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edition monacensia Herausgeber: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek Dr. Elisabeth Tworek


Poesie und Prosa von und 端ber Peter Paul Althaus Herausgegeben von Hans Althaus


Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter: www.allitera.de Der Herausgeber und der Verlag haben sich sehr bemüht, alle Rechteinhaber der Texte und Abbildungen ausfindig zu machen. Trotz aller Anstrengungen ist das nicht immer gelungen. Sollte jemand seine Rechte durch den Abdruck verletzt sehen, möge er sich bitte mit Herausgeber oder Verlag in Verbindung setzen. Herausgeber und Verlag bedanken sich sehr herzlich bei allen Rechteinhabern, die ihre Texte für den Abdruck zur Verfügung gestellt haben!

April 2014 Allitera Verlag Ein Verlag der Buch&media GmbH, München © 2014 für diese Ausgabe: Landeshauptstadt München/Kulturreferat Münchner Stadtbibliothek Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek Leitung: Dr. Elisabeth Tworek und Buch&media GmbH, München Umschlaggestaltung: Kay Fretwurst, Freienbrink Printed in Germany · isbn 978-3-86906-558-8


Schaut her – er ist’s! Ein wortreiches Vorwort

Dafür, dass der legendäre Traumstadtdichter Peter Paul Althaus auch heute noch mit seinen zahlreichen Büchern nicht vergessen ist, sorgt seit Jahren in vorbildlicher Weise sein Neffe Dr. Hans Althaus durch die Herausgabe des umfangreichen Werkes dieses Schwabinger Originals. In vorliegendem Buch wurden von Hans Althaus nun alle wichtigen Äußerungen über PPA zusammengetragen, die sich seit Beginn seines literarischen Schaffens auffinden ließen. Dazu stöberte der Herausgeber in Zeitungen, Zeitschriften und Lexika, wurde in Büchern fündig, wertete diverse Interviews aus und zitiert aus etlichen Briefen, Vorträgen, Laudationes und Reden. Erinnerungen von Freunden und Weggefährten runden das Bild PPAs eindruckvoll ab. Unter anderen äußern sich so prominente Zeitgenossen wie Marietta di Monaco, Oda Schäfer, Ludwig Kusche, Altbundespräsident Theodor Heuß und Hans-Jochen Vogel, aber auch Bewunderer aus jüngerer Zeit wie Sigi Sommer, Robert Gernhardt oder Dieter Hildebrandt. Die Zitatenlese endet nämlich nicht mit PPAs Tod 1965, sondern vereinigt auch all die zahlreichen Stimmen, die posthum die Verdienste dieses einzigartigen Schwabinger Originals zu rühmen wissen. Als besonderes Schmankerl finden sich aber auch Gedichte und andere Texte aus dem Nachlass von Peter Paul Althaus.  Nicht nur für all jene, die PPAs Werke schätzen und lieben, ist dieser Band somit unverzichtbar, sondern für alle, die dem Traumstadtdichter hier das erste Mal begegnen. Sie werden nach der Lektüre dieser abwechslungsreichen Fundstücke auf dessen literarisches Werk sicher neugierig werden und dann beim Blick in die Bücher von PPA einen skurrilen Autor der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entdecken, der neben Christian Morgenstern und Joachim Ringelnatz schon lange einen festen Platz innehat. München, März 2014 Alfons Schweiggert Schriftsteller und Präsident der Literatenvereinigung »Münchner Turmschreiber« 5



