Ein Bild von einem Mann HENNING RADER, RUDOLF SCHEUTLE
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„Ich habe vier oder fünf Jahre lang Parteitage fotografiert, um Geld zu verdienen. SPD, CDU und und und. Immer wieder erschienen dieselben Fotos. Daß sich mal was geändert hatte, lag nur daran, daß hinten mal ein anderer Slogan – Sozialismus, Freiheit, usw. – an der Wand hing. Aber die Gestik war immer die gleiche. Und die ist auch innerhalb der Fotografie immer die gleiche geblieben. 10, 20, 30, 40, 50 Jahre lang.“ ANDRÉ GELPKE, FOTOGRAF, 1980
Der Amtsträger Im Herbst 1979 beschwerte sich der damalige CSU-Generalsekretär Edmund Stoiber beim Presseund Informationsamt der Bundesregierung darüber, dass die Behörde von Franz Josef Strauß nur die „hässlichsten“ Porträtfotos verwenden würde, während sie andere Spitzenpolitiker wie Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Hans-Dietrich Genscher nur vorteilhaft ins Bild setze. Die Bonner ließen diesen Vorwurf nicht lange auf sich sitzen und konterten, man habe sich schon seit geraumer Zeit immer wieder um einen Termin für eine Porträtsitzung bei Herrn Strauß bemüht – bislang jedoch vergebens. Der Zwist zwischen der Bayerischen Staatskanzlei und dem Presseamt, der es sogar in die lokale Tagespresse schaffte, wurde letztendlich damit beigelegt, dass die Münchner das offizielle Bildnis des Ministerpräsidenten nach Bonn schickten und dieses fortan auch dort Verwendung fand.1 Dieser „Bilderstreit“ verdeutlicht nicht nur, dass Strauß, was die visuelle Darstellung seiner Person betraf, ähnlich leidenschaftslos war wie bei der
Münchner Merkur vom 5.12.1979, links das von Stoiber beanstandete Foto, rechts das neue, offizielle Porträt
Auswahl seiner Krawatten: Solchen Dingen maß er keine große Bedeutung bei. Vor allem aber wird deutlich, wie stark Strauß’ direktes politisches Umfeld über das mediale Bild ihres Chefs wachte. Dies gilt insbesondere für Stoiber, der 1979 den Bundestagswahlkampf für Strauß managte und letztendlich auch für das politische Werbematerial verantwortlich zeichnete. Vom Fotoshooting für das eingangs erwähnte offizielle Porträt, das in einer Vielzahl von bayerischen Amtsstuben und Behörden2 hing und das dann eben auch dem Bundespresseamt zur Verfügung gestellt wurde, hat sich eine Aufnahme erhalten, die eine Porträtsitzung mit Strauß in seinem Büro im Prinz-Carl-Palais, dem repräsentativen Amtssitz der bayerischen Ministerpräsidenten, zeigt. Die Gesetzmäßigkeiten des Mediums verlangen vor allem eine schnelle Wiedererkennbarkeit und Seriosität des Abgebildeten. Umso mehr kommt dem Bildkontext wie Vorder- und Hintergrund eine große Bedeutung zu. Unterschiede in der Bildgestaltung werden deutlich, wenn man das offizielle Porträt, das ganz auf staatliche Symbolik verzichtet, mit dem Setting von Strauß’ Neujahrsansprache im Fernsehen aus dem Jahr 1987 vergleicht, wo im Hintergrund eine Bayernflagge und im Vordergrund eine Porzellanfigur des Bayerischen Löwen deutlich zu sehen sind.3 Ebenso erhalten hat sich auch eine komplette Porträtserie, die Josef A. Slominski im Jahr 1972 für Wahlplakate und Imagewerbung von Strauß angefertigt hat. Strauß sitzt vor einer weißen Hintergrundwand, um sein Porträt leichter freistellen und in jedwede Hintergrundfolie einbauen zu können. Es lassen sich Unterschiede im Gesichtsausdruck und in der Körperhaltung des Porträtierten ausmachen: Die unterschiedliche Neigung des Kopfes, der direkte Blick in die Kamera oder das abgestufte Lächeln eröffnen Einblicke in die visuellen Strategien des Politikers und seiner Medienberater (siehe Vorsatz). Betrachtet man die zwischen 1953 und 1988 entstandenen Wahlplakate von Strauß, lässt sich im Wesentlichen – mit nur wenigen Ausnahmen – eine Entwicklung von politisch-inhaltlichen Aussagen hin zu bloßen Schlagworten ausmachen. Teilweise wird sogar gänzlich auf Parolen verzichtet und lediglich das Parteikürzel neben dem Kopf des Politikers verwendet. Dieser allgemeine Personalisierungstrend, der sich über die Parteigrenzen hinweg vollzog, ließ das Politikerporträt zum klassischen Bildmotiv politischer Plakate werden und rückte die
Person Strauß zunehmend in den Mittelpunkt der Wahlwerbung. Politische Programme, Lösungen für politische Probleme werden bevorzugt an Personen geknüpft, durch Personen symbolisiert: Der Politiker steht stellvertretend für die Sache. Dies zeigte sich eklatant bei der Europawahl 2014, als die Union mit dem Gesicht von Angela Merkel warb, obwohl die Bundeskanzlerin überhaupt nicht zur Wahl stand. Die Strategie, den Politiker als „Amts-Person“ mit all seiner Tatkraft und Durchsetzungsfähigkeit einerseits, daneben aber auch den „Menschen hinter dem Politiker“ als sympathischen, nicht abgehobenen Privatmenschen zu zeigen, verfolgen eine Vielzahl von Wahlkampf- und Imagebroschüren über Strauß, wie etwa das zur Bundestagswahl 1961 erschienene Heft „Der Mann unseres Vertrauens“. Insbesondere aber die für den Bundestagswahlkampf 1980 entstandene kleine Publikation „Der Mann“ gliedert sich in einen ersten Teil, der ihn in den verschiedenen „harten“ Kontexten eines Berufspolitikers zeigt, dann in einem zweiten Teil den vermeintlichen „Privatmann“ von seiner eher familiären Seite präsentiert, um schließlich sogar – was eher ungewöhnlich ist –, unter der Überschrift „Die Gegner“ die „Dekonstruktion“ seiner Person gleich „mitzuliefern“ und parteikonform umzudeuten. Als Aufmacherfoto auf der zweiten Innenseite der „Mann“-Broschüre fungiert eine halbseitige Farbfotografie mit der Überschrift „Der Politiker“, die beim bereits eingangs erwähnten Fotoshooting entstanden ist. Die Aufnahme zeigt Strauß an seinem Schreibtisch im Prinz-Carl-Palais, vor sich eine Unterschriftenmappe. Für das Bild hat er kurz seine Arbeit unterbrochen, seine Lesebrille hält er in der Hand. Im nächsten Moment wird er seine Arbeit wieder aufnehmen. Die Inszenierung verzichtet sowohl auf private Accessoires wie Bilderrahmen mit privaten Fotos als auch auf jegliche staatliche Symbole. Wie früh das Bildgenre des am Schreibtisch sitzenden – wie auch des am Rednerpult stehenden Politikers – für die illustrierte Presse bildsprachlich zu seinem Ende gekommen war, beschrieb der Herausgeber des „Stern“, Henri Nannen, in seinem Editorial im Mai 1964: „Politiker hinter Schreibtischen und Rednerpulten sind wie abgenutzte Klischees, die kaum noch einen Eindruck hinterlassen. Was unser Auge tausendmal sah, danach hungert es nicht, das konsumiert es kaum noch mit Bewußtsein. Erhards Zug an der Zigarre, Willy Brandts Blick ins deutsche
