mose 2,5–6 heißt es: „Da kam die Tochter des Pharao herab, um im Nil zu baden, und ihre Jungfrauen gingen an das Ufer des Nils; und als sie das Kästchen mitten im Schilf sah, sandte sie ihre Magd hin und ließ es holen. Und als sie es öffnete, sah sie das Kind. Und siehe, es war ein weinendes Knäblein! Da erbarmte sie sich über es und sprach: Es ist eines der hebräischen Kinder!“ (SLT) Barmherzigkeit ist nicht nur ein Teil des Wesens Gottes, sie ist auch ein Geschenk, dass er jedem Menschen gibt: die Not anderer mitfühlend wahrzunehmen und den Wunsch zu haben, sie zu lindern. Weil Barmherzigkeit so sehr das Wesen Gottes ausmacht, hat Satan sich die ganze Geschichte hindurch bemüht, diese Eigenschaft in Gottes Kindern zu verwischen und zu zerstören. Kriege, Hungersnöte, Gewalt und die Desensibilisierung der Gesellschaft durch verschiedene Medien; Machtkämpfe,

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Von Ted N. C. Wilson

barmherzigkeit Wie Jesus sein

Stolz, Egozentrik, Weltflucht, Habgier, Nihilismus und vieles mehr – all das zielt darauf ab, unsere Gedanken von der Not anderer weg und auf uns zu lenken. Die Barmherzigkeit soll völlig aus unseren Herzen ausradiert werden. Jesus bietet das Heilmittel

Jesus bietet das Heilmittel für eine Welt, der es an Mitgefühl mangelt. Durch sein Leben und seine Lehren zeigte er, was es heißt, sich zu erbarmen. In Markus 1 sehen wir einen Aussätzigen zu Jesus kommen. Er „bat ihn, fiel vor ihm auf die Knie und sprach zu ihm: Wenn du willst, kannst du mich reinigen! Da erbarmte sich Jesus über ihn, streckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach zu ihm: Ich will; sei gereinigt.“ (Mk 1, 40–41 SLT) Nach dem viel zu frühen Tod Johannes des Täufers wollten Jesus und seine Jünger „allein zu Schiff an einen einsamen Ort“ fahren. (Mk 6,32 SLT) Doch tausende Menschen liefen zu Fuß auf die andere Seite des Sees und erwarteten ihn schon, als er dort ankam. Als Jesus aus dem Boot ausstieg „sah er eine große Volksmenge; und er hatte Erbarmen mit ihnen, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er fing an, sie vieles zu lehren“ (V. 34 SLT). Später vermehrte er fünf Brote und zwei Fische, um der Menschenmenge zu essen zu geben. „Und sie aßen alle und wurden satt.“ (V. 42 SLT) Ein Vorbild für wahre Barmherzigkeit

Während zum Dienst Christi auf dieser Erde natürlich gehörte, dass er Men-

schen gesund machte, war er ein Vorbild für wahre Barmherzigkeit, indem er sich um das geistliche Wohlbefinden von Menschen bemühte und sie auf die einzige Quelle der Wahrheit hinwies. In seiner großartigen Bergpredigt betonte Jesus diesen Punkt, als er sagt: „Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? … euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ (Mt 6,31–33) Die Barmherzigkeit Jesu ist vollkommen. Während er die zeitlichen Bedürfnisse der Menschen nicht ignoriert, gilt seine eigentliche Sorge ihrem ewigen geistlichen Wohl. Dieses vollkommene Barmherzigkeit ist es, was er auch in seinen Nachfolgern sehen will, die ihm dienen (siehe Mt 9,35–38). Verzweifeltes Verlangen nach Hoffnung

Afari1 lebte in einem Land im Nahen Osten, dessen Staatsreligion dem Christentum feindselig gegenüberstand. Ihr Mann erlaubte ihr, in einem Schönheitssalon zu arbeiten, wo sie nur mit anderen Frauen Kontakt haben würde. Zuhause war Afari unglücklich, denn ihr Mann behandelte sie schlecht und schlug sie oft. Afari fühlte sich hoffnungslos und dachte ernsthaft darüber nach, sich das Leben zu nehmen. Etwa um diese Zeit bemerkte eine Kundin im Schönheitssalon Afaris Traurigkeit. Da Afari niemanden


chen. Ganz oben stehen die geistlichen Bedürfnisse.“ Barmherzigkeit ist nicht freigestellt

Weil Barmherzigkeit so sehr das Wesen Gottes ausmacht, hat Satan sich die ganze Geschichte hindurch bemüht, diese Eigenschaft in Gottes Kindern zu verwischen und zu zerstören. hatte, dem sie sich anvertrauen konnte, erzählte sie der Frau von ihren Problemen. Die beiden Frauen wurden Freundinnen und schließlich lud die Kundin Afari zu einer Gruppe ein, die sich heimlich traf, und wo sie von Jesus hörte. Sie erhielt eine Bibel, die sie wie einen kostbaren Schatz hütete. Leider fand Afaris Mann die Bibel. Er schlug sie erbarmungslos und wollte sie töten. Wie durch ein Wunder konnte sie entkommen und lief zum Haus ihrer Eltern. Kurz darauf gelang es ihr, Kontakt zu ihrer christlichen Freundin aufzunehmen, die ihr unverzüglich half, in ein Nachbarland zu fliehen. Von dort gelangte Afari als Flüchtling nach Europa. Praktisches Mitgefühl

Bald nachdem Afari in Europa angekommen war, traf sie sich mit zwei Freundinnen, die aus dem gleichen Land geflohen waren, weil sie ebenfalls aus religiösen Gründen verfolgt worden waren. Diese f o t o

v o n

M .

A ss e r

Freundinnen waren mit SiebentenTags-Adventisten in Kontakt gekommen und erzählten Afari: „Diese Kirche ist genau das, wonach du suchst.“ Sie erlebten, dass die Adventisten sich nicht nur um ihre körperlichen Bedürfnisse wie Essen, Kleidung und Unterkunft kümmerten, sondern ihnen auch geistliche Nahrung gaben, nach der sie so großes Verlangen hatten. Afari sagt, dass sie sehr gerne in die Adventgemeinde geht, denn hier, so sagt sie, hat sie „Liebe, Frieden, Hoffnung und Güte gefunden. Sie helfen mir wirklich zu verstehen, dass ich nicht allein bin. Ich fühle mich jetzt sicher.“ Einer der Leiter der Adventgemeinde in dieser Stadt erklärt ihr praktisches Mitgefühl: „Wir wissen, dass es die Menschen nicht nachhaltig zufrieden macht, wenn wir nur humanitäre Hilfe bringen. Wenn man sich nur auf körperliche und soziale Bedürfnisse konzentriert, bekommen die Menschen nicht, was sie wirklich brau-

Für einen Christen ist die Barmherzigkeit, die Gott von uns erwartet, keine beliebige Sache. Von Anfang an hat Gott seine Kinder gerufen zu sein wie er und „Recht zu üben, Güte zu lieben und bescheiden zu gehen mit deinem Gott“ (Mi 6,8 EB). Ellen White schrieb im Zusammenhang mit dem Werk der Barmherzigkeit, das dem Volk Gottes aufgetragen ist: „Das selbstlose Wirken der Christen in der Vergangenheit sollte uns Beispiel und Ansporn sein. Die Glieder der Gemeinde Gottes sollen fleißig sein in guten Werken, sich von weltlichem Ehrgeiz freimachen und in den Fußstapfen dessen wandeln, der umherging und Gutes tat. Teilnehmenden und mitleidsvollen Herzens sollen sie denen dienen, die der Hilfe bedürfen, und Sündern von der Liebe des Heilandes erzählen. Solches Wirken erfordert mühevolle Arbeit, bringt aber reichen Lohn. Wer sich aufrichtig diesem Dienst weiht, wird erleben, wie Menschen für den Heiland gewonnen werden; denn der Einfluss, der die Ausführung des göttlichen Auftrages begleitet, ist unwiderstehlich.“2 Gott ruft jeden von uns, wo wir auch sind, bei der Beteiligung aller Gemeindeglieder mitzumachen und den Menschen in Not in unserer Welt seine vollkommene Barmherzigkeit zu erweisen. Lasst uns ihn darum bitten, uns mit seinem Heiligen Geist zu erfüllen, damit wir die Weisheit und Barmherzigkeit empfangen, die nur er geben kann. n 1 Der Name wurde geändert. 2 Ellen White, Das Wirken der Apostel, S. 113.

Ted N. C. Wilson ist

Präsident der Weltkir­ chenleitung der Sieben­ ten-Tags-Adventisten.

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Sabbat, 18. Juni 2016

Welt-

flüchtlings-

Tag – Warum? Von Benjamin D. Schoun

A

uf der Webseite der Vereinten Nationen zum Weltflüchtlingstag ist zu lesen, dass jede Minute acht Menschen alles zurücklassen, um Krieg, Verfolgung oder Terror zu entkommen.1 In den vergangenen Jahren sind 15 neue Krisenherde entstanden, in denen unzählige Menschen getötet wurden. Das Leben vieler anderer wurde bedroht; sie wurden der Möglichkeit beraubt, ein sicheres, friedliches Leben zu führen, in dem sie genug zu essen und einen angemessenen Ort zum Leben haben. Zu diesen Krisenherden zählen unter anderem der Südsudan, die Zentralafrikanische Republik, der Nordosten Nigerias, Pakistan, Afghanistan, Somalia, die Ukraine, der Irak und seit einiger Zeit auch Syrien. „Mit Februar 2016 geht die UNO von 13,5 Millionen Syrern aus, die humanitäre Hilfe brauchen; 6,6 Millionen von ihnen sind innerhalb Syriens selbst heimatlos, über 4,8 Millionen haben das Land als Flüchtlinge verlassen.“2 Obwohl die Türkei die größte Anzahl syrischer Flüchtlinge aufgenommen hat, sind allein 2015 über eine Million Flüchtlinge nach Europa gekommen.3 UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte: „Flüchtlinge sind Menschen wie alle anderen auch, Menschen wie Sie und ich. Sie haben ein ganz normales Leben geführt, bis sie vertrieben wurden, und ihr größter Traum ist es, wieder normal leben zu können.“4 Was tut unsere Kirche, um zu helfen?

In Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen und Regierungen bietet die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten Flüchtlingen auf ihrem Weg zu einem Ort, an dem sie in Sicherheit leben können, Hilfe an. In der außerordentlich großen humanitären Bewegung Europas sind zwei Divisio-

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Adventist World | Juni 2016

nen der Generalkonferenz besonders involviert: die Transeuropäische und die Intereuropäische Division. Außerdem sind auch die Adventistische Entwicklungs- und Katastrophenhilfe (ADRA) und ASI-Europa (Ad­­ ven­tistische selbstunterhaltende Initiativen) sehr engagiert. Im Januar kamen die Leiter dieser Gemeindeorganisationen auf Einladung ADRAs zu einem Treffen in Zagreb zusammen, um die Bemühungen zu koordinieren und strategische Pläne für eine möglichst effektive Hilfe zu legen. Auf diesem Treffen kam unter anderem auch der Gedanke auf, dass die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten parallel zum Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen ebenfalls einen solchen Tag planen sollte, um: 1 Adventgemeinden in aller Welt über die Krise in Europa und anderswo zu informieren und über das zu berichten, was wir als Adventisten tun, um zu helfen; 2 zum Gebet für die Flüchtlinge und alle, die aktiv helfen, aufzurufen; 3 Erfahrungen und Berichte weiterzugeben, die das wahre Wesen dieser humanitären Krise zeigen; 4 Gemeindeglieder zu motivieren, darüber nachzudenken, wie sie aufgrund unserer christlich-adventistischen Überzeugungen und Werte mit Flüchtlingen umgehen sollten; 5 Informationen über aktuelle Bedürfnisse weiterzugeben, damit Adventisten, die das wollen, sofort reagieren und direkt für die aktuell geleistete Arbeit spenden können; 6 Ban Ki-moons Worte zu reflektieren: „Lassen Sie uns an diesem Weltflüchtlingstag unseres gemeinsamen Menschseins gedenken, Toleranz und Vielfalt feiern und unsere Herzen den Flüchtlingen überall auf dieser Welt öffnen.“5

Ein besonderer Weltflüchtlingstag

Am 20. Juni ist der Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen. Der Weltflüchtlingstag der Kirche der SiebentenTags-Adventisten wird am Sabbat, den 18. Juni stattfinden. Auf der Webseite der Generalkonferenz werden Meldungen oder Beilagen für Mitteilungsblätter der Gemeinden, Videos und Poster be­reitgestellt, die heruntergeladen und in der Ortsgemeinde verwendet werden ­können.6 Ich bin dankbar, dass die aktuelle Ausgabe von Adventist World der Situation der Flüchtlinge in aller Welt gewidmet ist. Überlege dir beim Lesen immer wieder: Wie kann ich diesen Menschen in ihrer Krise ein Nächster sein? Jesus machte deutlich, dass es eines der deutlichsten Zeichen wahren Christseins im Herzen und Leben seiner Nachfolger ist, in solchen Notsituationen zu helfen (siehe Lk 10,30–37; Mt 25,31–46). n 1 www.un.org/en/events/refugeeday/background.shtml. 2 https://en.wikipedia.org/wiki/Refugees_of_the_Syrian_ Civil_War. 3 www.bbc.com/news/world-europe-24583286. 4 www.un.org/en/events/refugeeday/2015/sgmessage.shtml. 5 www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=51208#. Vu4wL_krKM8. 6 Das Material für den adventistischen Weltflüchtlingstag kann man auf Englisch unter folgendem Link herunterladen: https://www.adventist.org/en/information/specialdays. Stichwort: June 18.

