Das Magazin für Existenzgründer und junge Unternehmen
Ausgabe Nr. 3
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Frauen starten durch Lieber selbständig als Frust bei der Jobsuche... Seite 12
VORSICHT:
Selbständig mit Online-Auktionen
Wenn Ich-AG, dann jetzt! Warum?
Powerseller im Portrait Seite 23
Lesen Sie unseren ausführlichen Bericht ab Seite 6.
tibidu.de Allianz „Pro Gründung“ wird zum Sprachrohr für Kleinund Kleinstgründungen...Seite 44
Mut zum Gestalten Prof. Norbert Szyperski über Innovationen - Wo kommen sie her und wo führen sie hin... Seite 28
„Ich-AG“ Gründer berichten Manfred Stolpes „Engagement“ für Kleingründer COMPASS 50 Klüngel inGründer Brandenburg...Seite
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Erfahrungen nach über einem Jahr Gründungszuschuss Entscheidungshilfe Ich-AG vs. Überbrückungsgeld Quo vadis Ich-AG (Businessplan, Zwangsschulung...) ab Seite 6
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Auf dem Markt vertreten zu sein, heißt: Nicht untergehen (im Sumpf der Wirtschaft). „Produkte präsentieren und ein Stück vom großen Kuchen sichern!“ Das ist Ihr Ziel für Ihr Unternehmen!? Wir wissen, wieviel Liebe und Innovation in Ihren Produkten steckt und wollen mit Ihnen die Begeisterung teilen: Strategie, Kommunikation, Konzept und Ausführung sind unsere Stärken in der Werbelandschaft, die Ihnen weiterhelfen werden. Wir planen mit Ihnen Kommunikation in Print, Web und Marketing. Existenzgründern bieten wir ein attraktives „Start - Up“! ...erkundigen Sie sich noch heute**!
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EDITORIAL
Liebe Leserin, lieber Leser! Wissen Sie, was das Schönste an der Gruppe der Existenzgründer ist? Es gibt sie nicht! Im letzten Jahr schafften sich zwar 1,6 Millionen Menschen (KfW, 2004) durch den mutigen Schritt in die Selbständigkeit eine Zukunftsperspektive, viele stellten sogar Arbeitnehmer ein. Alle investierten - mehr oder weniger stark - in ihr neues Unternehmen und kauften Büromöbel, Computer, Telefone und Internetadressen. Manche bauten Häuser und andere Gründer mieteten schon lange leerstehenden Räume. Der dadurch entstandene Gewinn für unsere Volkswirtschaft beträgt einige Milliarden Euro. Da schuften also sehr viele Existenzgründer für neue Jobs (und sei es nur der eigene), kaufen, bauen und produzieren Vermögen - doch wer honoriert diese Leistungen? In Fernsehen und Radio wird fast ausschließlich über die Erfolge der Großunternehmen berichtet, die durch ein paar tausend Arbeitsplätze weniger den DAX für einen Tag nach oben treiben. Magazine schreiben manchmal über die spannenden High-Tech-StartUps, die aus Fördermitteln ein paar Jobs generieren und von der Hoffnung auf den globalen Durchbruch leben. Die hunderttausend kleinen Gründer bleiben dabei weitgehend unbeachtet. Woran liegt das? Es gibt keine Gruppe der Existenzgründer, sondern nur den Gründer und die Gründerin. Zusammengehörigkeitsgefühl oder Austausch finden nicht wirklich statt.
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Die Entrepreneure schaffen es irgendwie nicht, sich ihrer Bedeutung bewusst zu werden und sie zu nutzen. Das macht sie zur großen bunten Kuh der Nation, die jeder nach Lust und Laune melken oder schlachten kann. „Gut“ beraten wären die deutschen Jungunternehmer, es dabei zu belassen. Also weiterhin nur für sich und allein zu arbeiten. Bis die spärlichen Subventionen noch langsamer fließen, auch der Ich-AG-Zuschuss nicht mehr unbürokratisch und schnell, sondern erst nach umfangreichen Prüfungen vergeben wird; bis es keine Bank mehr gibt, die eine Gründung begleitet und niemand in der Gesellschaft mehr versteht, warum man sich denn überhaupt selbständig machen sollte. Oder? Oder sie tun sich endlich zusammen. Tauschen sich aus, lernen voneinander und bündeln ihre Kräfte. Dass wäre natürlich zuerst schwierig, würde wertvolle Zeit kosten und ist sicher nicht völlig umsonst. Vielleicht könnten sie es dann schaffen, ausreichend laut zu werden, um ihre gemeinsamen Interessen gegenüber der Politik und der etablierten Industrie durchzusetzen. Zum Beispiel für fairere Lieferkonditionen, einen einfacheren Zugang zu Kapital und solche Gesetze, die statt veralteter Industrien Existenzgründer unter den besonderen Schutz des Staates stellen. Wäre das nicht clever? Hätten die deutschen Patienten eine eigene Lobby gehabt, wären ihre Interessen bei der
Gesundheitsreform vielleicht berücksichtigt worden. So aber vereinbarten die Vertreter der Pharma- und Medizinwirtschaft in ihren Ausschüssen die aktuellen Gesetze. Patienten, vor allem aus sozial schwächeren Gruppen, haben das Nachsehen. Jetzt werden die Wirtschaftssubventionen gekürzt. Wen wollen die Gründer an die Verhandlungstische schicken, an denen Stahl- und Kohlelobbyisten bereits Platz genommen haben? Auf Initiative des COMPASS-Verlages wurde das Gründernetzwerk „querdenken e.V.“ ins Leben gerufen (www.querdenken.org). Immer mehr Existenzgründer aus allen Teilen der Republik schließen sich dort zusammen, um endlich eine gemeinsame Stimme zu entwickeln und miteinander ein bisschen erfolgreich(er) zu werden. Noch in diesem Jahr wird ein Querdenker nach Berlin geschickt, um die Interessen der Mitglieder zu vertreten. Je mehr es dann sind, um so größer wird sein Einfluss sein.
Viel Spaß beim Lesen und viel Erfolg bei der Verwirklichung Ihrer Geschäftsidee(n) wünscht Ihr Alexander Geiling, Chefredakteur.
Gründer COMPASS
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INHALT HINWEIS: Im Interesse der Übersichtlichkeit verwenden wir stets nur die männliche Anrede und verzichten im Text auf: GründerInnen, Er/Sie usw. Diese Regelung soll weder diskriminieren, noch die Bedeutung der Frauen im Gründermarkt reduzieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
TITELTHEMA:
ICH-AG
Lesen Sie außerdem zum Thema: Erfolgreich ohne Businessplan Nils Jahnke hat sich schon im Februar 2003 mit einer Ich-AG selbständig gemacht und diese Entscheidung bisher nicht bereut. Im Portrait erzählt er von seinem langen Weg und gibt Gründern wertvolle Tipps. Seite 8
Quo vadis Ich-AG? Von den ersten Kritikern, die den Zugang zum Gründungszuschuss erschweren wollen ab Seite 6
Ich-AG oder Überbrückungsgeld? Entscheidungshilfe für die optimale Unterstützungsleistung Seite 7
Wie gründet man eine Ich-AG?
Fotografin macht scharf auf Senf
Ein Praktiker aus der Gründungsberatung gibt nützliche Tipps für den Start Seite 17
Merit Schambachs SenfSalon ist durch ihr Engagement bei „Teamarbeit für Deutschland“ schnell bekannt geworden. Wir berichten, wie sie auf ihre Family-AG gekommen ist und warum mit Senf Geld verdient werden kann.
Fehlende Beratung erhöht Pleitegefahr
Seite 10
Einblicke in die lokale Gründerszene
Interview mit der Leiterin des Arbeitsamtes Offenbach, Claudia Steinhardt Seite 18
Erfahrungen regionaler Gründungshelfer mit Gründern aus der Arbeitslosigkeit Seite 19
Von der Bank an die Nähmaschine Sabine Magdanz hat ihre Ich-AG mit Puppenkleidern und Halstüchern gegründet. Warum die ExBankerin jetzt lieber näht und wer ihr dabei geholfen hat, lesen Sie im Portrait.
weitere Themen:
Seite 14
Der Einstieg als Online-Verkäufer bei eBay
Selbständig mit Power-Auktionen: ab Seite 23
Bei eBay hat es Klick gemacht Niclas Walser ist Europas größtes eBay-Mitglied Seite 24
IT-Support für Privatleute Eduardo Honorato ist mit seinem Unternehmen noch auf dem Weg zum Erfolg. Er will eventuell einen Nebenjob annehmen - eine Möglichkeit, die bei der Ich-AG besteht. Seite 16
Erfolgreich mit gebrauchten Computern Björn Blum berät Gründer zum Thema e-Business Seite 25
Vom Kuchenblech zur Edelkarosse Bernd Fink versteigert bis zu 100 Artikel am Tag Seite 26
David gegen Goliath Wie vier Azubis eBay Konkurrenz machen wollen Seite 27
In weiteren Portraits ehemals arbeitsloser Gründer geht es um Bildungstörns, Strandpartys, Suppenköche und die erste mobile Brauerei der Welt.
Frauenspezifische Gründungsberatung
ab Seite 11
Impressum
Bei „weichen“ Themen sind Gründerinnen lieber unter sich Seite 20
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GRÜNDERTRENDS: Aus der Not ein Geschäft gemacht Mit Tauschhandel bares Geld sparen Seite 22
Mit Liebe zum Erfolg Wie ein Inder in Berlin Handys verkauft Seite 30
Rasanter Start mit Nachfüll-Tinte Mit Discount-Angeboten auf Expansionskurs Seite 33
GRÜNDERWISSEN: Freude am Gestalten Prof. Szyperski: Wo kommen Innovationen her? Seite 28
Wir was TUN
Wie es zu einer Geschäftsidee kommt Prof. Faltin: Die Berliner Teekampagne Seite 34
Professionelles Forderungsmanagement für kleine und mittelständische Unternehmen Seite 36
Der 1. Kontakt mit dem Finanzamt Fragebogen zur steuerlichen Erfassung Seite 38
Endlich: Meisterzwang gelockert Wo kann ohne Meisterbrief gestartet werden? Seite 40
GRÜNDUNGSINITIATIVE: GründerServiceDeutschland Konkurrenz etablierter Gründungsinitiativen? Seite 43
Allianz „Pro Gründung“ Wird zum Sprachrohr für Kleinstgründungen
Machen mit! SIE
Seite 44
Deutsche Bank Stiftung Vernetzt innovative Gründungssysteme
Die Gründungsinitiative 2004 bringt Menschen,
Seite 47
Unternehmen und Institutionen zusammen, die etwas
Die besten Gründungsinitiativen gesucht Seite 42 Netzwerk für ausländische Gründer Seite 48 Wettbewerb futuresax zieht Bilanz Seite 49
für
ein
besseres
Gründerklima
in
Deutschland tun wollen. Denn wir brauchen mehr mutige und erfolgreiche Existenzgründer.
DAS LETZTE: Gründerklüngel in Brandenburg Stolpes Engagement für kleine Existenzgründer Seite 50
www.gruendungsinitiative.de Gründungsinitiative 2004 • c/o COMPASS-Verlag Tel.: (06103) 80 49 799 • info@gruendungsinitiative.de
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TITEL: ICH-AG
Ich-AG VOM MITUNTER NICHT EINFACHEN, ABER DOCH (NOCH) SCHNELLEN WEG IN DIE SELBSTÄNDIGKEIT MIT DEM EXISTENZGRÜNDUNGSZUSCHUSS
Das Arbeitsamt freut sich über jeden, der sich aus dem Leistungsbezug in eine selbständige Tätigkeit verabschiedet. Um diesen Schritt zu versüßen, gibt es verschiedene Fördermöglichkeiten. Die Gängigste war früher das Überbrückungsgeld, flankiert von Hilfen zur Einstellung von Mitarbeitern. Seit dem 01.01.2003 hat sich eine weitere Fördermöglichkeit hinzugesellt, die Ich-AG. Diese zielt vor allem auf angehende Kleinstunternehmer im Dienstleistungssektor ab. Es darf aber auch jede andere Branche sein. Ich-AG oder Überbrückungsgeld: Das Arbeitsamt bewilligt nur eine der beiden Leistungen. Der Gründungswillige muss sich entscheiden. ÜBERBRÜCKUNGSGELD
Das Überbrückungsgeld fördert seit 1988 Existenzgründer, die vorher arbeitslos waren. Es sichert den Lebensunterhalt während der ersten sechs Monate nach der Existenzgründung. Den Antrag kann stellen, wer Leistungen des Arbeitsamtes bezieht oder direkt im Anschluss an den Jobverlust eine eigene Existenz gründet. Ein Rechtsanspruch besteht seit dem 1.1.2004. Ist das Überbrückungsgeld bewilligt, so zahlt das Arbeitsamt sechs Monate lang eine Förderung in Höhe der bisherigen Leistungen. Hinzu kommt ein Pauschalbetrag in Höhe der Sozialversicherungsbeiträge, die das Arbeitsamt bisher getragen hat oder zu tragen hätte. Für die Gewährung des Überbrückungsgeldes sind keine Grenzen bezüglich des Einkommens oder der Zahl der beschäftigten Mitarbeiter gesetzt. Bevor der Antrag gestellt werden kann, muss die Tragfähigkeit des Gründungsvorhabens durch eine sachkundige Stelle bestätigt werden. In Betracht kommen z.B. die IHK oder ein Steuerberater. Der Jungunternehmer kann sich freiwillig in der Renten-, Krankenund Pflegeversicherung versichern. ICH-AG
Die Gründung einer Ich-AG ist seit Anfang 2003 möglich und wird vorerst bis Ende 2005
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gefördert. Gesetzliche Grundlage ist der neue § 421 I des Sozialgesetzbuches (SGB III). Danach besteht bei Aufnahme einer dauerhaft selbständigen Tätigkeit ein Rechtsanspruch auf den Existenzgründungszuschuss. Die Förderung dient der sozialen Sicherung während einer ein- bis dreijährigen Startphase der Gründung. Im ersten Jahr nach Ende der Arbeitslosigkeit beträgt der monatliche Zuschuss pauschal 600 Euro. Im zweiten Jahr werden 360 Euro monatlich, im dritten 240 Euro gezahlt. Antragsberechtigt sind Personen, die Arbeitslosengeld oder -hilfe beziehen bzw. in Arbeitsbeschaffungs- oder StrukturanpassungsMaßnahmen beschäftigt sind. Das erwartete Arbeitseinkommen (= Gewinn) darf 25.000 Euro pro Jahr nicht übersteigen. Minijobs, die neben der selbständigen Tätigkeit ausgeübt werden dürfen, sind mit eingeschlossen. Wird diese Grenze überschritten, wird im Folgejahr die Förderung eingestellt. Im laufenden, bewilligten Zeitraum wird weitergezahlt. Der Existenzgründungszuschuss ist steuerfrei, unterliegt aber dem Progressions-Vorbehalt. Das heißt, er wird zur Berechnung des Einkommenssteuersatzes auf eventuelles weiteres Einkommen herangezogen, wie unter anderem Mieteinkünfte oder Renten. Die Ich-AG ist keine neue Rechtsform. Die Gründer firmieren als Freiberufler, Einzelunternehmer oder Ein-Personen-Gesellschaft in der Branche ihrer Wahl. Sie müssen mindestens 15 Wochenstunden als Selbständige arbeiten. Nur dann gilt die Arbeitslosigkeit als beendet. Die Kleinstgründer dürfen seit Juli 2003 auch Arbeitgeber sein. Bis dahin durften nur Familienangehörige bis zum zweiten Grade und natürlich der Ehepartner mithelfen. Die Einkommensgrenze erhöhte sich dann auf 50.000 Euro pro Jahr - das gilt jetzt nicht mehr! Der Existenzgründerzuschuss ist zwar nicht mit dem Überbrückungsgeld kombinierbar, mit anderen staatlichen Hilfen dagegen schon (z.B. Gründungsdarlehen). Ich-AG - Gründer bleiben Pflichtmitglied in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung, sind dagegen freiwillig bei den gesetzlichen Krankenkassen versichert. Als Beitrag zur Rentenversicherung werden 19,5 Prozent von der halben monatlichen Bezugsgröße fällig, das sind derzeit monatlich 235,46 (West) bzw. 197,93 (Ost) Euro. Kann der Gründer ein geringeres Einkommen (bis 400 Euro monatlich) nachweisen, besteht Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit. Die Krankenversicherung kassiert bei einem durchschnittlichen Beitragssatz von 15 Prozent 167 Euro, Hinzu kommen 20 Euro für die Pflegeversicherung. Stellt man den Antrag auf Existenzgründungszuschuss, so ist die Anmeldung der selbständigen Tätigkeit beim Gewerbeamt (Gewerbetreibende) oder Finanzamt (Freiberufler) beizufügen. Der Antragsteller kann sich das entsprechende Formular auf der Website des Arbeitsamtes herunterladen. Die für das Überbrückungsgeld erforderliche Tragfähigkeitsprüfung entfällt. Fazit: Auf drei Jahre gerechnet ermöglicht der Zuschuss den Kleinstgründern, ihre Sozialabgaben auch dann bezahlen zu können, wenn die Einnahmesituation einmal besonders schlecht ist. Für den Lebensunterhalt müssen dagegen gleich die Einnahmequellen sprudeln. Es macht also Sinn, sich bereits während der Arbeitslosigkeit konzeptionell vorzubereiten, erste Aufträge zu akquirieren und eventuell Testprojekte durchzuführen. ICH - AG ODER ÜBERBRÜCKUNGSGELD?
Rein materiell gesehen erscheint die Ich-AG vorteilhafter. Die Gesamtsumme der Förderung in drei Jahren beläuft sich auf 14.400 Euro. Wer dagegen mehr als 2.000 Euro Arbeitslosengeld bezieht, ist mit dem Überbrückungsgeld besser dran. Zu diesem Kreis dürften aber nur die wenigsten Arbeitsamtkunden zählen. Hinzu kommt, dass die bürokratischen Hürden bei der Beantragung der Zuschüsse für die IchAG niedriger sind.
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TITEL: ICH-AG
Quo vadis Ich-AG? Endlich einmal ist in Deutschland ein FĂśrderinstrument geschaffen worden, das den Weg in die Selbständigkeit unbĂźrokratisch und schnell erleichtert. Es eignet sich zwar „nur“ fĂźr Arbeitslose, aber die machen mittlerweile ja fast 25 Prozent aller ExistenzgrĂźndungen aus (KfW, 2004). Seit Jahresbeginn 2003 haben mehr als 100.000 Menschen mit Hilfe des ExistenzgrĂźndungszuschusses ihrem Leben eine neue Perspektive gegeben. Insbesondere Frauen und ältere Arbeitslose wurden ermutigt, den Schritt in die Selbständigkeit zu gehen. Schon mehren sich aber auch Stimmen, die nach einer Beschränkung und Regulierung rufen: Auch zur Bewilligung einer Ich-AG sollte eine TragfähigkeitsprĂźfung (wie beim ĂœberbrĂźckungsgeld) durch eine fachkundige Stelle vorgeschaltet werden, am besten sogar eine richtige Unternehmerausbildung mit Beratungs- und Coachingangeboten. Zur BegrĂźndung fĂźhrt z.B. der Direktor des Instituts Zukunft der Arbeit (IZA), Hilmar Schneider, die wachsende Gefahr des MitnahmeEffektes an. Er befĂźrchtet, dass insbesondere die Arbeitslosen eine Ich-AG grĂźnden, deren Arbeitslosengeld auläuft. Einen weiteren Grund sieht Claudia Steinhardt vom Arbeitsamt Offenbach in der Gefahr des Scheiterns bei fehlender Beratung (siehe das Interview auf Seite 18).
V…‡ ĂŠÂœ`iÀÊ4LiĂ€LĂ€Ă˜VÂŽĂ•Â˜}Ăƒ}iÂ?`Âś 'ELD FĂ R DEN ,EBENSUNTERHALT 7ENN 3IE SOFORT 'ELD FĂ R DEN ,EBENSUNTERHALT BRAUCHEN
7ENN 3IE EINE !NLAUFPHASE OHNE %INNAHMEN AUS )HREM 5NTERNEHMEN MIT FINANZIELLER (ILFE )HRER &AMILIE ODER DURCH EINE ANDERE %INKOMMENSQUELLE Ă BERBRĂ CKEN KĂšNNEN
Selbstverständlich sind Angebote zur Unterstßtzung und Begleitung geeignet, die Erfolgsaussichten einer Existenzgrßndung zu erhÜhen. Aber mßssen sie gleich wieder zur Pichtveranstaltung werden?
'ELD FĂ R KLEINERE !NSCHAFFUNGEN
Es ging bei den Ich-AGs im Jahr 2003 um einen ďŹ nanziellen Aufwand in HĂśhe von 270 Millionen Euro (MittelstandsMonitor 2003). Das ist vergleichsweise wenig Geld, wenn auch nur die Hälfte der gefĂśrderten Kleinunternehmen „ßberleben“ - dann kostete ein neuer Arbeitsplatz (fĂźr den GrĂźnder) nämlich gerade einmal 5.400 Euro.
-ĂšGLICHST HOHE &ĂšRDERUNG
Vielleicht sollten wir es uns einfach erlauben, mit diesem FĂśrderinstrument weiter so umzugehen, wie bisher. Kein noch so groĂ&#x;er Mitnahme-Effekt wird auch nur annähernd so teuer, wie z.B. hochsubventionierte Arbeitsplätze in sterbenden Industrien. Und die Kriminalisierung tausender Menschen (die wollen doch nur die Bezugsdauer erhĂśhen) ist nicht geeignet, das deutsche GrĂźnderklima zu verbessern. Also: „Ja“ zur Beratung und Begleitung als optionale Starthilfen; „Nein“ zu aufwendigen PrĂźf- und Kontrollmechanismen. Die Ich-AG ist eine Chance - fĂźr jeden Arbeitslosen und fĂźr unser Land. AG
-EHR ALS %URO
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Ă„BERBRĂ CKUNGSGELD
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7ENN 3IE IN DER 3TARTPHASE KLEINERE !NSCHAFFUNGEN BEZAHLEN MĂ SSEN
Ă„BERBRĂ CKUNGSGELD
7ENN KEINE BESONDEREN !NSCHAFFUNGEN NĂšTIG SIND
7ENN 3IE !NSPRUCH AUF EIN RELATIV HOHES !RBEITSLOSENGELD RUND %URO UND MEHR HABEN
Ă„BERBRĂ CKUNGSGELD
7ENN 3IE NUR RELATIV WENIG !RBEITSLOSENGELD !RBEITSLOSENHILFE BEKOMMEN !NHALTSPUNKT $ER %XISTENZGRĂ NDUNGSZUSCHUSS BETRĂ‹GT INSGESAMT %URO IN DREI *AHREN
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7ENN )HR "RUTTO 'ESCHĂ‹FTSGEWINN 5MSATZ MINUS +OSTEN IM ERSTEN ODER ZWEITEN *AHR WAHRSCHEINLICH HĂšHER ALS %URO LIEGEN WIRD
Ă„BERBRĂ CKUNGSGELD
7ENN )HR 'ESCHĂ‹FTSGEWINN VOR 3TEUERN WAHRSCHEINLICH NICHT MEHR ALS %URO BETRAGEN WIRD
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Ă„BERBRĂ CKUNGSGELD
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TITEL: ICH-AG
Erfolgreich ohne Businessplan VOM LANGEN WEG ZUR ICH-AG IM FILMGESCHÄFT
Nils Jahnke (29) ist Kameramann, Cutter, Produzent und Ich-AG. Im Februar 2003 war er einer der Ersten, die sich mit dem neuen Existenzgründungszuschuss selbständig gemacht haben. Nach mehr als einem Jahr blickt er zurück und erzählt, wie alles angefangen hatte, ob er den Schritt heute bereut und worauf Gründer achten sollten. Schon als Schüler sehnte sich der junge Nils mehr nach einer eigenen Firma, als nach guten Noten. Mit zwei Freunden kaufte er sich eine Kamera und fing an, Schülerfernsehen zu machen und lokale Konzerte mitzuschneiden. Das Hobby machte so viel Spaß, dass ein Beruf daraus werden sollte. Als Kameraassistent lernte er das Handwerk von der Pike auf und merkte vor allem eins: Um wirklich professionell zu werden, fehlte es noch an allen Ecken und Enden. So polierte Nils Jahnke als Bundeswehrsoldat keine Gewehre, sondern „bewaffnete“ sich mit einer Kamera und filmte in Sarajewo den Auslandseinsatz. Danach ging es nach Frankfurt am Main, wo er sich mit kleinen Aufträgen über Wasser hielt. Bis ein Projekt des Arbeitsamtes für ein Jahr regelmäßige Einnahmen versprach: Im Rahmen der Initiative „Jump“ stellte er neue Berufe und Ausbildungsgänge vor, die dann im Regionalfernsehen gesendet wurden. Dann wechselte die Führungsetage seines Brötchengebers und das Projekt war vorbei. Der junge Filmemacher hatte seine Liebe zur redaktionellen Arbeit entdeckt und wollte sich in diesem Bereich weiter entwickeln. In der Programmdirektion von VIVA in Köln bastelte er an neuen Formaten und Sonderwerbeformen mit, drehte Reportagen über die Backstreet-Boys und andere Musikstars und mit einem neuen Chef war auch diese Arbeit wieder beendet.
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Ab nach Berlin. Dort bekam Herr Jahnke die Möglichkeit, als Producer-Trainee die organisatorische Seite seines Berufes kennen zu lernen. Mit Technik und Inhalt hatte er bereits Erfahrungen gesammelt, aber die kaufmännischen Geheimnisse sollten noch gelöst werden. Unter seiner Federführung entstanden Reportagen über die Berliner Loveparade und die Flutkatastrophe. Dann ging sein Arbeitgeber in die Insolvenz und der Job war wieder weg. „Das kann ja wohl nicht sein! Ständig ist man von Entscheidungen abhängig, auf die man keinen Einfluss hat.“ dachte sich Nils Jahnke und beschloss, sein „Ding“ selbst zu machen. Zu dieser Zeit hörte er von der „Ich-AG“ als einfache Möglichkeit, sich selbständig zu machen mit dem Vorteil, zumindest für den Anfang soziale Absicherung bezahlen zu können.Nach kurzem Überlegen stand für ihn fest: Ich werde eine IchAG. Überbrückungsgeld kam deshalb nicht in Frage, weil es schnell gehen musste und keine Zeit (und wenig Lust) für das Schreiben eines Businessplans vorhanden war.