Auge, Erlers beim Reden skandierende Rechte, Lübkes Griff nach dem Manuskript, das sind eingefahrene Gesten, die kaum noch etwas über ihren Urheber aussagen. In unserer von Demoskopen und Werbepsychologen gemanagten Welt weiß man kaum noch, ob solche Posen ursprünglich oder einstudiert sind.“4 Mit diesem Editorial leitete der Stern-Chef eine von Stefan Moses fotografierte Titelgeschichte ein, die eine Riege Bonner Minister und andere Spitzenpolitiker nicht „bräsigsteif hinterm Schreibtisch“5, sondern mit einer Hantel in der Hand in ihren Büros zeigt. Titel der Geschichte: „Es ist an der Zeit zu hanteln“. In der CSU-Broschüre „Der Mann“ folgt auf das offizielle Porträt des Ministerpräsidenten eine Doppelseite mit Fotografien von Strauß als Redner sowie Aufnahmen, die ihn zusammen mit nationalen und internationalen Spitzenpolitikern und Staatsoberhäuptern zeigen. Das Rednerpult im Bundestag oder bei Wahlveranstaltungen vor einer großen Menschenmenge sowie der rote Teppich bei Staatsempfängen gehören ebenso zu den gängigen Versatzstücken und Ritualen des politischen Betriebs, wie das oftmals explizit für die Kameras präsentierte Händeschütteln. Bilder mit Theodor Heuss, Margaret Thatcher, dem israelischen Premierminister David Ben Gurion oder Leonid Breschnew lassen Strauß als einflussreichen und durchsetzungsfähigen Staatsmann sowie souveränen Weltpolitiker erscheinen. Über die mittels der Fotografie hergestellte Nähe zu bedeutenden Staatsmännern und Politikern wird versucht, deren politische und gesellschaftliche Stellung auf die eigene Person zu übertragen.
Winfried Rabanus, Büro Franz Josef Strauß in der Staatskanzlei mit Fotos von Staatsbesuchen 1988, ACSP
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Nicht zuletzt sollen hiermit Einfluss und die Weltgewandtheit6 von Strauß bildhaft zum Ausdruck gebracht werden. Dass einige besuchte Staatsmänner alles andere als lupenreine Demokraten waren, hat Strauß von Besuchen nicht abgehalten. Eine Reihe fotografischer Aufnahmen von Staatsreisen und -gästen fanden, sorgfältig gerahmt, wie Trophäen ihren Platz in seinem Büro in der Staatskanzlei. Ein weiteres zentrales Bildgenre des Politikers als „Amtsperson“ ist der „Economic Man“. Unter dieses Bildmuster fallen all jene Aufnahmen, die Strauß als Bauherrn und Planer von Infrastrukturprojekten oder Industrieanlagen zeigen, vor Architekturmodellen, bei Grundsteinlegungen mit dem Spaten in der Hand oder schlicht geschäftig telefonierend am mit Akten übersäten Schreibtisch, wie sich Strauß unzählige Male hat fotografieren lassen. Dieses Bildgenre visualisiert, dass der Politiker über Sachkompetenz verfügt, die großen Zukunftsaufgaben dynamisch angeht, Projekte Wirklichkeit werden lässt und damit der Bevölkerung die Erhaltung und Mehrung ihres Wohlstands garantiert. In diese Richtung argumentieren auch zwei zur Bundestagswahl 1969 entstandene CSU-Plakate mit den Slogans „Entschlossen die Zukunft sichern“ und „Strauß macht die DM hart“. Auch die Darstellung als „Visionär“, der den Blick seiner höheren Mission entsprechend von seinem Gegenüber abgewandt hat und kommenden Herausforderungen entgegenblickt, ist Teil dieser Bildstrategie. In der Broschüre „Der Mann“ wird Strauß mit der Aussage zitiert: „Gegenüber der Masse der einfachen Menschen befinde ich mich in einer besseren Lage als viele andere Politiker, weil ich selbst aus einfachen Verhältnissen komme.“7 Deutlich wird er damit abgegrenzt zur von der Bevölkerung damals schon als abgehoben wahrgenommenen Politikerklasse, die taub ist für die wahren Probleme der Bürgerinnen und Bürger. Als „Mann von nebenan“ kennt Strauß dagegen die Sorgen und Nöte seiner Wählerinnen und Wähler. Um dieses Image zu stützen, wird auf Bildformeln zurückgegriffen, die den Politiker in alltäglichen Situationen zeigen, etwa beim Sporttreiben sowie Fahrrad- oder Motorradfahren. Auch Strauß hat sich in alltäglichen Situationen inszenieren lassen, wobei seine Kleidung dem jeweiligen Anlass angepasst ist.8 Nicht selten wird sogar Unvorteilhaftes im Äußeren durch die Verbreitung derartiger Aufnahmen in Werbebroschüren oder Illus trierten gezielt in Szene gesetzt, um beim Leser eine
bestimmte Wirkung zu erzielen. Diese Bilder sollen dabei folgende Botschaft vermitteln: „Ich bin einer von euch, ich kenne eure Sorgen und Anliegen und werde mich für euch einsetzen“.9 Regelrecht greifbar wird dieses Setting in einer Fotografie aus dem Jahr 1980, die Strauß mit Schutzhelm und kohleverschmiertem Gesicht sowie Arbeitsmontur im Kreis von Bergleuten der Zeche Erin in Castrop-Rauxel zeigt; eine ähnliche Aufnahme von 1972 präsentiert Strauß im Reigen einer Gruppe von Köchen. Anonyme Gesichter, die – wie in den 1920er-Jahren bei August Sander – jeweils einzelne Typen der Gesellschaft repräsentieren, letztendlich aber völlig austauschbar sind. Auch der Politiker als „Freund des Volkes“ wird bevorzugt im direkten Kontakt mit der Bevölkerung dargestellt. Das klassische Bad in der Menge gehört ebenso zu dieser Gattung wie der Auftritt als huldvoll Winkender vor einer großen Menschenansammlung. Diese Rolle kann allerdings naturgemäß nur derjenige Politiker übernehmen, der bereits einen entsprechend großen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Gerade das Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten, das Strauß von 1978 bis zu seinem Tod im Jahr 1988 nahezu zehn Jahre ausübte, ermöglichte es, Volksnähe und Volkstümlichkeit sowie gleichzeitig die Repräsentation des Amtes in besonderer Form miteinander zu verknüpfen und medienwirksam zur Schau zu stellen. Ob Strauß in Gebirgsschützentracht, bei der Überreichung der ersten Maß Bier beim Oktoberfest durch Oberbürgermeister Erich Kiesl oder beim Trachtenumzug in der Kutsche neben dem Oberhaupt des ehemaligen bayerischen Königshauses fahrend und huldvoll den Menschen zuwinkend, zielen derartige Bilder auf die Beliebtheit des Politikers ab. Die Politiker wiederum können sich sicher sein, dass diese Art von Bildern genau dem entspricht, was die Medien gerne drucken und senden.10 Der Privatmann Bereits im Bundestagswahlkampf 1969 warb die CSU mit Wahlspots und Bildern, die Strauß zu Hause beim „Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel“ im Kreis seiner Familie zeigen. Auch die Broschüre „Der Mann“ zum Bundestagswahlkampf 1980 räumt der vermeintlich „privaten“ Seite von Strauß – dem „Menschen“ – genauso viele Seiten ein wie dem „Politiker“. Die Öffnung der eigenen Privatsphäre für Image- und Wahlkampfzwecke ist Teil einer Ver-