Benjamin D. Schoun ist ein ehemaliger Vizepräsi­ dent der Generalkonferenz der Siebenten-Tags-Ad­ ventisten und jetzt Vorsitzender des Gene­ ralkonferenz-Ausschusses zur Koordination der Hilfe für Vertriebene in Europa. f O T O :

I g o r

M i t r o v i c


Von Peter N. Landless und Allan R. Handysides

G E S U N D H E I T

krise flüchtlings Was kann die Gemeinde tun?

Die

In den Medien liest und hört man regelmäßig von Flüchtlingen, die nach Europa kommen. Von welchen gesundheitlichen Problemen sind sie betroffen? Helfen wir als Kirche in dieser Krise?

D

ie große Zahl an Flüchtlingen ist tatsächlich eine humanitäre Krise. Verzweiflung, Angst und Hoffnungslosigkeit treiben Menschen dazu, aus ihrer Heimat zu fliehen, an anderen Orten Asyl zu suchen und ein neues Leben zu beginnen. Man kann sich nur schwer vorstellen, wie groß die Verzweiflung sein muss, die Menschen bewegt, ihre Familienangehörigen, ihr Zuhause und ihr gewohntes Umfeld zu verlassen und sich auf den Weg in eine ungewisse Zukunft zu machen, wo immer man bereit ist, sie aufzunehmen. Der Schmerz und die Unsicherheit sind schwer zu fassen. Das Leid, die Belastung, Angst und Unruhe, die man in den Nachrichten sieht, brechen einem das Herz. Der tragische Tod eines kleinen Jungen, dessen Leiche an einem türkischen Strand gefunden wurde, ist zum Symbol für dieses Leid geworden. Die häufigsten Krankheiten unter den Flüchtlingen sind Infektionen der Atemwege einschließlich der Lungenentzündung. Daneben gibt es auch viele Unfallverletzungen aufgrund der Enge auf den überfüllten, oft nicht seetüchtigen Booten, der rauen See und Felsen, denen die Boote nicht ausweichen können. Auch Dehydrierung und Hunger sind ernste Probleme, die behandelt werden müssen. ASI-Europa hat erfolgreich eine mobile Versorgungseinheit in einem Bus eingesetzt, der extra zu diesem Zweck umgebaut und für Notfallbehandlungen eingerichtet wurde. Diese Einrichtung hat sich als echter Segen erwiesen! Unter den schwierigen Umständen ist das seelische und emotionale Wohlbefinden eine besondere Herausforderung; oft wird die Situation durch Trauer und Angst noch schwie-

riger. Leider ist es aufgrund der großen Zahl an Flüchtlingen und geringen Mittel nicht möglich, allen Bedürfnissen ausreichend gerecht zu werden. Die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten hat ihre Mitglieder zuletzt immer wieder ermutigt, sich in ganzheitlichem Gesundheitsdienst zu engagieren. Dieser neue Begriff für medizinische Mission

befunden hatte, religiöse Menschen gesehen hatte, die nicht fromm waren. Doch als er in Griechenland medizinische Hilfe erhalten hatte, konnte er sehen, wie Menschen praktische Frömmigkeit auslebten! Welch ein Zeugnis für Menschen, die den großen Arzt zum Vorbild haben. Können du und ich das Leben von Flüchtlingen verändern? Wir können

Nicht jeder kann den Flüchtlingen durch direkten Kontakt helfen, doch wir alle können etwas ändern. bedeutet, dass die Bedürfnisse der Menschen ganz praktisch erfüllt werden, indem wir ihnen Gottes Liebe und Barmherzigkeit erweisen. Die Kirche, die wir lieben und in der wir uns engagieren, setzt sich auch aktiv für die Bedürfnisse der Flüchtlinge ein. Die Not ist so groß, dass selbst unsere größten Anstrengungen oft nur wie der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein erscheinen. Doch ADRA-International – gemeinsam mit ihren Vertretungen, die in den betroffenen Ländern tätig sind – und ASI-Europa wirken weiterhin für Flüchtlinge – für einen nach dem anderen. Hand in Hand mit diesen Hilfsorganisationen setzen Adventisten in medizinischen Berufen in aller Welt ihre Zeit und ihr Können ehrenamtlich ein. Doch noch wichtiger ist, dass sie Gottes Liebe praktisch weitergeben, indem sie sich um die Bedürfnisse von Menschen kümmern, die wie sie selbst nur Wanderer auf unserem kaputten Planeten sind. Bei den Bemühungen unserer Kirche nahestehender Organisationen, die Gesundheitsversorgung zu koordinieren, kam es zu erstaunlichen Situationen. So hat zum Beispiel eine jüdische Ärztin syrische Flüchtlingsfrauen behandelt. Eine bekannte christliche Zeitschrift zitierte einen muslimischen Flüchtling, der sagte, dass er, bevor er sich in seiner gegenwärtigen Situation

ernstlich für sie beten und darum flehen, dass Jesus bald wiederkommt und Leid, Krankheit, Kummer, Vertreibung und Tod ein Ende bereitet. Wir können Geld für ADRA und ASI-Europa spenden, um die mutigen und dringend notwendigen Initiativen zu unterstützen, in denen sie sich engagieren. Nicht jeder kann den Flüchtlingen durch direkten Kontakt helfen, doch wir alle können etwas ändern, indem wir unsere Mittel teilen und eine Gemeinde sind, wie sie in Matthäus 25 von Jesus beschrieben wird: „Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (V. 40) n

Peter N. Landless, Facharzt für Nuklearkardio­ logie, ist Direktor der Gesundheitsabteilung der Generalkonferenz der Kirche der SiebentenTags-Adventisten in Silver Spring (Maryland, USA).

Allan R. Handysides, Facharzt für Gynäkologie, war bis zu seiner Pensionierung Direktor der Gesundheitsabteilung der Generalkonferenz. Juni 2016 | Adventist World

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A N D A C H T

Von Melak Alemayehu

Der Korb D

as Buch Rut berichtet über das Leben von Rut; darin werden sowohl die Sorgen als auch die Freuden, die man als Flüchtling erleben kann, wiedergegeben. Ein Leben in einem fremden Land als arme Witwe, war eine scheinbar nicht zu bewältigende Herausforderung. Doch auf ihrem weiteren Weg füllte der Herr, unter dessen Flügeln sie Zuflucht gesucht hatte (s. Rut 2,12), ihren leeren Korb durch die Großzügigkeit des Boas. Tatsächlich war Boas für Rut eine konkrete Zuflucht und versinnbildete auch die endgültige Zuflucht, nämlich Gott selbst. Es ist interessant, dass das Bild von Gott als einer Zuflucht in den Psalmen fast 50 Mal erscheint. Gott offenbarte seinem Volk als Teil seiner Bundesgesetze ganz klar, wie es mit Flüchtlingen – oder Fremden – in ihrer Mitte umgehen sollte. Dazu gehörte auch das Gesetz über die Erstlingsfrüchte in 5. Mose 26,1–11. In dem Gesetz geht es um einen Korb mit den Erstlingsfrüchten der Ernte, der zunächst vor Gott gebracht und dessen Inhalt dann gemeinsam mit den Geistlichen und Fremden gegessen werden sollte. Die Prinzipien, die hinter dieser Zeremonie stehen, helfen uns, Gott als die ultimative Zuflucht für jeden Flüchtling zu entdecken. Im Zusammenhang mit diesem Gesetz schrieb Ellen White: „Diese Anweisungen, die Gott seinem Volk gab, sind ein Ausdruck der Prinzipien des Gesetzes, das im Reich Gottes gilt, und sie werden ganz konkret formuliert, damit die Leute in ihrem Denken nicht in Unwissenheit oder Unklarheit gelassen werden. Die Textstelle stellt die nie erlöschende Verpflichtung all derer dar, die Gott mit Leben, Gesundheit und Vorteilen in zeitlichen und geistlichen Dingen gesegnet hat.“1 Im Folgenden sollen einige dieser Prinzipien aufgezeigt werden:

Erkennen. Das Gesetz über das Opfern der Erstlingsgaben beginnt mit einem Hinweis darauf, wann es gebracht werden sollte, nämlich „Wenn du in das Land kommst, das dir der HERR, dein Gott, zum Erbe geben wird, und es einnimmst und darin wohnst“. (5 Mo 26,1) Es war die Zeit, als die Wanderer endlich das

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verheißene Land erreicht hatten. Alle ihre Hoffnungen, Träume und Wünsche waren im Begriff, in ihrem eigenen Land Realität zu werden. Leider neigen viele von uns dazu, in solchen Zeiten den Weg zu vergessen, den wir bis zum Höhepunkt unseres Erfolgs zurückgelegt haben. Doch diese Zeremonie bietet die Gelegenheit, über unsere Lebensreise nachzudenken und hilft uns, zwei wichtige Dinge nicht zu vergessen: Erstens, wer wir sind und zweitens, wie wir unsere gegenwärtige Situation erreicht haben. Das wird uns schließlich zu der Erkenntnis führen, dass „alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe … von oben herab [kommt], von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis.“ (Jak 1,17)

Zum Ausdruck bringen. Die Zeremonie unterstrich den wichtigen Gedanken, dass eine Anerkennung mehr sein muss, als bloße gedankliche Zustimmung. Die Anerkennung wurde durch das Opfern eines Korbes voller Erstlingsfrüchte zum Ausdruck gebracht. Neben der Tatsache, dass es sich chronologisch um die ersten Früchte handelte, stehen Erstlingsfrüchte auch für eine besondere Qualität. Die ersten Früchte der Ernte abzugeben, stellte deshalb auf passende Weise dar, dass das Wichtigste zuerst kommt – auch wenn der Bauer schon begierig darauf war, die Frucht seiner Arbeit selbst zu probieren. Ebenso wie Gott eine Gabe verabscheut, die man bringt, ohne mit dem Herzen dabei zu sein, schätzt er ein Opfer, das aus einem von Dankbarkeit überfließenden Herzen kommt (s. Lk 7,36–50). Ausrichtung. Im Mittelpunkt der Zeremonie sollte Gott sein. Der Name Jahwe oder HERR kommt in dem Abschnitt 14 Mal vor und macht ihn damit zum Zentrum aller Einzelheiten der Zeremonie. Ein wichtiges Detail ist, dass der Korb zuerst „vor den Altar des HERRN, deines Gottes“ gestellt werden sollte (5 Mo 26,4). Daraus ergab sich eine entscheidende Lehre: Jede religiöse Übung sollte auf Gott ausgerichtet sein, wenn wir uns eine bleibende Wirkung erhoffen.


Die Prinzipien, die hinter dieser Zeremonie stehen, helfen uns, Gott als die ultimative Zuflucht für jeden Flüchtling zu entdecken. Bezeugen. Bei der Darbringung des Korbes mit den Erstlingsfrüchten vor Gott wurde ein Spruch aufgesagt (V. 3.5–10), der von Gott vorgeschrieben war und voller wichtiger Botschaften steckt. Zunächst riefen sich die Gottesdienstbesucher öffentlich die trostlose Situation ins Gedächtnis, in der sich ihre Vorfahren befanden, als sie selbst Fremde waren. Das ist eine Erfahrung, mit der sich die in der Gefangenschaft der Sünde befindliche Menschheit identifizieren kann. Darüber hinaus wird in dem Spruch erwähnt, wie die Unterdrückten zu Gott schrien, und Gott ihr Schreien hörte und ihre Not und ihr Elend sah. Dieses Handeln Gottes gab ihnen einen Hoffnungsschimmer am Horizont. Im beständigen Lobpreis dessen, der sie aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat, werden die Erlösten zu Reflektoren, durch die das gleiche Licht in die Finsternis strahlt, in der die Menschen um sie herum leben (vgl. 1 Ptr 2,9). Verherrlichen. Nach dem Darbringen des Korbes mit den Erstlingsfrüchten und dem Aussprechen des Zeugnisses, betete der Betreffende Gott an – er warf sich vor Gott nieder, wie es im Grundtext wörtlich heißt (vgl. 5 Mo 26,10). Diese Anbetungshaltung zeigte die Einstellung der Demut und Selbstverleugnung, die auch wir erfahren müssen, wenn wir Gott wirklich verherrlichen wollen. Wenn wir in Demut anbeten, werden wir daran erinnert, dass wir aus Erde erschaffen wurden; in uns ist nichts,

auf das wir stolz sein könnten. In Wirklichkeit hat unser Leben nur dann bleibenden Wert, wenn wir es zur Ehre Gottes führen, indem wir seine Segnungen mit anderen teilen. Einbeziehen. Am Ende der Zeremonie stand ein Freudenfest, bei dem die Gottesdienstbesucher ihre Segnungen mit der Familie und zwei extra genannten Gruppen von Menschen teilten: den Leviten und Fremden. Es ist wichtig darauf zu achten, wie die Fremden bei diesem Fest einbezogen wurden. Sie sind in der Situation, in der sich die Gastgeber früher befunden haben. Während der Korb Gott dargebracht wurde, wurde den körperlichen, emotionalen, sozialen und geistlichen Bedürfnissen der Fremden entsprochen. Auch sie hatten nun die Gelegenheit, den Segen zu erfahren, dass Gott ihre Zuflucht ist. Wo ist unser Korb?

Es gibt in unserer Welt viele Körbe. Einige sind voller „Erstlingsfrüchte“ glücklicher Schicksale, während andere in den Händen Unglücklicher leer sind. Lasst uns die wahre Quelle unserer Segnungen erkennen und unseren Dank zum Ausdruck bringen, indem wir uns auf Gott ausrichten, ihn bezeugen, seinen Namen verherrlichen und die Menschen einbeziehen, denen es nicht so gut geht. Dadurch werden volle und leere Körbe auf den gleichen Tisch gestellt. Vergesst nicht, dass wir gerufen sind, eine Zuflucht für Flüchtlinge zu sein. n 1 Ellen G. White, „How Much Owest Thou?”, Advent Review and Sabbath Herald, 25. Dezember 1900.