Künstler rund um unsere Schulen (3): Peter Paul Althaus von Christian Ude

Sagt man ›Schwabing‹, so denken viele an Eisdielen und Bars, moderne Sportwagen und alte Dixis, an Vergnügen und vor allem an Amusement. Doch von diesem Schwabing will Peter Paul Althaus, der »Bürgermeister der Traumstadt« nichts wissen, ja, es stimmt ihn sogar traurig. Sein Schwabing liegt weit ab, dort, wo noch »ein Lächeln stehn geblieben« ist. Man wird es vergebens suchen. Es liegt nämlich in der Vergangenheit. Fangen wir mit ihr von vorne an. 1892 wurde er in Münster geboren. Am meisten hasste er in seiner Jugend das Griechische, seine Liebe jedoch galt der Musik; nicht aber den Klavierstunden, und so beendete er sie schon bald, um Akkorde und Kadenzen selbstständig zu entdecken. Jetzt besitzt er zahlreiche Instrumente, vornehmlich Flöten. Sein größter Stolz ist eine silberbeschlagene Elfenbeinflöte. Ein echter Beweis für seine Musikalität aber ist dies: Marc Chagall, der ja kein Wort Deutsch versteht, bekam seine Gedichte deutsch vorgetragen, und allein ihr phantasievoller Rhythmus und ihr Klang haben es dem Maler so sehr angetan, dass er sagte, diese Gedichte entsprächen seinen Gemälden (was PPA, umgekehrt, von dessen Bildern auch sagt) und schickte dem Poeten spontan ein Bild mit Widmung. Erst zum Apotheker bestimmt, musste PPA im 1. Krieg an zwei Fronten. »Als wir im Schützengraben lagen, konnten wir nichts lesen und nicht viel denken: Wir sind ja ein wenig zurückgeblieben.« Das Lesen und Nachdenken konnte er nachholen, als er einige Semester Philosophie, Literatur-, Musik-, und Kunstgeschichte studierte und nebenbei Pressereferent, Schmierenschauspieler, Theaterdramaturgenlehrling und Herausgeber zweier Studentenzeitschriften war, in denen er hauptsächlich gegen das Spießertum rebellieren wollte. Er schrieb damals schon, so sagt er, etwa seinen

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jetzigen bekannten Stil. Was er in seiner Jugend las? »Hauptsächlich Lexika! Zum Dank dafür stehe ich jetzt im Großen Brockhaus!« Mit 30 Jahren erst kam er nach Schwabing und blieb dort hängen – es war gerade Fasching. Er lernte Max Halbe und berühmte Schwabinger wie Julius Kreis und C. G. Maassen kennen, vor allem aber Karl Wolfskehl, den Dichter und »Zeus von Schwabing«; die Dichter Stefan George und Rilke freilich »nur aus entfernter Verehrung«. Im Kreis der Familie Wedekind führte er seine ersten Sketche auf. Daraus wurde später ein großes Hobby: Er gründete den »Zwiebelfisch«, 1947 die bekannte »Schwabinger Laterne« und 1948, zusammen mit Studenten, das »Monopteross«. Die Künstler trafen sich schon um 3 Uhr, erzählt er, um zu schreiben, zu komponieren, zu proben, um dann am Abend immer mit einem neuen Programm aufwarten zu können. »Ohne Eintritt zu nehmen. Der Wirt gab uns freies Essen und Saufen. Welches Letzteres wir weidlich ausnützten!« Man sieht, er war stets ein »echter Schwabinger« mit Freude am Spiel und der Improvisation um ihrer selbst willen, ein Künstler, der immer den Schwabinger Geist verkörperte, so wie er früher war. Diese Zeit nennt er »Herrliche Jahre!« Freilich lebte er nicht nur in Schwabing; eine Zeitlang war er am Weimarer Nationaltheater, oft führte er Regie in England, das er 23-mal besuchte, und ein andermal betrieb er mit einem Zoologieund Biologieprofessor in Mallorca Studien über das Alarmsystem der Ameisen. Im Münchner Sender veranstaltete er ungezählte Bunte Abende, auch schrieb er viele Hörspiele. Außerdem übersetzte er aus dem Sanskrit und Prakrit, dem Englischen und Französischen. Seine Gedichte wurden in 4 Sprachen übersetzt. Seit einigen Jahren kann er seine jetzige Wohnung nicht mehr verlassen, da er sich von einer schweren Operation nicht mehr erholte. In letzter Zeit erhob er sich nicht einmal von seinem Bett. Da liegt er nun inmitten von Lexika, Gedichtbänden, Tellern, Tassen, Glä-

