Allitera Verlag
Hans U. Brauner (Hg.)
Familien-Prinzip Sind Familienunternehmen krisenresistenter? Vorwort Ulrich Grillo Beiträge von Lutz Goebel, Anton Rauscher, Klaus Schweinsberg, Michael Freiherr v. TruchseĂ&#x;
Allitera Verlag
Februar 2013 Allitera Verlag Ein Verlag der Buch&media GmbH, München © 2013 Buch&media GmbH, München Umschlaggestaltung: Eckhard Egner, Esslingen Printed in Europe · isbn 978-3-86906-489-5
Inhalt Vorwort von Ulrich Grillo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Grenzen und Entgrenzungen des Einflusses von Familien auf Familienunternehmen in Krisen von Hans U. Brauner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Familien-Unternehmen – ein krisenresistenteres und zukunftsfähigeres Modell? von Lutz Goebel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Governance Kodex für Familienunternehmen: Resistenzinstrument gegen personelle und finanzielle Krisen? von Klaus Schweinsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4. Protestantisch verantwortlich handeln Diskurs Michael Freiherr v. Truchseß mit Hans U. Brauner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5. Zum Ethos des Unternehmers von Anton Rauscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 6. Neue Normalitäten des Familien-Prinzips in krisenresistenten Familienunternehmen? von Hans U. Brauner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Vorwort von Ulrich Grillo Die Frage »Sind Familienunternehmen krisenresistenter?« kann ich aus meinen langjährigen Erfahrungen als Mitglied der Geschäftsleitung eines großen, börsennotierten Familienunternehmens und als Vorsitzender des Vorstandes des Familienunternehmens GRILLO-WERKE AG in Duisburg mit einem »Ja« beantworten. Ich kann meine Zustimmung mit mindestens drei Argumenten absichern: Als angestellter Unternehmer im Familienunternehmen Röchling – Rheinmetall habe ich – erstens – die Risiken vor allem, aber auch die Chancen des Familienprinzips kennengelernt. Diese Erfahrungen habe ich später, als ich »geborener« Eigentümer-Unternehmer der GRILLO-WERKE AG geworden bin, nutzen können, um nicht nur externe, sondern auch interne Risiken, wie Zentrifugalkräfte von Familienmitgliedern, falsche Nachfolgeregelungen usw., zu vermeiden. Und ich habe die vielfältigen Chancen eines Familienunternehmens noch mehr schätzen gelernt. Die großen Familienunternehmen mit einem Jahresumsatz über 500 Mio. Euro verdanken zweitens ihre Krisensicherheit wohl auch der Größenlogik, die ein risikostreuendes Portfolio und eine breiter aufgestellte Führung (Familien-Unternehmer plus dem Familienprinzip loyal verbundene angestellte Unternehmer) erlaubt und somit oft ein besseres Kreditrating besitzen. Hans U. Brauner analysiert und unterstützt diese Chancen von familiären Machtarchitekturen ausführlich (siehe Chart auf Seite 19). Diese absichernden Machtarchitekturen finden wir z. B. im Familienunternehmen TRUMPF in Ditzingen (Tochter, Sohn, Schwiegersohn und angestellte Geschäftsführer) oder im Familienunternehmen KRONES AG in Neutraubling / Regensburg (Vater und Söhne plus angestellte Unternehmer), aber eben auch bei der GRILLO-WERKE AG.
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Ein drittes Argument, das für die Krisenresistenz von Familienunternehmen spricht, sind die Kleinen Mittelständischen Unternehmen (KMU), deren Repräsentant Lutz Goebel, Präsident »Die Familienunternehmer – ASU«, mit 5000 Mitgliedern ist. Interessanterweise hat er zunächst auch als angestellter Unternehmer Erfahrungen gesammelt, um dann ein Unternehmen mit knapp 100 Mio. Euro Umsatz mehrheitlich zu übernehmen mit dem erfolgreichen Ergebnis, jetzt als »konvertierter« Eigentümer-Unternehmer begeistert das Familienprinzip zu vertreten. Typisch für die kleinen Familienunternehmen ist oft der von Pioniergeist und hoher Flexibilität geprägte Einzelunternehmer, der als Patriarch seine ihm anvertrauten Menschen, deren Namen er alle kennt, fest im Griff hat und die in Krisen treu zu ihm stehen. Lutz Goebel veranschaulicht als Vorbild in seinem Beitrag beispielhaft die Vorteile des krisenresistenten Familienprinzips. Warum hat Hans U. Brauner – im Übrigen mein geschätzter Chef und Mentor in meiner Rheinmetall-Zeit – seinen Buchtitel als Frage gewählt? Er hätte einfach als Botschaft dieses Statement abgeben können: »Familienunternehmer sind auch in Krisen sicher.