Melak Alemayehu ist Doktorand für Biblische Studien/Altes Testament am Adventistischen Inter­ nationalen Institute für Höhere Studien (Adventist International Institute of Advanced Studies, AIIAS) in Silang (Philippinen). Ursprünglich kommen Melak, seine Frau Mihret und ihre beiden Kinder Pheben und Paulus aus Äthiopien. Juni 2016 | Adventist World

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G L A U B E N S Ü B E R Z E U G U N G E N

Von Stefan Höschele

NUMMER 19

gerechtigkeit

I

ch bin in einer adventistischen Familie aufgewachsen und habe mich daher oft gefragt, wie manche Leute behaupten können, die Zehn Gebote seien „nicht mehr gültig“. Nicht mehr gültig? Was soll denn bitte der Vorteil sein, wenn es in Ordnung ist zu stehlen, anderen Göttern zu dienen, Ehen zu zerstören, Götzenbilder herzustellen, an allen sieben Tage der Woche zu arbeiten oder falsches Zeugnis zu geben? Vielleicht vereinfache ich die Angelegenheit auch zu sehr – aber ganz ehrlich: Ich verstehe das Argument einfach nicht, wenn manche behaupten, dass wir als Christen nicht mehr an das Gesetz gebunden sind und dass der Dekalog daher kein Fixpunkt mehr für unser Handeln sein soll. Bitte versteht mich nicht falsch: Ich bin kein „Gesetzesmensch“. Wir können vor Gott nichts verdienen, indem wir einfach nur die Worte befolgen, die in 2. Mose 20 stehen. Und ich mag es überhaupt nicht, wenn manche Leute meinen, dass sie die einzigen und endgültigen Ausleger sind, die zu bestimmen haben, wie gewisse biblische Anweisungen heute zu interpretieren sind. Aber wenn man mich in einer Debatte herausfordert – und die Legitimität und Autorität der Normen relativiert, die sich auf den zwei Steintafeln befanden – dann werde ich ganz entspannt. Es gibt einfach kein gutes Argument gegen diese grundlegenden Pflichten für die, die an einen Schöpfer glauben. Sie sind ja ihrem Wortlaut nach so grundlegend, dass man sie sinnvollerweise eigentlich nur als Minimalanforderungen betrachten kann. Der reiche Jüngling konnte zu Recht feststellen: „All das habe ich seit meiner Kindheit gehalten!“ – Und Jesus antwortete nicht: „Okay, wir analysieren das ein bisschen – eigentlich hast du Unrecht!“ Für meine Ur-Urgroßmutter war das ein Grund, eine der ersten Adventistinnen in ihrer Heimatregion zu werden. Sie dachte lange über den Text nach, in dem steht: „Das ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer.“ (1 Joh 5,3) Als ihr klar wurde, dass die Zehn Gebote nur ein Mindeststandard in Bezug auf Gerechtigkeit sind, fällte sie eine klare Entscheidung! Für alle

In meinem Heimatland sind Gesetze sehr wichtig. Versuch bloß nicht, jemals einen Staatsbediensteten zu bestechen, um eine „Abkürzung“ zu nehmen! Das gäbe ganz schön Ärger. Das Gesetz gilt für alle. Der Grund dafür ist ziemlich offensichtlich: Gerechtigkeit ist nur wirklich Gerechtigkeit, wenn sie für alle gilt. Nicht

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alle für

jeder mag die vielen staatlichen Gesetze, an die wir uns halten müssen, aber wenn ernsthafte Konflikte entstehen, ist es gut zu wissen, dass es stabile Prinzipien gibt, die die Menschenwürde schützen und die Pflichten jedes Bürgers definieren. Gottes Gebote sind ebenso für alle gemacht. Wenn Fairness nur für manche gälte, was wäre das für eine seltsame Gerechtigkeit? Das Sabbatgebot zum Beispiel, das Zentrum des Dekalogs, verlangt, dass nicht nur die Israeliten, sondern auch Ausländer und sogar Tiere von Arbeitstätigkeiten am siebten Tag ausgenommen werden (2. Mose 20,10). Das heißt nicht, dass alles in dieser Welt in Ordnung ist, wenn die elementaren Prinzipien des sogenannten Sittengesetzes, also 2. Mose 20, befolgt werden. Die meisten Gesellschaften sind weit davon entfernt, allen Bürgern gleiche Chancen zu bieten. Aber wie würden sie aussehen, wenn es noch nicht einmal den heute üblichen Gerechtigkeitsstandard gäbe, der von Gottes Grundgesetz abgeleitet ist? Sowohl als Mitglieder der Gesellschaft als auch als Christen brauchen wir ein Bewusstsein für Minimalanforderungen, die die schlimmsten Ungerechtigkeiten verhindern.

Ein Beispiel

Die Situation, die wir zurzeit in Westeuropa erleben, kann das veranschaulichen. Allein in meinem Heimatland kamen 2015 eine Million Flüchtlinge an. Die meisten dieser Familien trauern über Todesfälle unter Verwandten oder Freunden. Viele befürchten in ihrer Heimat Verfolgung oder Bedrohung – nur weil sie zur falschen religiösen Gruppierung, politischen Partei oder Groß­ familie gehören.


Die Logik Christi ist umgekehrt. Er übersetzte die Verbote, die zum Schutz der Gesellschaft existieren, in Aufopferung. Wie nun können wir diese Geflüchteten fair aufnehmen, die mit der Hoffnung zu uns kommen, ohne Ansehen der Person behandelt zu werden? Wie sieht eine christliche Einstellung aus, die wir ihnen zu zeigen haben? Wie kann das Prinzip der SabbatGerechtigkeit in dieser humanitären Katastrophe angewandt werden? Es ist gut daran zu denken, dass die Zehn Gebote einem Volk gegeben wurden, das von einem Land in ein anderes auswanderte. Außerdem war Jesus selbst ein Flüchtling in Ägypten – und in seinen berühmten Gerichtsreden sagte er: „Ich war ein Fremder, und ihr nahmt mich auf.“ (Matthäus 25,35) Jesus zeigte, dass Gebote-Halten im richtigen Geist viel mehr ist als nur eben Nicht-Morden, Nicht-Stehlen oder Nicht-Ehebrechen. Statt anderen Sachen wegzunehmen, freuen sich Christen darüber, freiwillig ein einfaches Leben zu führen. Statt Dinge zu begehren, teilen sie, sogar mit denen, die einen anderen Glauben haben – wie die vielen muslimischen Geflüchteten, die jetzt in Europa ankommen. Und statt zu töten, geben Christen ihr Leben hin – auch für Feinde. Den Nächsten zu lieben ist nicht immer einfach, und man kann sich nicht alle Nächsten und Nachbarn aussuchen. Aber es gibt einen Mindeststandard, der immer und für alle gültig ist. Manche Leute hier in Deutschland vergessen das; sie sehnen sich nach einer Zeit vor einigen Generationen zurück, als es (angeblich) keine Ausländer im Land gab. Sie lassen soziale Netzwerke mit Hassparolen überquellen und zünden

das gesetz

Asylbewerber-Unterkünfte an. Sie verlangen, dass Migranten notfalls an der Grenze erschossen werden – und all das soll geschehen, um das „christliche Abendland“ zu schützen. Die Logik Christi ist umgekehrt. Er übersetzte die Verbote, die zum Schutz der Gesellschaft existieren, in Aufopferung. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen – auch nicht, um deine Ideen darüber zu verteidigen, wie eine Nation aussehen soll. Nimm es lieber hin, dass du verflucht wirst, weil du Jesus nachfolgst. Du sollst am Sabbat nicht arbeiten: Gib jedem Menschen einen Ruhetag und arbeite sechs Tage pro Woche mit dem Ziel, dass das Reich Gottes sichtbar wird. Du sollst kein falsches Zeugnis geben: Sprich allen Menschen Segen und Worte der Hoffnung zu, besonders denjenigen, deren Leben ein Chaos ist. Das Gesetz und die Liebe: Beides brauchen wir. Das eine, weil es einen Standard gibt, unter den niemand fallen darf; die andere, weil Christus uns gezeigt hat, was Gott mit seinen Geboten wirklich meint. n

Stefan Höschele, Ph.D., ehemaliger Missionar in Algerien und Tansania, lehrt Systematische Theologie und Missionswissenschaft an der Theologischen Hochschule Friedensau.

Gottes

Die grundlegenden Prinzipien des Gesetzes Gottes sind in den Zehn Geboten zusammengefasst und im Leben Jesu Christi beispiel­ haft dargestellt. In den Geboten kommen Gottes Liebe, sein Wille und seine Absichten für das Leben der Menschen zum Ausdruck – für ihr Verhalten und für die zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Zehn Gebote sind bindend für die Menschen aller Zeiten, Grundlage für Gottes Bund mit seinem Volk und Maßstab in Gottes Gericht. Durch das Wirken des Heiligen Geistes decken sie Sünde auf und wecken das Verlangen nach einem Erlöser. Die Erlösung geschieht allein aus

Gnade, nicht durch Werke; ihre Frucht ist Gehorsam gegenüber den Geboten. Dieser Gehorsam trägt dazu bei, einen christlichen Cha­ rakter zu entfalten und führt zu innerem Frieden. Er bekundet unsere Liebe zum Herrn und unsere Verantwortung für die Mitmenschen. Im Gehorsam des Glaubens erweist sich Christi Macht, das Leben eines Menschen zu ändern, und bekräftigt so das christliche Zeugnis. 2 Mo 20,1–17; 5 Mo 28,1–14; Ps 19,7–14; 40,7–8; Mt 5,17–20; 22,36–40; Joh 14,15; 15,7–10; Röm 8,3–4; Eph 2,8–10; Hbr 8,8–10; 1 Joh 2,3; 5,3; Offb 12,17; 14,12.

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T I T E LT H E M A

A

An vorderster

front

Es wäre leicht so zu tun, als wären die Flüchtlinge nicht hier oder sich damit herauszureden, dass sie unserer Hilfe nicht würdig sind. Oft werden sie nicht nur als Flüchtlinge und Migranten, sondern auch als Terrorgefahr bezeichnet. Doch die vielen Verschwörungstheorien einfach zu

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C e l i n e ,

A DR A

Wir können unsere Augen nicht verschließen

No r w a y

Wo kein Mensch illegal ist

B r i t t

lles begann an einem ganz normalen Ruhetag. Es war ein warmer, sonniger Herbstsabbat, am Morgen gingen wir zum Gottesdienst, danach hatten wir Freunde zum Essen zu uns nach Hause eingeladen. Dann erhielt ich einen Anruf: „Mach dich bereit“, sagte die Stimme am anderen Ende. „Was wir gestern nur vermutet haben, wird jetzt zur Realität. Mehrere Tausend Flüchtlinge sind unterwegs zur slowenischen Grenze.“ Für mich und meine Teammitglieder war es nie eine Frage gewesen, ob wir helfen würden. Die einzige Frage war, wie wir am besten dienen und humanitäre Hilfe leisten konnten. Einige Stunden später begrüßten wir die ersten Ankömmlinge in unserem Land. Sie sahen so müde aus. Viele hatten ihre gesamte Habe in kleinen Plastiktaschen bei sich. Ich versuchte, mit einigen zu reden, konnte mich jedoch nicht verständigen. Schließlich traf ich auf einen Teenager, der Englisch sprach. Wir setzten uns mit einigen seiner Freunde zusammen und ich fragte sie, warum sie sich auf die schwierige Reise hierher gemacht hatten. Einer der jungen Männer sagte: „Ich hatte zwei Alternativen: töten oder getötet werden. Ich möchte einfach die Schule abschließen und leben.“ Ich war froh, dass es dunkel war, und er meine Tränen nicht sehen konnte. Die tragische Flüchtlingssituation war „real“ und persönlich geworden. Dieser junge Mann war etwa so alt wie mein ältester Sohn, aber er war auf der Flucht vor dem Krieg, nur darum bemüht, am Leben zu bleiben. Seine Familie hatte alles zusammengelegt, was sie besaß und ihn fortgeschickt, damit wenigstens einer aus der Familie überleben würde.

Von Maja Ahac


A DR A

S lov en i a

Helfer von ADRA-Slowenien auf dem Bahnhof von Dobova (Slowe­ nien) beim Verteilen von Wasser, Nahrungsmitteln und warmer Klei­ dung an durchreisende Flüchtlinge.

M i l a n V i d a k o v i c’ ,

Nicht allein

glauben und die Leute als Bedrohung anzusehen, ist keine Lösung. In den letzten sechs Monaten, in denen ich Flüchtlingen geholfen habe, bin ich keinem einzigen begegnet, für den Jesus nicht gestorben ist, ganz gleich, wie schmutzig, ängstlich, alt, hungrig, stinkend, klein oder misshandelt sie waren. Diese Leute sind einfach Menschen, nicht mehr und nicht weniger. Jeder Mensch verdient die Gelegenheit, nicht nur zu leben, sondern sich weiterzuentwickeln. Ich träume von dem Tag, an dem wir jeden Menschen in Gottes Familie

willkommen heißen, ganz gleich aus welchem Land er kommt – ohne uns mit unzulässigen Ausflüchten herauszureden, warum wir sie nicht aufnehmen sollten. Es ist nicht unsere Aufgabe zu entscheiden, wer es verdient zu leben, wir sind nur Menschen. Unsere Verantwortung ist es, grundlegende Hilfe zu leisten, zu teilen, was wir empfangen haben, unsere Stimme für die zu erheben, die nicht für sich selbst sprechen können, den Ohnmächtigen Kraft zu schenken und ein Segen für die Menschheit zu sein – wie Jesus es war.