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sern und vielen Briefen. Neben den Briefen verbindet ihn mit der Außenwelt nur noch das Radio, das Telefon und der Lärm, der von der Leopoldstraße herauf durch das offene Fenster in das altmodisch eingerichtete Zimmer dringt, das wie auch seine früheren Münchner Wohnstätten über den Dächern von Schwabing liegt. Seine Abgeschiedenheit, die ihn Freunde nur noch mittels Tonband besuchen lässt, machte den »Wortmusikus und ungezogenen Liebling der Muse« zu einer Art unwirklichen, guten Geist von Schwabing. Und seine Krankheit, die seinen ganzen Körper und vor allem das fein geschnittene Gesicht abmagern ließ, verursachte seine lange Beschäftigung mit dem Tod: als ihm bei der Stadt München ein Wunsch offen stand, wünschte er sich ein Grab und bekam das des Malers von Recznizeck im Nordfriedhof: »Ich komme also in gute Gesellschaft!« Vorher möchte er noch ein Buch »Vergebliche Frömmigkeit – Lasset uns dennoch beten!« schreiben. An seinen Gedichten feilt er oft jahrelang herum. »Man darf ihnen aber den Schweiß nicht ansehen!« Er benutzt nie ein festes Versmaß, sondern entwickelt es immer, wie es ihm »gerade kommt«. Am meisten aber achtet er auf den Klang: ›Lyrik‹ kommt ja von ›Lyra‹ – die Leier!« Bei seinem Leiden kann er sich freilich nur mit Hilfe eines Glases Kognak die Heiterkeit seiner Gedichte bewahren. Die ungetrübteste begegnet uns in »Flowertales«, in denen Blumen heiter-melancholisch erzählen, was es mit ihnen auf sich hat. Ein Gänseblümchen wurde zum Beispiel von einem Pferd gefressen und dann »--- aber sprechen wir nicht darüber; früher duftete ich nicht; jetzt dufte ich, früher war ich mir lieber!« Ein anderes Buch erzählt vom kuriosen »Dr. Enzian«, ein weiteres von den »Sanften Irren«, die mit gleichem Recht auch weise genannt werden könnten, und in einem letzten lässt PPA verschiedene Wesen »Seelenwandertouren« machen. Am bekanntesten aber ist doch das erste Bändchen seiner Lyrikreihe, die »Traumstadt«, die, wenn auch frei erträumt, ihr irdisches Vorbild im alten Schwabing hat. Wer solch liebevolle und liebenswürdige, phantasiereiche und musikalische Lyrik so scheinbar mühelos dichten kann, der hat mit Recht verdient, dass Altbundespräsident Heuß ihm im Rundfunk

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zu seinem 70. Geburtstage die Laudatio hielt und die Stadt München Ihm den Schwabinger Kunstpreis verlieh. Auch muss man ihm zustimmen, wenn er auf die Frage, welchen zeitgenössischen Lyriker er am meisten lese, zwar lächelnd, aber prompt und sicher antwortet: »Peter Paul Althaus!« Aus: Christian Ude (Hg.): ›neuer zwiestrolch‹, Schülerzeitschrift des Sophie Scholl Mädchen Realgymnasiums und des Alten Realgymnasiums, 2. Jahrgang, Sondernummer München 1964, S. 15–17.

Die Wurzeln von Peter Paul Althaus sind in Medebach in der Nähe von Winterberg im Hochsauerland. Sein Großvater (Er ist zugleich Urgroßvater des Autors. PPA ist mein Großonkel), Peter Johann (1818–1881) und seine Großmutter Catharina, geb. Beulen, hatten 6 Kinder. Franz, das 1856 geborene 5. Kind, zog nach Münster in Westfalen und eröffnete in der Bogenstraße 7 in der Verlängerung des Prinzipalmarktes ein Eisenwaren-, Leder- und Polstergroßhandelsgeschäft. Wann er seine Frau Elisabeth Fandreyer, genannt Elise, heiratete, ist nicht bekannt. Sie stammt aus Büren und hatte französisches Blut in ihren Adern. Ihr erstes Kind wurde am 28. Juli 1892 in der elterlichen Wohnung geboren, ihm im Standesamt die Namen Paul Carl beigelegt und am 31.7.1892 auf die Namen Peter Paul Carl getauft. Vom einzigen Bruder Josef sind keine Lebensdaten bekannt. An dieser Stelle sei schon vorweg gesagt, dass er fast immer mit Paul unterschrieben hat. Um aber Verwechselungen mit einem Erlanger Theologen gleichen Namens zu vermeiden, wählte er die Vornamen Peter Paul, kurz PPA genannt. Ich werde bei meinen weiteren Ausführungen bei dieser Schreibweise bleiben. Aus einer Peter-Paul-Althaus-Biografie von Hans Althaus.