Denn plötzlich meldeten sich frühere Kunden aus dem Rhein-Main-Gebiet und wollten mit ihm arbeiten. Dazu gesellten sich schnell neue Aufträge aus Berlin und die Entscheidung war gefallen. Der Sicherheitsliebhaber Jahnke empfand es auch als Vorteil, mit einer Ich-AG sogar einen Minijob neben der freiberuflichen Arbeit aufnehmen zu können - wenn es sein muss. Informationen zum Existenzgründungszuschuss hatte er nur aus den Nachrichten und von seinem Steuerberater bekommen - die Betreuer im Arbeitsamt waren noch nicht geschult worden und konnten keine Auskunft geben. Dafür bewilligten sie seinen Antrag sehr schnell und es konnte los gehen. Jetzt ist das erste Jahr vorüber und Herr Jahnke hat die sogenannte Anschlussförderung beantrag, obwohl er die gar nicht mehr so dringend braucht. Doch diese zusätzliche Sicherheit macht es etwas einfacher. Seine Rechnung ist aufgegangen. Den Schritt in die Ich-AG hat Nils Jahnke bisher noch nie bereut und würde ihn so immer wieder gehen. Auch der Zeitpunkt war genau richtig gewesen.
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Denn er hatte endlich das Gefühl, genug zu können, um sich alleine mit seinen Ideen und Zielen auf dem Markt zu behaupten. Seine Zukunft plant Herr Jahnke genau: Er will als Fullservice-Dienstleister arbeiten und nicht mehr nur als freiberufliche Einzelperson wahrgenommen werden. Mit einer klassischen Produktionsfirma möchte er das komplette Paket von der Konzeption über Dreh und Schnitt bis zum fertigen Beitrag anbieten.
„DU BIST DOCH EINE ICH-AG, ERZÄHL DOCH MAL...“ Seit seiner Gründung hat er nie einen Hehl daraus gemacht: „Ich bin selbständig und habe das geschafft mit einer Ich-AG!“ Es gibt sehr viele Menschen, die im Medienbereich arbeiten wollen. Dort trifft man die Stars und verdient das große Geld sind nur zwei der gängigen Klischees. So kamen immer mehr Gründungsplaner auf Nils Jahnke zu, der sich einen guten Ruf als recht erfolgreicher Kameramann aufgebaut hatte und zudem auch noch kein Probleme mit
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seiner früheren Arbeitslosigkeit und der Förderung hatte. „Du bist doch so eine Ich-AG, erzähl doch mal...“ - so beginnen die meisten derartigen Gespräche.
Gefühle dauerten bisher immer nur einen Tag, denn er hat das große Glück, zwei echte Freunde zu haben. Menschen, die ihn immer wieder auffangen und zum Weitermachen ermutigen.
Und Herr Jahnke nimmt sich Zeit, hört sich Ideen an und versucht herauszufinden, ob die beiden aus seiner Sicht - wichtigsten Voraussetzungen stimmen: 1. sehr gute Qualifikation und 2. ausreichend Kontakte im Medienbereich. Wenn die beiden Fragen bejaht werden können und dann auch noch konkrete Aufträge für die Anfangszeit in Aussicht stehen, rät er zum Start.
Angehenden Existenzgründern möchte er ein paar Dinge auf den Weg geben, die er selbst lernen musste:
Viel häufiger jedoch empfiehlt er den Schritt in die Selbständigkeit nicht, wenn nämlich: • die Geschäftsidee noch sehr diffus ist, • zu wenig Erfahrungen gemacht wurden oder • die Hauptmotivation darin besteht, den Bezug des Arbeitslosengeldes zu verlängern. Auch Nils Jahnke kennt die Stunden des Zweifels und den Wunsch, die Zelte abzubrechen und umzuschulen oder auszuwandern. Doch diese
„Man muss seinen Job und das Netzwerkeln beherrschen. Ganz wichtig ist die soziale Kompetenz: Man braucht ein Gespür dafür, wann der richtige Moment und was die richtigen Worte sind, um einen Interessenten als Auftraggeber zu gewinnen. Und man darf sich nicht verbiegen. Ein eigenes Profil und die Sachen zu finden, die einem wirklich Spaß machen, sind absolut wichtig. Nur dann lässt sich die nötige Energie aufbringen, auch wenn noch nicht sofort Geld damit verdient wird.“ Das Interview führte Alexander Geiling. Kontakt: www.nils-jahnke.de
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■ NEUE EXISTENZ MIT ORIGINELLEN WÜRZPASTEN
Fotografin macht scharf auf Senf
Kochfreaks, Leckermäulern und Gastronomen in Berlin ist der „SenfSalon“ ein Begriff. Die originellen Würzpasten der kleinen Manufaktur in Kreuzberg geben Gerichten, Saucen und Salaten eine besonderen Pfiff, z.B. die Kreation „Roter Knoblauch“. Oder „Orange mit grünem Pfeffer“. „Passt gut zu Huhn“, schwärmt „Salon“-Chefin Merit Schambach. Ihre exquisiten Eigenprodukte verkauft sie im Werkstattladen, auf Märkten, über Lokale, Fachgeschäfte und via Internet. Mit Kreativität und einer feinen Zunge hat sich die 32-jährige Architektur-Fotografin eine neue Existenz aufgebaut: als eine vom Arbeitsamt geförderte Ich-AG. Anstatt über die ausbleibenden Bildaufträge zu klagen, lenkte Merit Schambach ihre schöpferischen Fähigkeiten kurzum in eine andere Richtung – mit Erfolg. Ihre Geschäftsidee verdankt die Mutter zweier Kinder letztlich der „Sendung mit der Maus“. Während eines Beitrags über die Herstellung von Senf biss die Maus in eine Banane mit dem herzhaften Aufstrich und urteilte: „Senf passt überall dazu.“ Das wollte Merit Schambach genau wissen. Sie mixte Tafelsenf mit der gelben Tropenfrucht, und heraus kam ein verführerischer Genuss. Das Ergebnis beflügelte die Berlinerin zu weiteren Experimenten.
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Erst waren es nur individuelle Geschenke für Freunde, dann traute Merit Schambach sich mit ihren Produkten auf Wochenmärkte. Als ihre Senfe sogar im InternetAuktionshaus „eBay“ ersteigert wurden, reifte die Idee, aus der kulinarischen Freizeitbeschäftigung etwas wirklich Kommerzielles zu machen. Der „SenfSalon“ war geboren.
Die Schambachs haben den „SenfSalon“ in einem ehemaligen Restaurant eingerichtet. Die Rohmasse für ihre Kreationen bezieht Merit Schambach von außerhalb. Der Ausgangsstoff wird in großen Töpfen und mit Hilfe eines Rührwerks zusammen mit den anderen Ingredienzien zu einer der typischen „Salon“-Mischungen verarbeitet. Mittlerweile sind es rund 20, inklusive des „Erstlings“, des Bananensenfs. Bei ihren Kompositionen komme es auf den „gewissen Kick“ an, so Merit Schambach, der einen bestimmten Geschmack „herauskitzelt“.
Weil die Förderbestimmungen die Beschäftigung eines Angehörigen zuließen („FamilyAG“), stieg ihr Mann Christoph, von Hause aus Komponist, mit ein. In Zusammenarbeit mit der Investitionsbank Berlin, die im Rahmen eines Projektes Existenzgründer in der Bundeshauptstadt berät, entwickelte das Paar ein aussichtsreiches Konzept.
Anfangs füllten die Schambachs ihr Köstlichkeiten noch mit einem Löffel in die Gläser. Angesichts der steigenden Nachfrage schafften sie erst eine Handpumpe und dann doch eine richtige Abfüllanlage an. Neben den Senfen hat der „Salon“ unter anderem eine Hand voll selbstgemachter Chutneys – fruchtig-scharfe Würzsoßen – sowie ausgewählte Essige im Angebot. Den süßen Kontrast bilden Merit Schambachs Marmeladen „mit Schuss“. Im Grunde passten sie nicht ganz ins Sortiment, meint die Gründerin. „Aber die Leute wollen sie einfach“, sagt sie und fügt geschäftssinnig hinzu. „Die Marmeladen erweitern den Kundenkreis.“
Mehr Infos: Lesen Sie im Online-Tagebuch von Merit Schambach über Hochs und Tiefs, die positiven Erfahrungen ebenso wie über Rückschläge, Freuden und Leiden aus dem Ich-AGLeben. Sie finden das Tagebuch bei : www.teamarbeit-fuerdeutschland.de. Auch die Gründer auf der nächsten Seite engagieren sich bei der Initiative des Bundes. Sie wollen dadurch sicher nicht die Welt verbessern, sondern anderen Existenzgründern nur sagen: „Auch ich habe mir meinen Job selbst geschaffen und es funktioniert!“
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TITEL: ICH-AG
Ich-AG Erfolgsstorys Die erste mobile Brauerei der Welt
Ich-AG erfolgreich „in den Sand gesetzt“
Johanna Ismayr machte sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbständig und gründete mit einer ausgefallenen Geschäftsidee eine Ich-AG.
Der studierte Lebensmitteltechnologe Volker Rothbauer machte sich 2003 mit der Unterstützung des Arbeitsamtes selbständig: Er erfand die „BrauEule“ und damit die erste kompakte und mobile Hausbrauerei der Welt. Selbst Bundeswirtschaftsminister Clement probierte in Offenbach ein Glas frisch Gebrautes, als Volker Rothbauer dort seine BrauEule vorstellte. Brot kann man daheim selber backen. Und inzwischen auch sein eigenes Bier brauen. Denn die von Volker Rothbauer entwickelte BrauEule (das Verfahren wurde zum Patent angemeldet) produziert unverfälschtes, individuelles hochwertiges Bier nach deutschem Reinheitsgebot. Die Maschine zur Bierbrauerei passt in jede Küche und sieht dazu noch gut aus. Zubehör kann man beim Kauf gleich mitbestellen. Die Braupacks gibt es in den fünf verschiedenen Sorten: Pils, Märzen, Weizen, Dunkel und Ale.
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Bildungstörn auf historischen Seglern
Vor der Geburt ihrer zweijährigen Tochter Clara war die 32-jährige Johanna als Redakteurin und Reporterin für verschiedene Zeitungen und Fernsehsender tätig. Nach dem Mutterschutz arbeitete sie als freie Journalistin und war vorübergehend arbeitslos. Als Journalistin war sie häufig Gast auf verschiedenen Veranstaltungen und vermisste dort oft “das Besondere” sowie eine persönliche Note. So gründete Johanna Ismayr die Agentur “walks + talks” und organisiert nun ausgefallene Events. Zum Beispiel den BundesPresseStrand, der im Sommer 2003 einiges Aufsehen in Berlin erregte. Mit dem weltweit einzigen Strand in einem Regierungsviertel setzte Johanna Ismayr ihr erstes Projekt quasi „in den Sand“. Denn rund hundert Tonnen Sand wurden am Spree-Ufer zwischen Bundespressekonferenz am Schiffbauerdamm und dem Reichsdamm aufgeschüttet. Die kleine Ferienmeile wirkte wie ein Magnet. Außerdem beschäftigte sie über den Sommer rund 30 Freiberufler, vom Unternehmensberater bis hin zum Dramaturgen und Textildesigner. Auch für die nächste Saison wird sich Johanna Ismayr etwas ähnlich Besonderes einfallen lassen.
„Leinen los“, sagte sich Jutta Harles im April letzten Jahres – und wagte als begeisterte Seglerin und Diplom-Pädagogin die Verbindung von Hobby und Beruf. Seitdem bereichert sie die maritime Reisewelt mit einem außergewöhnlichen Mix aus Segelromantik und Naturexpedition: Die Hannoveranerin arrangiert für Gruppen maßgeschneiderte Törns auf historischen Segelschiffen. Dafür chartert sie restaurierte „Pötte“ samt Skipper und Crew. Nord- und Ostsee sind die Reviere für ihre Fünf-Tage-Tripps. Ob Firmenangehörige, Jugendgruppen oder Senioren an Bord sind: Jeder muss beim Segeln mit anpacken. Über das Zusammenspiel von Schiff, Wasser und Wind hinaus erfahren die Gäste von Jutta Harles anschaulich alles Wissenswerte über die Natur des Meeres, seine ökologische Bedeutung und seine Funktion als Lebensraum. Manchmal auf sehr spektakuläre Weise: „Für eine Fahrt ins Wattenmeer sind Plattbodenschiffe besonders geeignet“, erzählt Jutta Harles. Solche Segler mit kiellosem Rumpf und Seitenschwertern setzen bei Ebbe waagerecht auf Grund auf. Die Passagiere können bequem von Bord klettern und sozusagen gleich neben ihrer Koje in die Ökologie des Wattenmeeres eintauchen. Mit ihren individuellen „Bildungstörns“ ist Jutta Harles in eine Marktlücke gestoßen. Für den reibungslosen „Stapellauf“ ihres Eine-Frau-Unternehmens hatte sie sich Rat bei der Gründerinnen Consult GmbH in Hannover geholt. Das Arbeitsamt besorgte die finanzielle Starthilfe. „Ich bin eine typische Ich-AG“, erklärt Jutta Harles. Sie ist mit diesem neuem Modell zur Existenzgründung gut gesegelt.
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TITEL: ICH-AG
Lieber selbständig machen als Frust bei der Jobsuche FRAUEN ALS ERFOLGREICHE EXISTENZGRÜNDERINNEN
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as wäre gewesen, wenn sich Christiane Franke mit ihrem Schicksal als arbeitslose Sekretärin abgefunden hätte? Dann gäbe es vermutlich heute kein Lokal namens „SUPPENGRÜN“ in Berlin-Mitte, und die Angestellten im Büro- und Botschaftsviertel nahe des Märkischen Museums würden weiterhin an ihren Butterbroten knabbern. So aber pilgern sie täglich zu den Suppen, Salaten und Kuchen in Christiane Frankes Stehlokal. „90 Prozent meiner Gäste sind Stammkundschaft“, freut sich die quirlige Chefin. Am Herd steht Ehemann Hendrik, ein gelernter Koch. Um alle Gästewünsche zu befriedigen, musste das Paar sogar noch eine Vollzeitkraft für Service und Küche einstellen. Ein schöner Erfolg. Dabei stand die Jungunternehmerin Franke noch im vergangenen Jahr wie Tausende anderer Frauen vor der Frage: Arbeitslos – und nun? Die 35-Jährige sah darin aber auch eine Chance. Sie sagte sich: „Lieber selbständig als arbeitslos und frustriert.“ Die Idee zu „Suppengrün“ hatte sie da bereits im Kopf. Bei zahlreichen Spaziergängen mit dem Kinderwagen war der jungen Mutter nämlich eine Marktlücke im heimischen Viertel aufgefallen. Wohin sie auch schaute, gab es für die wachsende Schar der Angestellten keine Möglichkeit, mittags mal kurz eine Kleinigkeit zu essen! Christiane Franke hatte den richtigen Riecher. Ihr Lokal ist eine Mischung aus Suppenküche, Coffee-Shop und Snackbar und damit optimal auf die Bedürfnisse ihrer Klientel zugeschnitten.
Deren vorhandene Ausstattung, vorherrschende Farben und Stoffe werden in die Arbeiten einbezogen, ihre Wirkung somit verstärkt. „Früher habe ich solche Bilder zum Ausgleich gemacht“, erzählt Katja Hoffmann. „Früher“, das waren die erfolgreichen Jahre als freie Art-Direktorin in der Werbung. Doch die Krise in der Branche nahm immer mehr zu, Absagen und Vertröstungen waren an der Tagesordnung. „Was tun?“ fragte sie sich. Als Katja Hofmann dann von der Ich-AG hörte, ergriff sie die Gelegenheit beim Schopf. Die Zahl ihrer Kunden wächst, und sie schmiedet Zukunftspläne. Möglicherweise macht sie sogar bald von der neuen Chance Gebrauch, Arbeitnehmer in ihrer Ich-AG einzustellen.
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it ihrer Kreativität hat auch Aneli Fiebach aus Staufenberg bei Kassel etwas Neues angefangen. Unter dem Namen „COSTOYS“ entwirft die ehemalige Einrichtungsplanerin „Mode für die experimentierfreudige Frau“. Im Atelier an ihrem Haus entstehen individuelle Modelle und kleine Kollektionen für „Problemmaße“. Sie hat sich einen Traum erfüllt: „Ich wollte schon immer etwas mit Textildesign machen, aber es hat nie geklappt.“ Für die 52-Jährige war das ModeAtelier ein rettender Ausweg aus einer schwierigen Situation: Nach Arbeitslosigkeit und langer Krankheit sah die berufliche Zukunft eher düster aus. Eine Bekannte brachte sie dann mit dem
Connecta-Frauennetzwerk in Kassel zusammen. Mit dessen Unterstützung und Beratung baute sich Aneli Fiebach wieder auf. Eine Referentin und frühere Studienkollegin erinnerte sie an ihr modeschöpferisches Talent - die Initialzündung zu „Costoys“. „Das war Mut zum Risiko“, bekennt Aneli Fiebach. Das Geld vom Arbeitsamt half ihr bei den ersten Schritten in der Selbständigkeit.
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rei Frauen, drei unterschiedliche Wege in die Selbständigkeit: Christiane Franke, Katja Hofmann und Aneli Fiebach möchten andere Frauen von ihren Erfahrungen profitieren lassen. Infos bei: www.teamarbeit-fuer-deutschland.de. Christiane Franke und Ehemann Hendrik
Immer mehr Frauen denken über Alternativen zur „normalen“ Festanstellung nach. Warum nicht seine Fähigkeiten und Energie in ein eigenes Geschäft stecken, zumal das Arbeitsamt Existenzgründungen fördert. Christiane Franke zum Beispiel nahm für ihr „Suppengrün“ die Unterstützung als Startkapital in Anspruch.
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atja Hofmann, ebenfalls aus Berlin, wählte die neue Unterstützungsform für ihren Schritt in die Selbständigkeit: die „Ich-AG“. Sie war vom unkomplizierten Ablauf überrascht. „Ich habe dem Arbeitsamt mein Konzept vorgestellt, und dann ging das mit der Förderung ganz schnell“, berichtet die 31-Jährige. „RAUMBILDER“ heißt das im März 2003 gegründete Eine-Frau-Unternehmen. Der Name ist Programm: Katja Hofmann gestaltet passgenaue Bilder für Wohn- und Geschäftsräume.
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Gründer COMPASS
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Es ist wieder
Gründungszeit
COMPASS-Verlag und querdenken e.V. - das gründernetzwerk suchen Ihre Geschichte. Keine Geschäftsidee ist zu klein oder zu unbedeutend. Jeder, der den mutigen Schritt in die Selbständigkeit geht oder gegangen ist, leistet einen wichtigen Beitrag für unser Land! Die Geschichten machen anderen Menschen Mut, regen an und motivieren. Erzählen Sie uns von Ihrem Weg zum Erfolg - und Sie gewinnen: kostenlose PR für Ihr Unternehmen (im Magazin, im Internet, im TV oder bei unseren Medienpartnern), die Chance auf Aufnahme in das Buchprojekt „Schumpeter 2005“ und eventuell sogar einen Paten aus der Industrie, der sich mit Kontakten, Erfahrungen und konkreten Leistungen engagiert. Onlineformular auf: www.gruendungszeit.de
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TITEL: ICH-AG
Vom Bankschalter an die Nähmaschine DIE HAMBURGERIN SABINE MAGDANZ NÄHT PUPPENKLEIDER UND KINDERHALSTÜCHER
rosafarbene Ballettanzüge bis hin zu Glitzershirts und Jeanskleidern. „Auch die Kinderhalstücher laufen gut“, erzählt sie. Doch das ist nicht alles: Sabine Magdanz bindet außerdem Alben und Bücher mit Stoffen ein, Fotoalben etwa oder Gästebücher. Notizbücher mit Pferdemotiv, das sei bei Mädchen derzeit ein echter Renner.
„Ich bin kein risikobereiter Mensch“, sagt Sabine Magdanz (39). Deshalb hat es so lange gedauert, bis sie sich ihren Traum von der Selbständigkeit erfüllt hat. Seit einigen Monaten ist die gelernte Bankkauffrau noch häufiger vor ihrer Nähmaschine im ausgebauten Keller zu finden: Sie näht Puppenkleider und Kinderhalstücher. „Die Halstücher mit Klettverschluss, weil das so praktisch ist“, weiß die zweifache Mutter. Nach einigen Jahren Erziehungsurlaub, zuletzt mit Teilzeitjob, ist sie nun seit Oktober 2003 selbständig, und zwar im Rahmen einer Ich-AG.
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anz ohne Druck von außen ist die Entscheidung nicht gekommen, seit dem Sommer war sie arbeitslos: Die Bank hatte sie vor die Alternativen Abteilungswechsel oder Abfindung gestellt. Sie entschied sich für das Geld, als Basis für die Selbständigkeit. „Ich habe mich schon lange gefragt, wo ich meine Leidenschaft finde“, erzählt sie. Letztendlich fand sie diese in Stoffen: Am Nähen hat sie schon immer Spaß gehabt, hat für ihre eigenen Kinder Puppenkleider genäht. Ihr erstes Werk war ein Schlafsack. Dunkelblau mit weißen Schäfchenwolken, gerade passend für die so beliebte Baby Born, eine Puppe des Herstellers Zapf. Sie begann, ihre Ware auf Flohund Weihnachtsmärkten anzubieten. Mittlerweile arbeitet sie an einer ganzen Modekollektion für Puppen – vom Bademantel samt Puschen über
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Trotz Bankausbildung fühlte sich Sabine Magdanz von Anfang an ziemlich wackelig auf dem Parkett der Selbständigkeit: „Auch mit meiner Bankerfahrung weiß ich nicht, wie man die Buchhaltung für die eigene Firma macht“, meint sie. Daher nimmt sie seit Mitte Oktober 2003 an einem Begleitprojekt für Ich-AG-Gründer teil, angeboten von der Hamburger Gründungsberatung ENIGMA. Bei „Simply Start“ werden die Gründer über ein Jahr beraten und betreut, und das kostenlos. In Abendkursen und Workshops sollen kaufmännische und rechtliche Grundlagen vermittelt werden. Bin ich nun Freiberuflerin oder Gewerbetreibende, das fragte sich zum Beispiel auch Sabine Magdanz am Anfang. Welche Versicherungen brauche ich, worauf muss ich bei Rechnungen achten? Nicht zuletzt erhofft sie sich Tipps für einen optimalen Vertrieb. Momentan steht sie auf Kunsthandwerksmärkten oder in Kindergärten. Längerfristig strebt Sabine Magdanz einen Verkauf über das Internet an. Ab dem kommenden Herbst, hofft sie, soll das möglich sein. Schon jetzt verkauft sie ihre Restbestände über eBay. Doch das Internet ist nicht alles: Sabine Magdanz vertreibt ihre Kollektion auch auf eigens dafür organisierten Partys: Puppenkleider über das TupperwareSystem sozusagen. Das sei ein großer Erfolg, erzählt sie.
Reich wird sie mit ihrer Idee bislang allerdings noch nicht. Der Ich-AG-Zuschuss von 600 Euro geht fast für Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung drauf. Auf den Märkten, im Moment zahlreiche, setzt sie zwischen 250 und 500 Euro um. Ihr Ziel ist fürs erste: Sie möchte gerne die 600 Euro netto verdienen, die sie auch für ihre Teilzeittätigkeit bei der Bank bekommen hat. „Das sehe ich jetzt aber noch nicht so ganz“, meint sie realistisch. Doch was nicht ist, kann ja noch werden: Wenn die Kinder älter sind, will sie mehr arbeiten. Zumindest ein gutes Zubrot zum Gehalt ihres Mannes - das wird sie mit ihrer Leidenschaft für Stoffe sicherlich erarbeiten können. amb
Simply Start – Starthilfen für die Ich-AG: Die Hamburger Gründungsberatung ENIGMA bietet seit Herbst letzten Jahres ein Beratungsprogramm für Ich-AG-Gründerinnen und -gründer an. Über einen Zeitraum von 12 Monaten werden diese unterstützt, um sich erfolgreich am Markt zu etablieren und typische Fallen während der Startphase zu vermeiden. Das Programm umfasst eine individuelle Eingangsberatung, 15 begleitende Abendkurse etwa zu den Themen Steuern, Buchhaltung, Verkauf und Werbung, 4 Workshops über Markterschließung und Kundenkontakt, telefonische Beratung und Vier-Augen-Gespräche, in denen persönliche oder unternehmerische Krisensituationen analysiert und bearbeitet werden können. Die Kurse beginnen etwa alle drei Wochen neu, die Teilnahme ist kostenfrei. Der Antrag auf Bewilligung des Existenzgründungszuschusses sollte bereits gestellt sein. Information und Anmeldung: Telefon: 040 – 633 06 570 eMail: simplystart@enigmah.de
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TITEL: ICH-AG
„Vielleicht muss ich einen zweiten Job annehmen“ IT-SUPPORT FÜR PRIVATLEUTE: FÜR EDUARDO HONORATO IST DIE ICH-AG KEIN ZUCKERSCHLECKEN
„Ich sehe durchaus Perspektive. Jedes Unternehmen braucht seine Zeit, um anzulaufen“, versucht sich Eduardo Honorato aufzumuntern. Bislang läuft das Geschäft des 40-jährigen Chilenen nämlich eher schlecht als recht. Seit Juli letzten Jahres ist er im Rahmen einer Ich-AG selbständig und bietet IT-Support für Privatleute an. Wenn das MicrosoftProgramm zusammenbricht, die Grafikkarte ausgewechselt oder eine neue Festplatte installiert werden muss, dann kann man bei seinem Unternehmen arau.com in Hamburg anklingeln.
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duardo Honorato, seit 15 Jahren in Deutschland, war lange Zeit als Sozialarbeiter tätig. Schon damals machte ihm besonders die Computerarbeit mit Jugendlichen Spaß. Nach einem kurzen Abstecher zurück in der Heimat war der Job allerdings weg und Honorato arbeitslos.
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Das Arbeitsamt bot ihm eine Weiterbildung im Bereich IT-Support an, und er griff zu. Ein Jahr lang drückte er wieder die Schulbank. „Doch 2002, als ich fertig mit der Ausbildung war, lag der IT-Markt völlig am Boden“, erzählt er. Ein Job war nicht zu finden. So entschloss er sich, den Sprung in die Selbständigkeit zu wagen. Mit Unterstützung des Arbeitsamtes ist Honorato nun seit Sommer 2003 sein eigener Chef. Die Zielgruppe seines Unternehmens: Privatleute, die nicht die Zeit, das KnowHow oder die Nerven haben, sich selbst ihren Computerproblemen zu widmen. Nicht zuletzt andere Lateinamerikaner und Spanier hofft er als Kunden gewinnen zu können. Auch an kleineren Firmen ist er interessiert, doch da läuft bislang noch nichts.