Während der letzten Monate bin ich vielen Menschen begegnet und habe ihre Geschichten gehört. Ich habe schlaflose Nächte und stressige Tage erlebt, Konflikte, Engpässe bei Essen und Geld, nicht genügend Decken, nie genug Schuhe und viele andere herausfordernde Situationen. Am meisten hat mich während der ganzen Zeit ermutigt, dass ich nicht allein war. Viele andere haben sich uns angeschlossen. Ich nenne sie Engel. Sie schienen vom Himmel zu fallen. Einzelpersonen und ganze Gruppen waren bereit, für die Tausenden und Abertausenden von Flüchtlingen ihre Zeit, ihr Geld und ihre Kraft zu geben. Sie waren eine große Ermutigung. Viele erzählten mir ihre Erinnerungen. Eines hatten wir alle gemeinsam: Das Gefühl, dass wir während unseres

Die Berichte wurden von Urška Cˇehovin, Koordinatorin für Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising bei ADRA-Slowenien, zusammengestellt.

PERSöNliche Erlebnisse

Flüchtlinge und ehrenamtliche Helfer erzählen ihre Geschichten

Ich habe einige Flüchtlinge kennengelernt, die mit dem Zug durch Slowenien fuhren. Ich unterhielt mich mit ihnen und sie erzählten mir ihre Geschichten. So erfuhr ich viel über den Weg, den sie hinter sich hatten. Hier sind einige der Geschichten. – Urška Cˇehovin AAMIR:1 „Ich komme aus Afghanistan und möchte nach Deutschland. Ich bin jetzt seit einem Monat mit meiner Familie und einem Freund unterwegs. Zuerst fuhren wir mit dem Auto, dann weiter mit dem Bus, auf einem Boot und zuletzt mit dem Zug. Wir hatten Glück, dass wir ein richtiges Boot hatten. Es war mit 65 Menschen zwar überfüllt, aber die See war ruhig, sodass wir sicher ankamen. Auf dem Weg hörten wir Gerüchte, dass wir möglicherweise nicht in Deutschland bleiben können und wieder nach Afghanistan müssen. Aber für die Chance auf ein besseres Leben sind wir bereit, dieses Risiko auf uns zu nehmen.“

1 Die Namen der Flüchtlinge wurden geändert.

M i l a n V i d a k o v i c’ ,

A DR A

Slove n i a

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Unverständnis

Auch der Spott und die Bedrohungen, denen wir ausgesetzt waren, lassen sich nicht beschreiben. Ich habe noch nie so viel Frustration, Bitterkeit und Zorn von Menschen erlebt, die Hass verbreiten, statt Hilfe zu leisten. Es gab Menschen, die die Arbeit von ADRA oder auch meinen eigenen Einsatz nicht befürworteten. Ich wurde zum Teil wüst beschimpft und auch bedroht. Aus dem Schmerz und der Traurigkeit erwuchs jedoch die Entschlossen-

A DR A M i l a n V i d a k o v i c’ ,

ehrenamtlichen Hilfseinsatzes mehr empfangen als gegeben hatten. Kleinen Kindern, Müttern oder Menschen mit Behinderungen helfen zu können, vermittelte uns ein Gefühl des Glücks. Zu sehen, wie ein Kind lächelte, wie ein Baby in eine warme Jacke gehüllt war, wie ein Vater seinen kleinen Kindern etwas zu essen geben konnte oder eine Frau unauffällig persönliche Hygieneartikel erhielt, war eine große Freude. Ihre Dankbarkeit war unbeschreiblich.

S lov en i a

T I T E LT H E M A

In den letzten sechs Monaten, in denen ich Flüchtlingen geholfen habe, bin ich keinem einzigen begegnet, für den Jesus nicht gestorben ist. heit, umso mehr zu helfen. Ich erlebte auch Verlust. Ich verlor einige Freunde, die unsere Motive nicht verstanden. Doch mit sehr viel mehr Menschen, von denen ich nie gedacht hatte, dass ich einmal das Vorrecht haben würde, sie kennenzulernen, schloss ich neue Freundschaften.

PERSöNliche erlebnisse

Eine Erfahrung, die das Leben verändert hat

Die Flüchtlingskrise hat mich und die Gesellschaft, in der ich lebe, erschüttert. Wir werden nie mehr dieselben sein. Ich bin schon zuvor an vielen Orten gewesen, wo ich extreme Armut gesehen habe, aber

( f o r ts e t z u n g )

DUŠAN ERHOVNIC (links): „Ich habe von Anfang an als ehrenamtlicher Helfer bei der Flüchtlingskrise mitgearbeitet. Da ich im Ruhestand bin, habe ich Zeit. Außerdem arbeite ich gerne mit Menschen, und die anderen ehrenamtlichen Helfer hier sind großartig. Ich arbeite dreimal in der Woche eine 12-Stunden Schicht. Tagund Nachtschichten wechseln wochenweise. Jeder Tag ist anders. Wir erleben viele schöne Dinge, aber manche Tage sind einfach erschütternd. Und solche erschüt­ ternden Erlebnisse wird man nicht so schnell los.“

U r š k a Cˇ e h o v i n , A DR A S l o v e n i a

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JORAM: „Ich bin 28 Jahre alt und studiere Englisch. Wegen der furchtbaren Situation in Syrien habe ich mein Stu­ dium vorübergehend unterbrochen und bin mit meiner Familie unterwegs in ein freundlicheres Land. Wir sind insgesamt 13. In Syrien hatten wir große Schwierigkeiten, weil wir Kurden sind. Sieben Mitglieder unserer Familie sind geköpft worden. Eine meiner Verwandten musste mit ansehen, wie ihre Tochter vor ihren eigenen Augen getötet wurde. Deshalb sind wir ge­ flohen. Alles, was wir wollen, ist ein normales Leben.“

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U r š k a

Cˇ e h o v i n ,

A DR A

S l o v e n i a


und besonders zu sein. Ich habe histo­ rische Momente miterlebt und die per­ sönlichen Geschichten von bewundernswert starken Menschen gehört, die auf ihrem Weg in ein besseres Leben extreme Schwierigkeiten ertragen haben. Ich habe auch viel Dankbarkeit erlebt. Flüchtlinge sind nicht so viel anders als wir. Wir alle wollen das gleiche: überle-

ben, in Frieden leben, einfach als Menschen angenommen sein. Nicht mehr und nicht weniger. n

Maja Ahac ist Leiterin von ADRASlowenien.

Deine Unterstützung wird dringend gebraucht. Am besten hilft man mit Geldspenden, weil sie Hilfsteams die Möglichkeit geben, schnell auf sich ändernde Umstände zu reagieren. Die Möglichkeit zu spenden, gibt es auf ADRA.org/refugees. Deutschland: http://adra.de/ spendenformular; Österreich: adra.at, Schweiz: adra.ch. Die Broschüre Gemeinsam für Flüchtlinge der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland kann man sich unter http://bit.ly/1VtPK1V kostenlos herunterladen.

S lov en ia A DR A

SAMI (links): „Meine Familie verließ Syrien vor zwei Jahren wegen des Krieges. Diese zwei Jahre waren für uns nicht leicht. Mein Vater ist ein guter Hochbauin­ genieur, aber er konnte in Ägypten keine Arbeit finden. Deshalb beschlossen wir, unser Glück in Europa zu versu­ chen. Wir hoffen, dass wir uns in Deutschland ein neues Leben aufbauen können. Wir wollen Deutsch lernen, da­ mit wir studieren und arbeiten und uns in die Gesellschaft eingliedern können.“ Dann stellt er eine junge Frau vor, die neben ihm steht: „Das ist die Frau, die ich liebe. Wir waren in den letzten zwei Jahren glücklich zusammen. Wir warten, bis unsere ganze Familie an einem sicheren Ort ist, dann werden wir heiraten.“

Simona Potocˇar, Koordinatorin bei ADRA-Slowenien: „Zu helfen ist eigentlich keine Option – man kann gar nicht anders. Mitte August beschlossen wir, einige Leute zu suchen, die ebenso denken und bei der bevorstehenden Flücht­ lingssituation mithelfen würden. Die Reaktion war sehr positiv, und jetzt sind wir eine Gruppe von 60 Helfern. Ich bin bereits seit vielen Jahren ehrenamtliche Helferin. Seit neun Jahren bin ich Rettungshundeführerin und Leiterin eines Krisen-Interventions­ teams für vermisste Personen in Posavje, Dolenjska und Bela Krajina. Ich habe schon in vielen Krisensituationen gearbeitet, aber diese ist für mich die bisher größte und härteste. Mein Körper ist müde, aber meine Seele singt.

M i l a n V i d a k o v i c’ ,

M i l a n V i d a k o v i c’ ,

A DR A

Slove n i a

die Ungleichheit und offensichtliche soziale Ungerechtigkeit waren nie so heftig. Tagsüber arbeitete ich im Büro, nachmittags und abends half ich Flüchtlingen und morgens verbrachte ich Zeit mit meinen eigenen Kindern. Mit meinen Kindern zusammen zu sein machte mir bewusst, dass sie unbegrenzte Möglichkeiten und Gelegenheiten für ihre Zukunft hatten, während die Flüchtlingskinder sich nicht einmal frei bewegen durften. Manche halten selbst kleine Kinder für gefährlich. Diese Erfahrung hat mich verändert. Wurde ich durch sie traumatisiert? Ich hoffe nicht. Wurde ich gesegnet? Auf jeden Fall! Ich betrachte es als ein Vorrecht, für würdig erachtet worden zu sein, der Menschheit zu dienen und eine Stimme für die zu sein, die nicht für sich selbst sprechen können. Menschen zu sehen, die ihre Stimme nicht für die Wehrlosen erhoben oder nicht bereit waren zu helfen, tat weh, aber so viele hilfsbereite Menschen kennenzulernen, gab mir das Gefühl, reich


P E R S Ö N L I C H E S

Z E U G N I S

Von Blia Xiong, nacherzählt von Terri Saelee

Ich war ein

flüchtling

Der Weg einer Frau in die Freiheit

H

immel, hilf mir!“ schrie ich voller Verzweiflung mitten aus dem Mekong-Fluss zwischen Laos und Thailand. Die starke Strömung zog mich flussabwärts, wie ich glaubte in den sicheren Tod. Ich war daran gewöhnt zu fliehen. Ich kannte nichts anderes. Die Soldaten waren schon in unseren Dschungel gekommen, bevor ich geboren wurde, und als ich erst sieben Monate alt war, machten sich mein Vater und meine „jüngere Mutter“ – die zweite Frau meines Vaters – mit der Familie auf die Flucht vor dem Gewehrfeuer. So war ich daran gewöhnt, im Dschungel zu leben, mir irgendwie Essen zu besorgen und nur am Abend zu kochen, um nicht zur Zielscheibe zu werden. Doch auf den Kampf gegen die Strömung des Mekong bei Hochwasser zur Regenzeit war ich nicht vorbereitet, das wusste ich. Und auch die Familie, bei der ich war, und die mir half, weil meine Eltern gestorben waren, wusste es. Deshalb hatte sie mich und drei andere Kinder – eines war erst vier Jahre alt – mit einem Seil an einen Cousin von mir gebunden, der ein guter Schwimmer war. Als der Mond aufging, stiegen wir ins Wasser, um den Fluss zu überqueren. Wir benutzten Bambus als Schwimmwesten und schwammen den größten Teil der Nacht. Schließlich hörten wir einen Hahn krähen. Nun würde es bald hell werden. „Ich schneide das Seil durch“, sagte mein Cousin zu mir. Er hatte Angst, geschlagen zu werden, wenn man sah, dass er uns bei der Flucht half. Doch wie würde ich die Kinder allein über den Fluss nach Thailand bringen können? Als er das Seil durchschnitt, wirbelte die Strömung uns plötzlich herum und zog uns zurück nach Laos. In diesem Augenblick schrie ich zur höchsten Macht, die ich kannte, um Hilfe. Die Ältesten nannten sie den „Herrn des Himmels“ oder einfach „Himmel“. Sie sagten, dass er der Eine war, der alles erschaffen und uns das Leben gegeben hatte. Mein Volk, die Hmong, waren Animisten und beteten die Geister an. Doch manchmal riefen sie „Himmel“ um Hilfe an. Ich hatte seine Macht selbst erlebt. Er hatte mich als Kind vor dem Ertrinken bewahrt und später davor beschützt, von einer Kobra getötet zu werden. Als ich mich jetzt durch die wilde Strömung kämpfte, um das sichere Thailand zu erreichen, klammerte ich mich an die verzweifelte Hoffnung, dass dieser „Herr des Himmels“ mein Leben vielleicht erneut retten würde. „Himmel, bitte hilf uns!“

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Ein glücklicher Tag! Blia (2. von links) zwischen Tochter Panyia und Sohn Shoua am Tag ihrer Taufe. Danach gelang es uns irgendwie, uns wieder in Richtung Thailand zu drehen. Gemeinsam kämpften wir uns voran, erreichten das Flussufer und konnten uns an einigen Kletterpflanzen aufs Trockene ziehen. Wieder hatte „Himmel“ mein Leben gerettet! Das Leben als Flüchtling

Mit der Hilfe von anderen kamen wir schließlich in das Flüchtlingslager Ban Vinai, in dem etwa 50.000 Hmong-Flüchtlinge lebten. Eine Familie nahm mich auf, doch sie behandelte mich nicht gut und zwang mich schließlich zu heiraten. Mein Mann und ich hatten drei Kinder. Als ich sehr krank und schwach wurde, ließ er sich von mir scheiden. Wieder rief ich „Himmel“ um Hilfe an. Und wieder hörte er mich. Allmählich kam meine Kraft zurück, und ich konnte mich wieder um meine Kinder kümmern. Ein neuer Anfang