menschlichungs-Strategie, die den Politiker als Privatmensch, Ehemann und Familienvater zeigt. Sie zieht die Diskussion von einer öffentlichen auf die private Ebene und leistet damit zugleich der Personalisierung des Kandidaten Vorschub.11 Für Politiker bieten insbesondere Berichte aus dem Privatleben eine willkommene Gelegenheit, dem Leser die Möglichkeit zu geben, sein voyeuristisches Interesse an den privaten Lebenswelten seiner Volksvertreter zu befriedigen. Eine Untergruppe solcher privater Aufnahmen von Politikern stellen Urlaubsfotos dar. Dabei ist bereits die Wahl des Urlaubsorts für einen Politiker nicht immer nur eine reine Lustfrage, sondern mitunter auch von strategischen Überlegungen geleitet. Urlaub daheim demonstriert Volksnähe und Bodenständigkeit, südeuropäische Urlaubsländer suggerieren dem Wahlvolk eine gewisse Weltgewandtheit, die nicht abgehoben wirkt. Konrad Adenauer zog sich im Sommer meist an den Comer See zum Boccia-Spiel zurück. Familie Strauß verbrachte ihre Urlaube regelmäßig im eigenen Ferienhaus an der französischen Mittelmeerküste – in den ersten Jahren noch ganz ohne Telefonanschluss. Dort waren auch oftmals Fotografen zugegen, die die Familie bei ihren privaten Vergnügungen fotografieren durften. Doch nicht nur das Urlaubsziel kann politische Relevanz haben, sondern auch die Ferienkleidung. Hierbei sorgte etwa das Tragen von Badekleidung schon für allerlei politische und mediale Kampagnen.12 Bereits 1971 veröffentlichte der „Stern“ einige Badehosenbilder von Franz Josef Strauß im Kontext einer möglichen Kanzlerkandidatur. Jeder mediale Wirbel blieb seinerzeit aber aus. Strauß-Gegner griffen das Badehosen-Motiv erst 1979 auf, als Strauß tatsächlich für das Kanzleramt kandidierte. Der Slogan ihres Demontageplakats lautete damals: „Sorgen Sie dafür, daß dieser Kandidat am 5. Oktober baden geht“.13 Neben Reportagen aus dem privaten Umfeld von Politikern und ihren Urlaubsdomizilen waren für die Boulevardpresse und die Illustrierten natürlich auch Bilder ihrer Volksvertreter im Kontext anderer Prominenter interessant. Und hier bot München als „heimliche Hauptstadt“ immer genügend Anlässe. Gesellschaftliche Pflichttermine für Strauß waren natürlich der seit 1974 stattfindende Deutsche Filmball im Hotel Bayerischer Hof, die Bambi-Verleihung, Bälle wie der Bal Paré im Deutschen Theater oder die Benefizveranstaltung „Stars in der Manege“ im Circus-Krone-Bau.
Die bei solchen Gelegenheiten entstandenen Bilder demonstrieren die Nähe zu Stars aus der heimischen Schlagerszene wie Dieter Thomas Heck, Heino oder Roberto Blanco, zu Filmgrößen wie Klaus Maria Brandauer und Spitzensportlern wie Uli Hoeneß und nicht zuletzt zu internationalen Größen der Literaturszene wie die Kinderbuchautorin Astrid Lindgren. Mit solchen Bildern wird versucht, eine Übertragung des Kultstatus auf die Person des Politikers zu erreichen. Zumeist stellt sich allerdings bei derartigen Aufnahmen die nicht abschließend zu klärende Frage, wer eigentlich von wessen Reputation profitiert.14 Bildreportagen, die Politiker vermeintlich ganz privat, im Kreis ihrer Familie oder im Kontext anderer Prominenter zeigten, waren seit den 60er-Jahren in den zahlreichen Illustrierten wie „Quick“, „Kristall“, „Stern“ und „Bunte“ äußerst beliebt. Aber auch die ausgiebigen Klatschspalten der Boulevardzeitungen wie „Bild“ – und in München „Abendzeitung“ und „tz“ – reagierten auf ein gewachsenes Interesse ihrer Leserschaft an „Homestories“ von Sängern, Schauspielern, Politikern und anderen Prominenten. Die Gesellschaftssatire „Kir Royal“, in der es auch die Rolle des an Strauß angelehnten „Ministerpräsidenten“ gab, nahm die Münchner Bussi-Schickeria 1986 kritisch aufs Korn. Politainment Um die Menschen zu erreichen, muss Politik heute vor allem mediengerecht aufbereitet sein. Sie muss informieren, überzeugen, vielleicht gar mitreißen, daneben aber auch unterhalten.15 Historische Vorbilder für diese Verflechtung von Politik und Unterhaltungskultur lassen sich sowohl in den USA der 80er-Jahre als auch in Deutschland – vor allem im Politischen Aschermittwoch – ausmachen. Gerade das Fernsehen als das politische Informationsund Unterhaltungsmedium schlechthin unterstützt mit seiner visuellen Vermittlung diesen Trend zur Schau. Bereits im Bundestagswahlkampf 1957 stellte das Deutsche Fernsehen den Parteien erstmals Sendezeit für die Ausstrahlung von Wahlwerbung zur Verfügung. Eine nennenswerte Rolle spielte es dann zum ersten Mal im Bundestagswahlkampf 1961. In den folgenden Jahren richteten die großen Parteien ihre Kampagnen zunehmend auf dieses Medium aus. Im Vorfeld der Wahl 1972 fanden drei Fernsehdiskussionen statt, die das Modell für die „Elefantenrunden“ auch in den folgenden Wahlkämpfen abgaben