« Offensichtlich begrüßt er die differenzierenden Antworten der vier Co-Autoren: Lutz Goebel als Eigentümer-Unternehmer und Präsident des Verbandes »Die Familienunternehmer – ASU«, Klaus Schweinsberg als »Chefideologe« der »Family Corporate Governance« und die beiden Vertreter der Kirchen: Anton Rauscher als der Katholische- Soziallehre-Experte und Michael Freiherr v. Truchseß als Vorsitzender des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer. Auch ich bin zwar der Überzeugung, dass Familienunternehmen krisenresistenter sind, aber eine 100%ige Sicherheit in Krisen bieten auch Familienunternehmen nicht. Wie unterscheidet sich die vorliegende Botschaft zum Familienprinzip von bereits bekannten Publikationen über Familienunternehmen? Brauner zeichnet sein Bild von Familienunternehmen aus der Sicht eines angestellten Unternehmers von Familienunternehmen aufgrund 8
seiner Erfahrungen als Vorstandsvorsitzender der Rheinmetall AG mit der Röchling-Familiengemeinschaft (etwa 200 Mitglieder) als Mehrheitsaktionär, die er durch mehrere Krisen geführt hatte. Er erläutert die Chancen und Risiken von Familienunternehmen, z. B. Dienen und Führen durch Eigentümer-Unternehmer, fiktive und faktische Architekturen von Macht und Autorität (Tücken der Macht und Autorität, Führen zwischen Loyalität und Vernunft usw.). Als erfahrener Mediator kommentiert er die verschiedenen Ansichten seiner Co-Autoren durch Zustimmung, aber auch durch skeptische Hinweise auf spezifische Risiken (z. B. Finanzierung und Nachfolgeregelung u. a.). Auf diese Weise werden mögliche Trennkräfte durch die Beiträge vermieden und Bindekräfte betont, mit dem Ziel, eine ermutigende Botschaft an die skeptischen Beobachter von Eigentümerunternehmern und angestellten Unternehmern in Familienunternehmen mit ihrer Krisenresistenz zu richten.
Duisburg, Dezember 2012
Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI)
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»Vater und Sohn« Bronzeskulptur von Eva de Maizière (1988)
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Einleitung Vermutungen zu Verantwortungen in unternehmerischen Grenzsituationen zu erkennen, Versuchungen und wahrscheinliche Wahrheiten von Verwerfungslinien zu untersuchen und zu kontrollieren (Karl R. Popper1), das sehe ich zusammen mit drei erfahrenen Persönlichkeiten aus familiennahen Unternehmen, Lutz Goebel, Michael Feiherr v. Truchseß und Klaus Schweinsberg, als gemeinsame Zielintention. Wir beziehen uns dabei allgemein auf wirtschaftliche Krisen und Katastrophen, speziell auf die Zweite Große Krise 2008/2009 nach der Ersten Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre und aktuell auf die Euro-Haushaltskrise 2011/2013, aber auch auf interne Unternehmenskrisen, wobei wir versuchen, das Verhalten von Familien-Unternehmern nicht nur als richtige oder falsche Krisenkultur zu deuten, sondern auch als Hoffnung, »dass wir aus unseren Irrtümern, aus den Fehlern, die wir gemacht haben, lernen können«. Ob diese Antizipation, dass sich das erhoffte Lernen zu einer »wirklichen Wirklichkeit« (Paul Watzlawick2) entwickelt, ist eine der Fragen, die wir stellen. Wir befinden uns mit unserem Ansinnen in guter Gesellschaft, z. B. mit der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., die bereits 2010 eine Tagung über »Lehren aus der Krise: Zukunftsfähige Konzepte des Managements« durchgeführt hat. Aber wir verhehlen auch nicht unsere Zweifel, ob die Verantwortungsträger in Politik und Wirtschaft die Fähigkeit von Erinnern und Vergessen, Wirklichkeit und Wahrheit besitzen oder besitzen wollen, um Ratio und Emotion in angemessenen Proportionen bei der Risikoabwägung ihres Handelns zu nutzen. Während die Führungsgenerationen der Realwirtschaft bis zur Jahrtausendwende in der Regel unter strategischer Sicht langfristige Perspektiven verstanden haben, wird die Sichtweise der neuen Führungsgenerationen – unter dem Einfluss der Finanzwirt Popper, Karl R.: Conjectures and Refutations (1963), Übers. in 2. A., Tübingen 2009 unter dem Titel: Vermutungen und Widerlegungen. Das Wachstum der wissenschaftlichen Erkenntnis. 2 Siehe hierzu Paul Watzlawick: Wie wirklich ist die Wirklichkeit. Wahn, Täuschung, Verstehen, 4. A., München 2006. 1