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Erinnerungen an Peter Paul Althaus Der Vater von PPA und mein Vater waren Brüder, sie gründeten in Medebach im elterlichen Neubau ein gemeinsames Geschäft in Textil und Gemischtwaren. Nach kurzer Zeit trennten sie sich. Mein Vater blieb in Medebach, der Bruder Franz zog nach Münster, wo er in der Bogenstraße einen Eisenwarengroßhandel eröffnete. Dort heiratete mein Onkel Franz Elisabeth Fandreyer. Der Ehe entsprossen zwei Söhne, Paul und Josef. Beide kamen in jungen Jahren nach Medebach. Ich selbst lernte erst 1910 meinen Vetter näher kennen, als ich 1910 das Gymnasium in Lingen und Paul 1911 von Münster aus das Gymnasium Georgianum in Lingen als Schüler besuchte. Wir wohnten dort in einer Pension am Markt, unser Pensionswirt war Gudehus. Heute ist das Haus abgerissen, um dem Neubau Rathaus Platz zu machen. Ich war damals Oberprimaner und Paul Obersekundaner. Wir wohnten dort im besten Einvernehmen. Die Pfingstferien verlebte ich 1911 in Münster, so lernte ich Münster und auch die Familie meines Onkels näher kennen. Paul fühlte sich wohl in Lingen. Sein lebhaftes Temperament und seine gesellige Art machten ihn bald sehr bekannt. Er spielte Tennis und kam so auch in den Kreis junger Mädchen und verkehrte in vielen Familien. Aus dem Nachlass von Hans Althaus‘ Vater Dr. Wilhelm Althaus, Hagen/ Westfalen (1986)

»Unterm Bogen zu Münster«, im Hause Bogenstraße Nr. 7, deren Arkaden die Fortsetzung der Bogengänge des Prinzipalmarktes bilden, erblickte Peter Paul Althaus am 28. Juli 1892 als Sohn des Eisenwarengroßhändlers und seiner Frau Elisabeth, geb. Fandreyer das Licht der Welt. Im Schatten des altehrwürdigen Domes gegenüber dem berühmten Kaffeehaus Midy, in dem der »tolle Baron« seine Späße trieb, und gegenüber dem Kiepenkerldenkmal machte

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er seine ersten Schritte. Sein Vater stammte aus Medebach im westfälischen Sauerlande, seine Mutter, in deren Adern französisches Blut floss aus der Kreisstadt Büren im einstigen Hochstift Paderborn. Zu den westfälisch spökenkiekerischen, hellwachen und hellsichtigen Geist gesellten sich denn auch im Wesen des Dichters wie in seiner Gestalt eine grazile Leichtigkeit und bewegliche Eleganz, Eigenschaften, die auch in den Gedankenträumen seiner Dichtung tiefsinnig und funkelnd wiederkehren. Das Kirchenbuch der Lambertipfarre in Münster nennt als Vornamen Paul Carl mit einer späteren Nachschrift »Peter«. Als Paten werden aufgeführt: Peter Althaus, ein Bruder seines Vaters, und Apollonia Fandreyer. 1895 verlegte Vater Althaus Geschäft und Wohnung von der Bogenstraße zur Clemensstr. 36, in ein Haus, das er später erwarb, nahe Schlauns barocker Clemenskirche, Münsters einzigen Zentralbau. Hier starb Franz Althaus im Alter von 69 Jahren am 9. Februar 1915. Die Mutter gab das Geschäft bald auf, verkaufte das Haus an die Stadt und wohnte von 1919 bis zu ihrem Tode am 6. Februar 1922 an der Engelstr. 36. Sie wurde 60 Jahre alt. Anmerkung: Das Buch erschien auch unter dem Titel: Was weißt, oh Onkel Theo Du … Aus: Jobst A. Kissenkoetter: Peter Paul Althaus – Ein Schwabinger Dichter aus Westfalen, Emsdetten 1968, S. 4–5.

Peter Paul Althaus (28.7.1892 bis 16.9.1965) Schwabinger Original und »Traumstadt«-Dichter von Hans Althaus

Sein Vater lebte mit seiner Frau in Münster in Westfalen und hatte ein Eisenwaren-, Leder- und Polstergroßhandelsgeschäft. Peter Paul Carl wurde als erstes von zwei Kindern – der Bruder hieß

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Josef – am 28. Juli 1892 geboren. Der aufgeweckte Junge galt als intelligent und musikalisch. Immer zu Streichen aufgelegt, die bei seinen Lehrern keinen Anklang fanden, musste er mehrfach die Schulen in und um Münster wechseln. Die Primareife erlangte er in Lingen an der Ems. Bereits damals verfasste er eigene Gedichte und schon seit 1916 arbeitete er bei den Zeitschriften »Simplicissimus« und »Jugend« mit. Aber PPA, wie er sich später nannte, sollte nicht Dichter werden, die Eltern hatten den anständigen Beruf des Apothekers für ihn vorgesehen. Doch wenige Monate, nachdem er in einer Apotheke in Ahlen / Westfalen eine Lehre begonnen hatte, brach der Erste Weltkrieg aus, zu dem er sich freiwillig meldete. Aus: Alfons Schweiggert / Hannes S. Macher (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert, Dachau 2004, S. 138.