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und an denen Strauß wiederholt teilnahm. Spätestens zum Bundestagswahlkampf 1976 mussten sich Politiker auf das Fernsehen einstellen und es rückte endgültig in den Mittelpunkt des Interesses der Politik.16 Parallel zur Entwicklung und Verbreitung des Fernsehens wurde auch Politik zunehmend massenmedial in Szene gesetzt. Umstritten ist diese Inszenierung vor allem dort, wo sachliche Information und seichte Unterhaltungskultur aufeinander treffen. In den zahlreichen Formaten des Politainment werden Politiker nicht mit kritischen Fragen traktiert und müssen sich auch nicht gegen politische Gegner behaupten. Stattdessen gaukeln derartige Sendungen den Fernsehzuschauern vor, die Person hinter der Rolle des Politikers sichtbar zu machen.17 Auch wenn Strauß sicherlich nicht zu den Wegbereitern dieser Fernsehformate gezählt werden kann und dem Medium insgesamt eher distanziert gegenüber stand, wollte er sich dennoch dem Fernsehen nicht verschließen. So war er beispielsweise im Dezember 1985 als Wettpate zu Gast in der ZDFSpielshow „Wetten dass..?“. Die als Eurovisionssendung ausgestrahlte Samstagabendshow erzielte in den 80er-Jahren Traumeinschaltquoten und sicherte jedem Gast – ob Schauspieler, Sänger oder eben Politiker – ein Maximum an medialer Aufmerksamkeit zu. Allerdings war ein Auftritt in einer Unterhaltungssendung medial nur dann erfolgreich, wenn der Gast für den Fernsehzuschauer wirklich unterhaltsam, witzig und schlagfertig agierte. Franz Josef Strauß war in dieser Hinsicht kein Risiko. Als Gastgeber Frank Elstner das Gespräch etwa damit einleitete, er habe sich im Vorfeld von Strauß’ Besuch überlegt, bei wem er sich über ihn erkundigen
Fernsehinterview in Bonn 1957, ACSP
könne, parierte dieser wie aus der Pistole geschossen „beim Spiegel“, womit er natürlich die Lacher und die Sympathie vieler Zuschauer auf seiner Seite hatte. Unterhaltungswert scheint dieser Fernsehclip bis heute zu haben, denn seit seiner Onlinestellung bei „Youtube“ im Jahr 2012 wurde er über 57.000 Mal angeschaut. So wie der Auftritt eines Politikers in einer Unterhaltungssendung für den Talkmaster mit einem gewissen Risiko hinsichtlich des tatsächlichen „Unterhaltungswerts“ seiner Gäste behaftet ist, so steht der Gastgeber selbst auch unter einem gewissen Erwartungsdruck. Das musste etwa Alfred Biolek erleben, der 1979 Strauß zu Gast in seiner Talkshow „Kölner Treff“ hatte und dem hinterher vorgeworfen wurde, den streitbaren bayerischen Ministerpräsidenten zu wenig attackiert zu haben. „Ich habe Herrn Strauß in meinem Kölner Treff nett behandelt“, erinnerte sich Biolek Jahre später. „Der war so platt, er konnte es überhaupt nicht fassen.“18 Politik und Medien unterstützen sich letztlich also wechselseitig. Dem Journalisten dient der Politiker als Informationsquelle, so wie dem Politiker der Journalist als Sprachrohr dient, wobei sich im besten Fall beide gegenseitig in ihren Karrieren befördern. Die Zweischneidigkeit, die diesem Beziehungsgeflecht zwischen Politikern und Medien innewohnt, brachte Springer-Chef Mathias Döpfner im Zusammenhang mit der Causa Wulff auf den Punkt, als er sagte: Wer mit der Bild-Zeitung „im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten“.19 Politische Demontage Die letzte Doppelseite der Broschüre „Der Mann“ widmet sich unter der Überschrift „Die Gegner“ den Widersachern von Franz Josef Strauß in Politik und Medien. Sie wird mit je einem Titelbild des „Spiegel“ und „Stern“, die karikierende Darstellungen des CSU-Politikers zeigen, eingeleitet. Beide Zeitschriften gehörten zweifelsfrei zu den stärksten Gegenspielern von Strauß in der damaligen Presselandschaft und übten harsche Kritik insbesondere an den Methoden seines autoritären Regierungsstils. Auch diverse Schmiergeldaffären wurden ihm nachgesagt, von denen ihm jedoch keine nachgewiesen werden konnte. Die „zahllose[n] Diffamierungskampagnen gegen Strauß“, so wird in der Broschüre weiter ausgeführt, seien „mit theatralischem Pomp“ inszeniert und „stets mit dem Aufwand stalinistischer Schauprozesse“20 geführt
Franz Josef Strauß – Die Macht der Bilder
Impressum FRANZ JOSEF STRAUSS – DIE MACHT DER BILDER Herausgeber Renate Höpfinger, Henning Rader, Rudolf Scheutle April 2015 Allitera Verlag – Ein Verlag der Buch & media GmbH, München © 2015 Buch & media GmbH ISBN 978-3-86906-745-2 Konzeption und Redaktion Renate Höpfinger, Tobias Flümann, Henning Rader, Rudolf Scheutle unter Mitarbeit von Mary Glaser, Vanessa Osganian, Alexandra Schöfberger und Sebastian Lemke Umschlaggestaltung Reisserdesign nach dem Ausstellungsplakat von Gundula Kalmer unter Verwendung der Aufnahme von Winfried Rabanus, Franz Josef Strauß auf dem Parteitag der CSU am 4. Juni 1982 in München (ACSP, Rabanus Winfried: 34/8) Vorsatz: Josef Albert Slominski, Porträts von Franz Josef Strauß für Wahlkampfplakate, ACSP Nachsatz: „Spiegel“-Titelseiten Gestaltung Reisserdesign Gesamtherstellung Allitera Verlag in der Buch & media GmbH, München Diese Publikation erscheint als Begleitband zur Ausstellung „Franz Josef Strauß. Die Macht der Bilder“ des Münchner Stadtmuseums 24. April – 2. August 2015 Eine Kooperation von Münchner Stadtmuseum und Archiv für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München
Inhalt 5 6 8 24 32 46 64 74 80 88 94 100 108 112 126
Grußwort Isabella Fehle und Ursula Männle
Einführung Renate Höpfinger, Tobias Flümann, Henning Rader, Rudolf Scheutle
Ein Bild von einem Mann Henning Rader, Rudolf Scheutle
Franz Josef Strauß (1915 – 1988) – Biografie Horst Möller
Ein Wahlkampf ist kein „beauty-contest“ – Politische Werbung von Team '70 Thomas Helmensdorfer
Die „Inszenierung“ des Franz Josef Strauß im Kanzlerwahlkampf 1980 Doris Gerstl
Die Jagd als Statussymbol Henning Rader
Politiker als Piloten Henning Rader
Das Genre Fotoalbum Renate Höpfinger
Franz Josef Strauß und die Kunst Rudolf Scheutle
Strauß als Karikatur des Bayern Hannes Burger
Die Demontage der Mächtigen Henning Rader
Ich als „ER“ Helmut Schleich
Mythos Strauß Werner K. Blessing
Anhang Autorenverzeichnis | Fotografen, Grafiker und Künstler | Kapitelbilder