Insgesamt zeigt er sich im Moment eher pessimistisch, die Konkurrenz sei einfach zu groß. Seinen Stundensatz von 25 Euro für Privatleute und 35 Euro für Firmenkunden wollen die meisten nicht bezahlen. „Wenn sich nicht grundsätzlich etwas ändert, muss ich einen zusätzlichen Job annehmen“, befürchtet er. Das ist im Rahmen der Ich-AG durchaus erlaubt, allerdings darf das Einkommen aus einer festen Anstellung die Einnahmen aus der Selbständigkeit nicht übertreffen. Er wäre übrigens nicht der Einzige, der neben der Ich-AG noch ein Zubrot verdienen muss. Im Gegenteil: Nach Erfahrung der ENIGMA-Berater haben viele Ich-AGler noch einen oder zwei weitere Jobs. Auch bei Eduardo Honorato reicht der Existenzgründungszuschuss von 600 Euro gerade mal für die Sozialversicherungen, vom Umsatz bleibt für ihn und seine noch studierende Freundin nicht viel übrig. Mit dem Namen seines Unternehmens arau.com zeigt Eduardo Honorato übrigens seine enge Verbundenheit zum Heimatland: Die Araukaner sind Angehörige eines Volkes in Chile und Argentinien, die Araukanie ein dort wachsender Nadelbaum. Das soll ihm Glück bringen. amb
Das nötige Rüstzeug für eine Selbständigkeit holt er sich seit Oktober 2003 in den „Simply Start“ - Veranstaltungen des Hamburger Gründungszentrums ENIGMA (siehe Seite 14). Eduardo Honorato kann die Beratung gut gebrauchen: Die bisher behandelten Themen, wie Recht und Versicherungen, waren für ihn böhmische Dörfer. „Ich brauche einfach mehr an Wissen, auch in Sachen Buchhaltung, Steuern und Kundenakquise“, meint er. Die Kunden versucht er bislang, mit Flyern auf sich aufmerksam zu machen. „Für größere Werbung reicht das Geld einfach noch nicht.“
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TITEL: ICH-AG
■ JÜRGEN VEITENGRUBER, GRÜNDUNGSBERATER IN KASSEL
Wie gründet man eine Ich-AG? Um Arbeitslosen den Weg in die Selbständigkeit zu erleichtern, gibt es seit dem 1. Januar letzten Jahres den „Existenzgründungszuschuss“ zur Unterstützung der sogenannten Ich-AG, fürs erste befristet bis Ende 2005 (EXGZ - § 421 I SGB III). Die Zielgruppe: Bezieher von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe sowie Beschäftigte in Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen. Der monatliche Zuschuss wird für maximal drei Jahre gewährt, und zwar im ersten Jahr 600 Euro, im zweiten Jahr 360 Euro und im dritten Jahr 240 Euro. Voraussetzung ist allerdings, dass das voraussichtliche Arbeitseinkommen nach Aufnahme der Selbständigkeit 25.000 Euro im Jahr nicht übersteigt. Der Zuschuss ist steuerfrei. Der Antrag für das zweite Jahr muss im 10. Monat der Selbständigkeit, für das dritte Jahr im 22. Monat gestellt werden. Das Arbeitseinkommen muss dabei nachgewiesen werden. Die Anträge sind beim zuständigen Arbeitsamt zu stellen. Wer den Existenzgründungszuschuss erhält, muss in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, die Höhe der Beiträge richtet sich nach dem Einkommen. Hierzu erhält jeder Gründer einen Vordruck des jeweiligen Rentenversicherungsträgers. Die Regelung der Mitarbei-
terbeschäftigung nur durch Familienangehörige wurde zum Juli vergangenen Jahres aufgehoben, so dass auch rückwirkend Mitarbeiter in Teilzeit, Vollzeit oder auf 400 Euro-Basis eingestellt werden können - sofern die Umsatzzahlen das zulassen. Gründer und Gründerinnen, die über diesen Weg eine Selbständigkeit anstreben, sollten sich aber vorher bei den zuständigen Industrie- und Handelskammern bzw. Handwerkskammern erkundigen, ob für ihre Selbständigkeit eine Erlaubnis einzuholen ist. Das gilt insbesondere im Handwerk, wo nach wie vor in vielen Gewerken der Meisterbrief Voraussetzung ist. Außerdem gibt es weitere Beschränkungen wie Lizenzen, etwa bei Taxibetrieben, Konzessionen oder notwendige Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Die Genehmigungen sind vor der Gründung nachzuweisen und dem Antrag auf Existenzgründungszuschuss beizulegen. Bei einer freiberuflichen Tätigkeit ist beim zuständigen Finanzamt die Steuernummer zu erfragen.
abgeschlossen werden. Eine Betriebshaftpflicht ist ebenso wichtig wie bei Mitarbeiterbeschäftigung die Meldung bei der Krankenkasse, der Berufsgenossenschaft und die Beantragung einer Betriebsnummer. Weitere Punkte, die vorab zu klären sind: Gibt es bereits mögliche Kunden und Aufträge? Durch welche Art von Werbung kann die Zielgruppe angesprochen werden? Ist ein Kapital- und Finanzplan erstellt, der Umsatz kalkuliert, der Ertrag berechnet? Ist der Finanzbedarf bei einer Bank angefragt und zugesagt worden? Ist das Produkt oder die Dienstleistung erkennbar und nachvollziehbar? Gibt es bereits Personal? Ist die Lieferung gesichert? Sind die Räumlichkeiten ausreichend? Alle diese Fragen und die Antworten darauf sollten in jedem Fall mit einem Berater in einem schriftlichen Plan, dem Geschäftsplan, festgehalten werden. Denn: Planung vermeidet Pannen!
Was kein Gründer vergessen sollte, ist die persönliche und geschäftliche Absicherung: Man sollte schon vorher bei der jeweiligen Krankenkasse anfragen, welcher Tarif als Ich-AGler zu zahlen ist. Eventuell sollte zusätzlich eine Krankentagegeldversicherung oder Zusatzversicherungen für den persönlichem Ausfall
Jürgen Veitengruber Existenzgründungsberater im KIZ-Netzwerk Coach.Veitengruber@web.de
Ihre Gründungspartner in Nordhessen Im Arbeitsamtbezirk Kassel haben im Jahr 2003 über 500 Menschen eine Ich-AG gegründet. Die überwiegende Mehrheit davon machte sich im Dienstleistungsbereich selbständig (82%), 6% im Baugewerbe sowie jeweils 5% im verarbeitenden Gewerbe und der Land- und Forstwirtschaft. In Kassel können sich Gründer bei den Existenzgründerpartnern EGP im Rahmen einer Existenzgründungsberatung mit begleitendem
Coaching und Fachworkshops unternehmerisch fit machen. Das zuständige Arbeitsamt ist vorher davon in Kenntnis zu setzen. Bei den EGP kooperieren das Arbeitsamt Kassel, die KIZ Zentrale für Existenzgründung AG, Offenbach, und das Grone Bildungszentrum. Auch nach der Gründung kann der „Unternehmer“ ein Nachgründungscoaching beim zuständigen Arbeitsamt beantragen und sich von einem Coach in der „heißen Phase“ begleiten und beraten lassen.
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TITEL: ICH-AG
■ CLAUDIA STEINHARDT, KUNDENBEREICHSLEITERIN BEIM ARBEITSAMT OFFENBACH, ZUR ICH-AG
Fehlende Beratung erhöht die Gefahr des Scheiterns Claudia Steinhardt: Wie jede Existenzgründung kommt die Gründung einer Ich-AG für Leute in Frage, die sich schon viele Gedanken über eine mögliche Geschäftsidee gemacht haben. Wer eine tragfähige Idee hat und von seiner Persönlichkeit her in der Lage ist, so etwas auch konzeptionell zu begleiten und zu stemmen, der ist der Richtige. Eine Existenzgründung ist ja auch Arbeit: Man muss Kostenpläne aufstellen und Kalkulationen machen. Außerdem muss man sich über die Risiken im Klaren sein.
Claudia Steinhardt, Arbeitsamt Offenbach
GründerCOMPASS: Seit Anfang letzten Jahres gibt es die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Ich-AG mit staatlicher Unterstützung selbständig zu machen. Wie kommt das Konzept bei den Arbeitslosen in Offenbach an? Claudia Steinhardt: Das Konzept kommt gut an. Es ist ja auch keine neue Idee, Arbeitslose im Bereich der Existenzgründung zu fördern. Wir hatten ja bislang schon Leistungen, die wir gewähren konnten, nämlich das Überbrückungsgeld. Und es gibt auch schon länger Kooperationen, bei denen das Arbeitsamt gemeinsam mit anderen Institutionen an der Förderung von Existenzgründungen arbeitet. Das alles war bislang sehr erfolgreich. Die Ich-AG ist im Prinzip nichts anderes, als die Gewährung einer weiteren Leistung, nämlich des Existenzgründungszuschusses. Wir haben festgestellt, dass sich dadurch die Gesamtzahl der Kunden, die sich für Existenzgründungen interessieren, durchaus erhöht hat. Der Existenzgründerzuschuss geht also nicht zu Lasten der früheren Leistungen. Wir haben im Bereich des Überbrückungsgeldes weiterhin gleiche Fallzahlen und hatten im letzten Jahr weit über 200 IchAG-Gründer. GründerCOMPASS: Für wen kommt die Gründung einer Ich-AG Ihres Erachtens überhaupt in Frage?
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Früher haben wir immer sehr genau geschaut, wie tragfähig die Geschäftsidee ist. Wer Leistungen bezogen hat, der musste vorab eine Kapitalplanung und ein Tragfähigkeitskonzept vorlegen. Das alles musste von einer fachkundigen Stelle abgesegnet werden. Bei der Ich-AG ist das nicht der Fall. Da kann im Prinzip jeder kommen und sagen: „Ich möchte mich gerne selbständig machen“, meldet ein Gewerbe an und bekommt dann den Zuschuss. Darin sehe ich auch eine gewisse Gefahr: Es gehen vielleicht auch Personen in die Selbständigkeit, die ein höheres Risiko haben zu scheitern, als wenn vorher genau geschaut wird, ob das Ganze, auf die Zukunft gesehen, auch Sinn macht. GründerCOMPASS: Gibt es den typischen Bewerber, die typische Bewerberin? Claudia Steinhardt: Die Gründer, die wir haben, machen sich etwa im Bereich von Boten- und Sicherheitsdiensten oder als Hausmeister selbständig. Manchmal gibt es auch ganz kuriose Geschichten. Wir haben zum Beispiel einen, der möchte eine Urlaubspension für Papageien aufmachen. Der hat wahrscheinlich zu Hause einen Papagei und hat sich gedacht: Ich kann die Tiere pflegen, wer in Urlaub geht, kann die bei mir abgeben. Meist sind es recht einfache Geschäftsideen, für die kein großer Aufwand nötig ist, keine großen Investitionen, kein zusätzlicher Personalbedarf, vielleicht auch nicht unbedingt so große Fachkenntnisse. In wie weit die Ideen letztendlich tragfähig sind, werden wir dann sehen. Es kommen übrigens auch viele Menschen, die schon lange arbeitslos sind. Die haben schon viele erfolglose Bewerbungen geschrieben und sagen sich jetzt, dass die Selbständigkeit vielleicht ein Ausweg ist.
GründerCOMPASS: Es gibt Stimmen, die meinen, viele Bewerber für die Ich-AG seien nicht ernsthaft an einer Selbständigkeit interessiert, sondern schielten nur auf die staatliche Unterstützung. Ist das auch Ihre Erfahrung? Claudia Steinhardt: Es ist in der Tat theoretisch möglich, den Bezug von Arbeitslosengeld durch eine „Zwischenselbständigkeit“ zu verlängern. Wenn man damit scheitert und sich wieder arbeitslos meldet, kann der noch verbleibende Arbeitslosengeldanspruch wieder geltend gemacht werden. Das ist eine Möglichkeit. Ich unterstelle das unseren Interessenten aber nicht, das kann ich ja nicht, aber das ist in der Tat eine Gefahr. Es besteht durchaus eine Missbrauchsgefahr. GründerCOMPASS: Ein weiterer Kritikpunkt an der Ich-AG ist, dass Interessierte allein gelassen werden, eine Beratung – zumindest obligatorischer Art – findet ja nicht statt. Dadurch würden auch ernsthaft Interessierte keine solide, langfristige Selbständigkeit aufbauen können, so der Vorwurf. Wie sehen Sie das? Claudia Steinhardt: Es ist ganz wichtig, einen potenziellen Existenzgründer auf diesem Weg sehr kompetent zu begleiten. Unserer Erfahrung nach macht es keinen Sinn, dass jemand mit irgendeiner Idee, die ihm in einer stillen Stunde gekommen ist, zum Arbeitsamt geht, den Antrag stellt und die Förderung bekommt. Da ist Scheitern vorprogrammiert. Ich denke schon, dass eine intensive Begleitung stattfinden muss. Und da Gründer die Notwendigkeit vielleicht nicht erkennen, wäre es schon wichtig, das in den gesetzlichen Grundlagen festzuhalten. Unsere Erfahrungen bis jetzt sind so: Früher hatten wir eine Quote von 85-90% der Existenzgründer, die nicht wieder arbeitslos geworden sind. Diese Quote wird bei der Ich-AG wesentlich geringer sein. Es wird viel mehr Leute geben, die dann wieder in den Arbeitslosengeldbezug zurückkehren durch die fehlende Beratung und die fehlende Pflicht, entsprechende Unterlagen vorzulegen und planerische Vorarbeiten zu leisten.
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TITEL: ICH-AG
GründerCOMPASS: Wie schätzen Sie somit insgesamt das Konzept der Ich-AG ein? Wie sind die langfristigen Erfolgsaussichten? Claudia Steinhardt: Ich halte die Förderung von Existenzgründungen für sehr wichtig und für sehr erfolgreich. In unserer Gesellschaft sollte ein bisschen mehr Gründermut entstehen. Da sind wir in Offenbach sicher auch ganz gut dran, weil wir hier einen hohen Migrantenanteil haben. Dieser Personenkreis ist einfach mutiger als wir Deutschen. Wir sind so ein bisschen bieder und auf Sicherheitsdenken ausgelegt, und da ist einfach mehr Kreativität und mehr Mut gefragt. Das sehen wir auch immer auf unseren Gründerveranstaltungen: Dort kommen viele Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund, die einfach ganz tolle Ideen haben. Wir wären alle viel zu feige, so etwas zu machen. Also: Grundsätzlich ist die Förderung von Existenzgründungen sehr wichtig. Aber es darf nicht nur bei der Geldleistung bleiben. Vielmehr sollte das Geld nur auf einer soliden Grundlage geboten werden, unter bestimmten Voraussetzungen und eingebunden in eine Begleitung.
Infos zur Ich–AG: Insgesamt gesehen ist das Gründungsgeschehen in Deutschland wie auch international seit Mitte der neunziger Jahre eher rückläufig. Rückläufig ist auch der Saldo zwischen Gründungen und Liquidationen – übrigens auch bei den HighTech-Gründungen. Im vergangenen Jahr standen laut Institut für Mittelstandsforschung IfM in Bonn 452.000 Gründungen 389.000 Liquidationen gegenüber. Allerdings: Die Gründungen aus der Arbeitslosigkeit nehmen drastisch zu. Vor wenigen Jahren kam etwa jeder sechste Gründer aus der Arbeitslosigkeit, im Jahr 2003 schon jeder vierte. Das schlägt sich auch bei den ausgezahlten Überbrückungsgeldern nieder: Im vorletzten Jahr wurden gegenüber 2001 29% mehr Bewilligungen erteilt (123.268).
Für 2003 rechnet das IfM sogar mit deutlich über 200.000 Gründungen aus der Arbeitslosigkeit. Allein bis zum August 2003 wurden 105.803 Gründungen mit Überbrückungsgeld und 51.859 IchAGs gefördert – im Vergleich zum August 2002 entspricht das fast einer Verdoppelung der Gründungsförderungen von Arbeitslosen. Zu den Überlebenschancen der Ich-AGs gibt es noch keine verlässlichen Zahlen – dazu ist das Projekt noch zu jung. Untersuchungen zu Überbrückungsgeldempfängern haben ergeben, dass mindestens die Hälfte davon 5 Jahre nach Beginn der Selbständigkeit immer noch am Markt ist. Nach drei Jahren wurde im Durchschnitt ein zusätzlicher Arbeitsplatz geschaffen. Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg
Das Interview führte Anna-Maria Borse
■ SELFEMPLOYMENT IN DEUTSCHLAND
Einblicke in die lokale Gründerszene Wer sich als Arbeitsloser selbständig machen will, sollte sich unbedingt beraten lassen. Dann stehen die Chancen nämlich gar nicht schlecht, tatsächlich sein eigener Chef zu werden und auch längerfristig mit dem Unternehmen seine Brötchen verdienen zu können.
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u diesem eindeutigen Ergebnis kommen jedenfalls Untersuchungen über die Arbeit von Existenzgründungsberatungen im Umfeld der Entwicklungspartnerschaft EXZEPT. Ausgewertet wurden Datensätze der Offenbacher KIZ GmbH und des Hamburger Gründungszentrum ENIGMA, beide Partnerorganisationen von EXZEPT. Die Zahlen sind zwar nicht repräsentativ, vermitteln aber durchaus einen Eindruck über den Erfolg von Gründungsberatung. Die Offenbacher KIZ GmbH hat im
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Zeitraum 2001-2002 2.390 Personen geschult, davon waren fast alle arbeitslos. Die Teilnehmer, darunter rund 30% Frauen, kamen sowohl aus urbanen wie auch aus ländlichen Gebieten (Kassel, Offenbach, Darmstadt, Korbach, Wetzlar, Frankenberg, Dillenburg). Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Programmteilnehmer gründeten eine Firma, mehr als ein Viertel entschied sich für ein Angestelltenverhältnis, lediglich 20% der Teilnehmer blieb arbeitslos. Je nach Zielgruppe des Projekts waren 70-80% der Selbständigen auch drei Jahre nach der Gründung noch im Geschäft. Das Hamburger ENIGMA Gründerzentrum bietet mit der Gründerwerft und .garage zwei „Brutkästen“ an, in denen potenzielle Gründer 7 Monate lang bei der Planung und der Umsetzung der eigenen Geschäftsidee betreut werden. Bei beiden Projekten müssen die Interessen-
ten vorher ein Assessment Center durchlaufen. Bei der Gründerwerft schafften dies zwischen April 2001 und April 2003 373 vorab Arbeitslose, darunter 35% Frauen. Davon gründeten 78% ein Unternehmen, 3% zogen ein Angestelltenverhältnis vor. .garage richtet sich speziell an junge Leute unter 35 Jahren, die sich in einer „Garagen“-Atmosphäre selbständig machen wollen. Die Teilnehmer waren entweder arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht. Im Zeitraum Januar 2000 bis Juni 2003 schafften 222 junge Leute das Assessment Center, davon 43% Frauen. Das Ergebnis: 80% davon machten sich selbständig, 9% gehen einer angestellten Tätigkeit nach, 3% befinden sich in der Ausbildung. Nur 8% von ihnen sind noch arbeitslos oder beziehen Sozialhilfe. Die Überlebensrate der Unternehmen sechs Monate nach
Projektende liegt mit 89% deutlich über dem Durchschnitt. Fazit: Ein großer Prozentsatz der Teilnehmer von Existenzgründungsprogrammen, also 50-80%, gründet tatsächlich eine eigene Firma. Durch ein vorgeschaltetes Assessment Center können offenbar die „geeigneten“ Gründer gut herausgefiltert werden. Wie hoch die Quote ist, hängt dabei nicht unbedingt mit der Qualität der Beratung zusammen. Die Ausgangsvoraussetzungen sind nämlich sehr unterschiedlich: In manchen Kursen tummeln sich nur solche, die eine gute Ausbildung, viel Erfahrung und eine konkrete Idee für die Selbständigkeit im Kopf haben, in anderen Kursen gibt es mehr Unentschlossene oder auch Menschen mit eher ungünstigen Startbedingungen. Eines ist jedoch eindeutig: Die überwiegende Mehrheit der Gründer kann sich am Markt halten – eine Beratung macht also durchaus Sinn. amb
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GRÜNDERTHEMA
Bei „weichen“ Themen sind Gründerinnen lieber unter sich ENIGMA IN HAMBURG UNTERSUCHT FRAUENSPEZIFISCHE GRÜNDUNGSBERATUNG Hierzulande erfolgt nur knapp ein Drittel der rund 500.000 Unternehmensgründungen im Jahr durch Frauen. Warum das so ist und wie Frauen durch Gründungsförderer besser angesprochen werden können, beleuchtet derzeit das Enigma Gründungszentrum in Hamburg. Untersucht wird eine speziell auf Gründerinnen zugeschnittene Seminarreihe. Im Rahmen dieses Angebots werden angehende Selbständige vier Wochen lang halbtags unterrichtet und danach nach ihren Einschätzungen und Bedürfnissen im Zusammenhang mit der Gründungsberatung befragt. Daraus soll ein Referenzmodell entwickelt werden, ein Angebot also, das alle frauenspezifischen Anforderungen für eine Gründungsberatung berücksichtigt. Ziel des Projekts: Frauen sollen Beratungsangebote mehr nutzen, der Schritt in die Selbständigkeit soll erleichtert werden. Die Arbeit erfolgt als Entwicklungspartnerschaft von EXZEPT im Rahmen der EU-Beschäftigungsinitiative EQUAL. EXEPT hat sich allgemein zum Ziel gesetzt, die Hürden für eine Selbständigkeit von Frauen, Arbeitslosen, Migranten und sozial Benachteiligten abzubauen. „Frauen verhalten sich im Gründungsprozess meist risikoaverser und haben einen größeren Gesprächs- und Informationsbedarf, als männliche Gründer“, meint Dagmar Rissler, bei Enigma zuständig für die wissenschaftliche und inhaltliche Begleitung des Projekts. Auch der Entscheidungszeitraum von der Idee bis zum endgültigen Start sei bei Frauen oftmals länger. Nicht zuletzt nehmen Frauen in der Regel weniger öffentliche Kredite in Anspruch. Es werde eher eigenes Geld oder das von Freunden oder der Familie genommen. Ein Grund dafür sind beispielsweise Hemmschwellen, bei Banken als Unternehmerin aufzutreten, aber auch generelle Unsicherheiten beim Umgang mit dem Thema Geld. Um noch konkretere Ergebnisse zu erzielen, nimmt Enigma derzeit die „Vorbereitungsseminare für Frauen in Gründung“ unter die Lupe. Das Angebot richtet sich an Frauen, die bereits unmittelbar vor der Gründung stehen sowie an solche, die zwar eine Geschäftsidee haben, sich aber über die Umsetzung noch nicht im Klaren sind. Ein „Rütteltest“ für die Unternehmensgründung sollen die Seminare sein, d.h. die Gründerinnenpersönlichkeit und die Idee werden eingehend geprüft. Behandelt werden außerdem Themen wie kaufmännische Grundlagen, Marketing, Steuern und Finanzierungsfragen – ein durchaus übliches Beratungsangebot also.
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Gründer COMPASS
Dennoch sind die bislang erfolgten Seminare mit 60 Teilnehmerinnen anders verlaufen als gemischte: Zwar konnten die Dozentinnen und Dozenten auf der Sachebene keine großen Unterschiede feststellen, der Gruppenprozess unterschied sich aber deutlich: In den reinen Frauengruppen wurde ernsthafter und offener über eher frauentypische „Macken“ diskutiert, etwa den Hang zum Perfektionismus, eine mangelnde Zielstrebigkeit oder ein Übermaß an Einfühlungsvermögen. 68% der bisherigen Teilnehmerinnen befürworteten daher auch nach dem Seminar ein speziell an sie gerichtetes Angebot. „Es bestehen weniger Hemmschwellen, Fragen zu stellen und sich frei zu äußern“ sagte etwa eine Seminarteilnehmerin. Eine andere lobte die persönliche und vertrauensvolle Atmosphäre, in der auch Angstthemen angesprochen werden konnten.
ten. Ein Viertel der Teilnehmerinnen hatte vor, die Existenzgründung durch eigenes Kapital zu finanzieren oder den Kontokorrentkredit auszuschöpfen. Nur 13% ziehen Fördermittel oder eine Bankfinanzierung in Erwägung. „Dieses Ergebnis deckt sich mit den Beobachtungen, dass Frauen oftmals eine niedrigschwellige Existenzgründung vorziehen und Schwierigkeiten bei der Aufnahme eines Kredites sehen“, meint Dagmar Rissler von Enigma.
Das Fazit insgesamt: Bei eher „weichen“ Themen zeigten sich die Frauen über einen Austausch untereinander sehr dankbar, insbesondere beim Thema Gründerinnenpersönlichkeit. Auch bei Fragen mit hohem Erklärungsbedarf wie etwa Steuern, Versicherungen und Buchhaltung wurde eine homogene Gruppe bevorzugt. Dort empfanden es die Frauen als einfacher, Verständnisfragen zu stellen. Eher vermisst wurde die Anwesenheit von Männern allerdings bei Themen, die in Verbindung mit dem Produkt oder der Dienstleistung stehen. „Gerade beim Feedback hätte mich eine männliche Meinung interessiert, denn meine Kunden sind nicht nur Frauen“, meinte etwa eine Teilnehmerin. „Bei sachlichen Themen wie etwa der Präsentation der Geschäftsidee macht es Sinn, Männer mit einzubeziehen, um der Realität näher zu kommen“, war eine andere Meinung.
Allgemein können in diesem Zusammenhang folgende Erkenntnisse genannt werden, die unter genderspezifischen Gesichtspunkten beachtet werden sollten:
Die Frauen wurden außerdem nach den Gründen für ihre Teilnahme an einem speziell für Frauen konzipierten Seminar befragt. Hierbei wurde die Seminarzeit, also vier Stunden am Vormittag, als der häufigste Grund genannt – und zwar unabhängig davon, ob die Frauen Mütter waren oder kinderlos. Der Grund: Alle Teilnehmerinnen bewerteten die Reflexionsmöglichkeit des am Vormittag erworbenen Wissens als positiv. Außerdem waren die Austauschmöglichkeiten, der Aufbau eines Netzwerks und die Atmosphäre wesentliche Beweggründe. Die größten Probleme bei dem Schritt in die Selbständigkeit sehen die meisten Gründerinnen beim fehlenden Eigenkapital, gefolgt von einer fehlenden Bankfinanzierung und zu niedrigen Umsatzaussich-
Die Untersuchungen von Enigma beziehen sich zwar auf frauenspezifische Beratungsangebote, aber der Gender Mainstreaming-Ansatz, also die Berücksichtigung beider Geschlechter, wird bei der wissenschaftlichen Ausführungen zum Thema „Beratung von Existenzgründern“ nicht außer Acht gelassen.