Peter Paul Althaus (PPA) (1892 Münster – 1965 München)

Als Sohn des Eisenwarengroßhändlers Franz Althaus wird Peter Paul in »Unterm Bogen, Bogenstr. 7, geboren, einen Steinwurf vom Prinzipalmarkt entfernt. Wie es einem künftigen Satiriker gebührt, fasst PPA im Staatsschulwesen nur schwer Fuß. Vor seiner Odyssee durch Münsters Gymnasien: Domschule, heute Ratsgymnasium, Paulinum (neun Monate im Jahr 1907) und Schillergymnasium, eine private Institution in Telgte und das Internatsgymnasium Georgianum in Lingen (Emsland) hatte sein Vater Familienunternehmen und Wohnsitz zur Clemensstr. 36 verlegt. Nach des Vaters Tod zog die Familie zur Engelstr. 36. Bevor er sich 1914 freiwillig meldete, hatte PPA in Ahlen (Westfalen) eine Apothekerlehre begonnen. (…) Am Anfang der Weimarer Republik war die Zeit für kreative Köpfe, und gemeinsam mit Bruder Joseph gründet PPA 1919 eine Behörde, eine ›Heeresgutsammelstelle‹, die sogar für entlas-

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sene Soldaten verantwortlich zeichnet. Dem Beamten auf Zeit PPA gelingt es zur selben Zeit, Philosophie zu studieren, Kunst- und Literaturgeschichte sowie Musikwissenschaft. Er lebt bei Nehrhaupt (Verspoel), im Zentrum der Altstadt, später in der Südstr. 18, wo er seine erste, verschollene »polemisch-satirische Zeitschrift ›Das Reagenzglas‹« editiert. Sein Debüt bei einer öffentlichen Lesung, arrangiert von der Literarischen Gesellschaft, gegründet 1905, ist ein ziemlicher Erfolg, denn zu deren Gästen zählen Größen wie Detlev zu Liliencron (1844–1909), Ludwig Ganghofer (1855– 1920), Börries von Münchhausen(1874–1945), Thomas Mann und Klabund (1890-1925). Er verlässt die Stadt Richtung München kurz nach dem Tode seiner Mutter am 6. Febr. 1922. (…) 1983 wird in Münster-Kinderhaus eine Straße »Althausweg« genannt. Aus: »Gelehrtes Münster und rundum«. 88 Schriftsteller, Philosophen und Theologen – Wohnorte, Wirken und Werke, Berlin 2005.

Althaus, Peter Paul Nur kurz ist er Schüler des Paulinums gewesen. Die Schülerlisten belegen, dass er Ostern 1907 in die U III aufgenommen wurde, aber schon am 28. Dezember desselben Jahres wieder abgegangen ist. Er war vom Ratsgymnasium gekommen und wechselte dann weiter zum Schillergymnasium. Aber er musste noch weitere Stationen einlegen, »weil er mehr durch Schalkhaftigkeit und Gewitztheit glänzte als durch schulische Leistungen«. In einem Gedicht aus der Sammlung »In der Traumstadt« beschäftigt er sich mit dem Paulinum. Er beschreibt es als ein »düsteres Gymnasium aus rotem Ziegelstein«, in das »nächtlich müssen vor die Professorenkommissionen kommen angesehene Männer aus der Industrie und dem Beamtenstand (mit hohen Titeln)«. Das »macht die größten Leute, ach, so klein, dass sie sich am andern Morgen kaum

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mehr wieder finden.« Die Professoren sind in seiner Traumwelt »zur Hälfte Ritter Georg und zur andern Hälfte Drachen«. G. L. Aus: Günter Lassalle (Hg.): 1200 Jahre Paulinum in Münster (797–1997), Gymnasium Paulinum Münster/Westfalen 1997, S. 243–244.