Grußwort Der 100. Geburtstag, den Franz Josef Strauß 2015 hätte begehen können, bietet den Anlass für die Kabinettausstellung „Franz Josef Strauß – Die Macht der Bilder“ im Münchner Stadtmuseum. Strauß, bei Kriegsende 30 Jahre jung, wurde am 1. Juni 1945 von der amerikanischen Militärregierung zum „Assistant Landrat“ in Schongau eingesetzt. Von da an war er zunächst in Schongau und München, seit 1949 als Bundestagsabgeordneter und CSU-Generalsekretär über Bayern hinaus, politisch tätig. Aufgrund seines überragenden Rednertalents und seiner politischen Begabung errang der charismatische Politiker schon sehr früh die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Presse, seit den 50er-Jahren auch der internationalen Medien. Gleichermaßen verehrt und angefeindet blieb er über Jahrzehnte von enormer öffentlicher Präsenz. Und noch lange nach seinem Tod 1988 prägte er manche Schlagzeile. Während seines langen politischen Wirkens entstanden unzählige Bilder in den unterschiedlichsten Formaten und Medien, von Fotos, Film- und Tonaufnahmen über Plakate, Flugblätter und Karikaturen bis zu Zeichnungen, Gemälden und Büsten verschiedener Künstler sowie zahlreicher Hobbymaler und Verehrer. Dieser reiche Quellenfundus, der sowohl im Archiv für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung als auch in den Sammlungen des Münchner Stadtmuseums vorliegt, bot die Basis für ein gemeinsames Ausstellungsprojekt. Am konkreten Beispiel von Franz Josef Strauß werden die Strategien der Imagebildung und Inszenierung eines Politikers, seine mediale Darstellung wie auch die visuelle „Demontage“ aufgezeigt. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei den gestalterischen Mitteln zu, mit denen die inhaltlichen Aussagen transportiert werden. An ihnen lassen sich exemplarisch Fragen der Wirkungsästhetik und politischen Ikonografie behandeln, die weit über die Person Strauß hinausreichen und Einblicke in unsere Mediengesellschaft gewähren.
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Vielen Menschen ist Franz Josef Strauß auch heute noch gegenwärtig und sie alle haben ein bestimmtes Bild von ihm vor Augen. Heutige wie damalige Bilder und Einschätzungen zu hinterfragen, ihre Entstehungszusammenhänge zu beleuchten und ihre Zielsetzung und Wirkungsweise zu analysieren ist Ziel der Ausstellung und dieses Bandes. Allen Mitwirkenden sowie den Autorinnen und Autoren gilt unser Dank.
DR. ISABELLA FEHLE Direktorin des Münchner Stadtmuseums PROF. URSULA MÄNNLE Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung
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Einführung RENATE HÖPFINGER, TOBIAS FLÜMANN, HENNING RADER, RUDOLF SCHEUTLE Im Jahr 2015 hätte Strauß seinen 100. Geburtstag begangen. Noch heute, fast drei Jahrzehnte nach seinem Tod, ist Franz Josef Strauß in einer Weise medial und öffentlich präsent wie kaum ein anderer deutscher Politiker der Nachkriegszeit. Immer wieder zitiert, immer wieder auch von aktuellen Kommentatoren als Referenz zu diversen politischen Vorgängen und Fragen angeführt, befeuert von „seinen“ fulminanten posthumen Auftritten in Kabarettsendungen oder als „Gegenstand“ aktueller Karikaturen und Cartoons zum Zeitgeschehen, erscheint sein Bild mit eindrucksvoller Häufigkeit in den Medien. Auch wenn seine Darstellung dabei vielfach Klischeebildern folgt, steigern diese doch erheblich seine Präsenz und tragen nicht wenig zur Mythisierung seiner Person bei. Idee zur Ausstellung Seit Langem gehört die politische Ikonografie zum Methodenkanon der Kunstgeschichte. Auch die Medienwissenschaften widmen sich seit geraumer Zeit verstärkt der Untersuchung von Selbst- und Fremdinszenierung politischer Akteure. Die Darstellung politischer Macht in der Malerei, in der Architektur und Plastik folgt Jahrhunderte alten Traditionen. Die Inszenierung von Politikern in der Fotografie und in der politischen Wahlwerbung stellt eine weitere, jüngere Form der Kommunikation im Feld politischer Machtausübung dar. Der suggestiven Kraft dieser Bilder gilt die Analyse, wobei ein weiterer Fokus auf die Darstellungen gelegt wird, die als Mittel des Protests in Flugblättern oder Fotomontagen zur Demontage von politischer Macht eingesetzt werden. An der Darstellung des exponierten Politikers Franz Josef Strauß, dessen Bildpräsenz und Wirkmächtigkeit in München und Bayern ihresgleichen sucht, lassen sich exemplarisch Fragen der Wirkungsästhetik und politischen Ikonografie behandeln, die weit über die Person Strauß hinausreichen. An seinem politischen Lebensweg lässt sich eindrücklich nachvollziehen, wie bereits zu Beginn seines Wirkens ein Trend zur Personalisierung einsetzte und sich dieser zunehmend verstärkte. Die Inszenierung der Person durch die poIitische Werbung wurde dabei immer weiter professionalisiert. Dadurch sowie durch gezielte Dekonstruk-
tionen unterlag sein Bild in der Öffentlichkeit in den fast 40 Jahren seines Politikerlebens manchen Wandlungen. Heute scheint von politischen Programmen immer weniger und von der Person und ihrer professionellen Inszenierung dagegen fast alles abzuhängen. Wenn nicht nur politische Prozesse hoch komplex, sondern gleichzeitig die zu regelnden Sachfragen immer komplizierter werden, dann erwachsen daraus ernsthafte Probleme. Die Person des Politikers schafft in dieser Situation Übersichtlichkeit, Zurechenbarkeit von Entscheidungen und insgesamt Wahrnehmbarkeit von Politik. Abstraktes Systemvertrauen wird auf dieser Ebene durch personales Vertrauen ergänzt. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie wichtig die Imagebildung von Politikern für den Machterwerb und Machterhalt ist. Materialien – im Münchner Stadtmuseum und Archiv für Christlich-Soziale Politik Das 100. Geburtsjahr von Strauß gab den Anlass, dem streitbaren CSU-Politiker eine Kabinettausstellung zu widmen, die seine Darstellung in unterschiedlichen Bildmedien untersucht. Ausgehend von den Beständen des Münchner Stadtmuseums zur Person Franz Josef Strauß bot sich die Zusammenarbeit mit dem Archiv für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung an, da dort nicht nur die historische Überlieferung des Politikers Strauß, sondern insbesondere auch die Wahlmaterialien der CSU mit umfangreichen Sammlungen von Fotografien, Zeitschriften, Plakaten, Flugblättern und audiovisuellen Dokumenten wie Wahlspots archiviert und einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Nicht zuletzt befinden sich in den Archivbeständen auch die Unterlagen der Werbeagentur Team '70, die den Wahlkampf der CSU in entscheidender Weise professionalisierte. Anhand dieser vielfältigen und unterschiedlichen Bildmedien lassen sich die verschiedenen Darstellungen von Franz Josef Strauß beleuchten und Strategien der medialen Inszenierung wie auch der visuellen Demontage aufzeigen. Dies gibt nicht nur Aufschluss über seine Person und die Funktionsweisen politischer Werbung, sondern eröffnet auch Einblicke in unsere Mediengesellschaft.