Zum einen müssen die Informationsmaterialien zum Thema Existenzgründung wie etwa Broschüren und Homepages so aufgebaut sein, dass Frauen und Männer in Bild und Sprache gleichermaßen angesprochen werden. Des weiteren sollten die Beratungs- und Seminarzeiten so fallen, dass sie auch von Personen mit Familie genutzt werden können: Also Gründungsseminare auch halbtags zu Öffnungszeiten der Kindertagesstätten und nicht gerade in den Schulferien. Zum dritten müssen ausreichende Informationsmöglichkeiten geboten werden, gegebenenfalls auch über andere Anbieter, Förder- und Netzwerkmöglichkeiten. Nicht zuletzt: Gründungsberater und -beraterinnen müssen sensibilisiert sein für genderspezifisches Lernund Kommunikationsverhalten. In den Seminaren muss zum Beispiel auch über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesprochen werden, ebenso über den Umgang mit gesellschaftlichen Rollenbildern und -erwartungen, auch bei Banken und Fördereinrichtungen. „Die Berücksichtigung genderspezifischer Aspekte in der Gründungsbegleitung kann jedenfalls einen wertvollen Beitrag zur Chancengleichheit bei Unternehmensgründungen leisten“, so lautet das bisherige Resumé von Dagmar Rissler. Die Seminare werden noch bis Mitte 2004 durchgeführt und evaluiert, abschließende Ergebnisse gibt es im kommenden Jahr. amb
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GRÜNDERTRENDS
Aus der Not ein GESCHÄFT gemacht WER SUCHET, DER FINDET... ODER MUSS ES SELBST MACHEN!
S
eit vielen Jahren spielte Horst Czyzewski mit dem Gedanken der Selbständigkeit. Aus einer Unternehmerfamilie stammend, engte ihn seine Arbeit in GroßunterHorst Czyzewski nehmen wie T-Mobile und E-Plus immer mehr ein. Es fehlte allerdings lange an einer zündenden Idee und die finanzielle Sicherheit seiner Familie wollte Horst Czyzewski auch nicht aufs Spiel setzen. Gerade in der Gründungsphase muss viel investiert werden und ob es gelingt, direkt vom Anfang an diese Investitionen durch Einnahmen zu finanzieren, war fraglich. Es wäre doch toll, wenn man Investitionen mit eigenen Leistungen verrechnen könnte, dachte Horst Czyzewski. Das wäre ja auch eine gute Gelegenheit, um in Kontakt mit potenziellen Kunden zu kommen und diesen durch solche Geschäfte zu beweisen, dass man sein Geld wert ist. Man könnte auf diese Art und Weise seinen Finanzbedarf bei der Grün-
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dung reduzieren und gleichzeitig die wichtigen Kontakte knüpfen. Im Zeitalter des Internet müsste es doch so etwas schon geben, dachte Horst Czyzewski, und startete eine umfangreiche Recherche. Hierbei stieß er auf eine EG – Studie, die zu dem Schluss kam, dass Tauschgeschäfte zwischen Unternehmen in den nächsten Jahren einen erheblichen Teil des Gesamtumfangs an Transaktionen zwischen Unternehmen bilden werden. Es ist ja auch nachvollziehbar, dass gerade – aber nicht nur – in schlechten Zeiten die notwendige Dachsanierung besser durch eine Gegenleistung wie z.B. Einrichtung einer Website oder Steuerberatung oder Sanitärrenovierung oder, oder, oder abgegolten werden könnte als durch knappes Geld. Und wenn der gefundene Partner eben gerade auch eine Website entwickelt haben möchte, um sein Geschäft voranzubringen, dann ist ein solches Geschäft für beide Parteien gewinnbringend. Liefern dann beide gute Arbeit ab, werden sie sich auch bei zukünftigen Investitionen gegenseitig berücksichtigen. Überrascht stellte Horst Czyzewski fest, dass es eine solche Tauschbörse für Unternehmer, Gründer und Nebengewerbetreibende in Deutschland noch nicht gab! Die zündende Idee war da und schrie nach Umsetzung.
Doch wie sollte das Projekt realisiert werden? Eine Softwareentwicklung zu beauftragen, sprengte den finanziellen Rahmen. Es musste ein Partner gefunden werden, der diese Arbeit übernehmen konnte. Nachdem Horst Czyzewski diese Geschäftsidee einigen seiner Geschäftspartner aus seiner bisherigen Tätigkeit vorgestellt hatte, schlug das Glück des Tüchtigen zu. Der deutsche Teil eines international agierenden großen Softwarehauses fand die Idee so bestechend, dass nach wenigen Gesprächen gemeinsam die NocashTrades GbR, Horst Czyzewski und Strohl Systems GmbH, gegründet wurde. 6 Monate der Abstimmung, des Programmierens, der Verfeinerung der Anforderungsprofile und des Aufbaus der organisatorischen Strukturen folgten. Ende 2003 war nun alles zum Beginn der Testphase bereit. Der COMPASS-Verlag erhält exklusiv die Möglichkeit, seinen Lesern die Nutzung von NoCashTrades, dem geldlosen Handelsplatz für Unternehmer, Existenzgründer und Gewerbetreibende, für die Dauer von 6 Monaten kostenfrei anzubieten. Dieses Angebot ist auf 200 Accounts limitiert. DIE WEBADRESSE LAUTET WWW.NOCASHTRADES.DE
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GRÜNDERTHEMA
Selbständig mit Power-Auktionen DER EINSTIEG IN DIE SELBSTÄNDIGKEIT ALS ONLINE-VERKÄUFER BEI EBAY eBay ist der weltweite Online-Marktplatz. 1995 in Kalifornien für den Austausch von Sammlerartikeln gegründet, hat sich das ECommerce-Unternehmen sehr rasch zum weltgrößten sowie leistungs- und besucherstärksten Marktplatz für den Verkauf von Gütern und Dienstleistungen durch Privatpersonen und Unternehmen entwickelt. Als eines der wenigen Unternehmen der InternetWirtschaft ist eBay seit seiner Gründung durchgehend profitabel. In Deutschland finanziert sich eBay über eine Angebotsgebühr, die zwischen EUR 0,25 und EUR 4,80 je Artikel liegt, sowie über eine Provision in Höhe von zwei bis fünf Prozent, die dem Verkäufer bei einem erfolgreichen Verkauf in Rechnung gestellt wird. Jeden Tag werden in Tausenden von Kategorien Millionen von Artikeln angeboten. eBay ermöglicht dabei den Handel auf regionaler, nationaler und globaler Ebene. Der Online-Marktplatz ist in 27 Ländern auf vier Kontinenten präsent. In Deutschland ist eBay Marktführer und betreibt unter der Bezeichnung „eBay City“ zahlreiche innerdeutsche Regionalmärkte. Die deutsche eBay GmbH wurde 1999 in Berlin gegründet; Mitte 2000 wurde der Geschäftssitz in den Europarc Dreilinden vor den Toren der deutschen Hauptstadt verlegt. Innerhalb der auch in Deutschland ständig wachsenden „OnlineGemeinde“ gilt eBay als großer Sympathieträger – surfen und suchen, anbieten und kaufen bei eBay macht Spaß und gilt bei Internet-Fans aller Altersgruppen als „Kult“. Bei eBay finden nicht nur mit Abstand die meisten privaten Käufe und
Verkäufe im Internet statt; der clevere Auktionsmechanismus garantiert allen eBay-Mitgliedern auch faire Preise und gleichbleibend hohe Qualität. Einfache Bedienbarkeit, höchstmögliche Sicherheit und hervorragender Service gehören dabei zu den Grundsätzen von eBay. Inzwischen sind es bereits über 85 Mio. registrierte Mitglieder auf allen Kontinenten, die bei eBay im dritten Quartal des Jahres 2003 Waren und Dienstleistungen im Wert von 5,8 Mrd. USDollar angeboten und erworben haben. 235 Mio. Artikel wurden in diesem Zeitraum bei eBay zum Verkauf angeboten. Der Reiz des Handelns bei eBay liegt nicht zuletzt darin, dass die Funktionsweise des virtuellen Marktplatzes kinderleicht ist. Außer dem spannenden Online-Auktionsverfahren, durch das eBay weltbekannt wurde, ermöglicht der eBay-Marktplatz auch den Handel zu Festpreisen. Dabei kann der Verkäufer entweder das Auktionsformat mit einer „Sofort-Kaufen“-Option kombinieren oder aber seinen Artikel ausschließlich zu einem reinen Festpreis anbieten. Die eBay Shops schließlich bieten jedem Internetnutzer die Möglichkeit, ein eigenes virtuelles Ladengeschäft bei eBay zu betreiben. Der persönliche Verkaufsraum kann von seinem jeweiligen Inhaber mit einem Wunschnamen versehen und an den eigenen Bedürfnissen orientiert individuell gestaltet werden. Innerhalb seines eBay Shops kann der Betreiber nach seinen eigenen Vorstellungen unterschiedliche Kategorien definieren und sein Artikelangebot damit optimal strukturieren.
Tipps für Verkäufer Artikel attraktiv präsentieren Das A und O beim Verkauf von Waren aller Art per eBay sind die Angebotstexte. Schließlich bieten sie die einzigen Informationen, die ein potenzieller Käufer zunächst hat. Ein attraktives Layout hilft zusätzlich beim Verkauf. Wenn Sie Texte auf der eBay-Site erstellen, können Sie in den Formularen, die eBay Ihnen bietet, allerdings standardmäßig nur mit Fließtext arbeiten und müssen umständlich HTML-Befehle eingeben (etwa <p> für Absatzmarken oder <b> für Fettschrift). Oder Sie schalten auf den ebenfalls unkomfortablen HTML-Modus um. Einfacher geht’s mit einem externen Angebots-Editor. Damit können Sie grafisch ansprechend aufbereitete Texte erstellen, die Ihre Verkaufschancen wesentlich erhöhen. Ein leistungsfähiges Tool ist beispielsweise die Shareware Auktionsbuddy. Wenn Sie regelmäßig Waren bei eBay anbieten, ist das Geld sicher gut angelegt. Ein einfaches Utility bietet eBay selbst kostenlos unter dem Namen Turbo-Lister an.
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Nach Unternehmensangaben verdienen mittlerweile rund 10.000 Menschen in Deutschland ihren Lebensunterhalt mit eBay. Allein mehr als 5.000 Verkäufer nehmen an dem in Deutschland angebotenen PowerSeller-Programm teil. Informationen zum Thema Selbständigkeit mit eBay können Verkäufer im Rahmen des Moduls 2 „Verkaufen Profi“ der eBay University sowie im Rahmen der eBay Workshops in Zusammenarbeit mit der IHK erfahren (Titel: „Profiverkäufer bei eBay: Grundlagen und erste Schritte in die Selbständigkeit“). Ziel der eBay Workshops ist es, Orientierungsund Entscheidungshilfen zu geben sowie Fragen zu beantworten, die für eine Existenzgründung als Profiverkäufer bei eBay von Bedeutung sind.
eBay-Fakten • gegründet im September 1995 • 85,5 Mio. registrierte Nutzern weltweit • Handel in 35.000 Kategorien • ständig mehr als 19 Mio. Artikel im Angebot • Handelsvolumen 2003 ca. 18 Mrd. US$
Der teuerste Artikel, der bis dato bei eBay verkauft wurde, ist ein Firmenjet, der 4,9 Mio. US$ erzielte.
Ware immer selbst fotografieren Wichtigstes Element neben einer aussagekräftigen, aber nicht zu ausführlichen Beschreibung ist das Bild der Ware. Denken Sie als Verkäufer daran, dass Sie Produktfotos nicht einfach aus Angeboten anderer Auktionen herauskopieren dürfen. Das ist zwar gängige Praxis, verstößt aber gegen das Urheberrecht. Der Ersteller des Fotos könnte Sie daher zur Rechenschaft ziehen und hätte vor Gericht gute Chancen, ein Nutzungshonorar zugesprochen zu bekommen. Greifen Sie also besser selbst zur Kamera.
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■ FOTO WALSER - EUROPAS GRÖSSTES EBAY-MITGLIED
Bei eBay hat es Klick gemacht D
igitalkameras, Speicher, Objektive und Filter: 500 bis 600 Pakete werden bei FotoWalser pro Tag zusammengestellt und verschickt. 1.500 E-Mails laufen auf, das Telefon klingelt, kontinuierlich werden neue Artikel eingestellt und Rechnungen für abgeschlossene versandt. Es brummt bei Foto-Walser: Insgesamt 30 Mitarbeiter arbeiten beim Online-Fotohandel von Niclas Walser in Burgheim bei Donauwörth. Vor drei Jahren sah alles noch anders aus: Niclas Walser, damals 22 und passionierter Aussteller auf Fotobörsen in ganz Deutschland, sieht im Fernsehen eine Talkshow, in der der OnlineMarktplatz www.ebay.de vorgestellt wird. Die Idee, seinen Fotohandel von lokalen Börsen ins Internet zu verlegen, klingt für Walser reizvoll. Er schaltet den Fernseher aus, seinen Computer an und surft zu eBay. Seinen ersten Artikel stellt er im September 1999 ein. Von da an geht
es schnell. Der Schwabe hat zur richtigen Zeit den richtigen Riecher und startete seine OnlineHandelskarriere von zu Hause aus. DAS BILD WÄCHST - MIT EUPHORIE UND EBAY
Mit heute 25 Jahren hat Niclas Walser sein Ziel, sich erfolgreich selbständig zu machen, schon erreicht. eBay war für ihn das Sprungbrett. Über diesen Absatzkanal verkauft Walser 50 Prozent seiner Waren, die anderen 50 Prozent über seinen eigenen Online-Foto-Versand und andere Börsen. Auch das Sortiment hat sich verändert: Gebrauchte Waren, wie er sie auf Fotobörsen verkauft hat, sind kaum noch dabei, überwiegend handelt Foto-Walser mit Neuware. „Mein Traum war es schon immer, mich selbständig zu machen“, sagt Niclas Walser. Das sei schon so gewesen, als er noch die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolvierte und überlegte, den Fotoladen seines Onkels zu übernehmen. Viel Euphorie war deshalb
Muss es immer Geld sein?
Niclas Walser
dabei, als es mit eBay losging und Walser Tag und Nacht E-Mails an seine Kunden schrieb, um Fragen zu beantworten und die Verkäufe abzuwickeln. Und viel Learning-by-doing gehörte bei der Organisation, der Buchhaltung und den Steuern mit dazu. Die Begeisterung für den Online-Handel ist geblieben, zur Arbeitserleichterung stellte Walser nach einem Jahr seinen ersten Mitarbeiter ein, der ihm die Buchhaltung abnahm. Weitere 28 kamen hinzu, so dass das Büro aus allen Nähten platzte und Niclas Walser ein Haus baute, in das sein Team im November 2002 umzog. Nun hat die Betreuung der kontinuierlich 3.000 bis 4.000 Verkäufe inklusive Lager, Versand und Kundenservice per E-Mail und Telefon unter einem Dach ausreichend Platz. Foto-Walser verschickt von Australien bis Island, von Argentinien bis Lettland. Mit mehr als 60.000 Bewertungen gehört er zu den größten eBay-Händlern in Deutschland. FILTER, BLENDE, FOKUS – SEMINARE FÜR EBAY-HÄNDLER
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Der Weg vom privaten zum selbständigen Online-Händler birgt auch einige Herausforderungen. Niclas Walser hat im Lauf der Zeit viele Erfahrungen gemacht, die er nun in Seminaren weitergibt, um anderen den professionellen Einstieg zu erleichtern. Die Seminare richten sich nicht an Einsteiger, sondern an Fortgeschrittene, die schon mehrere Hundert Artikel bei eBay verkauft haben und noch erfolgreicher werden wollen. Foto-Walser kann ihnen bei Aufgaben, wie beispielsweise die gleichzeitige Betreuung vieler Transaktionen, helfen. Maximal fünf Teilnehmer werden einen Tag lang vor Ort geschult, sie lernen alle Arbeitsschritte an konkreten Beispielen kennen. Auch nach dem Seminar stehen Niclas Walser und sein Team den Teilnehmern als Ansprechpartner zur Verfügung.
mens und gewinnen Sie somit neue Kunden
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• Lieber Tauschen als gar kein Geschäft
Foto-Walser ist rasant gewachsen. Manchmal, sagt Niclas Walser selbst, war es fast zu schnell. In seinen Seminaren gibt er deshalb den wichtigsten Tipp mit auf den Weg: So wachsen, dass die Strukturen mitziehen.
www.nocashtrades.de
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Erfolgreich mit gebrauchten Computern
B&B COMPUTER TRADING GMBH
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on langer Hand geplant war Björn Blums Einstieg als so genannter eBay PowerSeller nicht. Eher zufällig kam der gelernte Bankkaufmann und Systemadministrator zum weltweiten Online-Marktplatz eBay. Mittlerweile hat der Dreißigjährige zehn Angestellte und der Vertrieb von gebrauchtem Computerzubehör hat sich für ihn zum Erfolgsmodell entwickelt. Begonnen hat alles Anfang der 90er Jahre bei seinem früheren Arbeitgeber, der Computeranlagen mittlerer Datentechnik von Banken, Versicherungen und Behörden kaufte, aufarbeitete und weiter verkaufte. Dabei sammelten sich immer mehr Drucker, Monitore und Zubehör an, die nicht in den Rahmen des eigentlichen Geschäfts passten. Björn Blum wurde auf eBay aufmerksam und fing an, die Produkte – ebenfalls gereinigt und aufgearbeitet – online zu vermarkten. Von dem Ergebnis positiv überrascht und angespornt durch den großen Erfolg gründete er eine Firma, die sich überwiegend mit dem OnlineHandel beschäftigt: Die B&B Computer Trading GmbH, bei eBay unter dem Verkäufernamen „trading_de“ zu finden. GROSSE REICHWEITE UND ÜBERZEUGENDES KONZEPT
Zunächst war der Handel überwiegend international – es war auch schon mal eine Lieferung nach Südkorea mit dabei – inzwischen ist er vor allem national. Um die 300 abgeschlossene Auktionen pro Monat kann trading_de vorweisen, das Hauptgeschäft liegt dabei nach wie vor auf dem Vertrieb gebrauchter Hardware.
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„Die hohe Benutzerfrequenz bei eBay ermöglicht uns allerdings auch, außergewöhnliche Artikel in der Kategorie Computer einzustellen“, denn über 60 Millionen Nutzer kaufen und handeln beim weltweiten Online-Marktplatz und 12 Millionen unterschiedliche Besucher kommen allein in einem Monat 2003 auf die deutschen eBay-Seiten. „Im Prinzip haben wir keinen Artikel gefunden, der nicht über eBay vertrieben werden kann.“ 80 Prozent seines Umsatzes macht Björn Blum im Online-Geschäft. Ebenfalls überzeugt hat Blum das offene Konzept der eBay-Seiten: Interessierte können den Artikel per Bild sehen und dem Verkäufer per eMail Fragen stellen. „Besonders wichtig ist es uns, eine große Transparenz und Nähe zum Käufer zu schaffen, damit der Online-Handel so persönlich wie möglich ist. Wir haben zum Beispiel ein eigenes Chat-System integriert und aus Spaß eine Webcam installiert. Sie überträgt ein Bild von unserem Vertriebsarbeitsplatz auf alle unsere Artikelseiten bei eBay. So kann jeder sehen, was wir gerade machen.“ Zu den nettesten eBayAnekdoten zählt deshalb für Blum die eMail eines Kunden, der schrieb: „Ich beobachte schon seit einigen Tagen eine Auktion und muss sagen: Es ist ungesund, jeden Tag Pizza zu essen.“
„IMMER WIEDER GERNE“ – DAS BEWERTUNGSSYSTEM
Auch im Online-Handel gilt: Zufriedene Kunden kommen gerne wieder. Dies zeigen die positiven Bewertungen der Ware und des Handels mit trading_de. Nach einer abgeschlossenen Auktion bewerten sich Käufer und Verkäufer gegenseitig, die vergangenen Bewertungen wiederum informieren über die bisherigen Leistungen. Beschreibungen wie „immer wieder gerne, schneller Versand, Top-Ware, gut verpackt, super eBay-Partner“ gehören zu den meistgefundenen Bemerkungen unter trading_de. ERFOLGREICHES E-BUSINESS VIA MARKTPLATZ
Zum Erfolgsrezept des Computerhändlers gehören die einwandfreie Ware und der optimale Service: Das Team liefert schnell und leistet jederzeit auch mehrsprachig technischen Support. Natürlich gibt es auf die Artikel Garantie und ein 14-tägiges Umtauschrecht. Nicht zuletzt jedoch entscheidet der günstige Preis. Durch die Bekanntheit auf dem Online-Markt in ganz Europa sind Björn Blum und sein Team inzwischen zu Beratern zum Thema „e-Business via Marktplatz“ geworden und halten sogar Vorträge. „Mit dieser Tätigkeit versuchen wir, die Idee des Online-Handelns nicht nur für Computerhändler weiterzutragen. Wir haben schon einige Firmen in kleine Online-Renner verwandelt, die ursprünglich auf konventionellem Weg gehandelt haben.“
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■ PLATIN POWERSELLER BEI EBAY MOTORS
Vom Kuchenblech zur Edelkarosse A
ls Bernd Fink aus Bochum kurz nach der Wende durch die Neuen Bundesländer reisend Kuchen vom Blech verkaufte, konnte er nicht ahnen, eines Tages in Platin zu machen – als so genannter Platin PowerSeller. Fink verkauft heute bei eBay unter dem Namen „herko_ de“ im großen Stil Tuning- und Sportzubehör für Autos, vor allem der großen deutschen Automobilhersteller. Mit einem Umsatz von mehr als 150.000 Euro innerhalb von drei Monaten und einem mustergültigen Verkaufsverhalten gehört Finks Unternehmen, die Carparts Online GmbH, zu den ganz wenigen eBay-Händlern, denen der Platin-Status in Deutschland zugesprochen wurde. VOM BLECH AUF´S AUTO GEKOMMEN
w w w. n o c a s h t r a d e s . d e
Die Erfolgsgeschichte des gelernten Elektronikers begann, als er 1992 vom Kuchenverkauf auf den Autohandel umsattelte. Um seine Autos aufzuwerten und den Wiederverkaufswert zu erhöhen, erwarb Fink günstig größere
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Mengen schwarze Blinker und Rückleuchten. Der Durchbruch kam 1999, als Fink Jahre später durch Zufall auf eBay stieß, und anfing, versuchsweise überschüssige Ware auf dem OnlineMarktplatz zu verkaufen. „Ich hatte gleich auf Anhieb einen Riesenerfolg“, schwärmt Fink, „so dass ich erste Teilkontingente speziell für den Verkauf bei eBay einkaufte.“
MUSS ES IMMER GELD SEIN?
Bald kamen weitere Ersatzteile hinzu und schon nach einem halben Jahr musste Fink ein Lager anmieten. „Das Geschäft hatte sich derart rasant entwickelt, dass ich dank der starken Nachfrage für immer mehr Nachschub in meinem Lager sorgen musste.“ Doch das war erst der Anfang. Inzwischen erwirtschaftet Fink über die eigens für den Verkauf von Tuningteilen gegründete Firma Carparts Online GmbH seinen gesamten Umsatz bei eBay. Dieses Jahr muss Fink erneut sein Lager erweitern, um das stetig wachsende Sortiment unterzubringen: angefangen von Alutürpinnen über Sport-Kühlergrills ohne Emblem, farbige Rückleuchten, Motorhaubenverlängerungen, Zentralverriegelungen mit Fernbedienung bis hin zu kompletten Sportfahrwerken hat herko_de alles, was das Tuning-Herz höher schlagen lässt. „Es gibt im Grunde keinen Zubehörartikel, der bei eBay nicht funktioniert. Selbst neu designte Teile wie Diffuser für Heckspoiler laufen nach einer kurzen Anfangsphase“, so Finks Erfahrungen auf dem Marktplatz. Bis zu 100 Artikel stellt herko_de täglich bei eBay Motors ein, fast keiner endet ohne Gebot. Der Startpreis seiner Auktionen liegt in der Regel bei 1 Euro – und genau das macht für Fink den Erfolg aus. „Denn: Je niedriger der Startpreis, desto attraktiver das Angebot für die Bieter“. Hinzu kommt natürlich, dass die Kunden mit der Ware und den Transaktion stets zufrieden sind: mehr als 20.000 positive Bewertungen kann herko_de inzwischen in seinem eBay-Profil vorweisen. PLATIN-POWERSELLER
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• Lieber Tauschen als gar kein Geschäft
Dank des lang anhaltenden Erfolgs hat eBay Bernd Fink und seinem Team nun den Status des Platin-Powersellers – es gibt Bronze, Silber, Gold und besagtes Platin – zugesprochen. Damit verpflichtet sich herko_de, die anspruchsvollen PowerSeller AGBs und die eBay-Grundsätze einzuhalten. Für Fink ist und bleibt der Online-Marktplatz die erste Wahl für seine Geschäfte. eBay bietet entscheidende Vorteile: Nicht nur eine große potenzielle Käuferschaft in Deutschland, sondern dank des internationalen Marktplatzes auch Abnehmer im Ausland, die bei herko_de kaufen. Und durch sein großes Umschlagvolumen bieten ihm mittlerweile Firmen Restposten zu guten Einkaufskonditionen an, die er mit entsprechendem Preisvorteil weiterverkauft. Für Fink war eBay der Schlüssel zum Erfolg.