Im Rahmen eines Umsiedlungsprojekts für Hmong-Flüchtlinge führten die USA Interviews mit Bewohnern in unserem Flüchtlingslager. Meine Kinder und ich wurden angenommen und erhielten in Madison, im US-Bundesstaat Wisconsin, eine neue Heimat. Ich hatte immer noch ernste Gesundheitsprobleme, aber Mitglieder aus der Adventgemeinde an meinem neuen Wohnort, halfen mir und beteten für mich. Schließlich machte Gott mich wieder gesund, und ich begann, die Bibel zu studieren. Da fand ich heraus, dass der Herr des Himmels, der mein Leben gerettet hatte, noch bevor ich überhaupt seinen Namen kannte, in Wirklichkeit der Gott der Bibel und mein himmlischer Vater ist. Im Jahr 2006 wurden meine beiden älteren Kinder und ich getauft. Seither kann ich nicht von der Liebe und heilenden Kraft Gottes schweigen. Ich mag ein Flüchtling sein, doch ich bin keine Waise mehr. Ich bin erfüllt von Dankbarkeit für Gottes beständige Liebe. n

Blia Xiong und ihre Kinder leben nach wie vor in Madison. Terri Saelee ist Koordinatorin für den adventistische Flüchtlings- und Immigran­ tendienst in der Nordamerikanischen Division. f O T O

m i t

f r e u n d l i c h e r

e r l aub n i s

d e s

au t o r s


E L L E N

W H I T E

E N T D E C K E N

Von Ellen G. White

schwierigkeiten in der Gemeinde Kritiksucht und Entmutigung sind keine geistlichen Gaben

U

nser Denken sollte erhoben werden und sich mit den ewigen Bildern beschäftigen, mit dem Himmel, seinen Schätzen und seiner Herrlichkeit. Aus den Wahrheiten der Bibel sollten wir unsere selige Zufriedenheit empfangen. Wir sollten uns von den kostbaren Verheißungen nähren, die Gottes Wort uns gibt, und Trost aus ihnen ziehen … Aber wie völlig anders beschäftigen wir unser Denken! An allem wird herumgemäkelt! Die Gemeindeversammlungen sind so, wie sie abgehalten werden, für viele ein Fluch … Die künstlich fabrizierten Belastungen haben dazu geführt, dass alle sich frei fühlen, den anderen Negatives zu unterstellen. Eifersucht und Missgunst haben Nahrung erhalten. Hass hat geherrscht, aber sie haben es nicht bemerkt. Einige meinen fälschlicherweise, andere lieblos zurechtweisen und sie an ihrer Vorstellung von dem, was richtig ist, messen zu müssen. Sie verschonen niemanden, sondern bedrücken andere, machen ihnen das Leben schwer. Es wird zu leicht damit umgegangen, wenn ein Glaubensbruder gemaßregelt und verurteilt wird. Es herrscht ein Eifer für Gott, aber ohne Einsicht. Wenn bei den Zusammenkünften der Glaubensbrüder jeder sein eigenes Herz in Ordnung bringen würde, wären sie bereit zu einem Zeugnis, das aus einer übervollen Seele kommen würde, und die Menschen in ihrer Umgebung, die nicht an die Wahrheit glauben, wären bewegt. Der Geist Gottes würde zu ihren Herzen sprechen und ihnen sagen, dass ihr Kinder Gottes seid. Unsere Liebe zueinander sollte für alle sichtbar sein. Das wird sich bemerkbar machen und auswirken …

Liebe, nicht Selbstsucht

Jeder soll für sich damit beginnen. Seid eifrig und tut Buße, und wenn alle eure Schuld wieder gut gemacht ist, dann glaubt, dass Gott euch annimmt. Trauert nicht lange, sondern nehmt Gott beim Wort. Sucht ihn von ganzem Herzen und glaubt, dass er euch annimmt. Ein Teil dieser Aufgabe ist es, zu glauben. Der die Verheißung gegeben hat, ist treu. Streckt euch im Glauben empor. Die Glaubensbrüder … können von der Erlösung Gottes trinken. Sie können verständig handeln, und jeder kann für sich selbst etwas aus der Botschaft des treuen Zeugen an die Christen in Laodizea entnehmen. Die Gemeinde hat das Gefühl, dass sie am Boden liegt und weiß nicht, wie sie sich erheben kann. Einige haben vielleicht sehr gute Absichten; vielleicht bekennen sie; doch ich sah, dass sie mit Misstrauen betrachtet und auf bloße Gerüchte hin verdächtigt werden, bis sie keine Freiheit, keine Erlösung mehr haben. Sie wagen nicht aus den einfachen Gefühlen ihres Herzens heraus zu handeln, weil sie kontrolliert werden. Gott möchte, dass sein Volk ihn fürchtet und untereinander Vertrauen hat. Die Glaubensbrüder sollten liebevoll und mitfühlend miteinander umgehen. Gefühle sollten rücksichtsvoll behandelt werden. Die Schuld eines anderen anzusprechen ist das schönste und wichtigste Werk, das es in der Gemeinde überhaupt gibt. Ein Glaubensbruder sollte es mit tiefster Demut tun und dabei seine eigene Schwachheit bedenken, damit er nicht auch versucht wird. Ich habe das große Opfer gesehen, dass Jesu gebracht hat, um die Menschen

zu erlösen. Er war bereit, sein Leben zu geben. Und er sagte seinen Nachfolgern: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“ Fühlst du die Bereitschaft, dein Leben für einen Glaubensbruder zu geben, wenn du ihn einen Fehler begehen siehst? Wenn das der Fall ist, kannst du ihn ansprechen und sein Herz berühren, dann bist du gerade der Richtige, um diesen Glaubensbruder zu besuchen. Aber es ist eine bedauernswerte Tatsache, dass viele, die sagen, dass sie Glaubensbrüder sind, nicht einmal bereit sind, ihre Meinung oder ihr Urteil aufzugeben, um einen Glaubensbruder zu retten. Es gibt nur wenig Liebe füreinander. Ein selbstsüchtiger Geist herrscht vor. Entmutigung ist über die Gemeinde gekommen. Die Gemeindeglieder lieben die Welt, ihre Farmen, ihr Vieh etc. Jetzt ruft Jesus sie auf, loszulassen und einen Schatz im Himmel zu sammeln, Gold, weiße Kleider und Augensalbe zu kaufen. Das sind kostbare Schätze. Sie werden demjenigen, der sie besitzt, den Eingang in das Reich Gottes ermöglichen. n

Siebenten-Tags-Adventisten sind der Überzeugung, dass Ellen G. White (18271915) während ihres mehr als siebzigjäh­ rigen öffentlichen Wirkens die biblische Gabe der Prophetie ausübte. Diese Unterweisung wurde am 6. Juli 1857 in Ulysses, im US-Bundesstaat Pennsylvania gegeben und in den Testimonies for the Church festgehalten.1 1 Pacific Press Publishing Association, Mountain View, Kalifornien, 1948, Bd. 1, S. 164–166.

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G E L E B T E R

G L A U B E

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ie Zahl der Flüchtlinge hat heute weltweit eine beispiellose Höhe erreicht. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es nicht so viele Flüchtlinge gegeben. Dem Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen1 zufolge gab es 2011 10,4 Millionen Flüchtlinge weltweit; 2015 waren es 15,1 Millionen. Diese Zahlen schließen weder Asylsuchende noch Binnenvertriebene, Staatenlose, Umgesiedelte oder Rückkehrer ein. Würden diese Personen mitgerechnet, beliefe sich die Zahl auf annähernd 60 Millionen weltweit. Die Herausforderungen der Opfer sind überwältigend. Kinder, Jugendliche, Erwachsene und ältere Menschen werden durch Verfolgungen, Konflikte, Gewalt oder Verletzungen der Menschenrechte gewaltsam aus ihren Dörfern und Städten vertrieben. Auf ihrer Flucht werden sie immer wieder zur Zielscheibe von Gewalt, Erpressung, Raub und anderen Formen der Aggression. Besonders verletzbar sind die Kinder. Viele müssen Schreckliches mit ansehen oder verlieren ihre Eltern, Geschwister oder Freunde. Die Folge ist, dass sie schließlich bei entfernten Verwandten enden oder versuchen, auf eigene Faust zu überleben. Viele bleiben dem Risiko körperlichen, emotionalen oder sexuellen Missbrauchs ebenso ausgesetzt wie der Gefahr der Ausbeutung, oder sie werden zu Gewalthandlungen gezwungen – zum Beispiel als Kindersoldaten. Die Folgen traumatischer Erfahrungen

Die Auswirkungen solcher traumatischen Erlebnisse können sich über viele Jahre hinweg manifestieren, auch wenn die Bedrohung schon längst vorüber ist. Abhängig von Person und Umständen kann sich eine schwere psychische Störung, die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), entwickeln. Das US-amerikanische psychiatrische Klassifikationssystem DSM-52 besagt, dass Menschen mit PTBS von mindestens einem der folgenden traumatischen Ereignissen betroffen waren: ■■ Sie waren selbst Opfer von Angriffen oder Aggressionen. ■■ Sie waren direkte Zeugen von entsprechenden Handlungen gegen andere. ■■ Sie haben die Nachricht erhalten, dass ein Familienmitglied oder enger Freund Opfer eines Traumas war oder eines gewaltsamen Todes gestorben ist. ■■ Sie waren wiederholt traumatischen Erfahrungen anderer ausgesetzt. Dieses Kriterium trifft besonders auf Berufsgruppen wie Polizisten oder Feuerwehrleute zu, die oft mit den direkten Auswirkungen traumatischer Erlebnisse zu tun haben und deshalb ebenfalls eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln können. Wenn Menschen durch ein oder mehrere Ereignisse traumatisiert sind, erleben sie als Intrusion bezeichnete Symptome wie das Wiedererleben oder erneute Durchleben des traumatischen Ereignisses, quälende Erinnerungen, Albträume, Flashbacks, anhaltende psychische Belastung und physiologische Reaktionen. Wie man unterstützen kann

Wenn die genannten Symptome über einen Zeitraum von mehr als einem Monat fortwährend auftreten, kann es sein, dass es

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& Verlust Trauma

Der Alltag der Flüchtlinge

Von Julian Melgosa sich um eine posttraumatische Belastungsstörung handelt und die betroffenen Personen professionelle Hilfe brauchen. Selbst wenn die Störung keine klinischen Ausmaße hat, leiden die Betroffenen sehr und bauchen die Unterstützung fürsorglicher, liebevoller Mitmenschen. Hier sind einige Vorschläge, wie man Flüchtlingen oder Vertriebenen helfen kann: ■■ Man kann sie über die Anzeichen und Symptome informieren, die traumatische Erlebnisse hervorrufen, und eine hoffnungsvolle Vision vermitteln. Das gibt ihnen die Sicherheit, dass ihr Problem nichts Unbekanntes ist, dass auch andere darunter leiden und dass es einen Ausweg gibt. ■■ Es ist gut, in kleinen Gruppen zu arbeiten, besonders mit Kindern. Fünf oder sechs Kinder zusammenzubringen, um ihnen die Gelegenheit zu geben, über ihre Erlebnisse zu reden, und ihnen zu helfen gute Gedanken und Verhaltensweisen zu erlernen, hat sich im Bereich der Schule und des Gemeinwesens schon oft als erfolgreich erwiesen. ■■ Wichtig ist, ihnen zu helfen, ein Grundvertrauen zu entwickeln. Die meisten vertrauen nach den schrecklichen Dingen, die sie erlebt haben, niemandem mehr. Ein fürsorglicher Christ kann Mitgefühl zeigen und praktische Hilfe anbieten und so allmählich helfen, Vertrauen aufzubauen. ■■ Darüber hinaus sind Bildungsmöglichkeiten, die Gegenwart von Familienmitgliedern, Arbeit, kulturelle Eigenarten und Traf O T O :