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schaft – immer kürzer. Kurzfristig geforderte Renditen verkürzen zusätzlich das strategische Interesse der Führungsmitglieder auf ihre eigenen »Halbwertzeiten« der Dienstverträge bzw. Wahlperioden. Legitimität, Legalität, Loyalität, Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Wahrheit, Macht, Moral usw., diese Charaktereigenschaften, die bisher von einem Eigentümer- oder Angestellten-Unternehmer selbstverständlich erwartet werden konnten, erfahren im Zuge von Paradigmenwechseln heute eine neue Deutung. In diesem ökonomischen und politischen Umfeld steigen wir kritisch ein in mögliche Antworten auf die Fragen, ob Familienunternehmen krisenresistenter und zukunftsfähiger sind oder sein könnten, weil sie durch ein positives Vorurteil ausgezeichnet sind, über das Kapitaleigentum hautnah verantwortlich zu verfügen und nicht – so das negative Vorurteil – wie angestellte Unternehmer dieses nur interessewahrend zu vertreten. Im ersten Kapitel werden deshalb die Themen Normalität und Verantwortung, speziell mögliche rote Linien und Verwerfungslinien unternehmerischer Verantwortlichkeit von Familienunternehmen in Krisensituationen angesprochen. Die Expertisen zu Familienunternehmen, die von Lutz Goebel, dem Präsidenten des ASU (Arbeitskreis Selbstständiger Unternehmer), und Professor Klaus Schweinsberg, federführender Herausgeber des Governance Kodex für Familienunternehmer, abgegeben werden, hinterfrage ich jeweils skeptisch in der Art eines Diskurses als beobachtender »Advocatus Diaboli«, um eventuell kritische Leser zu überzeugen, dass hier relativ neutrale Plädoyers für Familienunternehmen gegeben werden. Der erste theologisch akzentuierte Beitrag, der Dialog mit Michael Freiherr v. Truchseß, dem Vorsitzenden des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU) über »Protestantisch verantwortlich handeln«, zeigt aufrichtig die Verantwortlichkeiten von und zwischen Kirche und Unternehmern. Ich habe Michael v. Truchseß deutlich einige »anormale« Fragen gestellt, um auf ein mögliches »Ende der Normalität« (Gabor Steingart) nach der Kunstfigur des »Schwarzen Schwans« (Karl Popper) hinweisen zu können. Michael v. Truchseß 12
hat auch zur katholischen Schwesterinstitution BKU (Bund Katholischer Unternehmer) einige Statements abgegeben. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Anton Rauscher SJ, der führende Kopf der Katholischen Soziallehre in Deutschland, hat seinen Beitrag »Zum Ethos des Unternehmers« genannt und darin auch das »Schenken« für karitative und soziale Zwecke thematisiert, was Gelegenheit gibt, positive, aber auch kritische Kommentare abzugeben. Schlussendlich soll der Versuch gemacht werden, neue Normalitäten zusammenzufassen mit dem Ziel, neue oder alte positive Normalitäten in krisenresistenteren und zukunftsfähigeren Familienunternehmen anbieten zu können. Die vier Autoren und Diskurspartner bringen, wie aus den beruflichen Lebensläufen zu erkennen ist, in unsere Einschätzungen zum Verhalten von Familienunternehmen in Krisenzeiten unterschiedliche Erfahrungen ein. Soziologisch betrachtet sind wir zwei »Teilnehmer«, die in der Herausforderung von Krisen stehen, und zwar Lutz Goebel als Inhaber eines Familienunternehmens und Hans U. Brauner als Beirat des Familienunternehmens CERTUSS KG in Krefeld, das sein Sohn Mathias 2006 im Zuge eines MBI als Geschäftsführender Gesellschafter mehrheitlich übernommen hat. Familiennah und ethisch positiv eingestimmt, soziologisch einzustufen als »Beobachter«, die »zu« und »über« Familienunternehmen fachliche Einschätzungen abgeben, sind Michael Freiherr v. Truchseß und Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Anton Rauscher SJ zu nennen. Wir unterstützen das unternehmerische Familienprinzip, indem wir es gezielt auf den Prüfstand stellen. Wir reihen uns ein in die Kohorte der Stiftung Familienunternehmen (Prof. Dr. Dr. h. c. Brun-Hagen Hennerkes) und des Verbandes »Die Familienunternehmer – ASU«, ebenso wie in die richtungsweisenden Publikationen von Dr. Peter May, Prof. Dr. Fritz B. Simon, Prof. Dr. Hermut Kormann, Prof. PhD Harold James; Rudolf Wimmer / Ernst Domayer / Margit Oswald / Gudrun Vater sowie Christian v. Bechtolsheim / Andreas Rhein und vielen anderen für die gemeinsamen Aktivitäten. Wenn es uns gelänge, ein positives Interesse an Familienunternehmen und deren vorbildliche Resistenz zu wecken oder zu erhalten mit 13