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■ AZUBO.DE STARTET MIT DEUTSCHLANDWEIT EINZIGARTIGER COUNTDOWN-AUKTION
David gegen Goliath Azubo.de-Team v.l.n.r.: Gregor Pohl, Pierre Ludigkeit, Michael Schuda, Marc Barr
Am 12. November 2003 fiel der Startschuss für Azubo.de, dem Online-Auktionshaus, bei dem die Preise nicht steigen, sondern fallen. Entgegen der bekannten Auktionsform, bei der sich Käufer gegenseitig überbieten, bewegen sich die Preise auf www.azubo.de genau in die andere Richtung. Wenn ein Verkäufer Artikel zum Kauf anbietet, gibt er einen Start- und Endpreis sowie die Auktionsdauer ein. Anhand dieser Angaben errechnet die Software das Zeitintervall, in dem der Preis um jeweils einen Cent reduziert wird. Der Käufer schlägt dann bei dem für ihn interessanten Preis zu. Die Idee zu diesem Auktionsmodell entstand vor knapp einem Jahr in den Köpfen von vier Telekom-Azubis aus Krefeld. Im Rahmen ihrer Ausbildung bekamen sie die Chance, ihre Visionen in die Tat umzusetzen. „Eigene negative Erfahrungen mit dem üblichen, sehr zeitintensiven Auktionsverfahren, veranlasste uns zum Handeln“, so Pierre Ludigkeit, Sprecher und Mitgründer von Azubo.de. „Innerhalb von acht Monaten war die Plattform konzeptioniert und programmiert. Nach einigen Testläufen innerhalb aller DTAG-Azubis haben wir dann beschlossen, mit Azubo.de in die Privatwirtschaft zu gehen“, so Ludigkeit. Nachdem entsprechende Serverkapazitäten bei der DTAG angemietet wurden, brauchten die vier JungUnternehmer nur noch entsprechende Räumlichkeiten. Diese fanden sie im Firmengebäude von Ludigkeits Vater. DAS PRINZIP DER COUNTDOWN-AUKTION
Die „Countdown-Auktion“ bietet für Käufer und Verkäufer viele Vorteile. Künstliches „Hochtreiben“ ist nicht mehr möglich, da sich der Käufer mit dem ersten Gebot den Artikel sichert.
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Außerdem hat der Verkäufer die Kontrolle darüber, dass seine Artikel nicht unter Preis versteigert werden können. Das Preissystem orientiert sich an dem des Marktführers eBay, wobei die einzelnen Kosten im Vergleich über die Hälfte günstiger sind. Die Bezahlung der Gebühren erfolgt bequem per Bankeinzug, der bei jeder Neuanmeldung durch eine Testbuchung überprüft wird. Zum Start liefen bereits knapp 10.000 Auktionen in den 30 verschiedenen Produktkategorien. DAS OFFLINE-TOOL
Verkäufer können ihre Artikel in aller Ruhe mit zwei unterschiedlichen Offline-Tools von Azubo. de für die Versteigerung vorbereiten. Über einen Link auf der Startseite gelangt der User in den Download-Bereich. In dem herunter geladenen Dokument kann er dann alle zu versteigernden Artikel erfassen und mit einem Klick online stellen.
TIPP: Wer alle erreichbaren Auktionshäuser in seine Schnäppchenjagd einbeziehen will, sollte sich dabei von Meta-Suchmaschinen wie z.B. dem AuktionsSchnüffler (www.asearch.de) helfen lassen. Die Sieger im Test der Zeitschrift PC Praxis bieten die Suche in über 108 deutschen und österreichischen Auktionsplattformen. Dabei stehen komfortable Suchmöglichkeiten zur Verfügung.
Neue Internet-Börse kombiniert mehrere Auktionsmodelle Seit Januar im Web, und schon auf der Überholspur: Anders als andere Auktionsbörsen setzt Tibidu.de nicht nur auf ein einziges Auktionsmodell, sondern auf eine Kombination verschiedener Varianten. Die klassische Auktion, die Auktion mit Festpreis, oder der Handel zu Festpreisen stehen ebenso zur Wahl wie der Holländische Auktionsmodus (Countdown-Auktion). So kann ein Kunde beispielsweise seine Ware zum Festpreis anbieten, beim Kauf aber das „Countdown-Prinzips“ nutzen und sich den gewünschten Artikel direkt sichern. Absichtliches Preistreiben durch Dritte ist so nicht möglich. Schutz auch für den Verkäufer: Da der Mindestverkaufspreis festliegt, läuft er nicht Gefahr, seinen Artikel „unter Preis“ verkaufen zu müssen. Betrügerische Preistreibereien durch Verkäufer mit Zweitaccount oder deren Verbündete sind ebenfalls ausgeschlossen. Wer gerne online stöbert, kauft oder verkauft, findet unter www.tibidu.de ein professionelles Forum mit über 14.000 Kategorien, eigenen Online-Shops, Wunschpreisassistenten oder Offline-Tools zum schnellen Einstellen von mehreren Auktionen. Komfort und Benutzerfreundlichkeit sowie weitreichende Navigationsmöglichkeiten machen den Internet-Auftritt ebenso attraktiv wie das Bewertungssystem für Käufer und Verkäufer, ein „Café“ zum Kennenlernen und für den Meinungsaustausch. Verkäufer, die sich gerne persönlich vorstellen möchten, haben im Rahmen einer eigenen kleinen Homepage Gelegenheit dazu. Elektronische Auktionshelfer, wie zum Beispiel der „Bietagent“ oder „Future Watch“ unterstützen den Einkauf und vermelden per Email, sobald der lang gesuchte Artikel angeboten wird.
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GRÜNDERWISSEN
Freude am Gestalten
KURZINFO
ODER: WO KOMMEN INNOVATIONEN HER UND WO FÜHREN SIE HIN? KOLUMNE FÜR DEN GRÜNDER COMPASS VON PROF. NORBERT SZYPERSKI
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as Wort „Innovationen“ ist in aller Munde, wenn es um wirtschaftliche Perspektiven einer Region oder gar eines Staates geht. So denkt man auch auf individueller Ebene: Innovation bringt Erfolg und Erfolg bringt Reichtum. Also sagt sich auch das Gründer-Fritzchen: Wenn ich viel haben will, dann muss ich innovativ sein! Und das klingt ja in so vielen Ohren gut. Politiker sagen es, Berater verkünden es, in Memoranden steht es: Innovativ sein bringt einfach Glück! Und wie sieht es wirklich aus? Lassen wir uns nicht täuschen – weder von den vielen gescheiterten Versuchen, großartige eigene oder fremde Erfindungen in den Markt zu bringen oder gar einen neuen Markt für diese Inventionen zu schaffen, noch von so manchen Erfolgsleitfäden. Die meisten erfolgreichen Unternehmungsentwicklungen beruhen auf Imitationen. Und das ist auch richtig so, weil erst diese einen wettbewerbsfähigen Markt schaffen. Der „Erste“, dem es gelingt, eine wirklich neue Idee im Markt zu verwirklichen und damit seine Konzeption des Neuartigen durchzusetzen – und nur das ist eine Innovation, schafft sich eine spezielle Monopolstellung und erwirtschaftet so eine Pionierrente. Erst wenn weitere Anbieter gleicher oder ähnlicher Produkte und Leistungen hinzu kommen, wird der Markt für den Kunden lebendig. Hertz schuf den flächendeckenden Rent-a-Car-Markt, Avis kam hinzu und behauptete „The second tries harder!“. UNIVAC vermarktete die
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US-amerikanische Computer-Erfindung mit einigem Erfolg, ZUSE in Deutschland seine eigene (übrigens frühere Erfindung von Konrad Zuse) mit weniger Erfolg, aber erst die IBM mit ihrer erstklassigen Marketing- und Vertriebskompetenz machte daraus einen breiten Welterfolg – als Imitator, in den frühen Stadien ihres Computer-Geschäftes. Hüten wir uns also davor, diese Strategien als „Nachmachen“ oder „Nachahmen“ zu verketzern. Deutschen Schülern wird immer wieder nahegelegt, doch bitte etwas ganz Eigenständiges zu malen, japanische Schüler werden dafür belohnt, wenn sie der Vorlage eines Meisters in ihren Bemühungen „abzumalen“ treffend ähnlich werden. Bei Siemens wurde die Fax-Technologie als „HellSchreiber“ erfunden, die japanischen Industrie-Schwestern haben mit den Fax-Geräten den Weltmarkt erobert. Imitationen, richtig angepackt und gestalterisch aufgegriffen, lohnen sich. Und Unternehmer wollen gestalten und - wenn nur irgend möglich - erfolgreich gestalten. Alle Studien zu Motiven und Beweggründen von Unternehmungsgründern zeigen immer wieder: Gründer wollen eigene Vorstellungen verwirklichen. Sie sind in dem Sinne autonome Charaktere, dass sie ihr ganzes Können und ihre ganze Kraft am besten dann entfalten können, wenn sie Zielen folgen können, die sie sich selbst gesetzt haben. Im Gegensatz zu den nichtautonomen Persönlichkeiten, die ihre optimale Leistungsfähigkeit erreichen, sobald sie Ziele vorgegeben bekommen und von der Last der eigenen Zielfindung befreit sind. Erfolgsträchtige Ziele zu finden,
ist eine sehr kreative und gestalterische Aufgabe. Jost Stollmann, der Gründer von CompuNet, kam nach Studium, Tätigkeit bei einer sehr renommierten Beratergesellschaft und ersten Gründungsversuchen in den USA nach Deutschland in die „Service-Wüste“ zurück, weil er hier die besseren Chancen für sein Gestaltungspotenzial sah. Aber wo anfangen mit dem kreativen Suchprozess? Er schaute sich bei IBM-Kunden deren Sorgen im Umgang mit den ausgelieferten PCs und den Einzelteilen für deren Vernetzung sowie den vielen Anleitungen zum Aufbau lokaler Netze an. Da muss man doch unternehmerisch helfen können, war seine Erkenntnis. Er engagierte einige Netzwerk-Spezialisten für die PC-Welt, und mit ihnen als Partner gründete er ein Unternehmen, das enorm schnell wuchs und sehr erfolgreich wurde. Er selbst, so berichtet er gerne, habe in den ersten Wochen des Lebens dieser jungen Firma nur die Original-Kartons von IBM geöffnet und für sein Spezialisten die Teile logistisch richtig zur Verfügung gestellt! Gründer und die Unternehmer wollen natürlich auch Geld – möglichst viel sogar – verdienen, aber nicht aus dem persönlichen EinkommensErwerbstrieb heraus, sondern vor allem deshalb, um über die finanziellen Ressourcen neue Spielräume für ihre Gestaltungsvisionen zu gewinnen. Und da spielen die Kunden im freien Markt nur dann mit, wenn ihre Bedürfnisse und ihre Probleme durch gezielte Angebote getroffen werden und das Preis/Leistungsverhältnis akzeptiert werden kann. Darum müsste die unternehmerische Gestaltungskette eigentlich immer bei dem Kunden beginnen. Für ihn eine Lösung fin-
Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Szyperski ist maßgeblich an der Entstehung wissenschaftlicher Gründungsforschung in Deutschland beteiligt gewesen. Seit 1974 beschäftigt er sich mit diesem Thema, sowohl an verschiedenen Universitäten, als auch als Initiator und Verantwortlicher in staatlichen und privaten Gremien. Er bereitete als Mannesmann-Vorstand den Start des D2Netzes vor, ist Mitbegründer des Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND) und selbst „Engel“ innovativer Start-ups. Neben der Gründungsforschung liegen Prof. Szyperski Themen aus der Informatik am Herzen: So war er z.B. fast 20 Jahre lang Herausgeber der Zeitschrift „Wirtschaftsinformatik“.
den, die er bezahlen kann und mag (Lösungsangebot). Die Lösung mit vorhandenen Produkten, Methoden und Verfahren erarbeiten (Lösungsarchitektur). Die gewählte Lösung für den Kunden verwirklichen (Lösungsrealisierung) und ihn auch in der Folgezeit bis hin zur Entsorgung und zum gegebenen Neuauftrag betreuen (Lösungsservice). Im Hintergrund kann und sollte nach neuen Lösungen gesucht und auf den entsprechenden Gebieten geforscht werden (Erweiterung des Lösungsraumes). All das setzt viel Kreativität voraus, da passiert nichts rein mechanisch. Die Gestaltungskraft des Unternehmers und seiner Mitarbeiter wird voll gefor-
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dert. Und das macht sehr viel Spaß. Vor allem dann, wenn die Erfolge im Markt, also immer wieder beim Kunden, sicht- und greifbar werden. Wirtschaften in diesem Sinne ist nicht nur ein intellektuelles, sondern vor allem auch ein sehr sinnliches Spiel! Nun lassen sich die kreativen Prozesse in einer Organisation, aber vor allem über deren Grenzen hinweg, nicht so einfach vom Kunden bis zur Grundlagenforschung in einer Reihe sachlich und zeitlich ordnen. Kreationen und Gestaltungsideen kommen zwar einerseits angeregt durch Aufträge, andererseits aber auch sehr spontan. Wir sind frei im Denken, Erfinden und Gestalten, wenn wir die jeweiligen Randbedingungen der Realität beachten. So geschieht es allenthalben, dass in irgendeinem Forschungsbereich irgendwo auf der Welt ein Arbeitsergebnis die Lösungsphantasie anzukurbeln vermag: Ja, das wäre eine tolle Möglichkeit, ganz neue Angebote für unsere jetzigen und viele andere potenzielle Kunden zu gestalten! Das müsste richtigen unternehmerischen Spaß machen. Aber wie kommen wir von der Forschung und ihren Ergebnissen zu einer entsprechenden Technologie und zu den gesuchten Produkten und wie können diese vermarktet werden? Schon bewegt man sich mit diesem Ansatz auf der unternehmerischen Erfolgskette in einer notwendigen, aber eigentlich doch verkehrten Richtung. Gegen den bedarfsinduzierten Strom hat der erfindungsgesteuerte einen sehr schweren Stand. Und da der letztere ja auch nicht in der Kontrolle einer Person
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oder einer Gruppe ist, sondern an allen Nahtstellen (Forschung, Entwicklung, Produktion, Distribution, Marketing, Vertrieb, Finanzen) Unternehmer mit ihren eigenen Vorstellungen und Zielen tätig sind oder werden, ist das Ganze ein recht kompliziertes unternehmerisches Netzwerk. Wo immer ein junger Unternehmer innerhalb dieses Kreationsund Aktionsnetzes stehen und wirken will, neigt er sicherlich dazu,
unterschätzt.
nur seine nächste Umgebung in Richtung eines möglichen Marktes zu erfassen. Darum sind Erfinder nicht selten von der Realität des Marktgeflechtes enttäuscht, weil keiner ihren Kreationen ernsthaft folgen will. Solche Unternehmensgründungen gehen dann leider meist daran zugrunde, dass sie nicht die Kraft aufbringen können, in diesem Umfeld die richtigen Kunden in richtiger Weise zu erreichen. So werden die finanziellen und zeitlichen Aufwendungen, die nach der Produktentwicklung notwendig sind, um am und im Markt erfolgreich zu sein, regelmäßig und fast systematisch erheblich
nung, über alle Stufen hinweg und in alle relevanten Verzweigungen hinein reichend, praktisch unmöglich ist, bleibt uns in Wirtschaft und Gesellschaft nur das immer wieder zu bewältigende Spiel von „Versuch und Irrtum“, in der Hoffnung, dass einiges gelingen, weniges, aber sehr wichtiges, durchschlagend erfolgreich sein wird. Und dass wir individuell und kollektiv aus den Irrtümern lernen werden. Diese Herausforderungen ermuntern immer wieder neue Gründer dazu, ihre eigenen unternehmerischen Gestaltungen zu versuchen. Sie wollen nicht im gemachten Bett weiterleben. Ihnen sticht die frische
Innovativ sein zu wollen, ist ein extrem hoher Anspruch. Die unternehmerischen Netzwerke sind in Realität eher sehr träge und meist in ihrem Verhalten als Beschaffer – besonders neuen Produkte und Dienstleistungen gegenüber – konservativ. Das gilt nicht nur für den öffentlichen Auftraggeber. Da in so einem Kontext eine gezielte Geschäfts- und Erfolgspla-
Luft des möglichen eigenen Unternehmens in die Nase. Jede Volkswirtschaft und jede Branche braucht solche Unternehmerpersönlichkeiten und deren Handeln als Lebenselixier. Und was ist mit der so genannten New Economy und der „geplatzten Blase“? War das nicht ein ganz anderer Fall? Hier herrschen (oder herrschten) doch Digitalisierung, Miniaturisierung, Globalisierung. Das stimmt in den Voraussetzungen des unternehmerischen Geschehens, die Grundlagen erfolgreicher Unternehmensgründungen wurden dadurch aber nicht auf den Kopf gestellt. Die technologische Entwicklung und ihre Umsetzung in verfügbare digitale und gar globale Infrastrukturen boten zwar neue Kreativitätsräume, und dass tun sie uneingeschränkt und in zunehmenden Maße auch heute noch, sie setzten aber nicht die Spielregeln wirtschaftlichen Handelns außer Kraft. Mit der innovativen und dramatisch schnellen Entwicklung sind wir vielmehr in einer „Error-Phase“ gelandet. Und dies besonders heftig, weil, nicht zuletzt durch die Hurra-Rufe aus der Finanzwelt, die „Versuchsphase“ schon als „Erfolg“ gewertet und gefeiert wurde. So ist das nun mal, wenn wir wirtschaftlich in neue Gestaltungsräume vorstoßen: Unsere Unternehmer mit viel Instinkt und Engagement, manche auch wie Abenteurer, die in See stechen - und wenn die Analysten in ihren sicheren Häfen mit Erfolgsgeschichten im Vorgriff auf die Realität mit Geldern vieler Ahnungsloser spielen. Doch davon sollten wir uns die „Lust am Gestalten“ nicht dauerhaft verderben lassen, oder?
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Mit Liebe zum Erfolg - ein Inder in Berlin
“Dass Liebe endlich sein kann, habe ich erst in Deutschland kennen gelernt. Die Wirtschaft funktioniert hier nach dem selben Prinzip.” Der Satz sitzt. Kein bisschen Trauer in seinen Augen über das eben Gesagte. Warum auch traurig sein, wenn man nicht an das System von Anfang und Ende glaubt. Für Samudra Gupta ist die Liebe immerwährend. Auch die Liebe zum Erfolg. Vielleicht ist es sein Glaube an das Gute im Menschen, der ihn die Karriereleiter hinauf klettern lässt. Für ihn gibt es nicht „den Kunden“ als Geldbörsenträger. Es ist immer ein Mensch, der in seinen Laden kommt. Und die Menschen kommen gerne und zahlreich. Täglich werden es mehr. Sicher hilft es dem 24-jährigen Mann aus Varanassi, einem kleinen Dorf bei Kalkutta, dass er sich, um ein Geschäft in Deutschland zu eröffnen, als Partner den Weltmarktführer im Mobilfunkgeschäft, Vodafone, ausgesucht hat. Doch seine eigentliche Kraft liegt in seinem tiefsten Inneren. Wer ihm gegenüber sitzt, wird von ihr angesteckt. Rund 35.000 Inder leben in Deutschland. Jeder zehnte davon in Berlin. Samudra ist einer von ihnen. Nach seinem Abitur, das er in Kalkutta absolvierte, wird der Ruf seiner Mutter lauter. Er folgt ihr 1996 in das Land, in dem sie eine neue Liebe suchte und schließlich fand. Bereits 1993 heiratete sie einen hier lebenden Deutsch-Inder. Ihr Wunsch war es, den Sohn erst die Schule in Indien beenden zu lassen, bevor er in eine fremde Kultur wechseln sollte. In seiner Heimat hat Samudra gelernt, dass nur derjenige glücklich und erfolgreich sei, der alles mit seinen Mitmenschen teile. In der westlichen Welt sollte dies anders sein - hatte man ihm jedenfalls erzählt. Doch Vorurteile sind nicht seine Sache. Er macht sich auf den Weg, um selbst heraus-
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zufinden, wie die Europäer ticken. Nach neun Monaten Deutsch-Crashkurs und einer Entdeckungstour quer durch Europa findet er einen Job in einer Telekommunikationsfirma als „Mädchen für alles“. Die Arbeit fällt ihm schwer. Es sind nicht die Sprachkenntnisse, die zahlreichen Überstunden und die miese Bezahlung, die ihn verzweifeln lassen. Vielmehr sind es die vielen Seitenhiebe und die Einstellung zum Kunden, die er sich aneignen soll. Der Kunde als wandelndes Eurozeichen. Nicht mit Samudra. Schließlich ist Teilen und nicht das Einteilen in bloße Kategorien sein Erfolgsprinzip. Frustriert und seelisch ausgebrannt kehrt er Deutschland wieder den Rücken, sammelt Kraft in dem kleinen indischen Dorf, wo man ihm früher immer sagte, dass Mitgefühl und Dankbarkeit die wichtigsten Tugenden seien. Und dass diese auf der ganzen Welt gelten. Warum nicht auch in Deutschland? Zweiter Anlauf. Angekommen in Berlin, der Stadt, wo man mit Indien eher Wohlfühlen á la Ayurveda und kulinarische Köstlichkeiten verbindet, sucht Samudra die berufliche Herausforderung - in einem pakistanischen Lebensmittelladen. Die Überwindung kultureller Grenzen beginnt schließlich vor der eigenen Haustür. Das Projekt gelingt. Jetzt kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Wer den politischen Erzfeind überzeugt, dem stehen auch andere Türen offen. Samudra bewirbt sich auf eine Stellenanzeige, in der die Mobilfunkgesellschaft Vodafone Mitarbeiter für ein Callcenter sucht. Absage. Doch die Begründung leuchtet ihm ein. Es fehlt eine Ausbildung. Also vorerst kleinere Brötchen backen. Doch der Kurs stimmt. Er bewirbt sich ein zweites Mal beim selben Unternehmen. Als Aushilfe.
Man lädt ihn zum Vorstellungsgespräch. Einer unter 40 Bewerbern. Die Wahl fällt auf ihn. Nicht sein Lebenslauf, sondern die bestechende Freundlichkeit und das ausgeprägte Servicebewusstsein sind die Punkte, die den Ausschlag bei der Entscheidung geben. Man attestiert ihm ein seltenes Verkäufer-Gen. Ab jetzt geht alles sehr schnell. Im August 1999 tritt er die Arbeit in einem D2-Shop in Berlin Mitte an. Nach zwei Monaten schnellen die Umsätze in die Höhe. Das Verkäufer-Gen entfaltet seine Wirkung. Die Kunden bekommen beim Einkauf von nun an nicht mehr allein schicke Handys und mobile Telekommunikation, sie gewinnen einen Freund hinzu. Der liebenswürdige Mann mit den tiefbraunen Augen und dem perfekt gepflegten Äußeren teilt Freud und Leid der Kunden im Umgang mit den neuen Technologien. Keine Benutzerführung der Welt ist dazu im Stande, den Menschen das Gefühl zu geben, ein Telefon als ein von Menschen gemachtes und auch nur von Menschen genutztes Gerät zu betrachten. Samudra liefert die menschliche Software für ein neues Bild von Mensch und Maschine. Das kommt an. Schnell rückt Samudra von der Aushilfstätigkeit in eine feste Teilzeitbeschäftigung auf. In seiner Chefin findet er eine Mentorin, die sein Potenzial schnell erkennt und dafür sorgt, dass er in eine Vollzeitstelle befördert wird. Mit dem beruflichen Erfolg tritt auch die große Liebe ins Privatleben des sympathischen Querdenkers. Mit seiner Freundin, einer Jurastudentin aus gutem Hause, zieht er sofort in eine gemeinsame Wohnung. Wozu der künstlich gehaltene Abstand, wenn man auch alles miteinander teilen kann. Ohne den Mut und das Vertrauen der Freundin und die internen Bemühungen seiner Chefin wäre
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ihm der nächste, alles entscheidende Schritt in der Karrierelaufbahn sicher nicht gelungen. Mitte 2002 kommt es zu einem Treffen mit unternehmensinternen Förderern und externen Investoren. Sie schlagen Samudra vor, einen eigenen Vodafone-Shop zu eröffnen. Sie glauben an das Potenzial des indischen Verkaufstalents. Das Problem: Samudra ist Ausländer mit begrenzter Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Die Bürokratie schlägt zurück. Doch das Urvertrauen, mit dem Samudra den Menschen begegnet, wird auch an dieser Stelle belohnt. Man findet ein Konstrukt, dass seine Freundin in die neue Selbständigkeit integriert. Auch für die anfangs knappe Kasse zapft das Gründerteam die richtigen Geldquellen im Mutterkonzern und
bei privaten Investoren an. Im Frühjahr 2003 eröffnet Samudra schließlich gemeinsam mit seiner Freundin den eigenen Vodafone-Shop in den Schönhauser Allee Arcaden in Berlin Prenzlauer Berg. Der Erfolg ist bombastisch. In kürzester Zeit entwickelt sich der Newcomer zum Topseller im Großraum Berlin. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, seinen Job wieder zu wechseln, kennt er nur eine Antwort: „Ich will nichts anderes, sondern einfach das Jetzige immer besser machen.“ Die einzige Hürde, die das Ausnahmetalent jetzt noch nehmen muss, ist die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Doch auch in der westlichen Kultur gilt das Credo: Liebe kennt keine Grenzen, auch nicht der Erfolg.
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Rasanter Start mit Nachfüll-Tinte TINTEN-DISCOUNTER AUF EXPANSIONSKURS Wer stolzer Besitzer eines Tintenstrahl-Druckers ist und ihn auch benutzt, denkt spätestens beim Kauf neuer Patronen darüber nach, sich statt dessen lieber ein ganzes Gerät zuzulegen. Denn das ist fast genauso teuer. Muss es aber nicht sein, dachten sich Stephan Rödel und Stefan Englet (Fotos), als sie im Herbst 2003 in Dresden ihren ersten Laden aufmachten. Dort bieten sie das fachgerechte Befüllen leerer Patronen an und sind mit dieser einfachen Geschäftsidee auf Erfolgskurs. Im Mai soll die 15. Tintentoner-Tankstation (TTT) aufmachen, denn die beiden Gründer haben ihr Konzept mittlerweile zu einem Franchisesystem entwickelt. Die Suche nach neuen Partnern war bisher vor allem in Bayern und Sachsen erfolgreich, jetzt soll TTT auch die restlichen Regionen erobern. Ihren rasanten Start hätten sich die Jungunternehmer nicht träumen lassen und der Erfolg macht sie stolz. Stolz sind sie auch darauf, dass durch ihr System schon jetzt etwa 30 Menschen aus der Arbeitslosigkeit entkommen sind. Denn jede Tankstelle beschäftigt neben dem Inhaber noch zwei bis drei Leute in Voll- und Teilzeitstellen. Die beiden Mittdreißiger lernten sich vor einigen Jahren kennen, der eine war Handwerker, der andere hatte Marketing studiert. Sie arbeiteten im Vertrieb für einen Dienstleister aus der Druckbranche zusammen und entschlossen sich, den Schritt in die Selbständigkeit gemeinsam zu gehen. Dabei konnten sie auf die Unterstützung ihrer Familien bauen – mittlerweile sind schon ein Bruder und ein Schwager zu Partnern geworden. Denn das zeichnet ihre Geschäftsidee aus: JEDER KANN ES MACHEN. Man muss nur sorgfältig arbeiten können und Lust auf Kunden haben. Als Englet und Rödel ihr erstes Geschäft eröffneten, brauchten sie dafür noch nicht mal einen Bankkredit. Eine Finanzierung wäre in ihrer Branche auch nicht sinnvoll, da die Umsätze schon in der Kasse klingeln, während ein Kreditantrag noch geprüft wird, so erleben es die Gründer immer wieder. Zum Start trommelten sie im lokalen Fernsehen und Radio und wurden vom Andrang überrascht.