Lingen, 16.9.2009 Sehr geehrter Herr Dr. Althaus, gerne sind wir behilflich bei Ihren Recherchen. »Jenes große düsterrote Ziegelsteingebäude in der Traumstadt« gibt es nicht mehr, wenn denn damit das alte Gymnasium gemeint ist, von dem Sie mir die Abbildung zugemailt haben. Es ist Anfang der 1960er Jahre abgerissen worden. Leider war der Denkmalschutz damals noch nicht so präsent wie heute. Allerdings finden sich noch heute einige »Kahle Linden« an der Stelle des ehemaligen Pausenhofs. Sie konnten trotz größerer Baumaßnahmen (Krankenhaus mit Krankenpflegeschule) – nicht zuletzt auf Initiative alter Georgianer hin erhalten werden. Das Gymnasium war nie Internatsgymnasium. Allerdings war es im 19. Jh. durchaus oft üblich, dass auswärtige Schüler »in Kost und Logis« waren (Pfeiffer aus der »Feuerzangenbowle« lässt grüßen!). In einer Kleinstadt wie Lingen in damaliger Zeit wohnte man dann praktisch fast in der Schule. Mit freundlichen Grüßen gez. H. Buss, Schulleiter Anmerkung: Nach einer beiliegenden Aktenfotokopie verließ PPA die Schule am 24. Mai 1913 mit den Vermerken: U. I. und Apotheker. Aus: »Gymnasium Georgianum« Lingen/Ems

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Als der Leutnant Althaus nach seiner Verwundung an der Ostfront des Ersten Weltkrieges zufällig mit seinem Schulfreund Klaus Siebenkotten im Lazarett der Clemensschwestern in Münster zusammentraf, heckten beide diesen »Scherz« aus: Da alle Ärzte in einem anderen Teil des weitläufigen Hauses beschäftigt waren, zogen sich beide im Zimmer eines befreundeten Unterarztes weiße Kittel an, bewaffneten sich mit Stethoskop und Spatel der eine, Althaus, und mit Notiz- und Rezeptblock der andere und begaben sich in eine abseits gelegene Abteilung für leicht verletzte Landsturmleute, die fast alle von Krieg und Soldatsein die berühmte Nase voll hatten. »Achtung!«, schrie einer, und alles, was eben dazu imstande war, pflanzte sich in strammer Haltung vor den Betten auf, nichts anderes meinend als eine so genannte »Mordkommission« rüste sich, recht viele Leute felddienstfähig zu schreiben. PPA besah sich fachmännisch die Wunden, horchte Herz und Lunge ab, warf mit lateinischen Bezeichnungen großartig um sich, die Freund Siebenkotten eifrig notierte, ließ »D. U.« und »A. V.« (dienstuntauglich bzw. arbeitsverwendungsfähig) und besonders brummig oder arrogant dreinschauende Landser felddienstfähig schreiben. Gerade wollten beide erhobenen Hauptes den Saal verlassen, da erschien in der Tür eine Ordensschwester und rief: »Um Gottes Willen, Herr Leutnant, was machen Sie da wieder für einen Unsinn? Wenn das der Chef erfährt, fliegen sie unweigerlich raus!« Die bärtigen Landsturmmänner sahen sich nur kurz an und fielen über die beiden her, dass die Schwester schwere Mühe hatte, sie vor völligem Zusammengeschlagenwerden zu bewahren. (…) Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges hatte Paul Althaus mit seinem Bruder Josef in Münster eine »Heeresgutsammelstelle« ins Leben gerufen, die wenig später als Außenstelle in das Reichsschatzministerium eingegliedert wurde. Für die Zeit von 1919 bis 1922 wurde Paul Althaus ihr Leiter. Es war eine seltsam bunt zusammen gewürfelte Behörde, heißt es in Siebenkottens Aufzeichnungen über diese Jahre, denn nicht nur sachliches Heeresgut, sondern auch menschliches Heeresgut, aus dem Kriege zurückkehrende junge Leute, Künstler und Studenten, sammelte der

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neue Behördenleiter, der außerdem in dieser Zeit an der Universität Philosophie, Literatur- und Kunstgeschichte sowie Musikwissenschaft studierte. Anmerkung: PPA hatte 1914 seine Apothekerausbildung abgebrochen, um als Freiwilliger bei den 8. Paderborner Husaren zu dienen. Aus: Jobst A. Kissenkoetter: Peter Paul Althaus – Ein Schwabinger Dichter aus Westfalen, Emsdetten 1968, S. 7–8 und S. 12.