der Intention, den zeitgeistigen antikapitalistischen Vorurteilen des Mainstreams über Unternehmer mit aufrichtigen und sachlichen Gegenargumenten zu begegnen, wären unsere Ziele erreicht. Die abgebildete Skulptur »Vater und Sohn« von Eva de Maizière (1915–2004), Ehefrau von Ulrich de Maizière (1912–2006), dem ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr und Vater des heutigen Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière, steht seit über zwei Jahrzehnten auf meinem Schreibtisch. Die Künstlerin, die mit meiner Frau befreundet war, hat wahrscheinlich an ihre eigene Familie gedacht und hätte heute sicherlich zugestimmt, dass die Symbolik von »Vater und Sohn« die Bindekräfte von Familienunternehmen unseren Lesern emotional vermitteln kann. Der Vater trägt einen Schirm, den ich als Symbol des Schutzes vor bedrohlichen Trennkräften interpretiere, keinesfalls als Hinweis auf staatliche Rettungsschirme. Januar 2013
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Hans U. Brauner
1. Grenzen und Entgrenzungen des Einflusses von Familien auf Familienunternehmen in Krisen
von Hans U. Brauner
Familienunternehmen werden allgemein durch den maßgeblichen Einfluss von Familien definiert. Der Oberbegriff »Mittelstand« steht für Familienunternehmen und kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Für den Begriff Familienunternehmen wird die Einheit von Kapitaleigentum und Führung als das entschiedene Merkmal (Definition des IfM = Institut für Mittelstandsforschung in Berlin) angesehen; für die Deutung KMU ist es die quantitative Größe hinsichtlich Umsatz und Beschäftigtenzahl. Wie deutet man den Begriff einer einflussnehmenden Familie? Kennzeichen hierfür ist eine »engere Verwandtschaftsgruppe, mindestens zwei Generationen«, die »drei elementare soziale Funktionen«1 haben: Die »Sozialisations«-Funktion für die Erziehung« Die wirtschaftliche Funktion für Schutz und »Fürsorge« »Die politische Funktion für eine legitime Platzierung in der jeweiligen Gesellschaft« Von diesen drei Funktionen können u. a. abgeleitet werden: die religiöse Funktion (Wertevermittlung) und die rechtliche Funktion (verfassungs- und privatrechtlich). Wie übt die Familie Einfluss auf ihr Familienunternehmen aus? Wenn man unter Einfluss eine »bestimmende Einwirkung auf das Verhalten von Jemanden oder von Etwas«2 versteht, so befindet man sich im Wortfeld von Macht. Es ist üblich, Max Webers Formel der Zitiert nach http/de.wikepedia.org/wiki/Familie, Abruf 21.02.2012. Brockhaus Wahrig. Deutsches Wörterbuch, 2. Bd., Stuttgart 1981, S. 391.
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Macht zu zitieren als »Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen«3 . Spätestens durch die Habilitationsschrift des Tübinger Professors Georg Zenkert (2007)4 und »Macht im 21. Jahrhundert« des HarvardProfessors Joseph Nye5 wissen wir, dass die Machtbezeichnungen der Gegenwart wesentlich komplexer zu deuten sind. Bevor wir mit dieser Komplexität die Macht der Familien auf die Macht des Familienunternehmens – speziell in Krisen – zu interpretieren versuchen, werfen wir einen kurzen Blick auf mögliche Machtarchitekturen in einem Familienunternehmen. In einem Diskurs mit dem Soziologieprofessor Rainer Paris haben wir die Bezeichnungen von Herrschen und Führen, Macht und Autorität analysiert.6 Rainer Paris hat Macht als Oberbegriff von Herrschen gedeutet, ebenso Autorität im Kontext zu Führen, was hier zustimmend übernommen wird. Diese beiden Kombinationen sind weder in der Politik noch in der Wirtschaft eindeutig positioniert, sondern meistens in Mischformen zu finden. Die Übersicht »Fiktive und faktische Architekturen von Macht und Autorität in Familienunternehmen« basiert auf dem Versuch des Autors, die Begriffe Herrschen, Führen, Leiten und Dienen in einem Kontext zu den Oberbegriffen Macht und Autorität deutend zu ordnen. Wir haben hierbei die vier Begriffe, die Lutz Goebel7 für die Familienunternehmen als Kernbegriffe sieht, nämlich Freiheit, Verantwortung, Haftung und Risiko, in unserer Übersicht als roten Faden benutzt.
Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, 5. A., Tübingen 1972, S. 28. Zenkert, Georg: Die Konstitution der Macht, Tübingen 2004/2007, S. 9. 5 Nye, Joseph: Macht im 21. Jahrhundert. Politische Strategien für ein neues Zeitalter (Original: The Future of Power, New York 2011), München 2011, S. 12–21. 6 Brauner, Hans U. : Hans L. Merkle (1913-2000). Warum es richtig ist, an einen klassischen Unternehmer zu erinnern, München 2012, S. 19-38. 7 Vortrag »Das Familienprinzip« am 28.02.2012 im Industrieclub Düsseldorf. 3 4
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Fiktive und faktische Architekturen von Macht und Autorität in Familienunternehmen Macht
Macht
und Autorität
Autorität
Herrschen
Herrschen
und Führen
Führen
Familienunternehmen Familie
Kapitaleigentum
Eigentümerunternehmer
und Geschäfts- Angestellter Unternehmer führer Fremd-Geschäftsführer
Family Corporate Governance
Family Corporate Governance
Family Business Governance
Family Business Governance
Familien-Patriarch (pater familiae) in Personalunion und / oder Familien-CEO
Familientreuer angestellter CEO
Kapitaleigentum als Basis der Herrschaft
Führungskom- »Gefolgschaft« (R. Paris) als Basis der petenzen Führungsautorität und als Basis der »weichen Macht« Autorität
Chancen und Risiken von Familienunternehmen in Krisen Tücken der Macht
Tücken der Autorität
Tyrannei der Familie gegen Familienunternehmer
Gewaltherrschaft des Familien-Patriarchen und -CEO
Fehleinschätzung von Macht > Autorität und Freiheit > Zwang
Fiktion der FamilienDeutungshoheit Schwäche
Selbstüberhebung (Arroganz) zum Selbstschutz
Fiktion, als angestellter Familienunternehmer Familienmitglied zu sein
Fehlendes Schwäche-Bewusstsein (Beispiel Drogen / Altersdemenz)
Herrschen trotz Inkompetenz Engstirnigkeit hinsichtlich Fiktion und Fakt
»System zwischen Gefühl und Geschäft« (Fritz B. Simon)
Fehleinschätzung des Herrschaftssystems »Herr und Knecht« Zwischen Loyalität und Vernunft
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Bindekräfte > Trennkräfte
Bindekräfte = Trennkräfte (Gleichgewicht)
Gewinnausschüttung Thesaurierung > Ausschüttung > Thesaurierung
Trennkräfte > Bindekräfte Thesaurierung vor Ausschüttung
»Gefühlter« Zwang > Freiheit (»Goldener Käfig«)
»Gefühlte« Freiheit > Zwang Familie = Zwang
Pflicht > Recht
Familie vor Geschäft
Geschäft vor Familie
Geschäftsinteresse vor Eigeninteresse
Priorität Familienverantwortung (ethische Erziehung / Soziallehren)
Gesamthaftung und -verantwortung für Geschäft und Familie und Familienkapital
Familienvorurteile gegenüber Fremd-GF: geringe Kapitalverantwortung, hohe Risikobereitschaft, keine Haftung
Macht- und Autoritätssicherung Hohe Sensibilität durch rechtzeitige für Ansehen der Nachfolgeregelung und FremdFamilie (»Blut ist GF mit höheren stärker als Wasser«) Führungskompetenzen
»Hochseil«-Situation von angestellten Unternehmern, durch höhere, integrative Führungskompetenzen die Familie nicht in ihrem Machtbewusstsein zu verletzen
Die Stichworte der Übersicht sprechen für sich selbst und bedürfen für Insider – Erfahrene mit Familienunternehmen – keiner weiteren Erläuterung. Wir betrachten deshalb nur folgende vier Zusammenhänge in Krisensituationen: Familienpatriarch und FamilienunternehmensChef als Familienkrisenproblem, Eigentümer-Familienunternehmer und angestellter Familienunternehmer in Nachfolgekrisen, Family Corporate Governance und Family Business Governance als Konfliktquellen in Krisen und Binde- und Trennkräfte in existenziellen Krisen. Zwischen den Funktionen Familien-Patriarch (Lutz Goebel: meist über 70 Jahre alt) als Oberhaupt und Interessenvertreter der Familie und dem Familienunternehmer-Chef, dem Unternehmens-Patriarchen, kann es nur dann zu Interessenkonflikten kommen, wenn es sich um 20
