Hiltrud Meier-Engelen Die Geschichte von der Eins und dem Unendlichen
Hiltrud Meier-Engelen
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© 2008 Hiltrud Meier-Engelen Illustrationen und Umschlaggestaltung: Malchas Cickisvilli Satz u. Layout: Buch&media GmbH, München Herstellung u. Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt Printed in Germany ISBN 978-3-8370-4803-2
Inhalt Die Bärengruppe macht Bekanntschaft mit der 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ann und Ben träumen . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Eine Idee, die noch blöder ist als blöd . . . 16 Einsen gibt es mehr als Sand am Meer . . 18 Die Einsen schließen sich zusammen . . . 22 Die Schwierigkeit mit dem Endlosen, dem Unendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Vater oder Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Schon wieder ein Problem mit dem Unendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Am Anfang steht die Eins . . . . . . . . . . . . . 37 Es gibt keine Zahl, in die alle Einsen hineinpassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Aus der Traum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Die B채rengruppe macht Bekanntschaft mit der 1
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eute“, sagte Frau Jäger zu den Kindern der Bärengruppe, „heute macht ihr Bekanntschaft mit der Eins. Holt schon mal eure Buntstifte und Blöcke. Dann könnt ihr lauter Einsen malen, während ich euch etwas erzähle.“ Das gab natürlich erst einmal ein kleines Durcheinander im Kindergarten, aber dann saßen alle wieder auf ihren Plätzen und schauten zu, wie Frau Jäger eine große, ordentliche
1 auf die Tafel schrieb. „Seht ihr, so geht es“, sagte sie. „Wir sagen ,eins’ und machen dieses Zeichen: einen kleinen Strich schräg nach oben und einen langen Strich gerade nach unten. Jetzt könnt ihr die Eins in allen Farben nachmalen und ich erzähle euch dabei von dieser erstaunlichen Zahl, die die kleinste von allen
Zahlen zum Zählen, aber gleichzeitig Vater oder Mutter aller Zahlen ist.“ Kein Wunder, dass es jetzt ganz still wurde. Schließlich ist es ja auch erstaunlich, dass Zahlen einen Vater oder eine Mutter haben sollen. So saßen sie und malten ihre Einsen. Ben setzte eine dicke rote Eins in die Mitte und lauter verschiedenfarbige drum herum, seine Schwester Ann malte ganz viele kleine Einsen, denn die Eins sollte ja die kleinste Zahl von allen sein. Jedes Bild sah am Schluss anders aus. Manche Einsen standen ein wenig schief, andere sahen etwas zittrig aus und einige standen ganz verkehrt herum. Dabei hörten die Kinder fasziniert der Erzählung zu. Denn wenn Frau Jäger erzählte, war es immer spannend und man bekam vom Zuhören rote Ohren. Ist es da ein Wunder, dass Ann und Ben in der folgenden Nacht im Schlaf lauter bunte Einsen sahen und die fantastische Geschichte von der Eins und dem Unendlichen träumten? 10
Ann und Ben tr채umen
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erlegen standen die Einsen herum, manche eng beieinander, andere lehnten sich aneinander, weil sie so schräg, wie sie waren, nicht gut ohne Stütze stehen konnten, andere zitterten, als ob ihnen kalt wäre.
„So geht das nicht, Leute“, donnerte mit strenger Stimme die dicke rote Eins. „Was für ein Bild soll sich denn die Welt von der wichtigsten Zahl machen, wenn ihr so schlaff herumhängt?“ Da ihr an einem guten Benehmen der Einsen gelegen war und sie sich selbst für ein geeignetes Vorbild hielt, kommandierte sie gleich weiter: „Ihr zittrigen Typen da, nehmt erst einmal Haltung an!“ Das taten sie ganz schnell, wollten sie doch nicht unangenehm auffallen. „Und ihr da, habt ihr etwa zu viel getrunken? 13
Stellt euch gefälligst gerade hin. Und was soll das, der Welt den Rücken zuzukehren? Dreht euch richtig herum!“ Und dann standen alle stramm, aufrecht und richtig herum, sie standen alle gerade – gerade wie eine Eins. „Irgendwie fehlt uns aber noch der Überblick“, gab die vornehme blaue Eins zu bedenken. „Hier stehen die Einsen ganz eng, da wieder sind große Lücken.“ „Das ändern wir, das ändern wir!“, tönte die dicke rote Eins. Sie sagte „wir“, meinte aber nur sich selbst. „Leute, noch einmal herhören! Ordnung ist wichtig, Ordnung muss sein. Stellt euch alle in einer Reihe hinter mir auf.“
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„Na gut“, meinte die vornehme blaue Eins, der die Idee vernünftig erschien, „stellen wir uns in einer Reihe auf.“ Das gab ein Gedränge und Geschiebe. Die Schlange quoll schon aus dem Haus heraus, um die Ecke, die Landstraße hinauf, durch ganz Aachen, über die Autobahn, an Leverkusen vorbei, bis Berlin … Von überall kamen Einsen gelaufen, um an diesem Ereignis teilzunehmen. Die Schlange reichte schon einmal um die ganze Erde herum, dann noch einmal und noch einmal und noch einmal …
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Eine Idee, die noch blรถder ist als blรถd
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ie Idee ist blöd“, piepsten die kleinen Einsen, die am Südpol gelandet waren. „Wir frieren uns hier noch zu Tode.“ „Und wir erst“, jammerten die Einsen in der Sahara, die schon heftig verbrannt aussahen, „wir schmoren zu Tode.“ „Viel schlimmer“, warf eine aufmüpfige grüne Eins ein, die kurz hinter der roten Eins stand, „die Idee ist blöder als blöd. Wenn wir immer und immer wieder um die ganze Erde herumstehen, sieht das nachher aus wie Omas Wollknäuel. Wo bleibt da die Übersicht?“
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Einsen gibt es mehr als Sand am Meer