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Autoren und Beiträge Die Ausstellung und Beiträge des Katalogs spüren dem öffentlichen Bild des Politikers Strauß nach. In einem einleitenden Artikel erläutern die Kuratoren Henning Rader und Rudolf Scheutle das Konzept der Ausstellung. Sie analysieren die Strategien der Imagebildung und beleuchten die Rollen der Inszenierung, die sich in den Darstellungen von Franz Josef Strauß wiederfinden, gleichwohl aber universal eingesetzt, gerade bei Spitzenpolitikern aller Parteien anzutreffen sind. Darunter klassische Rollen wie die des Landesvaters, des „Mannes von nebenan“, die ihn in einer vorgeblich authentischen Privatsphäre zeigen, aber auch die des Visionärs und einflussreichen Staatsmanns. Darüber hinaus werden in den Katalog weitere Kurztexte aufgenommen, die verschiedene Aspekte und Facetten vertiefen, so zum Beispiel „Politiker in der Kunst“, „Die Jagd als Statussymbol“ oder auch der wichtige Bereich der Demontagen. Zudem sind einzelnen Genres wie Fotoalben oder Karikaturen eigene Darstellungen gewidmet. Der Journalist Hannes Burger zeigt in seinem Beitrag die Möglichkeiten und Grenzen der Karikatur als Mittel der Kritik an politischen Ereignissen oder Personen. Horst Möller, Verfasser des in Kürze erscheinenden Bandes „Franz Josef Strauß – Herrscher und Rebell“, schildert auf der Basis neu ausgewerteter Quellen die wesentlichen Stationen der Biografie. Die Kunsthistorikerin Doris Gerstl untersucht die Methoden und Maßnahmen der Inszenierung von Strauß bei seiner Kanzlerkandidatur 1980 vor allem am Beispiel von Wahlplakaten. Thomas Helmensdorfer, langjähriger Mitarbeiter, Geschäftsführer und späterer Inhaber von Team `70, berichtet anschaulich aus dem Inneren der ehemaligen Werbeagentur, die mehrere Jahrzehnte die Wahlkämpfe der CSU werbetechnisch begleitet und gestaltet hat. Mit ihrer innovativen und modernen „Verpackung“ der politischen Inhalte hat sie wesentlich dazu beigetragen, das in den 70er-Jahren unter Generalsekretär Gerold Tandler formulierte strategische Ziel, die Identifizierung von Bayern und CSU, umzusetzen. Dabei wird auch ein Blick auf die Haltung von Franz Josef Strauß zur politischen
Werbung und die Inszenierung seiner Person geworfen. Abgerundet wird der Katalog durch ein großes Kapitel zur Rezeption. Hierhin gehört zum einen der kurze Beitrag von Helmut Schleich zu seiner Rolle als Strauß. Zum anderen analysiert Werner K. Blessing in einem luziden Aufsatz den „Mythos Strauß“. Er stellt Entwicklungen dar, die bereits zu Strauß’ Lebzeiten in diese Richtung wirkten und untersucht die Trauerfeierlichkeiten, die auch international großes Aufsehen erregten und sein Bild nachhaltig prägten; ein Bild, an dem bis heute gearbeitet und gefeilt wird. Die Aufsätze und Kurzbeiträge werden jeweils durch thematisch passende Bilderstrecken ergänzt. Sie stellen eine Auswahl der in der Ausstellung gezeigten Exponate dar und ergänzen diese mitunter in einzelnen Fällen.
worden. So wie im Begleittext dem Leser zu erklären versucht wird, dass vor allem Strauß’ Intelligenz, sein schnelles Auffassungsvermögen und nicht zuletzt sein rhetorisches Talent die Widersacher auf den Plan rufen würde, so wird auf visueller Ebene versucht, die bissigen, satirischen Titelbilder als verleumderisch zu brandmarken. Die Zeitschriftencover werden hierfür in den Kontext juristischer Prozesse gestellt, die Strauß gegen Rudolf Augstein, Henri Nannen und andere wegen Verleumdung anstrengte und gewann. Dabei wird auch auf das Plakat „Der Kanzlerkandidat“ von Ernst Volland Bezug genommen, das neun verschiedene Fotografien von Strauß, die ihn als Redner, Gesprächspartner oder Telefonierer zeigen, mit jeweils einem Zitat kombiniert. Gegen zwei dieser Bildkommentare erwirkte Strauß eine einstweilige Verfügung, woraufhin Volland eine Variante dieses Plakats entwarf, das diese beiden Textstellen durch den Vermerk „Zensur“ ersetzte und auf diese Weise das damit verbundene Gerichtsurteil kommentierte. Deutlich zeigt sich an diesem Beispiel, wie erbittert Strauß und seine Gegner miteinander rangen.
Als exponierter Politiker war Strauß der politischen Satire und Demontage permanent ausgesetzt. Auf oft ironische, aber auch radikale und mitunter diffamierende Weise hinterfragt sie das zuvor geschaffene Image und blickt so hinter die Masken der Mächtigen. Strauß bot dabei mit seinem Ruf als bayerischer Wadlbeißer, durch die „Spiegel-Affäre“ und seine Intimfeindschaft mit Helmut Kohl jede Menge Stoff für seine politischen Gegner. Ihm wurde korruptes Verhalten nachgesagt und er war als Machtmensch verrufen. Wie kein Zweiter polarisierte er die öffentliche Debatte. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Bild des Politikers bietet daher zusätzliche Differenzierung und eröffnet bisweilen ungewöhnliche Blickwinkel (siehe dazu auch den Beitrag „Die Demontage der Mächtigen“).