zwei Personen handelt, naturgemäß nicht, wenn beide Funktionen in einer Hand liegen. Solange sich beide Repräsentanten gut verstehen, werden sie auch in Familien- und Unternehmenskrisen einvernehmliche Lösungen finden. Sollten jedoch krisenbedingte Konflikte entstehen (Führungsprobleme, Umsatzeinbrüche, Liquiditätsprobleme, gesamtschuldnerische Haftungsfälle usw.), dann gibt es neben sachlichen Argumenten auch unsachliche emotionale Konflikte, die den notwendigen (notwendig = zur Abwendung einer Not) Zusammenhalt empfindlich stören. Das zweite Konfliktfeld könnte entstehen, wenn in einem Familienunternehmen die Geschäftsführung z. B. aus zwei Mitgliedern besteht, aus einem Familienmitglied und einem Nicht-Familienangehörigen. Da der Eigentümer-Unternehmer aufgrund seiner Kapitalmacht herrschen (Ziehen der »Eigentümerkarte« als »letztes Wort«) und mit seiner Autorität führen kann, bleibt dem angestellten Unternehmer nur über seine Autorität die Führungsfunktion. Und weil der Fremdgeschäftsführer meistens wegen seiner hervorragenden Kompetenzen engagiert wurde – sei es zur Entlastung des Eigentümer-Unternehmers, der wichtige Ehrenämter übernommen hat, oder, dass der angestellte Geschäftsführer notwendige komplementäre Kompetenzen übernimmt und als »Major Domus« wirkt – solange eine freundschaftliche vertrauensvolle Koalition zwischen beiden besteht und eine gemeinsame Interessenlage hinsichtlich der Unternehmensziele intern gegenüber der Familie und extern gegenüber Markt, Banken usw. verfolgt wird, ist die Kontinuität des Familienunternehmens – auch in internen Nachfolgekrisen und externen Wirtschaftskrisen – relativ gut gesichert. Die Störfaktoren der Krisenresistenz sind allerdings eher in internen Familienkonflikten zu sehen als in externen wettbewerbsschädigenden Einflussfaktoren. Lutz Goebel hat diese Situation am 28. Februar 2012 in seinem Industrieclub-Vortrag bestätigt. Das dritte Konfliktpotenzial birgt in Krisenfällen die Polarität von Interessen der Familie und des Familienunternehmens, wie diese Fritz B. Simon und seine Co-Autoren bereits vor einem Jahrzehnt (2002) ausführlich analysiert haben, als »System zwischen Gefühl und Ge21
schäft«. Klaus Schweinsberg, der Generalsekretär der Deutschen Governance Kommission für Familienunternehmen, hat die wichtigsten Argumente aus der Corporate-Sicht des Familienunternehmers erläutert. Wir versuchen, einige Argumente aus der Business-Sicht der Familie aufzuzeigen. Das spezielle Thema Binde- und Trennkräfte, den Zusammenhalt der Unternehmerfamilie, werden wir in dem folgenden vierten Punkt gesondert thematisieren. In einer individuellen Family Business Governance spielen langfristige Familienstrategie als Zielintention, Familienkodex (Familien-Verhaltenskodex / Conduct of Behavior) und Familienverfassung (Geschäftsordnung usw.) eine wichtige Rolle; hierzu gehören die Identität von Führung und Eigentum; Nachfolgeregelungen von Familienmitgliedern in Führung / Management; Organisation der Kontrolle (Beirat, Aufsichtsrat, Familienrat, Gesellschafterausschuss) und Gewinnausschüttung (häufige Regelung: 30% Ausschüttung, 70% Thesaurierung). Diese in Krisen kritischen Punkte werden von Lutz Goebel und Klaus Schweinsberg angesprochen und sind auch in der Übersicht thematisiert. Zwei Themen verdienen noch einige Erklärungen: Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt und Ausstieg von Familienmitgliedern. Der Wunsch nach Unabhängigkeit ist verständlich, aber Fiktion. Es gibt faktisch kein Familienunternehmen, das nicht im Umgang mit Gläubigern (Hausbanken, Lieferanten u. a.) in gewissen finanziellen Abhängigkeiten wirtschaftet. Es gelten mindestens drei Ursachen: Die erwartete Verzinsung für Eigenkapital ist meist höher als die Zinsen für Fremdkapital. Zweitens verschafft ein Kreditrahmen eine höhere Flexibilität und Sicherheit in Krisen, das Umlaufvermögen finanzieren zu können. So überrascht es nicht, dass z. B. auch familiäre Großunternehmen zur Krisenabsicherung enge Kontakte zu Banken pflegen, in der Regel durch Bankenvertreter in Familienunternehmen oder – noch einflussreicher – durch Aufsichtsratsmandate von Familienunternehmern in Banken. Das Familienstiftungsunternehmen Bosch hat z. B. seit Jahrzehnten Mandate bei der Deutschen Bank AG (Hans L. Merkle, Hermann Scholl, Tilman Todenhöfer). Eine extreme Abhängigkeit von Krediten ist bei der Familie Schäffler / Herzogenaurach im 22