B au d ou i n

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ditionen aus der ehemaligen Heimat, Sport und andere körperliche Aktivitäten sowie der Zugang zu medizinischer Versorgung und psychologischer Betreuung wichtig. Je mehr dieser Angebote zur Verfügung stehen, umso besser, denn die Fakten belegen, dass sie zur Heilung beitragen. ■■ Auch religiöse Erfahrungen helfen. Eine Langzeitstudie von R. F. Mollica3 ergab, dass die Wahrscheinlichkeit, die Merkmale einer posttraumatischen Belastungsstörung aufzuweisen, bei Flüchtlingen, die in religiösen Aktivitäten eingebunden waren, um ein Drittel geringer war, Zu Herzen gehende Gebete und das Aufsagen von ermuals bei denjenigen, bei denen das nicht der Fall war. Das bietet aktiven tigenden Bibelversen sind großartige Mittel, um den Gemeindegliedern eine gute Gelegenheit, sich mit Flüchtlingen anSchmerz von Menschen, die ihre Wurzeln verloren haben, zufreunden, für sie zu beten und ihnen Gottes Verheißungen weiterzu lindern. Hier sind einige Beispiele: zugeben, von denen wir einige im Kasten zusammengestellt haben. ■■ Auch die Möglichkeit zur künstlerischen Betätigung zu bieten „Da schrien sie zum HERRN um Hilfe in ihrer Not: aus ist positiv, denn sie ist eine Art der Therapie. Über die traumatischen Erlebnisse zu reden – was eine besonders gute Möglichkeit ihren Bedrängnissen rettete er sie. Er führte sie heraus aus zur emotionalen Heilung wäre – ist den Betroffenen aufgrund Dunkel und Finsternis, er zerriss ihre Fesseln.“ innerer Blockaden oder sprachlicher und kultureller Barrieren Psalm 107,13–14 EB oft nicht möglich. Musik, Malerei oder Töpfern kann den Opfern eine Möglichkeit bieten, ihre Erfahrungen mitzuteilen „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem und zu verarbeiten. Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem ■■ Eine weitere Hilfe ist es, die Menschen mit SelbsthilfestraHERRN: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf tegien auszurüsten. Das kann zum Beispiel durch kompetenden ich hoffe.“ te Psychologen, Therapeuten, Seelsorger oder Sozialarbeiter Psalm 91,1–2 geschehen. Wenn solche Spezialisten jedoch nicht zur Verfügung stehen, können auch einfühlsame, vernünftige und „Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und Zuflucht wirst zugleich herzensgute Personen, die praktischen Kompetendu haben unter seinen Flügeln. Seine Wahrheit ist Schirm und zen und sogar anwendbare Verhaltens- und Denkmuster Schild, dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der weitergeben, die Flüchtlingen helfen, mit ihren HerausforNacht, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen, vor der Pest, die im derungen umzugehen. Einem Menschen in seinen schwierigen Lebensumständen ganz einfach und praktisch Liebe Finstern schleicht, vor der Seuche, die am Mittag Verderben entgegenzubringen, kann sich unter Umständen als die bringt.“ wirksamste Hilfe erweisen. Psalm 81,4–6 Gott erwartet von uns, dass wir uns um Flüchtlinge kümmern und unsere Mittel geben, um ihnen zu helfen. „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin (3 Mo 19,34; Jes 58,6–11) Lasst uns mit Flüchtlingen dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch ebenso barmherzig umgehen, wie wir uns Gottes Barmdie rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ Jesaja 41,10 herzigkeit für uns selbst wünschen. n „Als ich den HERRN suchte, antwortete er mir und errettete mich aus aller meiner Furcht.“ 1 Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Mid-Year Trends 2015, Genf, Schweiz. Psalm 34,5

Bibeltexte

zum Weitergeben

2 American Psychiatric Association (amerikanische psychiatrische Gesellschaft), Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, fünfte Auflage (DSM-5), Washington, D.C., 2013. 3 R. F. Mollica, X. Cui, K. McInnes und M. P. Massagli, „Science-based Policy for Psychosocial Interventions in Refugee Camps: A Cambodian Example“, Journal of Nervous and Mental Disease 190, Nr. 3, 2002, 158–166.

Julian Melgosa, Ph.D., gebürtiger

Spanier, ist ein stellvertretender Leiter der Erziehungsabteilung der Generalkon­ ferenz und ein Redakteur der Zeitschrift The Journal of Adventist Education (international editions).

„Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir, weil der HERR mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen; zu verkündigen ein gnädiges Jahr des HERRN und einen Tag der Vergeltung unsres Gottes, zu trösten alle Trauernden, zu schaffen den Trauernden zu Zion.“ Jesaja 61,1–3

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S O N D E RT H E M A

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or Kurzem verbrachte ich drei Wochen im Nahen Osten. Als ich an meinem letzten Abend in Istanbul auf dem Weg ins Hotel war, sah ich eine kleine Gestalt in der Dunkelheit. Ein kleiner Junge saß auf dem Gehweg, mit angezogenen Beinen an einer Mauer gelehnt. Er selbst saß im Schatten, doch die zwei kleinen Päckchen Papiertaschentücher, die er verkaufte, waren so platziert, dass sie im Licht der Straßenlaternen zu sehen waren. In Istanbul verkaufen viele Flüchtlingskinder Papiertaschentücher an die Passanten. Doch dieser kleine Junge

flüchtlings- Die am meisten gefährdeten Opfer für fiel mir auf, und ich hielt an. Als ich mich neben ihm niederkniete, sah ich Tränen in seinen Augen. Er war vielleicht sieben oder acht Jahre alt und offensichtlich sehr traurig. Ich schaute in sein tränenverschmiertes Gesicht und hätte ihn so gerne getröstet. Ich spreche kein Arabisch und wusste, dass er kein Englisch sprach, doch ich wollte ihm mein Mitgefühl vermitteln. Ich hoffte, er würde das auch ohne Worte verstehen. So nahm ich 20 Lira heraus, gab sie ihm und nahm eins der Taschentuchpäckchen. Da der normale Preis für solch ein Päckchen bei einer Lira liegt, hoffte ich, dass ich ihm damit ein Lächeln entlocken könnte. Doch er lächelte nicht. Sein Kummer war viel zu groß, als dass er mich ein paar Liras hätte gelindert werden können. Mit seiner kleinen Hand schlug er einige Male auf die Stelle gerade oberhalb seines Herzens. Eine Freundin, die mich begleitete, erklärte mir, was das bedeutete: „Vielen, vielen Dank!“ Doch der kleine Junge lächelte immer noch nicht, und es gelang mir nicht, ihn zu trösten. Ich legte meine Hand auf sein Knie und betete für ihn. Ich bat Gott, seine Seele zu heilen und für ihn und seine Familie zu sorgen. Ich hoffte, dass er eine Familie hatte. Immense Bedürfnisse

Die Nöte der Flüchtlingskinder sind enorm. Sie mussten nicht nur ihr Zuhause verlassen und fliehen, die meisten haben außerdem viel Gewalt erfahren und sind traumatisiert. In der Psychologie wird ein Trauma als ein Ereignis definiert, das die normalen Belastungsgrenzen eines Menschen sprengt. Unter Flüchtlingen ist Traumatisierung jedoch etwas Normales. Laut Judith Herman, Trauma-Expertin an der Harvard Medical School, ist ein Ereignis nicht deshalb traumatisch, weil es selten vorkommt, sondern weil es unsere normale Fähigkeit, es zu verarbeiten, übersteigt. Ein

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Von L. Ann Hamel

traumatisches Ereignis kann alles sein, was eine Bedrohung unseres Lebens darstellt. Dave Ziegler, ein klinischer Psychologe, der geschädigte Kinder und Familien behandelt, erklärt, dass alles, was die optimale Entwicklung eines Kindes stört, als eine Art der Traumatisierung definiert werden kann. Ziegler zufolge wird Vernachlässigung als eine der tiefgreifendsten, die Entwicklung eines Kindes am nachhaltigsten beeinträchtigenden Traumatisierungen betrachtet. Den meisten Flüchtlingskindern fehlt es an den emotionalen und körperlichen Ressourcen für eine gesunde Entwicklung. Die Folgen wirken sich oft bis weit ins Erwachsenenalter aus. Donald Meichenbaum, einer der Begründer der kognitiven Verhaltenstherapie und Autor des Buches A Practitioner’s Guidebook: Treating Adults With Post-traumatic Stress Disorder, betont, dass 50 Prozent der Menschen mit psychischen Problemen in ihrer Vergangenheit Opfer eines traumatischen Ereignisses wurden. Bis zu 85 Prozent von Patienten mit schweren Krankheitsbildern wie Schizophrenie oder bipolarer Störung berichten von Missbrauch oder anderer Traumatisierung in ihrer Vergangenheit. Neueste Forschungsergebnisse besagen, dass schwerer, chronischer Stress dazu führen kann, dass Körpersysteme entzündliche Reaktionen hervorrufen, die Krankheiten verursachen. Die größte Studie im Gesundheitswesen, die je über die Auswirkungen von Kindheitstraumata auf die Entwicklung chronischer Erkrankunf O T O :

A DR A


gen durchgeführt wurde1, hat ergeben, dass die Erfahrung von Traumata in der Kindheit das Risiko, im Erwachsenenalter seelische oder körperliche Gesundheitsprobleme zu entwickeln, erheblich erhöht. Untersuchungen im Bereich der Auswirkungen von traumatisierenden Erlebnissen, weisen nach, dass toxischer Stress die physische Entwicklung des Gehirns eines Kindes beeinträchtigen kann. Wenn das Gehirn eines Kindes mit Stresshormonen überlastet ist, schwächt das die Lernfähigkeit des Kindes in der Schule und die Fähigkeit, Vertrauensbeziehungen zu Erwachsenen und Gleichaltrigen zu entwickeln.

kinder Trauma und Verlust Kinder sind verletzlich

Die Verletzlichkeit von Flüchtlingskindern weckte im Sep­ tember letzten Jahres die Aufmerksamkeit der Medien, als ein dreijähriges Kleinkind bei dem Versuch seiner Familie, von der Türkei über das Mittelmeer in den Westen zu gelangen, ertrank. Wir alle waren von dem Bild des kleinen Jungen berührt, der mit seinem roten T-Shirt, blauen Shorts und Turn­ schuhen mit dem Gesicht nach unten im Sand lag. Wenige Wochen nachdem seine Leiche an den Strand gespült worden war, war ich im türkischen Bodrum, wo andere Familien Urlaub machten, deren Kinder im Sand spielten. Ich sah Geschäfte, die Rettungswesten an Flüchtlinge verkauften, die besondere Vorsichtsmaßnahmen für die gefährliche Überfahrt über das Mittelmehr in ein sichereres Leben treffen wollten. Ist es möglich, dass wir das Bild dieses kleinen dreijährigen Jungen vergessen? Oder seinen fünfjährigen Bruder, der in derselben verhängnisvollen Nacht ertrank? Die Bedürfnisse erfüllen

Das erste und wichtigste, was Flüchtlingskinder brauchen, ist ein Gefühl der Sicherheit. Die Familie, deren Kinder vor der Küste bei Bodrum starben, floh aus einem Land, in dem sie nicht willkommen und ihr Leben in Gefahr war. Sie hatten so wenige Alternativen, dass sie sich entschieden, in ein anderes Land zu fliehen, in dem sie ebenfalls nicht willkommen waren, ein Land, das ihnen nur befristetes Asyl gewährte. Die Hoffnung auf ein befristetes Asyl war für sie genug, um das hohe Risiko auf sich zu nehmen, im Schutz der Dunkelheit in ein viel zu kleines Boot zu steigen und die unsichere Überfahrt über das Meer zu wagen. Sicherheit ist die erste und wichtigste Erwägung, wenn es darum

geht, die Bedürfnisse von Flüchtlingskindern und ihren Familien zu erfüllen. Hinzu kommt, dass die Flüchtlinge oft um das Allernotwendigste an Nahrung und Unterkunft kämpfen müssen. Ohne die Hilfe anderer, wäre die überwiegende Mehrheit dieser Familien nicht in der Lage, für ihre eigenen elementarsten Grundbedürfnisse des täglichen Lebens oder die ihrer Kinder zu sorgen. Traumatologen wissen, dass Kinder, denen die physischen und emotionalen Ressourcen für eine gesunde Entwicklung fehlen, in der Gefahr stehen, langfristig körperliche und seelische Gesundheitsprobleme zu entwickeln. Flüchtlingskinder brauchen auch Kontakt mit Menschen, die sie lieben, sich um sie kümmern und Verständnis für ihre Erfahrungen haben. So wie Traumatologen herausgefunden haben, dass Traumata das Gehirn tatsächlich verändern, haben sie auch entdeckt, dass eine Sicherheit vermittelnde Bindung sich auf die physische Struktur des Gehirns, die neuronalen Schaltkreise, auswirkt, die die Grundlage für die spätere Entwicklung und emotionale Belastbarkeit bilden. Der Kontakt zu einer Bezugsperson schützt vor den Auswirkungen eines Traumas und verringert die negativen Effekte.2 Ein besonderer Schwerpunkt sollte deshalb auf die Unterstützung von Flüchtlingsfamilien und Wohngemeinschaften gelegt werden. Sie brauchen das Gefühl, zu einer größeren Gemeinschaft zu gehören. Soziale Unterstützung ist der Faktor, der den größten Einfluss auf das Verarbeiten von traumatischen Erlebnissen und Katastrophen hat.3 Flüchtlingskinder brauchen außerdem ein Gefühl der Stabilität in ihrem Leben. Sie müssen so weit wie möglich zu einem berechenbaren Alltag zurückkehren können. Für Flüchtlingskinder, die das Glück haben, in eine Schule gehen zu können, bietet der Schulbesuch solch ein Gefühl der Sicherheit. Viele von uns haben keine Möglichkeit, mit Flüchtlingen zu arbeiten, aber wir können alle helfen, durch Gaben und Spenden für ihre Grundbedürfnisse zu sorgen. Durch unsere Einstellung und unsere Gebete können wir in den Kulturen, in denen wir leben, außerdem eine Umgebung der Sicherheit und Annahme schaffen. Jesus sagte: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) n 1 Adverse Childhood Experience Study oder ACE Study. 2 Center of the Developing Child, Harvard University. 3 George Everly, Johns Hopkins School of Public Health.

L. Ann Hamel, Ph.D., D.Min., ist klinische Psycholo­

gin in Berrien Springs, im US-Bundesstaat Michigan. Sie ist ausgewiesene Expertin im Bereich posttrau­ matischer Stress (board-certified expert in traumatic stress) und eine Gastdozentin an der American Academy of Experts in Traumatic Stress. Bei der Generalkonferenz arbeitet sie in der Krisenin­ tervention und in der Betreuung und Unterstützung von Missionaren.

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F R A G E N

Z U R

B I B E L

Ein

Welchen Zweck hatten die Freistädte im Alten Testament?