Ernst Volland, Plakat 1971, MStM
Ernst Volland, Plakat mit "Zensur"-Vermerk 1978, MStM
Tod und Nachleben von Franz Josef Strauß Auf einem Jagdausflug erlitt Strauß einen Zusammenbruch mit kurzfristigem Herzstillstand, an dem er wenige Tage später am 3. Oktober 1988 in einem Regensburger Krankenhaus starb. Die Totenfeier
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von Strauß in München war das bislang letzte Staatsbegräbnis, das mit einem derart pompösen Aufwand vollzogen wurde und ein Medienecho dieser Größenordnung in der Bundesrepublik hervorrief. Grundsätzlich hat sich mit der fortschreitenden Demokratisierung der Staatsakt von der emotionalen zunehmend auf die rationale Ebene verlagert, sodass das staatliche Zeremoniell in Demokratien durch Entschlackung und Nüchternheit geprägt ist.21 Die vermeintlich bedeutungsarme Alltäglichkeit demokratischer Staaten überrascht jedoch in unregelmäßigen Abständen mit zeremoniellem Prunk. Mit dem Tod wichtiger und populärer Zeitgenossen wie Franz Josef Strauß scheint sich allerdings gelegentlich ein angestautes gesellschaftliches Bedürfnis nach überschwänglicher Ritualisierung Bahn zu brechen. Die Bild-Zeitung schwärmte: „Begräbnis wie ein König“. In der Tat wurde der Trauerkondukt für Strauß eng an die Dramaturgie der Leichenzüge der letzten Wittelsbacher angelehnt. Die monarchische Feier symbolisierte mit dem Gesamtbild der Staatstrauer eindrücklich die Sonderstellung des Freistaates Bayern in der Bundesrepublik. Mit der Totenfeier konnte sich Bayern im großen Rahmen nach innen und außen selbst darstellen, wobei zu betonen ist, dass das Aufgebot eher bescheiden ausfiel und es keine schwarze Trauerverkleidung der Gebäudefassaden und auch keinen schwarzen Fahnenwald gab. Selbst die Ehrenwachen und salutierenden Bundeswehreinheiten traten nur in geringer Zahl auf. Die Bilder, die vom Trauerzug in München um die ganze Welt gingen, zeigen vor allem den Andrang der Trauergäste und Schaulustigen, die den Staatsakt zu einem emotionalen Volksauflauf machten. Mehr als 100.000 Menschen wohnten dem Trauerzug bei, mehr als beim Staatsbegräbnis von König Ludwig II. oder Prinzregent Luitpold. Die anwesende Politprominenz spiegelt die Wertschätzung des Politikers wider, zu dessen Abschied hochrangige Vertreter selbst aus dem damaligen Ostblock angereist waren.22 Auch die Kirchen erwiesen dem Staatsmann die letzte Referenz. Die Totenfeier für Strauß geriet zu einer symbolischen Interaktion zwischen Staat und Volk und stiftete Identität. Anschaulich belegen diese Bilder, wie ein Staatsbegräbnis nicht nur für die Wahrnehmbarkeit sinnhafter Ordnung steht, sondern in ihm offenbar auch ein Bedürfnis nach Personalisierung von Politik zum Ausdruck kommt (siehe dazu auch den Beitrag „Mythos Strauß“). Nach seinem Tod sah es jahrelang so aus, als wür-
de Strauß, ähnlich wie einst König Ludwig II., zu einem bayerischen Mythos stilisiert. Tatsächlich war im Freistaat in den frühen 80er-Jahren eine Monarchieseligkeit aufgeflackert, etwa auf dem Münchner Nockherberg, wo dem Ministerpräsidenten stark gehuldigt und er von Walter Fitz symbolisch zum König von Bayern gekürt wurde. Nach dessen Tod gab es sowohl im bayerischen Landtag als auch auf dem ersten Parteitag der CSU Gedenkveranstaltungen und -rituale für Strauß. Die Parteizentrale in der Nymphenburger Straße wurde nach ihm benannt. Die Familiengruft in Rott am Inn verwandelte sich für einige Jahre zu einer Art Wallfahrtsstätte. Der Bedeutung dieses Orts war sich auch eine Gruppe jüngerer konservativer CSU-Mitglieder bewusst, als sie sich unlängst dort öffentlich traf.23 Insgesamt nahm jedoch der Kult im Lauf der Jahre merklich ab. Eine entscheidende mediale Neubelebung des Strauß-Mythos ist dem Karikaturisten Dieter Hanitzsch und dem SZ-Redakteur Herbert Riehl-Heyse zu verdanken, der mit seiner satirischen Cartoon-Serie „Der große Max“ über einen niederbayerischen CSU-Bundestagsabgeordneten im Bayerischen Fernsehen Strauß regelmäßig als „himmlischen Ratgeber“ auftauchen lässt. Sprecher des Trickfilms war, bis zu seinem Tod 2009, Jörg Hube, der selbst jahrelang als „barocker“ Franz Josef Strauß aufgetreten ist. Im Jahr 2010 erweckte der Kabarettist Helmut Schleich auf dem Münchner Nockherberg Strauß zu neuem Leben. Als die CSU bei der Wahl 2008 die absolute Mehrheit in Bayern verloren hatte, kam immer wieder die Frage auf, was wohl Strauß zu alldem gesagt hätte. Und weil auch Schleich diese Frage interessant fand, gab er sich darauf selbst die Antwort und liest seither als Franz Josef Strauß dem bayerischen Kabinett regelmäßig die Leviten (siehe dazu auch den Beitrag „Ich als ER“).24
1 Münchner Merkur vom 5.12.1979. 2 Ahnengalerien mit Fotografien gab und gibt es in verschiedenen Bonner und Berliner Ministerien. Ein Porträt von Strauß hing im Rahmen einer solchen Ahnengalerie etwa im Bundesverteidigungsministerium. Vgl. Gabriele Kahnert, Bühnen der Macht – Bilder aus Bonn, Hamburg 1999, S. 29. 3 Bei der Neujahrsansprache 1986 las Strauß seine Rede noch vom Manuskript ab, im Folgejahr bediente er sich eines Teleprompters, der es ihm erlaubte in ständigem „Blickkontakt“ mit dem Fernsehzuschauer zu sein. 4 Stern 22/1964, S. 6f.