Zusammenhang mit der Kooperation Continental allgemein bekannt geworden. Ein gutes Beispiel ist auch die Familie Otto, die ein Aufsichtsratsmandat bei der Deutschen Bank AG hat. Eine dritte Ursache ist auch die Herkunft des Eigenkapitals. Das konservative »geborene« Kapital wird von Familiengeneration zu Familiengeneration durch Schenkung oder Erbe tradiert. Der amtierende Eigentümerunternehmer verfügt über seinen eigenen Anteil und zusätzlich in Vollmacht über das Eigenkapital seiner Familie. Der angestellte Unternehmer speist sein erforderliches Eigenkapital beim Kauf eines Familienunternehmens durch Kapital seiner Familie (Schenkung oder Darlehen), Kapitalisierung von Lizenzen aus Erfindungen, mögliche Abfindungen aus der Auflösung von früheren Dienstverträgen, im Wesentlichen wahrscheinlich durch Bankkredite, wobei oft eine Kooperation mit einem Finanzinvestor8 eingegangen wird. Der neue Familienunternehmer im Zuge eines »Management Buy-in« hat als Basis seiner Macht also kein traditionell »geborenes«, sondern überwiegend »geborgtes« Eigenkapital. »Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt« in Familienunternehmen ist also, wie die Beispiele zeigen, mit wenigen Ausnahmen eine Fiktion, die Realität sieht wegen der prinzipiellen Knappheit finanzieller Ressourcen anders aus. Zum Ausstieg von Familienmitgliedern, die dem »gefühlten« Zwang (Selbstbestimmung anstatt Fremdbestimmung) der Familie entweichen wollen (»Goldener Käfig«) oder »Kasse machen« (Realisierung der Wertsteigerung oder notwendiger Mittelzufluss zur Bereinigung individueller Probleme usw.), sollen zwei Hinweise dienen. Die Erfahrungen zeigen, dass solche Aussteiger häufig ihre Verfügungsmacht über ihr endlich »freies« Geld häufig mit geringem Sachverstand in risikoreichere – vermeintlich renditeträchtigere – Projekte investieren und schließlich hohe Verluste erleiden. Einem sicheren Verbleib im Familienverbund wird dann nachgetrauert. Weitsichtige Mehr-Generationen-Familien bauen deshalb finanzielle Ausstiegshürden in ihre Verfassungen ein. Siehe hierzu: Behrens, Wolfgang / Brauner, Hans U. / Strauch, Joachim: Unternehmensentwicklung mit Finanzinvestoren. Eigenkapitalstärkung, Wertsteigerung, Unternehmensverkauf, Stuttgart 2005.
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In regelmäßigen Abständen wird der Unternehmenswert des Familienunternehmens festgestellt (bei börsennotierten Unternehmen relativ leicht zu ermitteln) und in Familiengremien (Familienrat, Gesellschafterausschuss u. a.) ein Abschlag als eine Art Sanktion gegen Verstöße des Familienzusammenhalts vereinbart. Sollte es eine Familienholding geben, übernimmt diese in der Regel die zum Verkauf angebotenen Gesellschafteranteile zu einem Vorzugspreis. Schließlich sind viertens speziell noch die Binde- und Trennkräfte einer Familie zu betrachten, die einen entscheidenden Einfluss auf ihr Verhalten in Krisen haben. Professor Hermut Kormann9 hat den Zusammenhalt der Unternehmerfamilie aufgrund seiner Erfolge und Erfahrungen in zwei Jahrzehnten als Nicht-Familienmitglied in der Führung eines großen Familienunternehmens mit hoher Fachkompetenz veröffentlicht. Er nennt vornehmlich folgende Bindungsfaktoren: Emotion, materiellen Nutzen, Service-Nutzen, Gemeinnützigkeit, Vermögenssicherung, faire Verfassung, unternehmensbezogene Ämter, Kommunikation, Familiengeschichte u. a. Mögliche Trennungsfaktoren behandelt er ebenso vorbildlich, jedoch zurückhaltender: Unausgeglichenheit von Nutzen und Aufwand, familiäre Rivalität, Konflikte aus Unterlegenheitsgefühlen, Konfliktfolgen und Konfliktbearbeitung u. a. Wir müssen uns fragen, ob Familienunternehmen krisenresistenter sind, weil sie starke bzw. stärkere Bindekräfte (Bindungsfaktoren nach Hermut Kormann) als »anonyme« Unternehmen (Lutz Goebel) besitzen und ihre Trennkräfte (Trennungsfaktoren) besser kontrollieren können. Im Konjunkturaufschwung und Konjunkturhoch kann man annehmen, dass in einem harmonischen und gut geführten Familienunternehmen die Bindekräfte stark ausgeprägt sind und die Trennkräfte nur schwach und minoritär auftreten. In Konjunkturtälern und existenziellen Krisen- und Umbruchsituationen ist es die Aufgabe der Patriarchen von Familie und Familienunternehmen, sicher durch schwere See und Stürme zu führen. Es muss ihnen gelingen, bei inter9
Kormann, Hermut: Zusammenhalt der Unternehmerfamilien. Verträge, Vermögensmanagement, Kommunikation, Berlin-Heidelberg 2011.