Kriegsverdienstorden von PPA (1914/18 und 1939/45) 1. Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse mit Schwertern 1939 2. Militärverdienstorden Land Württemberg 1914/18 (gestiftet 1799 von Friedrich I von Württemberg für militärische Tapferkeit und langjährige militärische Dienste) 3. Ehrenkreuz für Frontkämpfer des Weltkrieges 1914/18 4. Eisernes Kreuz I. Klasse 1914/18, gestiftet 1813 von König Wilhelm I von Preußen 5. Verwundetenabzeichen für ein- und zweimalige Verwundung 6. Verwundetenabzeichen für drei- und viermalige Verwundung (Zu 5. und 6.: Verwundetenabzeichen wurden 1914/18 und 1939/45 in gleicher Ausführung verliehen. Aus dem Nachlass.

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Die »Musikalische deutsche Ecke« und der »Freundeskreis um Pinkus Müller« von Walter Werland

Im Jahre 1914 gründen Sänger, Komponisten, Dichter und Schriftsteller im Hause Jans Müller an der Kreuzstraße die »Musikalische Ecke«. Anlass ist der enge Kontakt, den Vater Jans, eifriger Sangssolist, mit den Künstlern pflegt. Dieser »Ecke« gehören an: (…) der Dichter und Schriftsteller Peter Paul Althaus, (…). Aus: »Pinkus Müller«, Selbstverlag, 1966, S. 67.

Monolog zu Dritt Ort der Handlung ist ein Studierzimmer. Die Personen: Die Eltern von PPA, Vater (V) und Mutter (M) und ihr Sohn (S) PPA. Vater: Wieso bist du Dichter geworden? Du solltest doch Apotheker werden. Nein Jurist, das war mein heimlicher Wunsch. Ins Geschäft solltest du. Sohn: Ich habe studiert nach dem Krieg. Mutter: Brotlose Künste, Philosophie, Kunstgeschichte, Musikgeschichte, Literatur. V: Ich habe noch keinen gesehen, der sein Brot damit verdient hatte. Andere Berufe verdienen mehr. S: Kommt es aufs Verdienen an? Muss nicht die Arbeit den Lohn in sich tragen? M: Du könntest dir eine ganz andere Wohnung leisten, wenn du Jurist geworden wärest. V: Ich habe dich nicht verstanden, mein Sohn.

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S: V: S:

Und ich dich nicht, Vater. Und dabei habe ich es so gut mit dir gemeint. Ich meinte … Du meintest, ich müsste so werden, wie du es seiest. …

Aus: »Monolog zu Dritt«. Ein unveröffentlichter Einakter von PPA aus dem Nachlass.

Nach München wandte sich, um einen ganz wesensverschiedenen Dichter einer jüngeren Generation zu nennen, Peter Paul Althaus (1892–1965), der dort dann – nach fruchtbarer Tätigkeit als Lyriker, Dramaturg, Anthologist, Übersetzer und Rundfunkredakteur – poetischer König der Schwabinger Bohème wurde. Die literarischen Anfänge liegen indes auch für ihn in Münster, das er Anfang der 20er Jahre verließ: Hier gab er die »polemisch-satirische« Zeitschrift »Das Reagenzglas« (drei Hefte) heraus und redigierte 1922 »Send – Monatsschrift für die spanischen Dörfer« (drei Hefte). Den Ton Althaus’ mag die Eröffnung der noch maschinenschriftlich verbreiteten ersten Ausgabe des »Reagenzglases« vom Mai 1921 anzeigen: »Wir sind uns bewusst, dass es in einer Zeit, in der neue Zeitschriften wie Fliegenpilze am Verlagshimmel emporschießen, Weisheit in das Kultusministerium tragen heißt, wenn man mit einer neuesten Zeitschrift Holz in den Wald bringt. Aber wir wissen auch, dass wir einen Oleanderkübel in einen Gummibaumwald hineinpflanzen. Dies ist, wenn es überhaupt gesagt werden muss, unsere innere Berechtigung.« (2568: Reagenzglas, S. 1). Aus: Franz-Josef Jakobi (Hg.): Geschichte der Stadt Münster, Band 3, Münster 1993, S. 674–675.