Zufluchtsort

Aus den Städten der Leviten wurden Freistädte als Zufluchtsorte für Menschen ausgewählt, die versehentlich oder nicht vorsätzlich jemanden getötet hatten. Durch die priesterliche Struktur standen sie unter dem Schutz Gottes. Es gab sechs solcher Städte an zentralen Orten in ganz Israel. So konnten tatverdächtige Mörder Zuflucht finden, bis ihr Fall geprüft und das Urteil gefällt wurde. (5 Mo 19,2–4: 4 Mo 35,23–24) Ich werde die Gesetzgebung untersuchen, um dann die grundlegenden darin enthaltenen Prinzipien und Werte zu kommentieren. 1. Die Rolle des Bluträchers (Go’el) wurde beschränkt: Eine der Aufgaben, die einem nahen Verwandten einer getöteten Person (Hebr. go’el, „Löser“ oder „Erlöser“) zukam, bestand darin, die Ordnung in der Gesellschaft wieder herzustellen. Das geschah durch die Tötung des Mörders. So war es im Vorderen Orient in der Antike allgemein üblich. Häufig tötete der Rächer aus Rache wahllos mehrere Mitglieder des anderen Stammes. Die Freistädte dienten dazu, solche Racheakte einzudämmen, weil gefordert wurde, dass die Mordanklage in einem Gerichtsverfahren vorgebracht werden musste, damit die Indizien geprüft und eine finale Entscheidung getroffen werden konnte. Wenn die angeklagte Person für schuldig befunden wurde, fungierte der Löser oder Bluträcher als Vollstrecker der Strafe, indem er den Mörder tötete. Anders ausgedrückt: Die Rolle des Bluträchers wurde der Rechtsprechung des Zivilrechts unterstellt. (4 Mo 35,12) 2. Eine wichtige rechtliche Unterscheidung wurde eingeführt: Durch die Gründung von Freistädten wurde eine wichtige rechtliche Unterscheidung zwischen vorsätzlichem Mord und unbeabsichtigter Tötung eingeführt. Das Gericht hatte die Verpflichtung, alles zu untersuchen, was mit der Tat zu tun hatte, wie zum Beispiel die Tatwaffe, die Gemütsverfassung während der Tat, die Beziehung zwischen Opfer und Täter vor der Tat und den Tathergang, zum Beispiel, ob die Person von einer Anhöhe gestoßen oder von einer Axt am Kopf getroffen wurde, die sich vom Stiel gelöst hatte. (vgl. 4 Mo 35,16–23; 5 Mo 19,4–5) Die Verantwortung der „Gemeinde“ war es, zu „richten zwischen dem, der geschlagen hat, und dem Bluträcher nach diesen Rechtsordnungen“. (4 Mo 35,24) Wenn die Gemeinde zu dem Schluss kam, dass die Tötung ohne Vorsatz geschah, war es ihre Verantwortung,

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„den Totschläger [zu] erretten aus der Hand des Bluträchers und soll ihn zurückbringen lassen zu der Freistadt, dahin er geflohen war“. (V. 25) Das deutet darauf hin, dass es Begleitpersonen gab, die die Leute auf dem Weg zu den Freistädten beschützten. 3. Es wurde sich mit dem Vergießen von unschuldigem Blut auseinandergesetzt: Das Vergießen von unschuldigem Blut wirkte sich nicht nur negativ auf das soziale und geistliche Leben des Volkes aus, es verunreinigte auch das Land, auf das das Blut floss. Wenn die Situation nicht geklärt würde, würde Gott, der Eigentümer des Landes, sich davon zurückziehen. Das Leben war zu kostbar; die einzige Möglichkeit, das Land wieder zu reinigen, bestand darin, den Mörder zu exekutieren (4 Mo 35,33–34) Die Todesstrafe bekräftigt den Wert des Lebens, indem sie das Leben des Mörders fordert. Deshalb gab es den Bluträcher. Doch durch die Freistädte wurde seine Rolle eingeschränkt, indem sie verhinderten, dass jemand für eine Tötung hingerichtet wurde, die er nicht vorsätzlich begangen hatte und somit kein unschuldiges Blut vergossen wurde (5 Mo 19,10). Diese Menschen fanden Zuflucht im Herrn und waren unantastbar, solange sie sich in der Freistadt aufhielten. Nur wenn sie ihre Zufluchtsstätte verließen, konnte der Bluträcher sie töten (4 Mo 35,26–27). 4. Die Bedeutung des Gesetzes: Das wichtigste Detail in der Rechtsprechung ist vielleicht, dass die betreffende Person bis zum Tod des Hohepriesters in der Stadt bleiben musste (4 Mo 35,25– 28). Daraus folgt, dass es immer eine sehr ernste Angelegenheit ist, wenn ein Mensch getötet wird. Selbst wenn im Fall eines unbeabsichtigten Totschlags die Todesstrafe nicht erforderlich ist, muss dennoch Wiedergutmachung für das Verbrechen erfolgen. Der Tod des Hohepriesters wird als Tod dessen gerechnet, der den versehentlichen Totschlag begangen hat. Dadurch wurde es für den Totschläger wieder möglich, nach Hause zurückzukehren. Der christliche Bedeutungsinhalt ist klar: Obwohl wir schuldig im Sinne der Anklage sind, finden wir in Christus unsere „Zufluchtsstätte“, der „Bluträcher“ ist unser Erlöser geworden und anstatt uns zu bestrafen, stirbt er für uns. Sein Tod macht es uns möglich, nach Hause zu kommen. n

Angel Manuel Rodríguez wirkte als Pastor, Professor und Theologe, bevor er in den Ruhestand ging.


B I B E L S T U D I U M

Gib niemals auf W

Von Mark A. Finley

arst du schon einmal kurz davor, aufzugeben? Sind dir die Herausforderungen des Lebens schon einmal zu viel geworden? Hast du schon einmal das Gefühl gehabt, dass deine Probleme so groß waren, dass du sie nicht mehr bewältigen konntest? Wenn du dich schon einmal so gefühlt hast, kannst du dich mit der armen Witwe in unserem heutigen Bibelstudium identifizieren. Mitten in ihrem Kummer hielt diese namenlose Frau sich an einem Hoffnungsschimmer fest, und Gott wirkte ein unglaubliches Wunder in ihrem Leben. Die Herausforderung, vor der sie stand, wurde für Gott zu einer Gelegenheit, sich mächtig für sie einzusetzen. Ihre Schwierigkeiten, die sich wie ein Berg vor ihr auftürmten, waren nicht zu schwierig für Gott, denn bei Gott „sind alle Dinge möglich“. (Mt 19,26)

1 Welche drei Herausforderungen der armen Witwe werden in 2. Könige 4,1 geschildert? Diese Frau hatte wirklich Probleme! Ihr Mann war gestorben, ihre Schulden waren erdrückend und ihre Gläubiger drohten, ihre Kinder als Schuldsklaven zu verkaufen, um ihre Schulden zu begleichen. Ihr Kummer und ihre Angst müssen unerträglich gewesen sein. Die gute Nachricht ist jedoch, dass Gott unseren Kummer sieht. Er lässt uns in unseren Schwierigkeiten nicht allein (siehe Jes 63,9; Mt 11,28–30; Hbr 7,25).

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Versuche dir vorzustellen, wie du dich fühlen würdest, wenn du an der Stelle der Frau wärst und schreibe einige Gefühle auf, die du in ihrer Situation vielleicht haben würdest.

mit dem, was du hast. Vertraue Gott und du wirst sehen, wie er in deinem Leben Wunder wirkt.

4 Warum, meinst du, forderte Elisa die Frau in 2. Könige 4,3 auf: „Geh hin und erbitte draußen von allen deinen Nachbarinnen leere Gefäße, aber nicht zu wenig“? Gott fordert uns oft auf, aktiv zu werden, um unseren Glauben zum Ausdruck zu bringen. Wenn wir im Glauben handeln, ist für ihn der Weg offen, kraftvoll in unserem Leben zu wirken.

5 Warum, meinst du, sagte der Prophet der Witwe und ihren Söhnen in 2. Könige 4,4, dass sie hinter verschlossenen Türen das Öl in die vorhandenen Gefäße gießen sollten? Vielleicht haben wir hier einen Hinweis darauf, dass Gott sich auch um Details kümmert. Vielleicht wollte er sie vor Dieben schützen. Oder er wollte, dass sie sich über Gottes Segen freuen und ihn preisen konnten, ohne von den Nachbarn unterbrochen zu werden.

6 Was sagt diese Geschichte über die Güte und Größe Gottes aus? Was sagt sie darüber, wie Gott für die sorgt, die in ihrem Leben vor großen Herausforderungen stehen? Vergleiche 2. Könige 4,6–7 mit der Einladung, die Jesus in Matthäus 11,28–30 ausspricht, und mit Hebräer 4,14–16.

Welche Frage stellte der Prophet Elisa ihr in 2. Könige 4,2 und warum war diese Frage von Bedeutung?

7 Welche Bedeutung haben diese und ähnliche Geschichten für Menschen, die in der Endzeit leben und darauf warten, dass Jesus wiederkommt? Matthäus 25,31–40; Micha 7,8 und Jakobus 1,7.

Es gibt ein ewiges Prinzip: Gott beginnt in seinem Handeln immer mit dem, was wir haben, nicht mit dem, was wir nicht haben. Elisas Frage zielte darauf ab, der Frau bewusst zu machen, dass das Wenige, was sie hatte, zusammen mit ihrem Glauben das war, was Gott gebrauchen wollte, um seine Kraft auf übernatürliche Weise zu manifestieren. Als Mose sich unfähig fühlte, die Israeliten aus der Knechtschaft der Ägypter zu befreien, fragte Gott ihn: „Was hast du da in deiner Hand?“ (2 Mo 4,2) Anders ausgedrückt: Was hast du? Im Fall von Mose war es ein einfacher Stab. Als Jesus 5000 Menschen auf einem Hügel in Galiläa zu essen gab, gebrauchte er das Mittagessen eines kleinen Jungen. Bei Jesus ist wenig viel. Beginne

Unser Bibelstudium enthüllt drei ewige, lebensverändernde Erkenntnisse. Erstens: Die größten Herausforderungen und Probleme sind Gelegenheiten für Gott, Ungewöhnliches zu tun und Wunder zu wirken. Zweitens: Gott vergisst uns in Zeiten größter Not nicht. Er ist mitten in unseren Prüfungen bei uns, um uns zu ermutigen, zu unterstützen und zu stärken. Drittens: Menschen, die in der Endzeit leben, sind wie Elisa aufgerufen, für die Armen da zu sein, für die Außenseiter und Randgruppen der Gesellschaft. Unser Glaube hat nur wenig Wert, wenn er uns nicht verändert und uns nicht mitfühlender, verständnisvoller, freundlicher und bereiter macht, Menschen in Not zu helfen. Möge er das für jeden von uns bewirken. n

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f o t o :

E r e t z

Is r a e l

M us e um

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LESERFORUM

Flucht vor Gefahr, Die gegenwärtige Flücht­ lingskrise ist die schlimmste, seit dem Völkermord in Ruanda vor über 20 Jahren. Millionen von Menschen in Dutzenden Ländern im Na­ hen Osten und Europa sind betroffen. Kriminalität und Gewalt sind in Lateinamerika ebenso ein Problem wie im Nahen Osten. Organisiertes Verbre­ chen, illegale Drogen und korrupte Gesetzeshüter be­ einträchtigen das Leben von Millionen von Menschen. Bei ganz normalen Alltags­ aktivitäten wie zur Schule, Arbeit oder einkaufen gehen, sind die Menschen in Ge­ fahr, entführt, verkauft oder ermordet zu werden. Kein Wunder, dass die Menschen verzweifelt versuchen, in Länder wie Kanada und die USA auszuwandern, wo die Bedrohung durch Gewalt viel geringer ist und ihre Kinder in Sicherheit aufwachsen können..

Länder, in denen Asyl­ suchende eine Heimat zu finden hoffen: Lateinamerikanische Länder mit den höchsten Gewalt- und Kriminalitätsraten:

Quelle: CNN

BraSilien

österreich Dänemark frankreich deutschland

El Salvador

Jordanien

griechenland

Honduras

Libanon

Italien

Mexiko

Libyen

Schweden

Venezuela

Türkei

grossbritannien

Definitionen Unterschiedliche Begriffe bedeuten verschiedene Dinge. Bei einer so komplexen Angelegenheit wie der Migration ist es – besonders in unserer heutigen hoch politisierten Kultur – wichtig, die korrekten Begriffe zu verwenden, wenn man von Menschen und ihrem Status spricht. Adventist World | Juni 2016