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Irgendwann fragte der erste zufriedene Kunde, ob er nicht auch eine Tankstation aufmachen könnte, und die Franchiseidee war geboren. „Unsere Dienstleistung kommt bei den Kunden deshalb so gut an, weil wir ihnen durchs Befüllen bis zu dreißig Euro je Patrone sparen.“ sagen die beiden Tankwarte und erleben in den zwei bis fünf Minuten Aufladezeit durchweg dankbare und glückliche Menschen. Durch ein cleveres Bonussystem werden schnell Stammkunden daraus, die immer wieder kommen. Ihr Angebot schont nicht nur den Geldbeutel der Druckerbesitzer, sondern auch die Umwelt. Denn eine Patrone kann bei richtigem Gebrauch bis zu fünfzehn Mal nachgefüllt werden, bevor sie weggeworfen wird. Dass gefällt den Herstellern sicher nicht, die mit ihren Tintentanks den größten Umsatz machen. Doch in Brüssel ist im August 2003 beschlossen worden, dass ab 2006 alle Patronen so produziert werden müssen, dass sie wieder nachgefüllt werden können. Bis zu diesem Zeitpunkt wollen Englet und Rödel ein flächendeckendes Netz ihrer TTT installiert haben und suchen dafür weitere Franchisenehmer. Denen bieten sie die üblichen Leistungen eines Franchisesystems an, also von der Schulung über Werbematerial bis zu den umfassenden Handbüchern. Und natürlich ein Konzept, das schnell und ohne großen finanziellen Einsatz funktioniert.
SPARTIPP: Die Lebensdauer einer Tintenpatrone kann durch einen simplen Trick verlängert werden: Nie komplett leer drucken. Der heiße Druckkopf wird nämlich durch die nachlaufende Tinte gekühlt und wenn keine Tinte mehr da ist, überhitzt er schnell und wird beschädigt. Also kurz vorher aus dem Drucker nehmen und zu einer Befüllstation gehen und bis zu 15 Mal auftanken und dadurch schnell ein paar hundert Euro sparen.
Die Unternehmer haben ihre Entscheidung bisher nicht bereut. Zum Erfolg führen nur Durchhaltevermögen, ausreichend Courage und eine gute Idee, da sind sie sich sicher. „Es dauert bestimmt 20 Jahre, bis man es wirklich geschafft hat und rundum zufrieden ist. Bis dahin bedeutet Selbständigkeit vor allem unendlich viel Arbeit und sehr wenig Freizeit.“ Die Partner ruhen sich nicht aus, planen ständig die nächsten Schritte. Jetzt wollen sie die Märkte in Tschechien und Polen erobern. Sie entwickeln einfache Techniken zur Tonerbefüllung und möchten als Tinten-„Aldi“ Geschichte machen. Aber am wichtigsten ist ihnen der Spaß, den sie bei ihrer Arbeit haben, den sie mit Kunden erleben und der auch in der wachsenden Franchisefamilie nie zu kurz kommt.
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Die Berliner Teekampagne ODER: WIE ES ZU EINER UNTERNEHMERISCHEN IDEE KOMMT Am Anfang ist es nur ein Gedanke: dass man Teehandel vielleicht ganz anders als in den herkömmlichen Formen organisieren und hohe Qualität preiswerter anbieten könne. Ich wähle das Beispiel „Teekampagne“, weil es eher einfach und ein Stück meiner eigenen Geschichte ist. Neil Churchill, amerikanischer Forscher über Entrepreneurship, sagt, dass für eine gute Idee bis zu 50.000 Einzelteilchen an Informationen verarbeitet werden müssen (idea refinement) und dass es bis zu 10 Jahre dauern kann, bis die Idee ausgereift und für eine erfolgreiche Unternehmensgründung gut sei. Auch die Ideengeschichte der Teekampagne gleicht einem Puzzle, das sich über die Jahre zusammensetzt. Ein Studium an der Wirtschaftshochschule im schweizerischen St. Gallen steht am Anfang, dann der Einkauf in einem der Migros-Läden - die Tafel Schokolade für ganze 40 Rappen. Der Gründer der Migros, Gottlieb Duttweiler, gerät in den Blick: Seine Ausrichtung auf Produktwahrheit und hohe Qualität, seine Suche nach einem besonders günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis, werden zu Teilen des Puzzles. Später: Besuche in Tansania und anderen Ländern der Dritten Welt. Die Preise dort - für Kaffee, Kakao, Bananen, Zucker oder eben Tee, - liegen bei etwa einem Zehntel der Preise in Mitteleuropa. Warum sind die Preise bei uns so hoch? Wegen der Fracht- und Versicherungskosten? Wegen der Handelsspannen? Es stellt sich heraus: Teuer sind nicht Fracht oder Versicherung, sondern das Verpackungsmaterial für die üblichen Kleinpackungen und der aufwendige Vertriebsweg. Also Material sparen und einen einfachen Vertriebsweg finden? Das Puzzle gewinnt langsam Konturen. Wie steht es mit der Haltbarkeit des Tees? Sie ist wichtig, wenn Verbraucher auf Kleinpackungen verzichten sollen. Die Händler sagen, der Tee halte zwei bis drei Jahre. Hielte er auch nur ein Jahr, würde es reichen, wenn die Kunden ihren Jahresvorrat einkauften. Dann könnte man Großpackungen anbieten und die Einsparung an Verpackungskosten als hohen Preisvorteil an die Kunden weitergeben. Was ist aber mit der Sortenvielfalt? Kann man sie einschränken? Wenn viele Sorten viele Umstände bereiten, der Ver-
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trieb damit teuer wird, wie wäre es mit nur einer Sorte? Sind Verbraucher dazu zu bewegen, aus bis zu 140 Sorten Tee nur eine einzige zu wählen und sie ein Jahr lang zu trinken? Für einen Moment sieht es so aus, als würde die Idee daran scheitern. Wenn die Kunden gewohnt sind, aus vielen Sorten auswählen zu können, warum sollten sie sich dann radikal einschränken? Eine längere Denkpause entsteht. Aber am Ende regt sich wieder Optimismus. Vielleicht doch die Sorten radikal beschränken! Wenn der Einkaufspreis des Tees (weil vergleichsweise niedrig) nur eine untergeordnete Rolle spielt, dann kann man einen sehr teuren, ja warum nicht den besten Tee der Welt nehmen. Der - da ist sich die Fachwelt einig wächst an den Südhängen des Himalaja und trägt den Namen des Distrikts: Darjeeling. Wenn man so guten Tee haben kann, und den besonders preiswert, vielleicht lässt dies die Kunden auf die Auswahl verzichten. Das Puzzle vervollständigt sich. Die Teekampagne verkauft von Anfang an nur 100%igen, reinen Darjeeling. Dies nützt auch den indischen Produzenten. Sie klagen schon lange, dass es außer Darjeeling-Tee auch noch „Darjeeling-Tee“ gibt. Der Tea Board of India schätzt, dass weltweit weitaus mehr Tee als Darjeeling dargeboten wird, als im Distrikt überhaupt wächst. Je mehr echter Darjeeling also nachgefragt wird, desto höhere Preise werden die Erzeuger für ihr hochwertiges und arbeitsintensiv produziertes Original erhalten. Bleibt der Tee ungestreckt, dann konkurrieren die Teehändler um die vorhandenen (kleinen) Erntemengen und müssen höhere Preise bewilligen. Die Teekampagne klärt über mögliche Chemierückstände im Tee auf und veröffentlicht auf der Rückseite jeder Packung die Ergebnisse der Rückstandsanalyse.
Wenn man den besten Tee soviel preiswerter anbietet als
der übrige Handel kann man dann nicht Vorauskasse von den Kunden verlangen? Man kann. Und ist damit den größten Teil der Finanzierungssorgen los. Mit dem Start des Tee-Versands wurden die Kunden bei der Bestellung um einen Scheck im voraus gebeten. Sie akzeptierten. Hätten die Banken Kapital zur Verfügung gestellt? Wohl kaum. Banken wollen Sicherheiten - nicht unkonventionelle (und damit unsichere) Ideen. Das unternehmerische Risiko der Teekampagne lag anfangs vor allem darin, ob die Käufer davon zu überzeugen sind, ihren Jahresbedarf an Tee in Großpackungen zu kaufen, wenn dies mit einem erheblichen Preisvorteil belohnt wird. Verbunden damit war die Hoffnung, dass eine konsequente Verbraucheraufklärung von den Kunden auch honoriert wird. Ja sogar, dass es gelingt, durch eine Art „Erziehung“ - ein schwerer Verstoß gegen herkömmliches Marketing - die Verbraucher an ein neues Konzept zu gewöhnen, das ihnen - obwohl ungewohnt - letztendlich erhebliche Vorteile bietet. Im Kern, dass es gelingt, einer neuen Einfachheit eine überzeugende Ökonomie zu geben.
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KURZINFO Günter Faltin ist Professor für Wirtschaftspädagogik an der Freien Universität Berlin. Im „Labor für Entrepreneurship“ und der „Gründerwerkstatt“ will er seinen Studenten beibringen, wie sie mit einfachen Mitteln ein Unternehmen aufbauen können. Denn laut Prof. Faltin macht Universität unkreativ: „Markt und Unternehmen werden an der Universität trocken und theoretisch gelehrt, damit wird ein an sich spannender Zusammenhang unattraktiv.“ In seinem Labor lernen die Studenten nicht, was in Gründerseminaren gebüffelt wird (wie man Subventionen beantragt, Buchhaltung erledigt und welche Steuertricks es gibt), sondern suchen systematisch und mit viel Phantasie nach ihrem „business model“. Und dabei entstehen auch „richtige“ Unternehmen, wie zum Beispiel die Teekampagne, das Unternehmen Wasserhyazinthe, die eBuero AG und viele mehr.
Heute hat die Teekampagne 160.000 Kunden, verkauft über 400 Tonnen Darjeeling Tee, verpackt zu 90 % in 1kg-Großpackungen, beschäftigt 15 Mitarbeiter, ist größtes Teeversandhaus in der Bundesrepublik und nach Angaben des Tea Board of India weltgrößter Importeur von Darjeeling Tee geworden. Ein Einzelfall? Ich glaube nicht. Der Unternehmerforscher Peter Goebel fand heraus, dass 50 von ihm untersuchte Unternehmensgründer mit völlig unterschiedlicher Herkunft und aus den unterschiedlichsten Bedingungen heraus eine Eigenschaft jedoch gemeinsam hätten: Eine Idee zur Reife zu bringen - beharrlich immer wieder um die gleichen Probleme zu kreisen und dies in einer Art und Nachhaltigkeit, die „normalen“ Menschen schon fast als psychisch bedenklich und absonderlich erscheinen mag. Prof. Dr. Günter Faltin
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Professionelles Forderungsmanagement für kleine und mittelständische Unternehmen Forderungsmanagement bedeutet auch, Informationen über Risikosituation und Kundenbonität auszuwerten, Kreditlimite festzulegen, zu überwachen und anzupassen, das betriebliche Mahnwesen und Inkassomaßnahmen konsequent zu betreiben und im schlimmsten Fall für eine schnelle Titulierung und zwangsweise Beitreibung der Forderung zu sorgen. Sind entsprechende Funktionen installiert, ist ein wichtiger Schritt getan, um das „Funktionieren“ eines Unternehmens zu überwachen. GUTE GRÜNDE
86,7 Prozent der mittelständischen deutschen Unternehmen sind nach aktueller Creditreform-Analyse von Forderungsverlusten betroffen, 20,7 Prozent müssen gar Forderungsausfälle von mehr als einem Prozent kompensieren. Dramatisch ist die Entwicklung der Insolvenzen: etwa 50 Tsd. Anträge bei den Insolvenzgerichten im zweiten Halbjahr 2003 bedeuten eine neue Rekordmarke. Einer der Hauptgründe für die Pleitewelle, die vor allem mittelständische Unternehmen erfasst hat, ist der Ausfall von Forderungen. Zahlt der Kunde nicht, ist oft die betriebliche Liquidität bedroht. Werden Liquiditätsengpässe dann durch die Ausnutzung eingeräumter Kreditlinien oder Inanspruchnahme kurzfristig zugänglicher Bankkredite „finanziert“, ist dies meist der Anfang vom Ende. Die Konsequenz für die Unternehmensführung muss sein, im Rahmen eines professionellen Forderungsmanagements durch strikte Überwachung der Zahlungseingänge Außenstände schnell und ohne Verluste einzubringen. Die Erhaltung der Liquidität ist damit vorrangige Aufgabe! FORDERUNGSMANAGEMENT – WAS IST DAS EIGENTLICH?
Forderungsmanagement reduziert sich in der Praxis häufig auf eine reine Back-Office-Funktion im Rahmen der Debitorenbuchhaltung. Forderungen werden „verwaltet“, statt aktiv gemanagt. Die Folge: Risikobehaftete Forderungen werden viel zu spät erkannt. Der reine Versand von oft wenig effektiv gestalteten Mahnungen macht noch kein Forderungsmanagement aus!
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Dass ein schneller Zahlungseingang der beste Weg zur Behebung von Liquiditätsengpässen ist, liegt auf der Hand. Freigesetzte Liquidität gibt die Möglichkeit der Rückführung von Eigenoder Fremdkapital, für Investitionen etc. Eine wesentliche Zielsetzung wird damit erfüllt. Weiterer Wertbeitrag für Unternehmen: Forderungsmanagement und Rentabilität. Ausfallbedingte Wertberichtigungen üben einen negativen Effekt auf die Rentabilität eines Unternehmens aus und nehmen Einfluss auf das operative Betriebsergebnis. Wertberichtigungen durch „plötzliche“ Ausfälle treffen Unternehmen, die Forderungen verwalten und nicht managen. Ein professionelles Forderungsmanagement bietet hier Präventiv-Maßnahmen. REPORTING SORGT FÜR TRANSPARENZ
Forderungsmanagement macht die Forderungssituation des Unternehmens transparent. Die ständige Überwachung aller Vorgänge ermöglicht, Daten zusammenzutragen und Statistiken zu erstellen, die im Rahmen eines Reportings die Forderungssituation verdeutlichen und ein ausgezeichnetes Controlling-Instrument liefern. Reporting ist als Schutz vor unliebsamen Überraschungen unerlässlich. Regelmäßige Analysen spiegeln Veränderungen wieder. Eine Sensibilisierung für das Erkennen von Schwachstellen wird geschaffen. Unternehmen, die entsprechende Controlling-Instrumente erstmals installieren, bedienen sich in der Regel einfacher Auswertungen. Die Perspektiven und Möglichkeiten entwickeln sich ständig und orientieren sich an der Kreativität der Verantwortlichen und den technischen Möglichkeiten der Systemlandschaft.
AUSSENSTANDSDAUER SENKEN
Selten werden alle Optimierungspotenziale, die das Forderungsmanagement bietet, genutzt. In Folge der Erkenntnis, dass schnelle Zahlungsflüsse die Grundlage für die Sicherung der betrieblichen Liquidität sind, wird bald die Notwendigkeit einer Anpassung oder Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation in den betroffenen Unternehmensbereichen ausgemacht. Fehlen interne Fachleute, die bei der Beantwortung und Lösung von Fragestellungen rund um das Forderungsmanagement unterstützen können, bietet es sich an, auf das KnowHow externer, neutraler Experten zurückzugreifen, die die Problemlage mit dem Ziel der Prozessoptimierung analysieren. Sind die Rahmenbedingungen geschaffen, ist eine kontinuierliche, zeitnahe Bearbeitung des Forderungsbestands sichergestellt. Das Reporting wird alsbald eine deutliche Reduzierung der Außenstandsdauer dokumentieren. FORDERUNGSVERLUSTE VERMEIDEN
Branchen und Kundenstrukturen sind unterschiedlich. Deshalb können Forderungsverluste selten vollständig vermieden werden. Grundsätzlich: Forderungsmanagement fängt bereits bei Vertragsabschluss an! Unternehmen müssen den Grundstein für die maximale Absicherung legen. Von Bedeutung sind insoweit z.B. die Ausgestaltung der AGB, die Vereinbarung von Sicherheiten wie Eigentumsvorbehalte, Garantien oder Bürgschaften, Kreditversicherungen, Factoring, Bonitätsauskünfte und die Überwachung der Risikosituation. Keine dieser Maßnahmen bietet eine 100%ige Prävention, jedoch lässt sich das Ausfallrisiko minimieren. Sicher (aber kaum praktikabel) sind Leistung gegen Vorkasse, Barzahlung oder mit Treuhandabwicklung. Sicherungsmaßnahmen verursachen oft den Aufbau eines Spannungsfelds zwischen Vertrieb und Forderungsmanagement. Im Zweifelsfall wird der Vertrieb bei Kundenauftrag zur schnellen Lieferung tendieren, das Forderungsmanagement dagegen monieren. IT-UNTERSTÜTZUNG – SINNVOLL ODER UNSINN?
Wenige Schuldner erfordern noch keine ITUnterstützung. Größere Forderungsbestände verlangen jedoch eine IT-gestützte Sachbearbeitung.
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FORDERUNGSMANAGEMENT:
DARAUF MÜSSEN SIE ACHTEN Wenn Sie Forderungsmanagement (FM) als Funktionseinheit in Ihr Unternehmen integrieren wollen, sollten Sie einige Grundsätze beachten: OUTSOURCING-PARTNER PRÜFEN
Der Investitionsrahmen für gängige Softwareprodukte liegt (abhängig von Produkt und betrieblichen Workflows) zwischen ca. EUR 100 bis zu mehreren 1.000 Euro je Arbeitsplatz. Gute Produkte erlauben z.T. die Bearbeitung von mehr als 2.000 aktiven Vorgängen je Mitarbeiter. Automatismen und zuverlässige Wiedervorlagesysteme sorgen dafür, dass keine Frist, Forderung oder gar Schuldner „vergessen“ wird. Die Entscheidung über den Einsatz eines Softwareprodukts darf auf Grund des vielfältigen Angebots jedoch nicht übereilt getroffen werden. Vergleiche und Analysen sind nötig. Ergänzende Produkte, wie etwa online-Bonitäts- oder Anschriftenprüfungen sind etabliert und – je nach Branche – nicht mehr wegzudenken.
Dem Entschluss zu Outsourcing geht wie jeder Make-or-buy-Entscheidung ein Kostenvergleich voraus. Soll die Bearbeitung der Forderungsbestände nicht intern erfolgen oder fehlt es an ausgebildetem Personal, kommen Rechtsanwälte, Inkassounternehmen, Factoring-Unternehmen oder Kreditversicherungen als potenzielle Partner in Frage. In Zeiten rückläufiger Umsatzzahlen sollte jedoch jeder Unternehmer entscheiden, wann der Kunde zum Schuldner wird (point of no return). Hat der Vorgang einmal das Haus verlassen, besteht oft keine Möglichkeit mehr, auf die externe Bearbeitung Einfluss zu nehmen. Wichtig: Ein genauer Vergleich des Preis-/Leistungsverhältnisses! Kann der Dienstleister periodisch ein Reporting nach Vorgaben des Unternehmens zur Verfügung stellen? Wie hoch sind die Kosten tatsächlich? Nicht vergessen: Auch Erfolgsprovisionen“ sind Kosten und können – je nach Vertragsgestaltung – bis zu 50 % der Forderung ausmachen.
FM beginnt mit Vertragsabschluss: Schaffen Sie in Ihren Geschäftsbeziehungen klare Verhältnisse und nutzen Sie Sicherungsmaßnahmen, die Ihr Risiko minimieren. Das bloße Schreiben von Mahnungen macht noch kein FM aus! Forderungen wollen gemanagt und nicht „verwaltet“ werden! Eine aktive Bearbeitung senkt nachhaltig Außenstandsdauer und Forderungsverluste. FM ist kein 5. Rad am Wagen! Konsequent betrieben, erhält es die Liquidität und nimmt Einfluss auf das operative Betriebsergebnis. Professionelles FM ermöglicht eine transparente Darstellung der Forderungssituation. FM ohne Reporting als Controlling-Instrument ist nur die halbe Wahrheit! Als Unternehmer können Sie erst (re-)agieren, wenn Ihnen die Schwachstellen bekannt sind! Nutzen Sie die Optimierungspotenziale, die Ihr FM bietet! Reicht das interne Know-how zur Optimierung von Aufbau- und Ablauforganisation nicht aus, leisten externe, neutrale Experten professionell Abhilfe! FM ist zuweilen Chefsache! Wenn zwischen Vertrieb und FM ein Spannungsfeld entsteht, sind Sie als Unternehmer gefragt!
ERFOLGREICHES FORDERUNGSMANAGEMENT
Aufbau und Implementierung eines professionellen Forderungsmanagements hängt von vielen unternehmensspezifischen Faktoren ab. Beispiele erfolgreicher Unternehmen zeichnen eine Grundstruktur: Ausgearbeitete AGB sind vorhanden, die Kundenbonität wird geprüft und ggfls. eine entsprechende Sicherheit abverlangt. Kommt es zum Zahlungsverzug, greift das firmenindividuelle Mahndesign: Die Zahlung wird schriftlich und durch qualifiziertes Telefoninkasso angemahnt mit dem Ziel, den Kunden ohne gerichtliche Hilfe zu Zahlung oder Teilzahlung zu bewegen. So bleibt der Kunde dem Unternehmen als solcher in der Regel erhalten. Beispiele zeigen, dass je nach Branche bis zu 80% aller auffälligen Konten durch diese Vorgehensweise wieder ausgeglichen werden können. Ist eine Einigung nicht möglich, wird die Titulierung der Forderung durch Mahnbescheidsantrag in die Wege geleitet und schlimmstenfalls die Zwangsvollstreckung betrieben. Besonders wichtig: Geschultes und kontinuierlich weitergebildetes Personal! Viele Schuldner sind „Profis“, kennen alle Tricks und rhetorischen Möglichkeiten in der Konfrontation!
Jürgen Loeffen
Anbieter von Software drängen auf den Markt. Auch wenn die IT-Unterstützung bei größeren Forderungsaufkommen unerlässlich ist: Lassen Sie sich Zeit, prüfen, analysieren und vergleichen Sie Angebote gründlich auf die Leistungsfähigkeit der Produkte. Teuer muss nicht gleich gut sein! Professionelles FM braucht Mitarbeiter mit Spezialausbildung! Das rechtliche Umfeld und die Schuldnerkreativität erfordern kontinuierliche Weiterbildung! Verlockendes Outsourcing: Die Suche nach dem optimal passenden Partner kann langwierig sein. Prüfen Sie Angebote auf Ihre Möglichkeit zur Einflussnahme und alle tatsächlichen Kosten! KONTAKT: concept:fm – Management für Forderungen Schlößleweg 28 77709 Wolfach Fon 07834-8656-70 Fax 01212-6-12000-12000 info@conceptfm.de www.conceptfm.de
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GRÜNDERWISSEN
Der 1. Kontakt mit dem
Finanzamt
FRAGEBOGEN ZUR STEUERLICHEN ERFASSUNG Kaum hat unser Existenzgründer (wir wollen ihn kurz „EXI“* nennen) den 1. Schritt zur Selbständigkeit hinter sich gebracht, d.h. die Gewerbeanmeldung beim zuständigen Gewerbeamt ist erfolgt, da flattert ihm ein paar Tage später ein Brief seines Finanzamtes ins Haus. Der Anlass für das Schreiben ist sofort erkennbar. Das Gewerbeamt hat das Finanzamt über den neuen „Kunden“ informiert. Nun will das Finanzamt mit Hilfe eines Fragekatalogs eine steuerliche Eingruppierung vornehmen.