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Der Traumstadtbürgermeister von Walter Gödden

Ebenso wichtig wie solche literarischen Erzeugnisse [Anm. d. Hg.: gemeint sind die Herausgabe des »Reagenzglases« und des »Send«] war jedoch der freundschaftliche Zusammenhalt. Neben den Abenden in der gemütlichen »Bude« von Althaus auf dem Verspoel, mitten in der Münsterschen Altstadt, später in den »Verlagräumen« auf der Südstraße 18, in der »Musikalischen Ecke« des Altbierhauses Müller oder in der Wohnung des Musikverlegers und Komponisten Wilhelm Schlichting an der Langfenstraße, war das idyllische Dörfchen Gimpte an der Ems, nahe Münster, das Ziel besonders bei Wochenendfahrten. Unter dem stolzen Namen »Gimbte le bain« wurde es zum Badeort erkoren. Man badete in der Ems, spielte in der Kirche Orgel, saß mit den Bauern am Herdfeuer und improvisierte hoch- und plattdeutsches Theater unter der Leitung von Althaus. Der eine dirigierte, ein zweiter spielte Klavier, Althaus sang und strich die Geige! Höhepunkt war eine »Lohengrin«-Aufführung im münsterländischen Platt. Für einen Sommer wurde das stille Dorf Gimbte zu einer Künstlerkolonie. Es folgte PPAs erste große Autorenlesung – ein gelungenes Debüt. Ort des Geschehens war im Jahre 1920 die vornehme »literarische Gesellschaft« in Münster. Der Erfolg ermutigte Althaus. In Düsseldorf stellte er seine Gedichte der Leiterin des Schauspielhauses, Louise Dumont-Lindemann, vor, und auch sie regte ihn zur Weiterarbeit an. Und ein weiterer Ansporn: In einer damals von Börries von Münchhausen herausgegebenen neuen Ausgabe des »Göttinger Musenalmanachs« wurden von über 1000 eingesandten Manuskripten nur 10 berücksichtigt, darunter auch Gedichte von Althaus, die Münchhausen besonders herausstrich. Dies alles bekräftigte Althaus’ Entschluss, im literarischen Fach unterzukommen. Er war mittlerweile 30 jährig und musste sich ernsthaft Gedanken um seine Zukunft machen. Aus: »Jahrbuch Westfalen ’94, 48. Jg., Münster 1993, S. 167.

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Karl Wolfskehl, Römerstraße 16 von Benedikt Weyerer

Die Tafel am Haus Römerstraße 16 weist darauf hin, dass hier der Schriftsteller Karl Wolfskehl (1869–1948) »Repräsentanten des Schwabinger Geisteslebens« in seiner Wohnung um sich versammelt hat. Bis 1914 wohnte unter demselben Dach Stefan George (1868– 1933). George und sein Statthalter in München (bis 1933), Wolfskehl, hatten sich eine elitäre Weltsicht zurechtgelegt: Das Treiben der »normalen« Menschen berührte sie nicht, es war ihnen, den von der Wirklichkeit abgehobenen, selbsternannten »Kosmikern«, zu gewöhnlich. Ihre Theorie, dass die unruhigen modernen Zeiten durch eine Epoche abgelöst werden müsste, in der ausgewählte Führer nach altrömisch-strengen Maßstäben regierten, zog immer mehr Anhänger an. Sie alle fühlten sich der Elite zugehörig; in den »George-Kreis« aufgenommen wurden aber ausschließlich gut aussehende und gleichzeitig ernste junge Männer. Einer von ihnen war der spätere Hitlerattentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg, ein anderer der Schriftsteller Peter Paul Althaus. Er war eines Nachmittags bei Wolfskehl zum Tee eingeladen worden (»Eine große Ehre für mich!«), um den Werken dieses »Zeus von Schwabing« zu lauschen. Da geschah etwas für dieses Milieu Typisches: »Mitten in der Vorlesung klingelte es. Zweimal kurz und zweimal lang. ›Der Meister!‹, sagte Karl Wolfskehl und erhob sich abrupt. ›Du musst jetzt gehen!‹ Und da der Meister, es war Stefan George, schon vor der Eingangstür stand, hatte ich im dunklen Flur neben einem riesigen Kleiderschrank ein Versteck aufzusuchen.« Aus: Landeshauptstadt München (Hg.): München 1919–1933. Stadtrundgänge zur politischen Geschichte, München 1993, S. 184.

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