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nen und externen Krisen die zentripetalen Kräfte der Bindung zu erhalten oder zu stärken und die zentrifugalen Fliehkräfte der Trennung einzudämmen. Um hierbei mindestens ein Gleichgewicht der Kräfte (Henry A. Kissinger) zu erreichen, wäre eine Überdehnung, aber auch ein Schrumpfen beider Kräfte durch Überschreiten der »roten Linien« von Familienverfassung und -kodex grob fahrlässig. Barbara Tuchmann10 hat dieses existenziell gefährdende Fehlverhalten in Krisen im Zusammenhang mit »Regieren« treffend als Tyrannei oder Gewaltherrschaft, Selbstüberhebung (Arroganz), Unfähigkeit und Torheit oder Starrsinn bezeichnet. So wird aus Unfähigkeit, Arroganz oder Starrsinn der richtige Zeitpunkt der Sanierung eines Familienunternehmens verpasst, um eine Insolvenz zu vermeiden (Beispiel: Schlecker 2007–2012). Aber auch Tyrannei und Torheit gepaart mit Rachegefühlen eines Familienpatriarchen können ein Familienunternehmen in Existenzgefahr bringen (Causa Paul Kirch / Karl Breuer / Deutsche Bank). Im bekannten Fall der Übernahmeschlacht Porsche – VW hatte der angestellte Unternehmer Wendelin Wiedeking mit der Rückendeckung seines Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Porsche nicht mit den hohen Trennkräften des Familien-Clans Porsche und dessen starken Familienmitglieds Ferdinand Piëch gerechnet; vor allem aber haben beide nicht nur die Bindekräfte überschritten und Trennkräfte unterschätzt, sondern auch das übergeordnete Gravitationsgesetz der Wirtschaft, das wegen der Massedifferenzen David gegenüber Goliath verlieren lässt. So wurde die Familienkrise zu einer Aktienkrise von VW und Porsche und noch von der allgemeinen Wirtschaftskrise 2008/2009 zusätzlich gefährdet. Die legendäre Angestellten-Unternehmer-Persönlichkeit Hugo Rupf und seine Nachfolger Michael Rogowski und Hermut Kormann haben z. B. die Voith-Familie in Heidenheim (Zusammenhalt durch Ethik-Normen von Rudolf Steiner) mit ihrer Autorität die familiären Bindungskräfte gestärkt und das Familienunternehmen in Jahrzehnten sicher durch Krisen geführt. Eine ähnliche Lichtgestalt ist 10
Tuchmann, Barbara: Die Torheit der Regierenden. Von Troja bis Vietnam, Frankfurt a. M. 1984, S. 12 f.
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Helmut Eberspächer (1915–2011) gewesen, der Familien-Mythos der Eberspächer-Gruppe in Esslingen (Lehrfirma des Autors), der sein Familienunternehmen mit Fachkompetenz, Autorität und strenger Nachfolgeregelung als charismatischer Familienpatriarch beherrschte, führte und kontrollierte. Ebenso ist Karl Diehl (1907–2008) zu würdigen, der seine relativ kleine Familie fest im Griff hatte, eine potenzielle Nachfolgekrise11 seiner drei Söhne meisterte und das Familienunternehmen Diehl sicher durch den Umbruch des 2. Weltkrieges und durch mehrere Wirtschaftskrisen sicher herrschend und führend gelenkt hatte. Starke Bindekräfte innerhalb der Familie und zum Familienunternehmen Trumpf besitzen auch Professor Berthold Leibinger (Verfechter des Prinzips »Ehrbarer Kaufmann«) und seine Nachfolgerin, als Vorsitzende der Geschäftsführung, seine Tochter Nicole Leibinger-Kammüller, die es 2008/2009 für eine »Entgrenzung«, eine »Rote Linie« in der Krise 2008/2009 gehalten haben, im Sinne üblicher Anpassungen 800 gutausgebildete Beschäftigte zu entlassen. Mit eigenen finanziellen Mitteln wurde diese Know-how-Träger durchgehalten, was sich nach der Krise als Wettbewerbsvorteil erwies, da man rasch mit neuen Aufträgen den Umsatzeinbruch kompensieren konnte. Diese Entscheidung für die treue Verbundenheit von Familie und Personal mit dem Familienunternehmen Trumpf ist in den Wirtschaftsmedien als Beispiel guter Führung von Familienunternehmen gewürdigt worden. Die letzen positiven Beispiele dokumentieren, dass vorbildliche Familienunternehmer stets die Grenzen und Entgrenzungen des Einflusses von Familien rechtzeitig erkannt und entsprechende Konsequenzen gezogen haben. Sie haben das Wunschbild, die Fiktion eines Familienunternehmers (die Lutz Goebel als »Familienprinzip« bezeichnet) zum Fakt werden lassen. Nachfolgende Familiengenerationen haben diese Fakten wieder zum Wunschbild, zur Fiktion erhoben, ein gutes Zeichen für die Kontinuität einer Familiengeschichte.
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Plate, Markus / Groth, Torsten / Ackermann, Volker / Schlippe, Arist von: Große deutsche Familienunternehmen. Generationsfolge, Familienstrategie und Unternehmensentwicklung, Göttingen 2011, S. 131
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