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ies dürfte so schwer ja nicht sein, denkt sich unser EXI – leider steckt der „Teufel“, wie sich noch zeigen wird, „im Detail“: Zunächst sind die allgemeinen Fragen zu Person und Familienstand zu beantworten (bisherige Steuernummer, Name, Adresse, Geburtsdaten, Religionszugehörigkeit, evtl. persönliche Daten des Partners). Die Art der Tätigkeit sollte aus der Gewerbeanmeldung übernommen werden, die weiteren Angaben sind selbsterklärend. Das Geschäftsjahr sollte in Übereinstimmung mit dem Kalenderjahr (Abschlusstag = 31.12.) gewählt werden. Die 1.Seite des Fragebogens wäre damit geschafft. Mit der Frage nach dem voraussichtlichen Umsatz und Gewinn kommt nun auf der 2.Seite allerdings eine der schwierigsten und zugleich relevantesten Angaben. Zunächst grübelt EXI allerdings noch über die ergänzende Formulierung „falls Ihr (ggf. auf das Kalenderjahr umgerechneter) Gesamtumsatz 16.620 € nicht übersteigt, können Sie auf die Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung verzichten und für die Dauer von mindestens fünf Jahren zur Regelbesteuerung optieren (§19 des UStG)“ Gut, dass EXI einen Steuerberater hat. Er greift zum Telefon. Die freundliche Mitarbeiterin seines Steuerbüros klärt ihn auf: „Es geht hier nur um die Umsatzsteuer. Unternehmer, deren Gesamtumsatz im Kalenderjahr 16.620 € nicht übersteigt, gelten umsatzsteuerlich als Kleinunternehmer, mit der Folge, dass Sie von der Umsatzsteuerpflicht befreit sind. Sie dürfen dann allerdings keine Umsatzsteuer auf Ihren Rechnungen ausweisen und keine Vor-
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steuer von den Eingangsrechnungen geltend machen. Da dies in vielen Fällen für den Steuerpflichtigen nachteilig sein kann, gibt es die Möglichkeit, auf diese Kleinunternehmer-Regelung zu verzichten. An seine Entscheidung zur Regelbesteuerung ist der Steuerpflichtige dann allerdings fünf Jahre lang gebunden.“ EXI bedankt sich und will nun die Frage nach dem voraussichtlichen Umsatz und Gewinn angehen. Schließlich kennt er diese Dinge noch aus seiner Gründungsplanung. Zur Beantragung von Fördermitteln hatte er seinerzeit der finanzierenden Hausbank einen Gründungsbericht mit Planzahlen vorlegen müssen. Sollte er diese Zahlen nun dem Finanzamt nennen? Was hätte das für Auswirkungen? Was passiert, wenn sich die Planzahlen als zu optimistisch herausstellen? Was spricht dagegen, dem Finanzamt extrem niedrige Zahlen zu nennen? Je mehr er darüber nachdenkt, desto unsicherer wird er. Wiederum greift EXI zum Telefon und ruft die Mitarbeiterin des Steuerberaters an. Diese merkt die zunehmende Verunsicherung und lädt ihn ein, kurz in der Kanzlei vorbei zukommen, damit sie ihm beim Ausfüllen des Formulars die notwendigen Erläuterungen geben kann. Gesagt, getan! Wenig später sitzt EXI seiner Sachbearbeiterin gegenüber. Also: Die Frage nach dem Umsatz und Gewinn sowie die weiter unten im Fragebogen noch auftauchende Frage nach „anderen Einkünfte“ (auch des Ehegatten) sind dazu da, um die Höhe des voraussichtlichen „zu versteuernden Einkommens“ zu schätzen. Hieraus leitet das Finanzamt die Jahreseinkommensteuer und daraus wiederum die vierteljährlichen Einkommensteuervorauszahlungen ab. Gerade im Gründungsjahr ist bei vielen Existenzgründern die finanzielle „Decke“ etwas dünn. Die „Verführung“, dem Finanzamt gegenüber zunächst mit extrem niedrigen Gewinnprognosen zu arbeiten, ist daher verständlich. Es ist aber zu bedenken, dass zu geringe Einkommensteuervorauszahlungen später im Einkommensteuerbescheid durch das Zusammentreffen von Nachzahlungen für das abgelaufene Jahr und
gleichzeitiger Anpassung der laufenden Vorauszahlungen zu Kumulierungen von Steuerzahlungen führen werden. TIPP: Arbeiten Sie mit einer zwar vorsichtigen aber realistischen, plausiblen Gewinnschätzung und bilden Sie bei einer deutlich besseren Geschäftsentwicklung entsprechende Steuerrücklagen. Sollte sich trotz allem die Gewinnschätzung und die damit verbundene Festsetzung der Steuervorauszahlungen als zu hoch herausstellen, so bitten Sie Ihren Steuerberater, beim Finanzamt eine Herabsetzung der Vorauszahlungen zu beantragen.
In bestimmten Fällen können Sie die Umsatzsteuer nach „vereinnahmten Entgelten“ (Ist-Versteuerung) ermitteln. Diese, insbesondere für kleinere Unternehmen (Jahresumsatz weniger als 150.000 €), nicht buchführungspflichtige Gewerbetreibende bzw. Freiberufler geltende Vergünstigung bedeutet, dass Sie die Umsatzsteuer auf Ausgangsrechnung erst dann abführen müssen, wenn diese Rechnung auch bezahlt worden sind. Bei der Soll-Versteuerung dagegen ist die Umsatzsteuer bereits bei Rechnungsstellung, d.h. unabhängig von der Zahlung des Kunden, in der Umsatzsteuervoranmeldung zu erfassen. In welchem zeitlichen Rhythmus Sie die Umsatzsteuer-Voranmeldungen an das Finanzamt abgeben müssen, entscheidet sich durch Ihre Angaben bei der Frage nach der voraussichtlich jährlich zu „entrichtenden Umsatzsteuer“ (= Umsatzsteuer-Zahllast). Die UmsatzsteuerZahllast ergibt sich aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung durch Gegenüberstellung der abzuführenden Umsatzsteuer und der anrechenbaren Vorsteuer (= dem Unternehmer in Rechnung gestellte Umsatzsteuer). Beträgt diese Zahllast im Jahr mehr als 6.136 €, so muss die Voranmeldung monatlich an das Finanzamt abgegeben werden. Bei einer Zahllast von 513 bis 6.136 € erfolgt die Abgabe vierteljährlich. Bei einer Zahllast bis zu 512 € verzichtet das Finanzamt auf die Vorlage einer Umsatzsteuer-Voranmeldung, es genügt die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung.
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Von der Notwendigkeit der Risikovorsorge im Kleinbetrieb und dem „Controlling ohne Ballast“ als Lösung
TIPP: Die Umsatzsteuer-ID-Nr. sollten Sie auch dann beantragen, wenn Sie sich nicht am innergemeinschaftlichen Handelsverkehr beteiligen wollen, da Sie aufgrund der seit dem 1.1.2004 geltenden Gesetzesregelung auf Ihrer Ausgangsrechnung anstelle Ihrer Steuernummer diese IDNr. angeben können.
TIPP: Erteilen Sie dem Finanzamt eine Einzugsermächtigung. Die Abbuchung erfolgt frühestens am Fälligkeitstag, Säumniszuschläge können nicht entstehen. Die ab und zu anzutreffenden Vorbehalte wegen möglicherweise fehlerhaften Kontenbelastungen durch das Finanzamt sind in der Praxis völlig unbegründet.
Die Zusatzangaben betreffen Sonderfälle, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.
Froh darüber, die Hintergründe zu den verschiedenen Fragen erläutert bekommen zu haben, unterschreibt EXI den Fragebogen und leitet ihn an das Finanzamt weiter.
Mit Hilfe der Fragen zur Lohnsteuer bestimmt das Finanzamt, in welchem zeitlichen Umfang Sie Lohnsteuer-Anmeldungen beim Finanzamt einreichen müssen : • bis 800 € - jährlich • 801 € bis 3.000 € - vierteljährlich • mehr als 3.000 € - monatlich Liegt bereits zu Beginn des Gewerbebetriebs Betriebsvermögen vor, so ist eine entsprechende Einzelaufstellung bzw. eine Eröffnungsbilanz beizufügen. Hinsichtlich der Bewertung der einzelnen Gegenstände hilft Ihnen Ihr Steuerberater weiter. Abschließend sind noch Angaben zur Bankverbindung zu machen.
ANMERKUNG:
Der Fragebogen dient auch zur steuerlichen Erfassung von Steuerpflichtigen mit selbständiger Tätigkeit (z.B. Freiberufler). Da es in diesem Fall keine Gewerbeanmeldung gibt, ist der Fragebogen vom Selbständigen selbst beim zuständigen Finanzamt anzufordern. *) was lediglich eine Abkürzung des Wortes „Existenzgründer“ wiedergeben und nichts mit „Exhibitionismus“ zu tun haben soll, obwohl die ein oder andere Frage in dem hier besprochenen Fragebogen eine Assoziation in diese Richtung durchaus vermuten lassen könnte…
Dipl.-Kfm. Alexander Ficht Steuerberater / Rentenberater Argus Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. Robert-Bosch-Str. 12 63303 Dreieich eMail: info@argus-steuerberatung.de Tel.: 06103 / 69744-20 Fax: 06103 / 69686
Während Gründer schon seit Jahren ohne Vorlage einer hieb- und stichfesten Prognose der Geschäftsentwicklung erst gar nicht an Fremdkapital herankommen, nehmen Banken infolge anhaltender Konjunkturschwäche ihre Engagements auch für Mittelständler kontinuierlich zurück, wenn sie nicht den „Mindestanforderungen für das Kreditgeschäft“ (MaK) genügen. Damit wird zumindest dem Unternehmer mit zu geringer Eigenkapitalausstattung ein künftig disziplinierter Umgang mit seinen Haushaltsmitteln abverlangt, sollte er das Engagement nicht gefährden wollen. Die nicht mehr zu umgehenden Prioritäten lauten ab sofort: Gezielte Liquiditätsvorhaltung, forcierte Eigenkapitalbildung sowie die ständige, auf aktuelle Zahlen abgestellte Berichterstattung über die Finanz- und Ertragslage samt prognostizierter Geschäftsentwicklung für die kommenden Perioden, die zwecks laufender Beurteilung des Kreditausfallrisikos (Rating) vorzulegen sind. Ohne ein wie auch immer geartetes Controlling kommt der (Jung-) Unternehmer damit nicht zurecht. Die Banken bleiben betroffenen Firmenkunden auf die Frage: „Wie soll denn das Controlling (wirtschaftlich und praktisch) machbar sein?“ eine überzeugende Antwort derzeit wohl noch schuldig. Hier bietet sich die Office-Anwendung: „Build a Business“ (BAB) als nützliches Instrument an, weil es den zum ungeliebten Umdenkungsprozess angehaltenen Unternehmer auf kürzestem Wege dazu verleitet, auch ohne jede Buchhaltungserfahrung das Controlling unbefangen und höchstpersönlich in die Hände zu nehmen. Sowohl der (künftige) Unternehmer als auch die Bank profitieren gleichermaßen: Der eine bekommt seinen Finanzhaushalt gezielter in den Griff, der andere erfreut sich eines mit ordentlicher Finanzkompetenz gerüsteten Firmenkunden, der den Veränderungen am Kapitalmarkt schon eher entspricht. BAB gibt’s auf CD-Programmträger oder als Download (www.controlling-ohne-ballast.de) mit 14 Tage unverbindlichem Gratistest; eine Lizenz kostet 249 €.
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GRÜNDERWISSEN
ENDLICH: Meisterzwang gelockert Die zum 1. Januar 2004 in Kraft getretene Reform des Handwerksrechts erleichtert es endlich, ein Handwerksunternehmen zu günden und
zu führen. Stellt sich nur noch die Frage, ob etwa gezahlte Ordnungsstrafen, die durch das alte Vorgängergesetz gegen angebliche Schwarzarbei-
ter (ohne Meisterbrief) verhängt wurden, jetzt zurückgezahlt werden. Sicher nicht, aber denoch ist es ein richtiger Schritt in die Zukunft.
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LESERUMFRAGE
Leserumfrage Bitte helfen Sie uns dabei, das Magazin zukünftig noch besser zu machen. Füllen Sie dazu einfach diesen Fragebogen aus und schicken Sie uns Ihre Antworten und eventuelle Vorschläge an: COMPASS-Verlag, Robert-Bosch-Str. 28 in 63303 Dreieich. Oder per Fax an: (06103) 80 49 832. Sie können uns natürlich auch eine eMail schreiben: gruender@compass-verlag.de oder das Online-Forumlar auf www.gruender-compass.de benutzen. Vielen Dank für Ihre Hilfe und viel Spaß und Erfolg beim Auf- und Ausbau Ihres Unternehmens. 1. Ist das der erste GründerCOMPASS, den Sie gelesen haben? ja
6. Einige Angaben zu Ihnen: Geschlecht:
männlich
weiblich
Alter:
bis 18 Jahre 30 bis 34 Jahre 50 bis 59 Jahre
18 bis 24 Jahre 35 bis 39 Jahre ab 60 Jahre
nein
2. Möchten Sie GründerCOMPASS gern regelmäßig lesen? ja
Jetziger Beruf: in Ausbildung/Studium
nein
6 x im Jahr
seltener
häufiger
7. Angaben zur Selbständigkeit:
4. Was würden Sie gern häufiger lesen? Gründerportraits
Angestellter Selbständiger/Freiberufler
Beamter
3. Wie häufig sollte das Magazin erscheinen?
25 bis 29 Jahre 40 bis 49 Jahre
Gründerwissen
Ich möchte mich selbständig machen, und zwar innerhalb 6 Monaten
weniger als 6 Monaten weniger als drei Jahren
weniger als einem Jahr länger als drei Jahren
Ich führe mein Unternehmen / werde es führen allein
im Internet auf Gründermessen in Seminaren / Workshops in anderen Magazinen
unbestimmter Zeit
Ich bin bereits selbständig, und zwar seit
sonstiges:.................................................................
5. Wo informieren Sie sich sonst über Gründerthemen?
einem Jahr
mit Partner(n)
Meine Kunden sind vor allem / sollen vor allem sein Unternehmen öffentliche Institutionen
Privatpersonen
............................................................................ Ihre Anregungen, Kritiken, Verbesserungsvorschläge: ................................................................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................................................................
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GründerCOMPASS ist das Magazin für Existenzgründer und junge Unternehmen. Diese finden hier farbige und lebendige Stories und Berichte von anderen Gründern, die Lust auf Erfolg machen. Also weniger trockene Fakten, die schnell veralten, sondern Motivation pur. Zum Schmökern, Aufheben und immer wieder lesen. Das Jahresabo jetzt für nur noch 19 Euro. HINWEIS: Sie können auch das Online-Formular auf www.gruender-compass.de benutzen. Unternehmen
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Ja, ich möchte GründerCOMPASS regelmäßig lesen und abonniere die nächsten sechs Ausgaben zum Preis von insgesamt nur 19,00 Euro (inkl. Versand und MwSt). Das Abo verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn es nicht spätestens vier Wochen vor Ablauf schriftlich gekündigt wird.
Ort, Datum, Unterschrift
Impressum Herausgeber und Verlag: COMPASS-Verlag in Kooperation mit querdenken e.V. - das gründernetzwerk Robert-Bosch-Str. 28, 63303 Dreieich Tel.: (06103) 80 49 834 Fax: (06103) 80 49 832
eMail: info@compass-verlag.de www.compass-verlag.de Chefredaktion: Alexander Geiling (V.i.S.d.P.) Autoren dieser Ausgabe: Anna-Maria Borse, Prof. Günter Faltin,
Alexander Ficht, Alexander Geiling, Jürgen Loeffen, Wolfgang Rogalski, Prof. Norbert Szyperski, Jürgen Veitenhuber Vertriebsleitung: Wolfgang Rogalski Tel.: (06174) 9309 84 Fax: (06174) 9339 26
Infografiken: Jim Dick, Tel.: (06103) 80 49 831 Grafik: Dominique Kopp, Tel.: (06103) 80 49 831 Druck: Druckerei Ardea Termine und Themen der nächsten Ausgabe finden Sie auf www.gruender-compass.de.
Copyright (c) 2004 für alle Beiträge beim COMPASS-Verlag. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme in Online-Dienste und Vervielfältigung nur nach schriftlicher Genehmigung des Verlags.
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Tue Gutes und rede darüber Gesucht: Die besten Gründungsinitiativen Anderen beim Weg in die Selbständigkeit auf die Sprünge helfen – das tut so manches Unternehmen im Stillen. Gutes zu tun und auch darüber zu reden ist Ziel der Ausschreibung vom Magazin GründerCOMPASS und der Entwicklungspartnerschaft EXZEPT. Gesucht werden die 15 Unternehmen in Deutschland, die die besten Ansätze zur Unterstützung von Existenzgründern haben. Sie sollen im Buch „Jetzt geht`s los – Beispiele erfolgreicher Gründungsinitiativen“ veröffentlicht werden.
Wie wichtig die Arbeit von Gründungsinitiativen sein kann, zeigt das Beispiel von Janko König aus Offenbach (siehe auch GründerCOMPASS Nr. 2): Er wuchs als jüngstes von drei Kindern vaterlos in Offenbachs sozialem Brennpunkt Eschig auf. Als er 16 Jahre alt war, starb die Mutter. Von da an hat ihn die Sonderschule nicht mehr gesehen. „Ich bin einfach nicht mehr hingegangen“, berichtet er. Später scheiterten Versuche, eine Lehre zu absolvieren. Als dann eine befristete Anstellung als Müllwerker endete, stand er ohne Berufsausbildung, Schulabschluss und Perspektive auf den Fluren des Arbeitsamtes. Herr König hörte über einen lokalen Radiosender von KIZ und ihrem Gründerwettbewerb „Auf geht’s!“, der sich an junge Arbeitslose bis 29 Jahre richtete. Durch dieses Projekt konnte sich Janko König vor zwei Jahren erfolgreich selbständig machen, mit einem Hausmeisterservice. Dass der sechsjährige Sohn ihm nun beim Arbeiten zuschauen kann, darauf ist er stolz. Ein Ziel von EXZEPT ist es, „Modelle guter Praxis“ der Gründungsunterstützung und deren Erfolgsfaktoren zu identifizieren. Im Rahmen der europäischen Gemeinschaftsinitiative EQUAL sollen diese Erkenntnisse einer breiten Fachöffentlichkeit bekannt gemacht werden. So werden Impulse für die Weiterentwicklung der Gründungsunterstützung insgesamt gegeben, was mittelbar den nächsten Gründergenerationen zugute kommt. Wenn also Ihr Unternehmen erfolgreich in der Begleitung und Unterstützung von Existenzgründern ist, schicken Sie uns Ihren Ansatz! Beschreiben Sie ihn bitte mit Angaben zu folgenden Punkten: • Ausgangssituatiuon • Ziel • Vorgehensweise • Erfolge insgesamt und in 2003 Schicken Sie die Beschreibung bis zum 30.04.2004 an: EXZEPT GmbH, Odenwaldring 38, 63069 Offenbach Stichwort: „Tue Gutes“ oder nutzen Sie das Online-Formular unter: www.gruendungsinitiative.de
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GRÜNDUNGSINITIATIVE
Gründerinitiativen bieten vielerorts bereits Beratung aus einer Hand BUND WILL MIT AKTION „G RÜNDERS ERVICED EUTSCHLAND“ ZENTRALE ANLAUFSTELLEN FÜR EXISTENZGRÜNDER SCHAFFEN
Zur Handelskammer, zur Bank, zum Steuerberater – wer sich selbständig machen will, ist ständig auf den Beinen. Vielerorts in Deutschland ist das jedenfalls noch so. Eine einzige Anlaufstelle, zumindest eine Person, die das Dickicht des Beratungs- und Förderdschungels etwas lichtet - das wünscht sich so mancher angehender Unternehmer.
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in solches Gründerangebot gibt es seit dem letzten Sommer in Berlin, Leipzig und Neubrandenburg. Existenzgründer können sich an einmal in der Woche stattfindenden Gründertagen bei Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern beraten lassen. Dort stehen ihnen Experten der Kammern, der KfW-Mittelstandsbank und der örtlichen Arbeitsämter und Wirtschaftsförderer Rede und Antwort. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement und Manfred Stolpe, der Minister für Verkehr, Bau und Wohnen, hatten im Juli 2003 den Auftakt zur Aktion GRÜNDER SERVICE DEUTSCHLAND
gegeben. Längerfristig soll die Beratung auch in anderen Regionen angeboten werden. Die Unterstützung beschränkt sich nicht nur auf die Gründertage: Den Selbständigen in-spe soll, falls die Geschäftsidee erfolgsträchtig ist, ein Coach zur Seite gestellt werden. Dieser hilft zum Beispiel, einen Businessplan aufzustellen oder den Finanzbedarf abzuschätzen – oder marschiert auch einfach mit dem Gründer zur Bank. Dazu Manfred Stolpe: „Wir hören immer wieder, dass Gründer, die von ihrem Konzept überzeugt sind, die Hausbanken nicht überzeugen können und dort vor verschlossenen Türen stehen. Von den Banken wiederum ist zu hören, dass Gründer häufig keine
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oder mangelhafte Konzepte vorlegen, die zudem nicht durch externe Berater geprüft sind.“ Gründer müssen das Coaching nicht ganz aus eigener Tasche bezahlen: Mit dem neuen KfW-Gründercoaching-Programm erhalten sie einen Zuschuss von 65% (neue Länder) und 50% (alte Länder) zu ihren Kosten von maximal 320 Euro pro Tag, und das für bis zu fünf Tage. Insgesamt stehen dafür bis 2006 rund 17 Millionen Euro zur Verfügung, vor allem aus dem Europäischen Sozialfonds. Außerdem wurde eine zentrale Hotline bei der KfW-Mittelstandsbank für eine erste Beratung eingerichtet. Hier können auch Termine für den regionalen Sprechtag vereinbart werden. „Wir wollen die Bestandsfestigkeit von Gründungen erhöhen, indem wir die Kräfte der Beteiligten am Gründungsprozess bündeln“, unterstrich Wolfgang Clement. Die Idee des Kräftebündelns ist allerdings nicht ganz neu. Erste sogenannte ONE STOP SHOPS, also zentrale Anlaufstellen für Gründer, gibt es bereits. Schon seit etwa 1997 existiert ein Netzwerk von Gründungsorganisationen, die genau das anbieten – allerdings nicht überall in Deutschland. Mancherorts klappt das aber erstaunlich gut: Gründungsinitiativen wie etwa die KIZ Zentrale für Existenzgründung in Offenbach, Exzett in Stuttgart, Enterprise in Berlin und Brandenburg und Enigma in Hamburg arbeiten bereits eng mit Kammern, Banken, Kommunen sowie Arbeitsund Sozialämtern zusammen. Sie begleiten die Gründer durch Schulungen und individuelles Coaching – und das von Anfang an bis weit in die Gründungsphase hinein. Die Kosten dafür werden in vielen Fäl-
len vom Arbeitsamt übernommen. „Wir verfügen über funktionierende Konzepte aus der Betreuung von jährlich rund 18.000 angehenden Selbständigen und KnowHow aus Projekten mit einem Volumen von 40 Millionen Euro“ sagt etwa KIZ-Vorstand Markus Weidner und spricht dabei stellvertretend für das Netzwerk der Gründerorganisationen. Diesen gehört neben KIZ, Exzett, Enterprise und Enigma u.a. auch BBZ in Augsburg, Exina in Wiesbaden, Exis in Dresden, Kompass in Frankfurt, Kompass in Heilbronn und der Lotsendienst/CIT des Landkreises Spree-Neiße und der Stadt Cottbus an. Auch überregional und sogar international sind die Organisationen vernetzt, wie etwa innerhalb der Initiative für Beschäftigung und des EU-Projekts EXZEPT. Nicht zuletzt haben die Gründungsinitiativen, so Weidner „jede Menge Leidenschaft für das Thema“. Das Netzwerk der Gründungsorganisationen hat die Aktion GründerServiceDeutschland ausdrücklich begrüßt. „Die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt,“ meint Markus Weidner. Dass beide Projekte nebeneinander herarbeiten, findet er allerdings schade: „Unsere Erfahrungen, Strukturen und Netzwerke würden in Zusammenarbeit mit der Aktion des Bundeswirtschaftsministeriums einen mächtigen Schub auslösen.“ Bislang zeigten die Verantwortlichen bei der KfW-Mittelstandsbank, den Handelskammern und dem Ministerium aber kein Interesse an einer Kooperation. Dabei könnte eine Zusammenarbeit auf durchaus fruchtbaren Boden fallen. In einer Untersuchung der Zeitschrift Finanztest kamen die Gründungsberater der Handelskammern nämlich alles andere als gut weg. amb
Hotlines GründerServiceDeutschland: Tel.: (030) 85 08 54 111 KIZ Netzwerk Offenbach: Tel.: (069) 84 84 780 Enigma Hamburg: Tel.: (040) 63 303 540
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat sich im Rahmen der Aktionstage „Teamarbeit für Deutschland“ am 10. Oktober 2003 in Offenbach sehr positiv über die Arbeit der Gründungsorganisationen ausgesprochen. „Organisationen wie die Offenbacher Zentrale für Existenzgründung KIZ sind mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der Gründerszene“, so Clement. Nach seiner ersten Einschätzung dürfte eine Zusammenarbeit der Aktion GründerServiceDeutschland mit dem „Netzwerk für Gründerorganisationen“ beim Aufbau zentraler Anlaufstellen für Existenzgründungen kein Problem sein.
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GRÜNDUNGSINITIATIVE
■ ENTSCHEIDENDE IMPULSE FÜR NEUE GRÜNDERKULTUR DURCH SYMPOSIUM „MEIN CHEF BIN ICH“
Allianz „Pro Gründung“ wird zum Sprachrohr für Klein- und Kleinstgründungen
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ill Gates hätte Microsoft in Deutschland nicht gründen können. Eine Garage als Firmensitz wäre an zahlreichen Bestimmungen gescheitert: So schreibt die deutsche Arbeitsplatzverordnung eine Mindestzahl von Fenstern vor, die immer noch geltende Reichsgaragenordnung wiederum erlaubt in Garagen keine Fenster. „Wann packen wir diese Art von Problemen richtig an und lösen sie?“ Diese Frage stellte Prof. Dr. Heinz Riesenhuber beim Symposium „Mein Chef bin ich – Mit neuem Mut: Selbständig statt arbeitslos“. Er ließ keinen Zweifel daran, dass diese zum Teil absurden Hürden, an denen Gründer in Deutschland nach wie vor scheitern, schnellstens abzubauen sind. Es waren über 270 Teilnehmer, die am 1. Oktober 2003 im Hermann Josef Abs-Saal in Frankfurt zusammengekommen waren, darunter zahlreiche Arbeitsmarktexperten aus Forschung, Politik, Verwaltung und Praxis sowie eine Vielzahl von Gründerinnen und Gründern. Das Ziel der Veranstaltung: Ein Austausch darüber, wie die deutsche Gründerszene im internationalen Vergleich steht und wie die Rahmenbedingungen für mehr Selbständigkeit sowie eine zielgerichtete Gründerförderung aussehen müssten. Nicht zuletzt aber wollten die Teilnehmer eine Lobby bilden, um speziell die Interessen benachteiligter Gründer zu vertreten. Durch die Allianz „Pro Gründung“ als bundesweites und neutrales Forum sollen in Zukunft benachteiligte gesellschaftliche Gruppen in Deutschland erstmals ein Sprachrohr erhalten. Arbeitslose Jugendliche, Migranten, ältere Menschen oder auch Behinderte: Als typische Einzelkämpfer im Kontakt mit Behörden, Banken und Insti-
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tutionen konnten sie bislang kaum Hilfe erwarten. Selbständigkeit soll als reale Alternative zur Arbeitslosigkeit im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit und der politischen Entscheidungsträger etabliert werden. Auch die Kräfte wiederzubeleben, die mitentscheidend für den Aufschwung der 50er Jahre waren, forderte Dr. Tessen von Heydebreck, Vorsitzender des Kuratoriums der Deutsche Bank Stiftung „Alfred Herrhausen - Hilfe zur Selbsthilfe“, zum Auftakt der Veranstaltung. Dabei gelte es nicht, Ludwig Erhard einfach zu wiederholen, sondern sein Denken zeitgerecht aufzugreifen und umzusetzen. Die Stiftung unterstützte gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und der EUGemeinschaftsinitiative die im Rahmen des EU-Projekts EXZEPT veranstaltete Fachtagung. Dass eine hohe Selbständigenquote allerdings nicht unbedingt gleichzusetzen ist mit wirtschaftlicher Dynamik, machte Florian Gerster, damaliger Chef der Bundesagentur für Arbeit, deutlich. Hohe Selbständigenquoten gebe es vielmehr oft in Ländern mit relativ wenig entwickelten Volkswirtschaften, in Europa etwa in Griechenland und Portugal. Dennoch könnte die Förderung von Existenzgründungen einen wertvollen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit leisten. Die Bundesagentur für Arbeit etwa hat seit 1986 Überbrückungsgelder an rund eine Million Menschen ausgezahlt. „Wenn von dieser einer Million Existenzen ein Viertel oder Drittel nach einiger Zeit wieder vom Markt verschwindet, ist das trotzdem immer noch eine riesige Erfolgsgeschichte“, meinte Florian Gerster. Es sei ohnehin nicht rich-
EX-BA Chef Florian Gerster plädierte für Patchwork-Biografien
tig, dass eine Existenzgründung nur dann gelungen sei, wenn sie zu einer lebenslangen Existenz und einem Betrieb mit hundert Beschäftigten führe. In vier parallel stattfindenden Foren am Nachmittag diskutierten Experten über unterschiedliche Gründerthemen und die konkreten Aufgaben, die sich der Allianz „Pro Gründung“ in Zukunft stellen. Die Resultate sind auf der folgenden Seite zusammengefasst.
