Broschüre zum Frauengefängnis Barnimstraße

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Das Frauengefängnis Barnimstraße 1868-1974 Errichtet wurde das erste Berliner Frauengefängnis für kriminalisierte Prostituierte. Bis 1933 stellten sie mehr als 90 Prozent der Insassinnen. Unter der NS-Diktatur waren er mehrheitlich Verfolgte und Widerstandsfrauen. Politische Häftlinge gab zu allen Zeiten und unter allen politischen Systemen. Im Kaiserreich waren in der Barnimstraße Frauen eingesperrt, die gegen das Politikverbot für Frauen in Preußen verstoßen hatten. Zu ihnen gehörte Pauline Staegemann, nach der 2011 eine Straße in der Nähe des Gefängnisstandorts benannt wurde. Während des Ersten Weltkrieges waren es Kriegsgegnerinnen wie Rosa Luxemburg, an die seit 1977 eine Gedenkstele erinnert. In der Weimarer Republik saßen Kommunistinnen in der Barnimstraße, die Streiks unterstützt hatten. Nach 1945 gehörten zu den Inhaftierten NS-Täterinnen, Frauen, die versucht hatten aus der DDR zu flüchten, und Jugendliche, die sich nicht systemkonform verhielten.


Während der NS-Zeit reichte das Frauengefängnis in der Barnimstraße mit seinen rund 400 Haftplätzen nicht aus, um die vielen aus politischen Gründen in Berlin verhafteten Frauen aufzunehmen. Das Gefängnis war regelmäßig überbelegt, zeitweise mit weit über tausend Frauen. Es wurden zahlreiche Außenstellen eingerichtet, zum Beispiel ein Arbeitskommando bei Siemens mit mehr als 200 Häftlingen. Es wurden neue Frauenhaftanstalten in der Kantstraße in Charlottenburg und in Cottbus geschaffen und viele Frauen in Konzentrationslager überführt. Nur das Frauengefängnis in der Barnimstraße verfügte als einzige traditionelle Frauenhaftanstalt über eine Geburtsstation. Deshalb kamen alle schwangeren Frauen, die von 1933 bis 1945 verhaftet wurden, hierher. Zu den namhaften Frauen, die hier ihre Kinder zur Welt bringen mussten, ehe sie ermordet wurden, gehören Olga Benario und Hilde Coppi. 1943 wurden wöchentlich 2-3 Kinder im Frauengefängnis geboren. Im Frauengefängnis Barnimstraße wurden außerdem während der NS-Zeit alle zum Tod verurteilten Frauen gesammelt. Am Hinrichtungstag wurden sie von dort nach Pötzensee gebracht. 298 Frauen sind namentlich bekannt. Darunter sind Frauen aller großer Widerstandsnetze wie der Gruppe Baum, der Roten Kapelle, des 20. Juli und der Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation, Frauen, die abgetrieben, die Zwangsarbeiter versteckt, sich gegen den Krieg und die Nazis geäußert oder ausländische Sender gehört hatten.


Im Zuge der Neubebauung des stark kriegszerstörten Viertels wurde 1974 das Gefängnis in der Barnimstraße abgerissen. Das Gelände wurde eingezäunt und Pappeln gepflanzt, die den alten Gefängnisgrundriss markieren. Genutzt wurde die Freifläche zunächst als Schulhof und Sportplatz für die beiden angrenzten Schulen, seit den 1990er Jahren als Jugendverkehrsübungsplatz. Bis zum Ende der DDR gab es nur die Gedenkstele für Rosa Luxemburg. 1994 brachte das Aktive Museum eine proviorische Gedenktafel für die Häftlinge aus der NS-Zeit an. Die 1996 von der Berliner IVVDN aufgestellte Tafel für die während der NS-Regimes ermordeten Frauen wurde bald zerstört. Seit 2010 gibt es eine von Schüler*innen der Spartakus-Grundschule initiierte Tafel am Zaum. Mit einem Audioguide wurde 2015 das Gelände zum offiziellen Gedenkort erklärt. Die Auseinandersetzungen um das Gedenken an diesem Ort ist damit nicht abgeschlossen. Die Kritik richtet sich insbesondere um die Vermischung und Gleichsetzung von NS-Verbrechen mit DDR-Unrecht. Wir bedanken uns herzlichst bei Claudia v. Gélieu: - freiberufliche Frauengeschichtsforscherin und -vermittlerin: www.frauentouren.de - aktiv in der Galerie Olga Benario weitergehende Literatur: Claudia von Gélieu, Barnimstraße 10. Das Berliner Frauengefängnis 1868-1974. Erweiterte und überarbeitete Neuauflage der Erstausgabe von 1994, Metropol Verlag Berlin 2014, ISBN 978-386331-224-4. Dokumentation: Frauengefängnis Barnimstraße. Zeitzeuginnen berichten über ihre Haft 1933-1945. Ein Dokumentarfilm von Claudia v. Gélieu, Maria Binder, Ingrid Fliegel, Susanne Krekeler, Berlin 1997 - bestellbar bei Claudia von Gélieu.


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