Länder, in denen sich zurzeit die meisten Asylsuchenden aufhalten: ungarn

kolombien

Einige

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hoffnung auf

Asylwerber oder Asylsuchende sind Personen, die sagen, dass sie Flücht­ linge sind, über deren Anspruch auf Asyl jedoch noch nicht endgültig entschieden wurde. Im Durchschnitt beantragen etwa eine Million Menschen jedes Jahr Asyl für sich. Mitte 2014 gab es mehr als 1,2 Millio­ nen Asylsuchende. Binnenflüchtlinge oder Binnenvertriebene gehören zu den gefährdets­ ten Menschen in unserer Welt. Im Gegen­ satz zu Flüchtlingen, haben Binnenflüchtlin­ ge keine internationale Grenze überquert, um sich in Sicherheit zu bringen, sondern

sind in ihrem Heimatland geblieben. Selbst wenn sie aus ähnlichen Gründen geflohen sind wie Flüchtlinge – bewaffnete Konflikte, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen – bleiben Binnenflüchtlinge rechtlich unter dem Schutz ihrer eigenen Regierung – selbst wenn sie womöglich die Ursache für die Flucht ist. Flüchtlinge müssen wegziehen, um ihr Leben zu retten oder ihre Freiheit zu be­ wahren. Sie haben keinen Schutz von ihrem eigenen Staat; oft ist es sogar die eigene Regierung, durch die sie bedroht oder ver­ folgt werden. Wenn andere Länder sie nicht


freiheit

engagiere dich IN DER GEMEINSCHAFT Unsere Welt ist ein globales Dorf. So muss man nicht sehr weit gehen, bis man Menschen trifft, die versuchen, sich in einer Umgebung einzuleben, deren Sprache und Kultur sie nicht kennen, und in der sie die ihnen offenstehenden Möglichkeiten nicht kennen. Hier sind eini­ ge Vorschläge, wie man Kontakt mit ihnen aufnehmen und Lösungen anbieten kann: Engagiere dich in einer Sprachschule. Wenn es in deinem Wohnort oder deiner Umgebung noch keine gibt, kannst du eine gründen. Wenn es bereits eine Orga-

nisation gibt, die eine betreibt, kannst du ehrenamtlich mitarbeiten. Denke daran, dass solche Schulen nicht nur für Kinder wichtig sind, auch Erwachsene brauchen oft Hilfe beim Erlernen der Sprache. V erteile Nahrungsmittelspenden. Verbreite Informationsflyer in der Sprache der Menschen, die du erreichen möchtest. Biete Nahrungsmittel an, die sie kennen. Wieder gilt, dass du dich auch bei einer womöglich bereits bestehenden Lebensmit­ telausgabe beteiligen oder sie mit Spenden unterstützen kannst. Spende gut erhaltene Möbel. Die Menschen kommen oft nur mit der Kleidung, die sie anhaben, in ihrer neuen Heimat an. Sie haben nicht viel Geld, um eine

Wohnung einzurichten. Die neuen Einwohner brauchen Tische, Stühle, Matratzen und Betten in gutem Zustand. Achte darauf, dass die Wohlfahrtsabteilung deiner Adventge­ meinde immer genügend Gebrauchtmöbel zur Verfügung hat oder dass sie Kontakte hat, über die sie gute Gebrauchtmöbel bekommen kann. Habe einen Vorrat an religiöser Literatur. Menschen, die entwurzelt wurden, sind

Länder, aus denen die meisten Menschen stammen, die vor Gewalt und Unterdrückung fliehen: Afghanistan Eritrea Irak

oft für geistliche Ansprache und Förderung offen. Attraktive Broschüren in der Mut­

tersprache der Betreffenden, die Informationen über deine Gemeinde, Gottesdiens­ te und weitere Veranstaltungen und Kontaktdaten enthalten, sind praktisch.

IN DER SCHULE Wenn es in deiner Gemeinde eine Gemeindeschule gibt (Grundschule, Internatsschule oder College), gibt es viele Möglichkeiten, auf Immigranten zuzugehen und sie willkommen zu heißen. Probiert aus den folgenden Vorschlägen eine Aktivität aus, die altersgemäß ist: eranstaltet einen Fitness-Tag. Bereitet Stände vor, an denen man zum Beispiel ge­ V wogen werden, den Blutdruck messen lassen oder die Gelenkigkeit prüfen kann und einiges anderes mehr. Es können auch Wettrennen und Rallyes durchgeführt und ein paar gesunde Snacks angeboten werden.

Syrien

aufnehmen und unterstützen, verurteilen sie sie womöglich zum Tod oder zu einem unerträglichen Leben im Untergrund ohne Lebensunterhalt und ohne Rechte. Der Begriff Staatenlose bezieht sich auf Menschen, die von keinem Land als Staatsangehörige anerkannt werden. In Dutzenden von Ländern weltweit leben mindestens zehn Millionen staatenlose Menschen. Zur Staatenlosigkeit kommt es, wenn bestimmte Volksgruppen diskriminiert oder Grenzen neu gezogen werden und weil es Lücken in nationalen Gesetzen gibt. Quelle: UN-Flüchtlingshochkommissariat

R ichtet ein Kunst- und Handarbeitsfestival aus. Verteilt in der ganzen Nachbarschaft mehrsprachige Einladungszettel und setzt in verschiedenen Kategorien wie zum Bei­ spiel Töpfern, Wasserfarben, Malerei, Nähen etc. Preise aus. Veranstaltet einen Talenteabend in eurer Nachbarschaft. Bittet ortsansässige Ge­

schäftsleute, im Gegenzug für die Möglichkeit, ihr Unternehmen zu bewerben, Preise zu stiften. Stellt sicher, dass das Programm gut organisiert und multiethnisch ist.

Organisiert ein eintägiges Fußballturnier, bei dem es auch Erfrischungen gibt.

Diese und andere Ideen basieren auf dem Gedanken, dass die Allgemeinheit aktiv wird. Richte eine Kartei ein, in der du die Leute festhältst, die mitmachen, damit du sie über weite­ re Veranstaltungen und Unternehmungen informieren kannst. Wenn eure Schule erst einmal als ein Ort bekannt ist, an dem Immigranten und Flüchtlinge freundlich behandelt werden, baut das Glaubwürdigkeit auf. Euer Erfolg hängt von guter Werbung ab. Experimentiert, habt Spaß und spiegelt die Werte des Reiches Gottes in allem, was ihr tut, wider.

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LESERFORUM

Wo in aller

Welt ist das? J u l i e n

Ha r n e i s

an die spitze Die heutige Situation für Migranten oder Flüchtlinge wird durch die Tatsa­ che verkompliziert, dass viele, die vor der Gewalt in einigen Teilen der Welt fliehen, keine Christen sind und von vielen verdächtigt werden, Verbindun­ gen zum Terrorismus zu haben. Diese Vorstellung ist unrichtig und muss zurückgewiesen werden. Tatsache ist, dass die meisten Flüchtlinge ihr Leben riskiert haben, um in Länder zu gelangen, in denen sie ihre Kinder in Frieden großziehen können. Adventisten sollten mitreden, wenn es darum geht, Orte für Menschen anderer Religionen, Rassen und Philo­ sophien bereitzustellen, damit sie Si­

ANTWORT: In der Demokratischen Republik Kongo fliehen Menschen nach Feuergefechten zwischen Regierungssoldaten und Rebellen aus ihren Dörfern.

cherheit finden können. Sucht Kontakt

Flüchtlinge sind keine Terroristen. Flüchtlinge sind oft die ersten Opfer von Terrorismus. A ntonio Guterres, von 2005 bis 2015 Flüchtlingshochkommissar der Vereinten Nationen.

zu den zuständigen Behörden eures Bundeslandes oder eurer Stadtregie­ rung. Tretet offiziell dafür ein, dass es Einzelpersonen und Familien leichter gemacht wird, ihr zerstörtes Leben hinter sich lassen und neu beginnen zu können. Eine Adventgemeinde kann zum

Deine Unterstützung wird dringend gebraucht. Am besten hilft man mit Geldspenden, weil sie Hilfsteams die Möglichkeit geben, schnell auf sich ändernde Umstände zu reagieren. Die Möglichkeit zu spenden, gibt es auf ADRA.org/refugees. Deutschland: http://adra.de/spendenformular; Österreich: adra.at, Schweiz: adra.ch. Die Broschüre Gemeinsam für Flüchtlinge der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland kann man sich unter http://bit.ly/1VtPK1V kostenlos herunterladen.

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Beispiel Kontakt mit Behörden auf­ nehmen, um Patenschaften für eine – oder auch mehrere – Familien zu übernehmen, die sich in ihrem Ort ansiedeln wollen. Es ist an der Zeit, dass Christen vortre­ ten und sich christlich verhalten.


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Vor Jahren Im Zusammenhang mit den Protesten und Aufständen in Teilen des Nahen Ostens, die

„Siehe, ich komme bald …“

Unser Auftrag ist es, Jesus Christus zu erhöhen und Siebenten-Tags-Adventisten überall im Glauben und Leben, in ihrer Hoffnung und Mission zu einen. Herausgeber: Adventist World ist eine internationale Zeitschrift der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Sie wird herausgegeben von der Nordasien-Division der Generalkonferenz der Siebenten-Tags-Adventisten.

als Arabischer Frühling bezeichnet werden, führten politische Unruhen in Syrien im März

Geschäftsführender Herausgeber: Bill Knott

2011 zu einem harten Durchgreifen der Regierung und entfachten einen Bürgerkrieg. Im

Mitherausgeber:

Dezember desselben Jahres wurde der Konflikt in einem Bericht der Vereinten Nationen

Internationaler Verlagsleiter: Chun Pyung Duk

muslimischen Glaubensrichtungen ausgetragen werden – auch wenn das sowohl von der

Herausgeberausschuss: Ted N. C. Wilson, Vorsitz; Guillermo Biaggi, stellvertretender Vorsitzender; Bill Knott, Sekretär; Lisa Beardsley-Hardy; Williams Costa; Dan Jackson; Peter Landless; Robert Lemon; Geoffrey Mbwana; G. T. Ng; Daisy Orion; Juan Prestol-Puesán; Ella Simmons; Artur Stele; Ray Wahlen; Karnik Doukmetzian, Rechtsberater

Regierung als auch von oppositionellen Kräften bestritten wird.

Koordinationsausschuss: Jairyong Lee, Vorsitz; Yutaka Inada, German Lust, Pyung Duk Chun, Suk Hee Han, Gui Mo Sung

als offenkundiger Religionskrieg beschrieben und damit die Tatsache widergespiegelt, dass ein großer Teil der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen

Der Zusammenbruch der nationalen Infrastruktur – Wasser, Elektrizität, Abwasserund Abfallentsorgung – hat zu einem starken Anstieg von Krankheiten wie Masern, Ty­ phus, Hepatitis, Ruhr, Tuberkulose und Diphtherie geführt. Die Weltgesundheitsorganisati­ on berichtet, dass 35 Prozent der Krankenhäuser des Landes ihren Betrieb eingestellt und 70 Prozent des medizinischen Personals das Land verlassen haben. Das Syrische Zentrum für Forschungspolitik schätzt, dass Gewalt und Krankheiten bereits 470.000 Todesopfer gefordert haben, 1,9 Millionen Menschen – 11,5 Prozent der Be­ völkerung – wurden verletzt.

Chefredakteur: Bill Knott V. i. S. d. P. (deutschsprachige Ausgabe): Elí Diez-Prida, Pulverweg 6, 21337 Lüneburg Redakteure in Silver Spring, Maryland, USA: André Brink, Lael Caesar, Gerald A. Klingbeil (stellvertretende Chefredakteure), Sandra Blackmer, Stephen Chavez, Andrew McChesney, Kimberly Luste Maran, Andrew McChesney Redakteure in Seoul, Korea: Pyung Duk Chun, Jae Man Park, Hyo Jun Kim Redakteur der Online-Ausgabe: Carlos Medley Technische Koordination: Merle Poirier Finanzmanagerin: Rachel J. Child

Mit März 2015 war fast die Hälfte der Einwohner vertrieben; 3,8 Millionen Syrer wurden zu Flüchtlingen. Die Gewalt in Syrien hat sich auf Teile Iraks, Libanons, Libyens und der Türkei ausgeweitet.

Editors-at-large: Mark A. Finley; John M. Fowler Redaktionsassistentin: Marvene Thorpe-Baptiste Leserservice: Merle Poirier Layout und Design: Jeff Dever, Brett Meliti

Im Flüchtlingslager Al-Zaatari füllen syrische Kinder einen Kanister mit Wasser.

Berater: Ted N. C. Wilson, Juan Prestol-Puesán, G. T. Ng, Leonardo R. Asoy, Guillermo E. Biaggi, Mario Brito, Abner De Los Santos, Dan Jackson, Raafat A. Kamal, Michael F. Kaminskiy, Erton C. Köhler, Ezras Lakra, Jairyong Lee, Israel Leito, Thomas L. Lemon, Geoffrey G. Mbwana, Paul S. Ratsara, Blasious M. Ruguri, Ella Simmons, Artur A. Stele, Glenn Townend, Elie ­ Weick-Dido Verlag der deutschsprachigen Ausgabe: Saatkorn-Verlag GmbH, Abt. Advent-Verlag, Pulverweg 6, 21337 Lüneburg Übersetzung ins Deutsche: Frauke Gyuroka, Wien Layoutanpassung der deutschsprachigen Ausgabe: Ingo Engel, München Druck der deutschsprachigen Ausgabe: Thiele & Schwarz GmbH, Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel Rötzerdruck, Mattersburgerstr. 25, 7000 Eisenstadt (Österreich) Autoren: Wir freuen uns über Beiträge. Unsere Anschrift: 12501 Old Columbia Pike, Silver Spring, MD 20904-6600, USA. E-Mail: worldeditor@gc.adventist.org, Website: www.adventistworld.org Die Bibelzitate sind – falls nichts anderes vermerkt ist – der Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers (revidierter Text 1984), durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 2007 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, entnommen. Adventist World erscheint monatlich und wird in Korea, Brasilien, Indonesien, Australien, Argentinien, Deutschland, Österreich und den USA gedruckt. 12. Jahrgang, Nr. 6

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“   noch Abstammung, ,weder die Zugehörigkeit zu einem  , bestimmten Volk oder einer  , privilegierten Religion sind  , das Erkennungs­ merkmal dass dafür,  wir in Familie  Gottes   aufgenommen   wurden.  G; Nur die Agape-Liebe,   , eine selbstlose Liebe,     die alle Menschen umfasst, beweist dies.“ ”  . „Weder soziale Stellung,

EllenG. G.White White —Ellen

Das imMount Sinne der Bergpredigt, Thbessere oughts Leben From the of Blessing, p.  S. 78

ADRA.org | 1.800.424.ADRA (2372) 12501 Old Columbia Pike | Silver Spring, MD 20904 Siehe auch adra.de, adra.at, adra.ch

16-074 | 04-16 | © 2016 ADRA Intl., Chris LeBrun


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