Auf der abschließenden Podiumsdiskussion waren sich die Experten einig: Eine neutrale Plattform, die die Interessen der Existenzgründerinnen und -gründer an die politischen Entscheidungsträger heranträgt und den Mut zu Unternehmensgründungen fördert, ist dringend notwendig. Der Mut zur Selbständigkeit soll hierzulande endlich ein besseres Image bekommen, auch für die, die gesellschaftlich eher benachteiligt sind. amb
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GRÜNDUNGSINITIATIVE
FORUM 1: MIKROFINANZIERUNGSMODELLE
FORUM 2: GRÜNDUNGSKULTUR UND RAHMENBEDINGUNGEN
FORUM 3: NETZWERKE UND STRATEGISCHE ALLIANZEN
FORUM 4: QUALITÄTSSTANDARDS IN DER BERATUNG
Klein- und Kleinstkredite sind zwingend erforderlich und müssen insbesondere für Gründungen aus der Arbeitslosigkeit einfacher zugänglich werden. Im Kreditwesengesetz könnten Finanzintermediäre, also etwa Gründungsinitiativen, im Rahmen einer Ausnahmeregelung für begrenzte Darlehenshöhen als eigenständige Partner zugelassen werden. Alternativ könnte das bestehende Mikrodarlehen der KfW, das allgemeine Existenzgründungen bis zu 80% absichert, bei Gründungen aus der Arbeitslosigkeit über zusätzliche Fondsmittel zu 100% abgesichert werden. Die Allianz „Pro Gründung“ will die laufende Diskussion auf diesem Gebiet unterstützen und für gemeinsam erarbeitete Positionen gezielte Lobbyarbeit leisten.
Wesentlich ist die Begleitung von Gründungswilligen durch Beratung und Vermittlung von professioneller Unterstützung durch Gründungszentren, Lotsen oder Business Angels. Es ist sinnvoll, wenn der Gründungswillige mit seinem Anliegen nur eine Stelle anlaufen muss (One Stop Shop). Es sollte mehr Informationen über Gründer und Gründerinnen geben, um deren „Geschichten“ in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Die Gründungskultur sowie die Kultur einer zweiten Chance müssen in Deutschland gestärkt werden. Unternehmerisches Denken soll insgesamt gefördert werden, auch bereits in der Schule.
Die Allianz „Pro Gründung“ soll kein „Netzwerk der Netzwerke“ sein, sondern eine „Dachmarke“ für bestehende Initiativen mit einer schlanken Gremienstruktur. Ihre Struktur muss gewährleisten, dass Eigeninteressen der Einzelakteure keine Rolle spielen. Hierzu gehört zum Beispiel auch die Unabhängigkeit und Neutralität der Vorstandsmitglieder. Vornehmliche Aufgabe der Allianz soll Lobbyarbeit für ein positives Gründungsklima sein. Entscheidungsträger aus der Politik und Unternehmer sollen eingebunden werden. Zweite zentrale Aufgabe ist die Öffentlichkeitsarbeit, sowohl „pro Gründung“ als auch „pro Unternehmertum“. Weitere mögliche Aufgaben der Allianz: Qualitätssicherung, KnowHow-Transfer, Unterstützung der Netzwerkbildung, Nachbetreuung von jungen Gründerinnen und Gründern.
Das vorhandene Beratungsangebot muss transparenter werden, etwa durch Darstellung der Erfolgsquoten von Beratungseinrichtungen oder eine individuelle Bewertung durch Gründerinnen und -gründer. Eine zentrale Datenbank, etwa bei der KfW, könnte die Informationen über Beratungseinrichtungen sammeln und über das Internet zugängig machen. Die Beratung muss entlang der Entwicklung des Gründers erfolgen. Nach einem Erstgespräch sollte es individuell zugeschnittene Angebote geben, sowohl für den Bereich der „hard facts“ als auch für die „soft skills“. Die Allianz „Pro Gründung“ soll die Forderungen auch gegenüber Politikern und Interessengruppen vertreten. Das Beratungs-KnowHow soll durch die Allianz transferiert werden.
Prof. Riesenhuber begeisterte durch überragende Rhetorik und Beispiele aus der Praxis
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GRÜNDUNGSINITIATIVE
■ INTERVIEW MIT JÖRG EDUARD KRUMSIEK, MITGLIED DER GESCHÄFTSFÜHRUNG
Deutsche Bank Stiftung vernetzt innovative Gründungssysteme GründerCompass: Warum engagiert sich die Deutsche Bank Stiftung mit der Initiative für junge Existenzgründer gerade für benachteiligte Gruppen? Jörg Eduard Krumsiek: Sie entsprechen - wie alle unsere Projekte - dem Schwerpunkt unserer Fördertätigkeit, der Verbesserung der beruflichen Startchancen sozial benachteiligter junger Menschen. Diese auch auf dem schwierigen Weg von der Arbeitslosigkeit in die Selbständigkeit unterstützend zu begleiten, belohnt den unternehmerischen Mut und besonderen Erfolgswillen benachteiligter Gründer. Sie kehren ihre oft aussichtslose soziale Situation in zukunftsgerichtetes Handeln um und entsprechen so in idealer Weise unserer Stiftungsidee der „Hilfe zur Selbsthilfe“. GründerCompass: Wie bringt sich die Initiative Ihrer Stiftung hier im Detail ein? Jörg Eduard Krumsiek: Die Initiative für junge Existenzgründer unterstützt zum einen junge Existenzgründer bei der Umsetzung ihrer Geschäftsidee und zum anderen eine Auswahl qualifizierter Gründerzentren dabei, Maßnahmen zur Förderung der Existenzgründung sowie Qualitäts- und Erfolgskriterien zu entwickeln. Hierfür diente u.a. auch unsere Beteiligung an dem Symposium „Mein Chef bin ich!“ am 1. Oktober 2003.
malig mit einem nicht rückzahlbaren Zuschuss gefördert. Seit 2002 erhalten benachteiligte Gründer über die mit der Stiftung kooperierenden Gründerzentren sogenannte Mikrokredite aus Fonds, die über Mittel der Stiftung abgesichert werden. Damit wird die Eigenverantwortung der jungen Unternehmer gestärkt, denn die in Raten zurückzuzahlenden Kleinstdarlehen zwingen zu einem noch bewussteren Umgang mit dieser Starthilfe. Hier sei allerdings angemerkt, dass eine Ausweitung dieser Fonds auf andere Zentren bzw. eine direkte Inanspruchnahme dieser Mittel durch Gründer zur Zeit nicht möglich ist. GründerCompass: Welchen gesamtwirtschaftlichen Aspekt hat die Förderung der Selbständigkeit benachteiligter Gruppen Ihres Erachtens nach? Jörg Eduard Krumsiek: Es ist sicherlich nicht möglich, mit diesem Ansatz die allenthalben diskutierte Wachstums- und Beschäftigungsproblematik in unserem Land zu bewältigen. Mit jedem Arbeitslosen, der über diesen Weg in eine eigenverantwortliche Zukunft gelangt, haben wir aber einen oder
aber – über Familienzusammenhänge – mehrere Menschen weniger, die von staatlicher Förderung abhängig sind. Hiermit tragen wir auch zu einer Art Aufbruchstimmung bei, die wir für die Verbesserung des Wirtschaftsklimas dringend benötigen. GründerCompass: Was versprechen Sie sich von der auf dem Symposium „Mein Chef bin ich!“ geforderten Allianz „Pro Gründung“? Jörg Eduard Krumsiek: Gerade die Vielzahl der auf dem Gebiet der Förderung der Selbständigkeit aus der Arbeitslosigkeit heraus tätigen Gruppen, Institutionen und sonstigen Interessengemeinschaften macht deutlich, dass es einer Einrichtung bedarf, die gemeinsame Interessen aufnimmt, reflektiert und in sicht- und spürbare Verbesserungen für die vertretene Klientel umsetzt. Nur zusammen werden wir notwendige Anpassungsschritte – beispielsweise in der MicrolendingDebatte – und daraus resultierende Erfolge erreichen, die mehr als nur regionale Auswirkungen haben.
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Das Interview führte Anna-Maria Borse Herr Krumsiek (3.v.l.) auf dem Symposium „Mein Chef bin ich“
GründerCompass: Fördern Sie die benachteiligten Existenzgründer auch direkt? Jörg Eduard Krumsiek: Bis 2001 wurden Existenzgründungen einAusgabe 3
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GRÜNDERREGIONEN
Netzwerk im Rhein-Main-Gebiet will Ausländer besser in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren TAGUNG: EXZEPT STELLT SPEZIELL AUF AUSLÄNDER ZUGESCHNITTENE GRÜNDUNGSBERATUNG VOR
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igrantinnen und Migranten haben es auf dem deutschen Arbeitsmarkt besonders schwer: Sie sind überdurchschnittlich oft arbeitslos, ohne Schulabschluss und ohne Ausbildung. Auch beim Sozialhilfebezug sind sie überproportional vertreten. Im Rhein-Main-Gebiet ist das ein besonderes Problem, denn in den Kernstädten Frankfurt und Offenbach hat fast ein Drittel der Bevölkerung keinen deutschen Pass. Diesem Thema widmete sich die Tagung „EQUAL – Impulse für die Arbeitsmarktintegration von MigrantInnen“, die am 3. November 2003 im Frankfurter Römer stattfand. Die drei unter dem Dach der Europäischen Gemeinschaftsinitiative EQUAL im Rhein-Main-Gebiet arbeitenden Partnerschaften stellten ihre Arbeit vor. Dabei handelt es sich um Zusammenschlüsse von mehr als 50 privaten Trägern und Kommunen, darunter auch die Städte Frankfurt und Offenbach sowie die Arbeitsämter der Region, Kammern und Bildungseinrichtungen. EXZEPT, MARE und Piquasso sind die Kurztitel dieser Partnerschaften, die auf unterschiedlichste Weise versuchen, die Integration von Ausländerinnen und Ausländern in den deutschen Arbeitsmarkt voranzubringen. Die Entwicklungspartnerschaft EXZEPT etwa fördert unter anderem Existenzgründungen von Migranten und Migrantinnen. „Gerade für arbeitslose Migranten kann die Gründung eines eigenen Unternehmens eine gute Möglichkeit sein, sich in Beschäftigung zu integrieren und die wirtschaftliche Situation nachhaltig zu verbessern“, sagte Markus Weidner, Vorstand der Offenbacher Zentrale für Existenzgründung KIZ, die Partner von EXZEPT ist. KIZ hat bereits Konzepte entwickelt, wie diese Klientel besser angesprochen werden kann.
„Die besondere Mentalität ausländischer Gründer muss berücksichtigt werden“, meinte etwa Hakan Helvaci, selbst türkischer Herkunft und Berater bei KIZ. Auf der einen Seite verfügten diese Menschen oft über eine höhere Risikofreude, mehr Flexibilität und Improvisationsfähigkeit, auf der anderen Seite hegten sie nicht selten eine Abneigung gegenüber einer systematischen Planung und hätten eine eher emotionale als analytische Herangehensweise. Die Vorteile eines ausländischen Beraters: Die kulturelle Nähe und das Verständnis der Mentalität, so dass schneller ein Vertrauensverhältnis entstehen kann. Daneben stellte sich der in Frankfurt ansässige italienische Bildungsträger CGLI vor, der sich innerhalb der Entwicklungspartnerschaft MARE die Förderung der Ausbildungsbereitschaft junger Migranten auf die Fahnen geschrieben hat. Das Projekt Piquasso qualifiziert Migranten in Sicherheitsdiensten für höherwertige Tätigkeiten und bereitet außerdem Unternehmen gezielt auf die Personalführung in multikulturellen Teams vor. „Es ist in seiner regionalpolitischen Bedeutung nicht zu unterschätzen, dass sich hier zum ersten Mal in dieser Breite Träger und Kommunen für gemeinsame Projekte zusammengeschlossen haben“, betonte die Offenbacher Sozialdezernentin Birgit Simon im Rahmen der Tagung. Michael Heister, Leiter der Nationalen Koordinierungsstelle EQUAL im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, würdigte die Rhein-Main-Projekte für die Umsetzung des Innovationsgedankens, der von der Bundesregierung und der Europäischen Union angestrebt wird. Die Initiative EQUAL sei ein wichtiger Baustein der europäischen Beschäftigungsstrategie. amb
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GRÜNDERREGIONEN
Businessplan-Wettbewerb zieht positive Bilanz Gründen und Wachsen in Sachsen - unter diesem Motto startete am 07.10.2003 unter Schirmherrschaft des Sächsischen Staatsministers für Wirtschaft und Arbeit, Dr. Martin Gillo, der sächsische Businessplan-Wettbewerb futureSAX in sein zweites Jahr.
gie (13), Biotechnologie (7) und Informationsund Kommunikationstechnik (7) sowie Service (25). Trendweisend in den erstellten Konzepten sind wie auch schon in der ersten Phase in allen Bereichen innovative Ideen. MIT DREI SCHRITTEN ZUM ERFOLG
Teilnehmen können nicht nur Existenzgründer, die sich mit ihren innovativen Ideen selbständig machen wollen, sondern auch bereits gegründete junge Unternehmen mit ihren wachstumsorientierten Entwicklungsmodellen. 144 Geschäftsideen, Marketingkonzepte und Businesspläne wurden im ersten Jahr eingereicht. Am 08. März endete die zweite Wettbewerbsphase mit der Abgabe der Geschäfts- und Marketingkonzepte, die auf etwa 20 Seiten all das enthalten sollen, was einen Businessplan ausmacht – mit Ausnahme der Finanzen. 52 dieser Pläne erhielt die Businessplan-Wettbewerb Sachsen GmbH. Die Branchenoffenheit des Wettbewerbs spiegelt sich in der Vielfalt der 52 in der ersten Phase eingereichten Konzepte wider. Technolo-
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futureSAX gliedert sich in drei Phasen, in denen die Geschäfts- oder Entwicklungsidee immer präziser wird und sich von der Ideenskizze über ein Geschäfts- und Marketingkonzept zum ausgefeilten, detaillierten Businessplan entwickelt. Der Einstieg ist während jeder Phase möglich. Am Ende jeder Stufe gibt es für alle eingereichten Konzepte zwischen sechs und 14 Feedbacks der hochkarätig besetzten Jury aus knapp 100 Kapitalgebern und erfolgreichen Unternehmern. Diese professionelle Auswertung durch Unternehmerund Finanzjuroren ermöglicht es den Teilnehmern, Schwachstellen rechtzeitig zu erkennen und bis zum Abschluss der dritten Phase zu beheben. Alles, was die Teilnehmer wissen müssen, um einen ausgereiften Businessplan zu entwickeln, vermittelt das umfangreiche kostenlose Lern-
programm: Ob Grundlagen des Geschäftskonzepts, Markt und Marketing, Finanzplanung und Finanzierung – professionelle Schulungen begleiten jede Wettbewerbsphase. In zahlreichen Zusatzseminaren können die Gründer und jungen Unternehmer sich über Pressearbeit oder wichtige Fragen zum Thema Personal informieren. Insgesamt werden über 60 Veranstaltungen angeboten. Etwa 300 Teilnehmer besuchten die in Phase eins und zwei angebotenen Seminare. Der Einstieg in den Wettbewerb ist auch jetzt noch, unabhängig von der Teilnahme in Phase eins und zwei, möglich. KONTAKTE SIND WICHTIG
Treffpunkt futureSAX – diese Netzwerktreffen stehen für Kontakte von unschätzbarem Wert. Die Coaches können jederzeit zu allen Fragen der Unternehmensgründung angesprochen werden. Alle Informationen zum Wettbewerb und zur Anmeldung unter: www.futuresax.de.
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DAS LETZTE
Gründerklüngel WIE SICH „VÄTERCHEN STOLPE“ FÜR SEINE GRÜNDER ENGAGIERTE
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s gibt Menschen, bei denen wird alles, was sie anfassen, ein Erfolg. Und es gibt Menschen wie Manfred Stolpe. Als er noch Ministerpräsident in Brandenburg war, träumte er von einer Formel 1-Rennstrecke. „Die nächsten Schumachers kommen aus der Lausitz“, versprach er und pumpte Steuermillionen in das Projekt. Der Lausitzring meldete Insolvenz an. Auch der Luftschiffhersteller Cargo Lifter AG wurde nach Brandenburg geholt und machte Konkurs. Seit kurzem kann sich Stolpe die nächste Großpleite ans Revers heften: Der Betreiber der Chipfabrik in Frankfurt an der Oder wurde liquidiert. Damit stirbt die Hoffnung einer mit fast 20 Prozent Arbeitslosen gebeutelten Region. Geweckt hatte sie „Väterchen Stolpe“, wie ihn seine Untertanen einstmals liebevoll nannten. Er machte das Vorhaben öffentlich, bevor er einen industriellen Partner gefunden hatte, wie jetzt sein Nachfolger Matthias Platzeck (besser bekannt als „Deichgraf“ aus der Zeit des Oderhochwassers) beklagt. Allein die Chipfabrik hat mindestens 80 Millionen Euro öffentlicher Gelder versenkt. Der fast 70-jährige Bundesverkehrsminister und Sonderbeauftragte Aufbau Ost war in letzter Zeit im Zusammenhang mit dem Lkw-Maut-System in aller Munde (etwa 156 Millionen Euro Verlust pro Monat). Verbockt hat den Vertrag zwar sein Vorgänger Bodewig, doch Stolpe selbst sorgte mit seiner wechselhaften Verhandlungstaktik dafür, dass der Betreiber Toll Collect uns allen derart lange auf der Nase herumtanzte. In den wichtigen zwölf Nachwendejahren (von 1990 bis 2002) war er als Ministerpräsident verantwortlich für das Wohl des Landes Brandenburg und hinterließ ein unrühmliches Erbe: Fast alle Großprojekte waren pleite (Lausitzring, Cargo Lifter, Chipfabrik, Schwarze Pumpe...), die Arbeitslosenquote ist verglichen mit seinen Mitstreitern in den neuen Bundesländern erschreckend hoch, seit Jahren zermürben Polit-Skandale das Vertrauen der Bevölkerung. Stolpes ehemaliger Landwirtschaftsminister ist wegen Subventionsbetrugs verurteilt worden, ein Kabinettsmitglied aus dem Bauresort sitzt wegen Mordversuchs hinter Gittern und die PISA-
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DAS LETZTE
in Brandenburg Studie bescheinigt Brandenburg „niederschmetternde Ergebnisse“ (Ministerpräsident Platzeck), die von einer Bertelsmann-Untersuchung zum Bundesländer-Ranking betätigt werden. Wen wundert`s, dass selbst gegen ihn schon höchstrichterliche Urteile erstritten wurden (BHG; VI ZR 205/97). Doch irgendwie schafft es Manfred Stolpe, solche Probleme auszusitzen - sie haben seiner politischen Karriere bisher noch nicht geschadet. Das MDR-Magazin FAKT deckte auf, dass der damalige Ministerpräsident für einen privaten Grundstücksstreit 160.000 DM Prozesskostenhilfe (PKH) bekommen hatte. Zur zivilrechtlichen Abwehr der Stasi-Vorwürfe hat sich Stolpe noch einmal über 100.000 DM Prozesskostenhilfe bewilligen lassen, schließlich saß der Entscheider in der brandenburgischen Hierarchie weit unter dem Ministerpräsidenten. 1999 kassierte Manfred Stolpe eine Anzeige wegen Untreue vom damaligen CDU-Generalsekretär in Brandenburg, Thomas Lunacek: „Hier wird nach Gutsherrenart vorbei an Recht und Gesetz über Staatsmittel verfügt, als wenn sie sozialdemokratisches Eigentum wären.“ Stolpes Nachfolger Platzeck erklärte am 11.12.2003: „Wir haben zu lange von der Hoffnung gelebt. ... Fehlende Transparenz, mangelndes Risikobewusstsein und politisches Wunschdenken waren auch die Ursache für das Scheitern der Landesentwicklungsgesellschaft.“ (eine weitere Pleite aus Stolpes Regierungszeit). In diesen Jahren wurden auch Existenzgründer Opfer seiner Politik. Menschen, die an eine faire Chance im Land Brandenburg glaubten und dort erfolgreich werden wollten. Was Herrn Stolpe nur dann interessierte, wenn das Projekt großes Renommé versprach - nicht jedoch die kleinen Gründer. So kam es, dass der Landesrechnunghof regelmäßig feststellen musste, dass Brandenburg es wieder nicht geschafft hat, bewilligte EU-Subventionen an kleine Unternehmen auszuteilen - obwohl es ausreichend Antragssteller gegeben hatte. Doch die Kleinen waren wohl nicht spannend genug. Nachfolgend ein konkretes Beispiel, wie wichtig zu Stolpes Zeiten kleine Gründer waren: Ausgabe 3
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Im April 1996 erfuhr eine brandenburgische Softwarefirma immer häufiger vom Wunsch ihrer Kunden, Einfluss auf ihre kaufmännischen Programme ausüben zu können. Denn die vorhandene Software war immer zu komplex und zu umfangreich und von den Anwendern nicht leicht zu bedienen. Eine Lösung war gefragt, deren Umfang und Gestaltung von den späteren Kunden mitbestimmt werden konnte – zu solchen Preisen, die den wirklich benötigten Programminhalten entsprach. Die kleine Softwarefirma hatte durch einen glücklichen Zufall einen Weg gefunden, diesen Traum zu verwirklichen. Also eine individuelle Softwareprogrammierung ohne Programmierer für EDV-Laien. Zur Fertigstellung brauchten sie relativ wenig Geld, das nicht durch Bankkredite zu bekommen war. Doch es gab ja eine Menge Fördermittel, die für derartige Projekte zur Verfügung standen. So machten sich die Gründer daran, einen Antrag für eine Innovationsförderung des Landes Brandenburg zu formulieren. In dieser Zeit kämpfte der damalige Ministerpräsident Stolpe mit einem Problem: Er musste das brandenburgische Volk davon überzeugen, dass sein schleppender Erfolg nicht auf seiner Politik, sondern auf schlechten Beratern aus den alten Bundesländern beruhte. Und so versuchte er, die Nachwende-„Importe“ plakativ durch Brandenburger auszuwechseln. Auch ein wenig erfolgreicher West-Rektor an der Fachhochschule Lausitz sollte schleunigst durch einen einheimischen Wissenschaftler ausgetauscht werden. Doch es gab keinen brandenburgischen Professor, der in einer der lausitzer Disziplinen verfügbar war. Also entschloss sich Stolpe für einen politischen Schachzug: Er holte einen „passenden“ Wissenschaftler aus der Lausitz an die Fachhochschule, Herrn Prof. Dr. Kruscha, damit dieser Rektor werden könnte. Dass der Teilchenphysiker war, interessierte nicht. Und da es diese Disziplin an der Fachhochschule Lausitz nicht gab, wurde er in einem beliebigen Forschungsgebiet untergebracht, bis er zum Rektor gewählt werden könnte. Stolpe parkte Kruscha auf dem unbesetzten Lehrstuhl der systemnahen Programmierung und hoffte, dass der sich die paar Monate bis zur Inthronisierung ruhig verhalten würde.
Er blieb es nicht. Die zur Bewertung innovativer Fördermittelanträge zuständige Landesagentur wählte ausgerechnet Prof. Kruscha, ein wissenschaftliches Gutachten zum Antrag der brandenburgischen Softwarefirma zu verfassen. Kruscha verstand nicht, worum es ging, und er erließ sich in seinem Gutachten in einer Art und Weise, die einem Wissenschaftler unwürdig ist. Seine Auslassungen entbehrten jeglicher Grundlage. Er versuchte einfach nur, in einem Gebiet kundig zu wirken, in dem er wirklich nichts verloren hatte. Und er benutzte einen beleidigenden Ton. Die Gründer hatte ihren Antrag gestellt, und nichts geschah. Monatelang. Dann erreichte sie durch Drängelei ein persönliches Treffen. Das endete in der folgenden Aussage: Irgendetwas ist schief gelaufen. Zieht den Antrag zurück, und stellt ihn neu – nur dann habt ihr eine Chance. Die sturen Gründer beharrten auf der rechtlich korrekten Sichtweise: Wenn es Gründe gegen die Bewilligung eines Fördermittelantrages gibt, dann gehören die auf den Tisch und es muss die Chance geben, darauf zu reagieren. In Brandenburg nicht. Der Chef der Technologieagentur, Prof. Dr. Schulze, beschied den Gründern: Tretet von eurem Antrag zurück, stellt ihn eine logische Sekunde später neu und ihr bekommt euer Geld. So sammelten die Jungunternehmer Beweise dafür, dass Stolpe den Kruscha zu Unrecht zum Softwareprofessor ernannt hatte, legten sie der Landesregierung vor und erhielten einen lapidaren Brief aus Stolpes Büro, dass schon irgendwie alles stimmen würde. Einen Gesprächstermin bekamen sie recht schnell, weil sie ihr Unternehmen in Stolpes Wahlkreis gegründet hatten. Pervers ist es, dass die Softwarefirma seit 1999 gegen das Land Brandenburg klagt, ohne das die Verwaltungsrichter jemals den Mut besessen haben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sie betreiben eine Verschleppungstaktik, die ihnen in ähnlichen Prozessen unlängst vom Bundesverfassungsgericht vorgehalten wurden. Jeder Mensch hat das Grundrecht auf ein faires und schnelles Verfahren – außer in Brandenburg. Herrn Stolpe hatte die Geschichte nicht interessiert, das Teffen wurde abgesagt. Schließlich hatte er sich um Größeres zu kümmern. AG Gründer COMPASS
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