5 Interview Stefan Moses, in: Ausstellungskat. Stefan Moses – Die Monographie, Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum, 2000, S. 278. 6 Der „Bayernkurier“, der zum 100. Geburtstag von Strauß eine Sondernummer herausgegeben hat, betitelt das von ihm verwendete Bild einer Auslandsreise von Strauß gar mit „Globalist“. 7 Der Mann, hg. v. Referat Öffentlichkeitsarbeit der CSU-Landesleitung, München 1980, o.S. 8 Bereits 1961 riet die Fotografin Liselotte Strelow: „Der Politiker, der Wahlchancen in einem Arbeiterviertel haben will, darf auf dem Plakat nicht wie ein Modefatzke aussehen.“ Strelow, Liselotte, Das manipulierte Menschenbildnis oder Die Kunst, fotogen zu sein, Düsseldorf 1961, S. 85. 9 Vgl. Brändle, Christian, Politikerporträts, in: Ders. (Hg.), Head to Head. Political Portraits, Baden/Schweiz 2009, S. 17; Zur Inszenierung von Politik: Diehl, Paula/Koch, Gertrud (Hg.), Inszenierungen der Politik. Der Körper als Medium, München 2007. 10 So wundert sich der Autor Klaus Waller anlässlich des Abdrucks einer Fotografie von Strauß und Kiesl auf der Theresienwiese in der „Rheinischen Post“ (18.09.1978) nicht über eine Bildpolitik der Medien, die: „unter 500.000 Besuchern des Oktoberfests ausgerechnet die beiden führenden CSU-Politiker als einzige ‚veröffentlichungsreife‘ Foto-Objekte“ ansieht. Waller, Klaus, Fotografie und Zeitung. Die alltägliche Manipulation, Düsseldorf 1982, S. 46f. 11 Vgl. Müller, Marion G., Politische Bildstrategien im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 1828–1996, Berlin 1997, S. 207f. 12 Eine regelrechte Affäre gab es 1919, als Friedrich Ebert, erster Reichspräsident der Weimarer Republik, neben seinem Reichswehrminister Gustav Noske sich in der Ostsee nur in einer Badehose fotografieren ließ. Das Foto, am 24. August 1919 auf dem Deckblatt der „Illustrirten Zeitung“, erlangte schnell Symbolwert. Das also sind des Kaisers neue Kleider, raunte das misstrauische Volk. Der ehemalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping ließ sich 2001 auf Mallorca mit seiner Lebensgefährtin bei Liebkosungen im Pool ablichten, während sich zeitgleich seine Soldaten auf ihren Mazedonien-Einsatz vorbereiteten. In Regierungskreisen galt das Timing des Ministers als völlig „daneben“. Während all diese Bilder im gegenseitigen Einvernehmen entstanden sind, handelt es sich bei einer 2006 im britischen Boulevardblatt „The Sun“ veröffentlichten Foto von Angela Merkel von hinten, als diese gerade den Badeanzug wechselte, um ein Paparazzi-Foto, das ohne das Wissen und die Zustimmung der Kanzlerin veröffentlicht wurde. Die Bundesregierung reagierte verschnupft. 13 Die Zeitschrift „Psychologie heute“, die sich im März 1980 in einer Titelgeschichte mit den psychologischen Dimensionen des Kanzlerwahlkampfs beschäftigte, druckte in ihrem Artikel ein Foto aus der „Bunten“ (Nr. 39/1979) nach, das Strauß in Badehose am Steuer eines Motorboots im Sommerurlaub an der Côte d'Azur zeigt. Während die Bunte das doppelseitig abgedruckte Foto mit der Überschrift „Wenn Franz Josef Vollgas gibt“ versieht, unterlegt „Psychologie heute“ den Wiederabdruck des Bildes mit der Frage: „Ist Strauß der übergewichtige Kleinbürger, der sich freut, mit dem, was er hat, posieren zu können?“ Das Bild des Steuermanns, der auch in der Lage wäre, das Staatsschiff zu lenken, wird hier quasi in sein Gegenteil verkehrt, und aus Strauß ein Kleinbürger gemacht, der an seinem Boot als Statussymbol hängt; ganz so wie 1999 in der legendären Sparkassen-Werbung: „Mein Auto, mein Haus, mein Boot“.
14 Einige Aufnahmen von Strauß bei solchen gesellschaftlichen Anlässen finden sich auch in Herlinde Koelbls 1986 erschienenem Buch „Feine Leute“: „Mir ging es nie darum, irgendjemanden bloßzustellen“, erläutert die berühmte Fotografin. „Ich wollte ein Porträt über eine bestimmte Gesellschaftsschicht machen. Das heißt, die Körpersprache, die Rituale, Begrüßungen und Verabschiedungen festzuhalten wie in einem Spiegel.“ 15 Grundlegend hierzu: Dörner, Andreas/Vogt, Ludgera (Hg.), Unterhaltungsrepublik Deutschland. Medien, Politik und Entertainment, Bonn 2012; Müller, Marion G., Politische Bildstrategien im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 1828–1996, Berlin 1997; Voigt, Rüdiger (Hg.), Politik der Symbole. Symbole der Politik, Opladen 1989; Meyer, Thomas/Ontrup, Rüdiger/Schicha, Christian, Die Inszenierung des Politischen. Zur Theatralität von Mediendiskursen, Wiesbaden 2000; Dörner, Andreas/Vogt, Ludgera (Hg.), Wahl-Kämpfe. Betrachtungen über ein demokratisches Ritual, Frankfurt a.M. 2002; Röttger, Ulrike (Hg.), PR-Kampagnen. Über die Inszenierung von Öffentlichkeit. 4. überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden 2009. 16 Holtz-Bacha, Christina, Wahlkämpfe in Deutschland, in: Dörner, Andreas/Vogt, Ludgera (Hg.), Wahl-Kämpfe. Betrachtungen über ein demokratisches Ritual, Frankfurt/M. 2002, S. 211–232, hier S. 213, 219f u. 223. 17 Vgl. hierzu auch: http://www.uni-marburg.de/fb09/medienwissenschaft/forschung/dfg-talkshow/projektinfos/index_html?searchterm=menschelnde%20politiker [3. Dezember 2014]. 18 Vgl. hierzu: http://www1.wdr.de/themen/archiv/stichtag/stichtag8440.html [23. März 2015]. 19 Zitiert nach: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/wulffund-die-bild-zeitung-das-band-ist-zerschnitten-a-806751.html [18. März 2015]. 20 Der Mann, hg. v. Referat Öffentlichkeitsarbeit der CSU-Landesleitung, München 1980, o.S. 21 Vgl. Zitzlsperger, Philipp, Tod des Herrschers, in: Fleckner, Uwe/ Warnke, Martin/Ziegler, Hendrik (Hg.), Politische Ikonographie. Ein Handbuch, Bd. II: Imperator bis Zwerg, 1. Aufl. München 2014, S. 438–445, hier: S. 443f. Danach folgende Ausführungen. 22 Am Rande der Trauerfeierlichkeiten kam es jedoch zu Demons trationen der Gegner der Apartheidpolitik Südafrikas und gegen Pieter Willem Botha, den Staatspräsidenten der Republik Südafrika, der zur Trauerfeier nach München gekommen war. Rund 200 Menschen protestierten im Rahmen einer Mahnwache am Stachus gegen die Anwesenheit Bothas und seines Außenministers bei der Trauerfeier. Vgl. Scherf, Ingrid/Wegner, Manfred (Hg.), Wem gehört die Stadt? Manifestationen neuer sozialer Bewegungen im München der 70er-Jahre, Andechs 2013. 23 Vgl. hierzu: http://www.welt.de/regionales/bayern/article 133512878/Junge-Konservative-treffen-sich-am-Strauss-Grab. html [19. März 2015]. 24 Vgl. hierzu: http://www.taz.de/!111014/ [17. März 2015].
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Stefan Moses, 1964, MStM
Stefan Moses, 1964, MStM
Bild rechts: Titel „Stern“ 1964, MStM
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